Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.10.2023, Az.: 21 UF 147/23
Familiengerichtliche Maßnahmen gegen die Eltern mangels deren Veranlassung ihrer Kinder zum Schulbesuch; Beurteilung einer Kindeswohlgefährdung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 10.10.2023
- Aktenzeichen
- 21 UF 147/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 45695
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Cuxhaven - 13.07.2023 - AZ: 11 F 1082/23
Rechtsgrundlage
- § 1666 BGB
In der Familiensache
betreffend die elterliche Sorge für
1. J. M. Sch., geb. am ...2008
2. A. Sch., geb. am ...2010
3. T. Lisbeth Sch., geb. am ...2011
Beteiligte:
1. J. M. Sch., geb. am ...2008
2. A. Sch., geb. am ...2010
3. T. Lisbeth Sch., geb. am ...2011
4. C. Sch., ..., c/o T. W., ...,
5. R. T. Sch., ..., c/o T. W., ...,
zu 4 und 5 Kindeseltern und Beschwerdeführer,
6. Landkreis C., Jugendamt, ...,
Geschäftszeichen: ...,
Antragsteller,
hat der 21. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ... am 27. September 2023 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Beschwerde der Kindeseltern gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Cuxhaven vom 13. Juli 2023 wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kindeseltern zu je 1/2.
- 3.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 2.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Das Verfahren hat familiengerichtliche Maßnahmen gegen die Eltern gemäß § 1666 BGB zum Gegenstand, weil sie ihre drei Kinder seit Mai 2022 nicht mehr zum Schulbesuch veranlasst haben. Sie wurden seitens des Jugendamts mehrfach über die Schulbesuchspflicht der Kinder aufgeklärt und auch darüber, welche rechtlichen Folgen das Verhalten nach sich ziehen kann.
In der lediglich hinsichtlich der Kostengrundentscheidung angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht familiengerichtliche Maßnahmen ergriffen und den Eltern die Kosten des Verfahrens gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG auferlegt.
Dagegen wenden sich die Eltern mit ihrer Beschwerde und begründen diese damit, dass sie dem Gericht die Absicht mitgeteilt hätten, den Wohnsitz ins Ausland zu verlegen und auch im Verfahren erklärt hätten, dass sie mit den angebotenen Maßnahmen zu Konfliktbewältigung (Cuxbus etc.) einverstanden gewesen wären. Außerdem würde der Wechsel des Wohnorts gewisse Einschränkungen und Kosten bedingen. Sie bitten um Prüfung, ob es angemessen sei, dass sie die Kosten zu tragen hätten.
II.
Die zulässige isolierte Kostenbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Ist - wie hier - die Kostenentscheidung in das Ermessen des erstinstanzlichen Gerichts gestellt, ist das Beschwerdegericht nicht befugt, die getroffene Entscheidung durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Die Überprüfung des Beschwerdegerichts beschränkt sich auf Ermessensfehler in Gestalt von Ermessensnichtgebrauch, Ermessensfehlgebrauch und Ermessensüberschreitung (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2007, XII ZB 165/06, FamRZ 2007, 893 Rn. 15).
Die vorliegende Entscheidung des Amtsgerichts lässt solche Ermessensfehler nicht erkennen. Das Amtsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass die Kindeseltern durch beharrliche Missachtung der gesetzlichen Schulpflicht und damit durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben haben, und die Kostenentscheidung auf §§ 80, 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG gestützt. Wegen der weitergehenden Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Den Eltern war vor Einleitung des Verfahrens gemäß § 1666 BGB bekannt und bewusst, dass sie gegen die in Deutschland bestehende Schulpflicht verstoßen und dass dies rechtliche Konsequenzen zur Folge hat. Sie haben somit durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben.
Auch das Beschwerdevorbringen führt zu keiner abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Der Umstand, dass die Eltern das Gericht im Laufe des Verfahrens darüber in Kenntnis gesetzt haben, dass sie beabsichtigen, den Wohnort ins Ausland zu verlegen, ändert an der schuldhaften Veranlassung des Verfahrens nichts. Auch dass sie sich im laufenden Verfahren "mit den angebotenen Maßnahmen zur Konfliktbewältigung (Cuxbus etc.) einverstanden" erklärt haben, kann sich nicht auf die Beurteilung der schuldhaften Veranlassung auswirken.
Die Eltern haben gegen die Verpflichtung verstoßen, einen geregelten Schulbesuch ihrer Kinder über einen längeren Zeitraum hinweg sicherzustellen, mit der Folge, dass ein Verfahren zur Prüfung, ob familiengerichtliche Maßnahmen nach § 1666 BGB anzuordnen sind, seitens des Jugendamts eingeleitet werden musste, weil eine Kindeswohlgefährdung in Betracht kommt. Die Intention für das Verhalten der Eltern, ob es ihnen um eine "vorsätzliche Verletzung der Schulanwesenheitspflicht" oder um die "Wahrung der Fürsorgepflicht" gegenüber den Kindern ging, erscheint nicht ausschlaggebend für die Beurteilung einer Kindeswohlgefährdung und insbesondere nicht für die Ermessensentscheidung hinsichtlich der Kostentragung.
Schließlich hat der Senat keine Möglichkeit, die Kostenentscheidung des Amtsgerichts etwa aus Billigkeitsgesichtspunkten im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse der Eltern zu ändern.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung richtet sich nach dem Kosteninteresse der Beschwerdeführer und orientiert sich an den entstandenen und von ihnen zu tragenden gerichtlichen Kosten und Aufwendungen nach dem festgesetzten erstinstanzlichen Verfahrenswert von 4.000 €.