Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 22.11.2023, Az.: 7 U 40/23

Rechte des Käufers eines vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw; Begriff der unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
22.11.2023
Aktenzeichen
7 U 40/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 49896
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:1122.7U40.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 15.12.2022 - AZ: 4 O 45/22

Amtlicher Leitsatz

Zum Vorliegen von Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind.

Die Phase des Motorwarmlaufs gehört zu den normalen Betriebsbedingungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10 Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Ein Klärungsbedarf besteht für diese Frage nicht.

Redaktioneller Leitsatz

1. Bei den in der Motorsteuerungssoftware von Dieselmotoren der Marke Mercedes-Benz vom Typ OM 651 implementierten Schadstoff- und Abgasstrategien "Geregeltes Kühlmittelthermostat" und "Thermofenster" handelt es sich um unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 715/2007.

2. Dem Käufer eines hiermit ausgestatteten Fahrzeugs steht daher ein Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV zu.

3. Der dem Käufer eines Fahrzeugs hierdurch entstandene Schaden ist im Wege richterlicher Schadensschätzung auf 10 % des gezahlten Kaufpreises zu bemessen.

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 2023 durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des Einzelrichters des Landgerichts Hildesheim - 4. Zivilkammer - vom 15. Dezember 2022 geändert.

Die Beklagte hat an den Kläger 1.330 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. August 2023 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 7/8, die Beklagte zu 1/8.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Mit Kaufvertrag vom 6. Dezember 2017 erwarb der Kläger von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten Pkw Mercedes-Benz E 200 CDI 2.1 l Diesel 100 kW OM 651 Euro 5 mit einem Kilometerstand von 146.936 km zu einem Kaufpreis von 13.300 €. Zuletzt betrug der Kilometerstand 183.113 km.

Das Landgericht hat eine Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes eingeholt. Danach findet die Schadstoff- und Abgasstrategie "Geregeltes Kühlmittelthermostat" im Motorwarmlauf Anwendung, die von dem Kraftfahrtbundesamt als unzulässige Abschalteinrichtung angesehen werde. Ebenfalls verfüge das Fahrzeug über ein "Thermofenster", das als zulässig erachtet werde. Für die Einzelheiten wird auf die Auskunft vom 26. September 2022 Bezug genommen. Die Verwendung dieser Abschaltstrategien ist als solches unstreitig.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 2.875,60 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen.

Hinsichtlich des "Thermofensters" behauptet der Kläger, dass es außerhalb eines Temperaturbereichs von +15°C bis +35°C die Abgasrückführungsrate reduziere. Der Kläger hatte zunächst seine erstinstanzlichen Anträge mit der Berufung weiterverfolgt. Mit Schriftsatz vom 4. August 2023 beantragt er nunmehr,

unter Änderung des angefochtenen Urteils,

1.

die Beklagte zu verurteilen, ihm den zu viel geleisteten Kaufpreis in Form des sog. Differenzschadens in Höhe von 1.995 €, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. August 2021, zu erstatten;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.054,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. August 2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, dass das Kraftfahrtbundesamt keinen Rückruf für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp angeordnet hat. Das "Geregelte Kühlmittelthermostat" sei nicht erforderlich, um unter Prüfstandsbedingungen die NOx-Grenzwerte einzuhalten. Hinsichtlich des "Thermofensters" behauptet sie, dass das AGR-System selbst bei zweistelligen Minusgraden noch aktiv sei.

II.

Der Kläger kann von der Beklagten Ersatz des sog. Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV in Höhe von 1.330 € verlangen. Ein weitergehender Anspruch auf großen Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB steht ihm nicht zu.

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gegen die Beklagte. Die Beklagte hat § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV schuldhaft verletzt, indem sie eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung erteilt hat. Unzutreffend ist eine Übereinstimmungsbescheinigung, wenn das betreffende Kraftfahrzeug mit einer gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, weil die Bescheinigung dann eine tatsächlich nicht gegebene Übereinstimmung des konkreten Kraftfahrzeugs mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 38). So liegt es hier.

a) Sowohl das "Geregelte Kühlmittelthermostat" als auch das "Thermofenster" sind Abschalteinrichtungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 715/2007.

aa) Nach Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 kann eine Abschalteinrichtung schon dann vorliegen, wenn die Funktion nur eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems in Abhängigkeit von bestimmten Parametern verändert und die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs verringert wird. Während in Bezug auf die Funktionsänderung auf Teile des Emissionskontrollsystems abgestellt werden kann, kommt es für die Wirkung der Funktionsänderung auf das Emissionskontrollsystem in seiner Gesamtheit an, etwa auf die kombinierte Wirkung von Abgasrückführung und -reinigung. Maßstab für die Frage der Zulässigkeit einer Funktionsveränderung in Abhängigkeit von bestimmten Parametern ist nach Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht die Einhaltung des Grenzwerts, sondern die Wirksamkeit des unverändert funktionierenden Emissionskontrollsystems unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs. In diesem Zusammenhang bedarf es eines Vergleichs der Wirksamkeit des unverändert funktionierenden und derjenigen des verändert funktionierenden Gesamtsystems, und zwar jeweils unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs im gesamten Unionsgebiet. Ob die Grenzwerte unter den Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auch bei veränderter Funktion eingehalten würden (Grenzwertkausalität), ist hingegen mit Rücksicht auf den Wortlaut des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht von Bedeutung. Die Prüfung im NEFZ lässt nur in Bezug auf die dabei wirksamen Emissionskontrollsysteme Prognosen für den gewöhnlichen Fahrbetrieb zu und auch das nur dann, wenn die Wirksamkeit der betreffenden Systeme im gewöhnlichen Fahrbetrieb nicht verringert wird. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 knüpft an die Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems in seiner Gesamtheit an und nicht an die Einhaltung der Grenzwerte im NEFZ. Das gilt ohne Rücksicht auf die jeweils eingesetzten Technologien (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 51).

bb) Hieran gemessen handelt es sich bei beiden Regelungen um Abschalteinrichtungen.

(1) Das "Geregelte Kühlmittelthermostat" führt unstreitig dazu, dass unter bestimmten Betriebsumständen, die Sollwerttemperatur für das Kühlmittelthermostat von 100°C auf 70°C abgesenkt wird. Dies bewirkt eine verbesserte Emissionsreduzierung durch den längeren Warmlauf und dem damit verbundenen besseren Ausgleich von Stickoxiden und Partikeln. Eine Deaktivierung der Funktion erfolgt bei Überschreiten bzw. Unterschreiten einer maximalen bzw. minimalen Außen- und Ansauglufttemperatur, Unterschreiten eines bestimmten Umgebungsdrucks, Überschreiten einer maximalen Last, einer maximalen Drehzahl, einer maximalen Motoröltemperatur und Überschreiten eines Zeitraums, der in Abhängigkeit von der Kühlmitteltemperatur bei Motorstart festgelegt wird. Die Funktion kann über jede dieser Bedingungen deaktiviert werden, wenn die jeweilige Bedingung nicht (mehr) erfüllt ist. Eine erneute Aktivierung der Funktion im laufenden Betrieb findet nicht statt. Danach kann das "Geregelte Kühlmittelthermostat" auch dann deaktiviert werden, wenn die fortgesetzte erhöhte Kühlung zu einer zusätzlichen Vermeidung von NOx-Emissionen führen würde. Ob, wie die Beklagte anführt, aus anderen (technischen) Gründen eine Deaktivierung des "Geregelten Kühlmittelthermostats" angezeigt ist oder ob die Grenzwerte auf dem Prüfstand auch ohne das "Geregelte Kühlmittelthermostat" eingehalten werden, ist nicht für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung, sondern erst für deren Zulässigkeit von Bedeutung.

Soweit die Beklagte die Frage aufwirft, ob es sich bei der Phase des Motorwarmlaufs um normale Betriebsbedingungen handelt, so ist dies offenkundig zu bejahen, weil sich an jeden Kaltstart des Motors eine Warmlaufphase anschließt. Das wird durch Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bestätigt. Nach dieser Vorschrift ist eine Abschalteinrichtung zulässig, die nicht länger arbeitet, als zum Anlassen des Motors erforderlich ist. Dementsprechend ging der Unionsgesetzgeber davon aus, dass bereits der Motorstart zu den normalen Betriebsbedingungen gehört. Klärungsbedarf besteht für diese Frage nicht (acte clair).

(2) Auch mit dem "Thermofenster" liegt eine Abschalteinrichtung vor, wovon auch das Kraftfahrtbundesamt in seiner Auskunft ausgeht. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Motorsteuerung außerhalb eines Temperaturbereichs von +15°C bis +35°C die Abgasrückführungsrate reduziert. Ein weiterer Vortrag war von dem Kläger nicht zu verlangen, hinsichtlich des Temperaturbereichs durfte er sich, weil der Vortrag fachspezifische Fragen betrifft und besondere Sachkunde erfordert, auf Vermutungen beschränken. Dem ist die Beklagte nur insoweit entgegengetreten, als das AGR-System bei zweistelligen Minusgraden noch aktiv sei; von dem eingeräumten Schriftsatzrecht zu ergänzendem Vortrag hat sie keinen Gebrauch gemacht. Das ist als Bestreiten unerheblich, weil dieser Vortrag nicht genügt, um auszuschließen, dass durch das "Thermofenster" die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind (vgl. hierzu VG Schleswig, Urteil vom 20. Februar 2023 - 3 A 113/18, juris Rn. 274), verringert wird. Zu einer substantiierten Erklärung über die Ausgestaltung des "Thermofensters" ist die Beklagte auch in der Lage, weil sich die hier maßgeblichen Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben (vgl. hierzu als Voraussetzung substantiierten Vorbringens BGH, Urteil vom 11. März 2010 - IX ZR 104/08, juris Rn. 16).

b) Die genannten Abschalteinrichtungen sind unzulässig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Zwar hat sich die - darlegungsbelastete (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 53) - Beklagte auf Motorschutz berufen, was grundsätzlich die Verwendung einer Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 715/2007 rechtfertigen kann, sowie hinsichtlich des "Geregelten Kühlmittelthermostats" auch auf die Ausnahme nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Die Voraussetzungen hierfür lassen sich ihrem Vortrag jedoch nicht entnehmen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen, dass eine Abschalteinrichtung nur dann nach dieser Bestimmung zulässig sein kann, wenn nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen. Die Verschmutzung und der Verschleiß des Motors können nicht als "Beschädigung" oder "Unfall" im Sinne der genannten Bestimmung angesehen werden, denn sie sind im Prinzip vorhersehbar und der normalen Funktionsweise des Fahrzeugs inhärent (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040 Rn. 110; Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 Rn. 54). In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist zudem geklärt, dass es sich bei dem AGR-Ventil, dem AGR-Kühler und dem Dieselpartikelfilter um von dem Motor getrennte Bauteile handelt (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 Rn. 51 f.; vgl. auch Anhang I Abs. 3.3.1.2 und 3.3.1.3 zur VO (EG) Nr. 692/2008; OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Oktober 2023 - 24 U 103/22, juris Rn. 36). Eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, kann jedenfalls nicht unter die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehene Ausnahme fallen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, juris Rn. 70)

bb) Außerdem ist eine Abschalteinrichtung nur dann "notwendig" im Sinne dieser Bestimmung, wenn zum Zeitpunkt der EG-Typgenehmigung dieser Einrichtung oder des mit ihr ausgestatteten Fahrzeugs keine andere technische Lösung unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall, die beim Fahren eines Fahrzeugs eine konkrete Gefahr hervorrufen, abwenden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 8. November 2022 - C-873/19, ECLI:EU:C:2022:857 Rn. 95). Eine andere technische Lösung kann beispielsweise darin liegen, wenn sich Risiken durch eine andere Konzeption, Konstruktion oder Werkstoffwahl vermeiden lassen (vgl. VG Schleswig, Urteil vom 20. Februar 2023 - 3 A 113/18, juris Rn. 317). Darauf, ob die andere technische Lösung möglicherweise unwirtschaftlich wäre oder Kunden an einem solch wartungsintensiven Fahrzeug kein Interesse haben könnten, kommt es nicht an (vgl. hierzu auch OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Oktober 2023 - 24 U 103/22, juris Rn. 37; VG Schleswig, Urteil vom 20. Februar 2023 - 3 A 113/18, juris Rn. 362 ff.). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat der Unionsgesetzgeber bei der Festlegung der Grenzwerte für Schadstoffemissionen die wirtschaftlichen Interessen der Automobilhersteller und insbesondere die Kosten, die den Unternehmen durch die erforderliche Einhaltung dieser Werte auferlegt werden, berücksichtigt. Es sei Sache der Hersteller, sich anzupassen und technische Vorrichtungen anzuwenden, mit denen diese Grenzwerte eingehalten werden können, wobei der Einsatz einer bestimmten Technologie nicht vorgeschrieben sei (vgl. EuGH, Urteil vom 8. November 2022 - C-873/19, Rn. 92 mwN). Das angestrebte Ziel eines hohen Umweltschutzniveaus wäre in Frage gestellt, würde eine Abschalteinrichtung allein deshalb zugelassen, weil z. B. die Kosten für die Forschung hoch sind, die technische Ausrüstung teuer ist oder für den Nutzer häufigere und kostspieligere Wartungsarbeiten am Fahrzeug anfallen (vgl. EuGH, aaO Rn. 93 mwN). Dabei hat sich der Gerichtshof explizit gegen das Argument gewandt, bei der Auslegung des Begriffs "notwendig" seien die Umweltinteressen gegen die wirtschaftlichen Interessen der Hersteller abzuwägen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-145/20, juris Rn. 77).

cc) Nach der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union setzt die Ausnahme des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 715/2007 voraus, dass die ausschließliche Notwendigkeit zum Motorschutz nachgewiesen wird. Es ist daher von der beklagten Fahrzeugherstellerin Vortrag zu halten, bei dessen Wahrunterstellung, ggfs. unter Heranziehung sachverständiger Hilfe, dieser Nachweis geführt wäre. Insbesondere ist auch darzulegen, dass keine andere technische Lösung zur Verfügung stand.

dd) Daran fehlt es hier.

(1) Das "Thermofenster" ist bereits deshalb unzulässig, weil es mit dem gewählten Temperaturbereich den überwiegenden Teil des Jahres funktioniert und die Abgasrückführung reduziert.

Allerdings hat das Kraftfahrtbundesamt in seiner Auskunft vom 26. September 2022 angegeben, dass das "Thermofenster" auch unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 14. Juli 2022 keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle. Eine Partei macht sich die bei einer Beweisaufnahme zu Tage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu eigen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - VI ZR 325/08, juris Rn. 5; Beschluss vom 5. November 2019 - VIII ZR 344/18, juris Rn. 12 mwN). Ob dies auch hier gilt, obwohl die Beklagte in zweiter Instanz in Zweifel zieht, dass die erteilte Auskunft das Fahrzeug des Klägers betrifft, bedarf keiner Entscheidung, weil die von der Beklagten angeführten Motorschutzgründe nicht zu einer Zulässigkeit nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 715/2007 führen.

(a) Die Beklagte macht geltend, dass das "Thermofenster" daran ausgerichtet sei, das Risiko eines plötzlichen Ausfalls des Motors und von sicherheitskritischen Situationen zu vermindern. Es sei bei Herstellung des Fahrzeugs Industriestandard gewesen. Fachkreise würden die Außentemperatur als technisch zwingend notwendige Führungsgröße der Abgasrückführung anerkennen. Durch die innermotorische Rückführung des Abgases verringere sich die Sauerstoffkonzentration der Zylinderladung und die Verbrennungstemperatur sinke. Durch die niedrigeren Verbrennungstemperaturen entstünden weniger NOx-Emissionen. Finde die Rückführung allerdings bei zu niedrigen Temperaturen statt, komme es zur Kondensation von Abgasbestandteilen. Dies wiederum führe zu verschiedenen unerwünschten Ablagerungen in den Bauteilen. Ein wiederholter Betrieb des Motors in diesem Zustand könne zu einer dauerhaften Schädigung des Motors oder einem plötzlichen Ausfall führen, der im Straßenverkehr zu einer konkreten Gefahr führen könne. Daher könne es zum Schutz des Motors erforderlich sein, die Abgasrückführung abhängig von der Temperatur zu reduzieren. Umgekehrt könne die Abgasreinigung auch bei hohen Temperaturen zu einer Schädigung und einem unerwarteten Ausfall des Motors führen, der die Verkehrssicherheit gefährden könne. Bei hohen Außentemperaturen sinke die Dichte der Luft und damit der zur Verfügung stehende Luftsauerstoff. Bei gleicher Last des Motors stiegen mit höheren Außentemperaturen die Partikelemissionen (aufgrund weniger vollständiger Verbrennung des Kraftstoffs). Höhere Partikelemissionen führten ihrerseits dazu, dass der Partikelfilter häufiger gereinigt werden müsse (durch Abbrennen der abgelagerten Partikel). Die Folge davon sei, dass mehr Kraftstoff ins Schmieröl gelange, was dessen Eigenschaften negativ beeinflusse. Dies wiederum könne zu erhöhtem Verschleiß und auf Dauer zu Schäden des Motors führen (Steuerung, Kettenbetrieb, Lager).

(b) Mit diesen Problemen ist die Notwendigkeit der Verwendung eines "Thermofensters" zum Motorschutz nicht dargetan.

Die Belagbildung selbst oder der infolge höherer Partikelemissionen hervorgerufene Verschleiß stellen nach der verbindlichen Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union keine "Beschädigung" oder "Unfall" im Verordnungssinne dar und vermögen für sich genommen die Verwendung eines "Thermofensters" nicht zu rechtfertigen.

Soweit ein wiederholter Betrieb des Motors zu einer dauerhaften Schädigung des Motors oder einem plötzlichen Ausfall führen können, legt die Beklagte trotz des Hinweises des Senats mit Beschluss vom 6. Juli 2023 nicht dar, dass eine andere technische Lösung zur Vermeidung der Betriebsrisiken - etwa durch regelmäßige Wartung, notfalls nach jeder Fahrt - nicht zur Verfügung stand. Häufigere und kostspielige Wartungsarbeiten an dem Fahrzeug rechtfertigen den Einsatz einer Abschalteinrichtung nicht.

(2) Hinsichtlich des "Geregelten Kühlmittelthermostats" hat die Beklagte zwar zu dessen Ausgestaltung Vortrag gehalten, nicht aber, warum dieses zulässig sein solle.

Soweit mit dem Verweis auf ein sog. "Testing-Out" die Zulässigkeit begründet werden soll, geht dies fehl.

Nach der Auskunft des Kraftfahrtbundesamts hat es das "Geregelte Kühlmittelthermostat" in dem Fahrzeug des Klägers beanstandet, einen Nachweis durch "Testing-Out" habe die Beklagte nicht geführt. Die amtliche Auskunft einer Behörde darf grundsätzlich als Beweismittel verwertet werden (§ 273 Abs. 2 Nr. 2, § 358a Satz 2 Nr. 2 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2016 - I ZR 198/13, BGHZ 210, 77 Rn. 97) und unterliegt der freien Beweiswürdigung durch das Gericht (§ 286 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1951 - II ZR 63/51, juris Rn. 12; BVerwG, Beschluss vom 10. April 1980 - 1 WB 118/79, BeckRS 1980, 31320690). Aus der Auskunft ergibt sich ohne jeden Zweifel, dass das in dem Fahrzeug des Klägers verwendete "Geregelte Kühlmittelthermostat" entgegen der Behauptung der Beklagten für die Einhaltung der Grenzwerte auf dem Prüfstand erforderlich ist.

Allerdings bestreitet die Beklagte, dass die Auskunft das Fahrzeug des Klägers betreffe und behauptet, dass das Fahrzeug keinem Rückruf unterliege, weil ihr ein "Testing-Out" gelungen sei. Damit hat die Beklagte jedoch keinen Erfolg.

(a) Mit ihrem in der Berufungsinstanz wieder aufgegriffenen Vortrag, dass das Fahrzeug keinem Rückruf unterliege, ist die Beklagte ausgeschlossen. Hierbei handelt es sich um neuen streitigen Vortrag, der nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist, worauf der Senat mit Beschluss vom 5. Juni 2023 hingewiesen hatte.

(b) Nicht anders verhält es sich hinsichtlich ihres Vorbringens, dass die Auskunft nicht das Fahrzeug des Klägers, sondern einer anderen, namensgleichen Person betreffe. Die Beklagte legt nicht dar, warum sie diesen Vortrag nicht bereits in erster Instanz gehalten hat. Die Auskunft ist ihr zusammen mit der Terminsbestimmung des Landgerichts vom 18.Oktober 2022 am 19. Oktober 2022 und damit fast zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung zugestellt worden. Es hätte ordnungsgemäßer Prozessführung entsprochen, die im Widerspruch zu dem eigenen Vortrag stehende Auskunft auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und etwaige Beanstandungen rechtzeitig zu erheben.

(c) Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft vermag der Vortrag der Beklagten zudem nicht zu wecken, weshalb auch insoweit kein Anlass zu einer erneuten Auskunftseinholung besteht. In der Auskunft wird der Fahrzeugtyp und die Fahrzeug-Identifizierungsnummer des Fahrzeugs des Klägers von dem Kraftfahrtbundesamt zutreffend genannt. Als einzigen Anhaltspunkt benennt die Beklagte, dass sich die Auskunft auf einen GLK beziehe. Das ist jedoch, worauf der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, nicht der Fall. Vielmehr heißt es in der Auskunft, dass das "Geregelte Kühlmittelthermostat" zuerst bei einem GLK festgestellt worden sei und diese Feststellung später auf weitere Fahrzeugtypen der Beklagten übertragen worden sei, darunter die E-Klasse mit dem Motortyp OM 651 Euro 5. Um ein solches Fahrzeug mit einem solchen Motor handelt es sich bei dem Fahrzeug des Klägers. Damit liegt kein objektivierbarer Einwand dafür vor, dass die Auskunft zu dem "falschen" Fahrzeug erteilt worden sein könnte.

c) Soweit sich die Beklagte auf eine fehlende Kausalität beruft, weil der Fahrzeugerwerb im Dezember 2017 nach Bekanntwerden des "VW-Diesel-Skandals" stattfand, hilft ihr dies nicht weiter.

aa) Zwar kann, wenn der Fahrzeughersteller sein Verhalten vor dem Abschluss des konkreten Erwerbsgeschäfts, das wie in den Fällen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung das gesetzliche Schuldverhältnis nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV erst begründet, dahin geändert hat, dass er die Ausrüstung der Fahrzeuge mit Motoren einer dem erworbenen Fahrzeug entsprechenden Baureihe mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einer Art und Weise bekannt gegeben hat, die einem objektiven Dritten die mit dem Kauf eines solchen Kraftfahrzeugs verbundenen Risiken verdeutlichen muss, die Verhaltensänderung die Anwendung des Erfahrungssatzes in Frage stellen. Dies darzulegen und zu beweisen ist wiederum Sache des Fahrzeugherstellers (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 57; Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 533/21, juris Rn. 35).

bb) Eine solche Verhaltensänderung liegt nicht vor.

Die Beklagte beruft sich zwar darauf, dass bereits durch die Ad-Hoc-Mitteilung der Volkswagen AG im September 2015 und die darauffolgende Diskussion einem objektiven Dritten die mit dem Kauf eines Dieselfahrzeugs verbundenen Risiken bewusst gewesen seien. Dass "Thermofenster" auch in den Fahrzeugen der Beklagten vorhanden sein, sei spätestens durch den Bericht der "Untersuchungskommission Volkswagen" im April 2016 bekannt. Hierüber sei in der Tagesschau am 22. April und im Handelsblatt am 20. April 2016 berichtet worden. In ihrem Geschäftsbericht 2016 vom 14. Februar 2017 habe sie explizit und kontinuierlich darauf hingewiesen, dass nicht auszuschließen sei, dass die Behörden zu dem Schluss kommen, dass in Mercedes-Benz Dieselfahrzeugen Funktionalitäten enthalten sein könnten, die möglicherweise als unzulässig zu qualifizieren sind und die Beklagte möglicherweise zu Feldmaßnahmen und Rückrufaktionen verpflichtet werde.

Die Ausrüstung der Fahrzeuge der E-Klasse mit OM 651 Euro 5 Motoren mit unzulässigen Abschalteinrichtungen hat die Beklagte hierdurch aber nicht in einer Weise bekannt gemacht, dass mit einer allgemeinen Kenntnisnahme zu rechnen war. Soweit sich die Beklagte für ein Bekanntmachen auf Erklärungen der Volkswagen AG beruft, ist nicht ersichtlich, inwieweit hierdurch die Verwendung eines "Geregelten Kühlmittelthermostats" oder eines "Thermofensters" in den Fahrzeugen der Beklagten von ihr verlautbart wurde. Gleiches gilt im Ergebnis für die "Untersuchungskommission Volkswagen" oder Presseberichte. Die einzige eigene Erklärung der Beklagten, mit der sie die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen bekannt gegeben haben könnte, ist der Geschäftsbericht 2016. Diesem vermag der Senat jedoch nicht zu entnehmen, dass hierdurch die Ausrüstung der Fahrzeuge mit Motoren einer dem erworbenen Fahrzeug entsprechenden Baureihe mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einer Art und Weise bekannt gegeben worden ist, die einem objektiven Dritten die mit dem Kauf eines solchen Kraftfahrzeugs verbundenen Risiken verdeutlichen muss. Die in dem Schriftsatz vom 4. August 2023 nur verkürzt wiedergegebene - in dem nachfolgenden Zitat durch den Senat in Fettdruck gekennzeichnet - Passage lautet vollständig:

"Vor dem Hintergrund der jüngsten Mitteilungen eines Rechtsverstoßes (notices of violation) amerikanischer Umweltbehörden, die einem anderen Fahrzeughersteller im Januar 2017 erteilt wurden und in der Funktionalitäten, darunter anscheinend auch für Diesel-Fahrzeuge übliche Funktionalitäten, als sogenannte nicht offengelegte Auxiliary Emission Control Devices ("AECDs") und als möglicherweise unzulässig identifiziert wurden, und in Anbetracht der laufenden behördlichen Anfragen, Ermittlungen und Unter suchungen sowie unserer eigenen internen Untersuchung ist nicht auszuschließen, dass die Behörden zum Schluss kommen, dass in Mercedes-Benz Dieselfahrzeugen ähnliche Funktionalitäten enthalten sein könnten. Die Ermittlungen und Untersuchungen sowie die Beantwortung der behördlichen Anfragen und unsere interne Untersuchung sind noch nicht abgeschlossen; Daimler kann daher zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage hinsichtlich des Ausgangs dieser Ermittlungen, Untersuchungen und Verfahren treffen. Für den Fall, dass diese oder andere Ermittlungen, Untersuchungen, rechtlichen Maßnahmen und/oder Verfahren zu nachteiligen Ergebnissen oder einem nachteiligen Ausgang führen oder sich in sonstiger Weise nachteilig entwickeln, könnte Daimler zu erheblichen Geld strafen, Feldmaßnahmen, Rückrufaktionen, Maßnahmen zur Prozessverbesserung und Schadensbegrenzung verpflichtet und/oder sonstigen Sanktionen, Maßnahmen und Handlungen, einschließlich weiterer Untersuchungen durch diese oder andere Behörden und weiterer Rechtsstreitigkeiten, ausgesetzt sein."

Dieser allgemeinen Warnung vor möglichen Kostenrisiken aus rechtlichen Risiken lässt sich ein Bezug auf die Baureihe des streitgegenständlichen Fahrzeugs nichts entnehmen. Anders als bei der Ad-Hoc-Mitteilung der Volkswagen AG kann auch eine weitreichende mediale Verbreitung dieser Warnung nicht festgestellt werden, die eine allgemeine Kenntnisnahme erwarten ließe.

d) Eine Schadensersatzhaftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV setzt ein Verschulden des in Anspruch genommenen Fahrzeugherstellers voraus, wofür nach dem heranzuziehenden Maßstab des § 37 Abs. 1 EG-FGV ein fahrlässiger Verstoß genügt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 38). Bei - wie hier - objektiv feststehender Verletzung eines Schutzgesetzes muss der das Schutzgesetz Übertretende in aller Regel Umstände darlegen und beweisen, die geeignet sind, die daraus folgende Annahme seines Verschuldens auszuräumen. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Schadensersatzanspruch - was hier nicht der Fall ist - Vorsatz voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2016 - II ZR 311/14, juris Rn. 16; Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 59).

aa) Die Haftung wegen Fahrlässigkeit ist nur bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13, juris Rn. 14 allg. zu § 276 BGB; Urteil vom 30. Mai 1972 - VI ZR 6/71, juris Rn. 29; Urteil vom 12. Mai 1992 - VI ZR 257/91, juris Rn. 20 jew. zum Deliktsrecht). Der Fahrzeughersteller, der sich unter Berufung auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum entlasten will, muss sowohl den Verbotsirrtum als solchen als auch die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums konkret darlegen und beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 63; Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, juris Rn. 13).

(1) Das setzt zunächst die Darlegung und erforderlichenfalls den Nachweis eines Rechtsirrtums seitens des Fahrzeugherstellers voraus. Der Fahrzeughersteller muss darlegen und beweisen, dass sich sämtliche seiner verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB über die Rechtmäßigkeit der vom Käufer dargelegten und erforderlichenfalls nachgewiesenen Abschalteinrichtung mit allen für die Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bedeutsamen Einzelheiten im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses im Irrtum befanden oder im Falle einer Ressortaufteilung den damit verbundenen Pflichten genügten (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, juris Rn. 14).

(2) Erst im Anschluss an die Darlegung und den Nachweis dieser Umstände kann Bedeutung gewinnen, ob der Rechtsirrtum unvermeidbar war (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, juris Rn. 15).

(a) An das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss. Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen muss, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13, juris Rn. 14 mwN). Das ist etwa der Fall, wenn sich der Hersteller mit Rücksicht auf eine nicht in seinem Sinn geklärte Rechtslage erkennbar in einem rechtlichen Grenzbereich bewegte, schon deshalb eine abweichende rechtliche Beurteilung seines Vorgehens in Betracht ziehen und von der eventuell rechtswidrigen Verwendung der Abschalteinrichtung absehen musste (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 69; Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, juris Rn. 14). Die Verneinung des Schuldvorwurfs setzt voraus, dass die letztlich als unzutreffend erkannte Rechtsmeinung nicht nur vertretbar, sondern auch aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen worden war (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2005 - III ZR 264/04, juris Rn. 19). Eine Entlastung ohne Rücksicht auf die aus den vorstehenden Erwägungen folgenden Sorgfaltspflichten, etwa mit Rücksicht auf den Umstand, dass der Verwendung von Thermofenstern ein allgemeiner Industriestandard zugrunde lag oder dass Angaben des Kraftfahrtbundesamtes rechtlich von ihm so bewertete unzulässige Abschalteinrichtungen auch nach umfangreichen Untersuchungen nicht festgestellt worden seien, kommt dagegen nach dem gesetzlichen Fahrlässigkeitsmaßstab nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, juris Rn. 14).

(b) Daneben kann der Hersteller, der sich sorgfaltswidrig verhalten hat, zu seiner Entlastung darlegen und erforderlichenfalls nachweisen, seine Rechtsauffassung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 wäre bei entsprechender Nachfrage von der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden (hypothetische Genehmigung). Steht fest, dass eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Schädigers dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte, scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB infolge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann aus, wenn der Schädiger eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 65). Denn Gegenstand des Schuldvorwurfs ist nicht die Unterlassung einer Erkundigung schlechthin, sondern nur eine solche, die, wenn sie eingeholt worden wäre, zum Tragen gekommen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1990 - 1 StR 477/89, juris Rn. 32). Eine Entlastung auf dieser Grundlage setzt allerdings voraus, dass der Fahrzeughersteller nicht nur allgemein darlegt, dass die Behörde Abschalteinrichtungen der verwendeten Art genehmigt hätte, sondern dass ihm dies auch unter Berücksichtigung der konkret verwendeten Abschalteinrichtung in allen für die Beurteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 maßgebenden Einzelheiten gelingt. Haben mehrere Abschalteinrichtungen Verwendung gefunden, müssen die Einzelheiten der konkret verwendeten Kombination für die Frage einer hypothetischen Genehmigung in den Blick genommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 66). Da es bei der hypothetischen Genehmigung nicht darum geht, ob sich der Schädiger verkehrsgemäß verhalten hat - hätte er dies, käme es auf hypothetische Erwägungen nicht an -, sondern ob der sog. Vermeidbarkeitszusammenhang entfallen ist (vgl. hierzu Sternberg-Lieben/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 17 Rn. 22), ist das Bestehen einer entsprechenden Verwaltungspraxis nicht von Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 67).

bb) Gemessen hieran hat die Beklagte ein zumindest fahrlässiges Handeln bei Abschluss des Kaufvertrages (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 61; Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, jurisRn. 13, 15) am 6. Dezember 2017 nicht widerlegt. Die Beklagte unterlag bereits keinem konkreten Rechtsirrtum.

Das gilt zunächst für das "Geregelte Kühlmittelthermostat". Die Beklagte macht insoweit lediglich geltend, dass das Kraftfahrtbundesamt für das Fahrzeug des Klägers keinen Rückruf angeordnet habe, weshalb eine tatsächliche Genehmigung vorliege. Diese Behauptung ist durch die Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes, das das "Geregelte Kühlmittelthermostat" beanstandet hat, jedoch widerlegt.

Auch hinsichtlich des "Thermofensters" widerlegt die Beklagte den Fahrlässigkeitsvorwurf nicht.

(1) Sie macht geltend, dass ihr ein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten nicht vorgeworfen werden könne, weil sie dem Kraftfahrtbundesamt für die Genehmigung des Software-Updates, das im August 2019 veröffentlicht worden sei, die Alt- und Neu-Software zugänglich gemacht habe, ohne dass dieses das "Thermofenster" beanstandet habe. Diese Genehmigung müsse zurückwirken. Jedenfalls liege hierin eine hypothetische Genehmigung.

(2) Hiermit legt die Beklagte bereits nicht dar, dass sich sämtliche ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB über die Rechtmäßigkeit des "Thermofensters" mit allen für die Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bedeutsamen Einzelheiten im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses im Irrtum befanden.

(a) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Darlegung eines konkreten Irrtums weder allgemein noch bei der tatsächlichen oder hypothetischen Genehmigung entbehrlich. Diese Ansicht steht zum einen im Widerspruch zu der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Entfallen der Fahrlässigkeit infolge eines Rechtsirrtums im Allgemeinen und des Fahrzeugherstellers im Besonderen. Zum anderen ist die Auffassung der Beklagten auch mit der strafrechtlichen Dogmatik, welcher die Rechtsfigur der hypothetischen Genehmigung zu der Beurteilung der Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums nach § 17 StGB entlehnt ist, unvereinbar. Ein Verbotsirrtum nach § 17 Satz 1 StGB kommt nur in Betracht, wenn dem Täter die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs braucht der Täter die Rechtswidrigkeit seines Vorgehens nicht zu kennen; es genügt, dass er wusste oder hätte erkennen können, Unrecht zu tun (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2020 - 2 StR 246/20, juris Rn. 11 mwN). Die Einsicht, Unrecht zu tun, fehlt jedoch demjenigen nicht, der sich nicht irrt. In der strafrechtlichen Literatur und Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass die bloße Berufung auf einen Verbotsirrtum nicht dazu nötigt, einen solchen als gegeben anzunehmen; vielmehr ist das Fehlen des Unrechtsbewusstseins als innere Tatsache dem Strengbeweis zugänglich und im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände das Vorstellungsbild des Beschuldigten festzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - 1 StR 213/10, juris Rn. 63; BeckOK StGB/Heuchemer [1.8.2023], § 17 Rn. 48; MüKoStGB/Joecks/Kulhanek, 4. Aufl., § 17 Rn. 22 f.; Sternberg-Lieben/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 17 Rn. 12c). Nichts anderes gilt im Zivilprozess, wobei die Darlegungs- und Beweislast bei dem Schädiger liegt, die Unerweislichkeit eines Verbotsirrtum also zu seinen Lasten geht.

(b) Ein Verbotsirrtum steht im Übrigen auch dann nicht zur Überzeugung des Senats fest, wenn den Rechtsausführungen der Beklagten im Verfahren konkludent die Behauptung entnommen werden könnte, dass sie das Thermofenster zu der Zeit des Kaufvertragsschlusses für rechtlich zulässig im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a VO (EG) Nr. 715/07 gehalten habe, weil sie dessen Verwendung aus Bauteil- und Motorschutzgründen als technisch notwendig angesehen habe. Für eine solche Fehlvorstellung - die offenlässt, worin die konkrete Fehlvorstellung bestand, weshalb im Übrigen auch nicht geprüft werden kann, ob der konkrete Rechtsirrtum bei einer Nachfrage bestätigt worden wäre - bietet die Beklagte weder Beweis an noch kann hierauf aus den sonstigen Umständen geschlossen werden. Zwar waren "Thermofenster" Industriestandard, das gilt aber nur für die Technologie als solche, nicht auch für die konkrete Ausgestaltung, von der die Notwendigkeit zum Motorschutz im Einzelfall abhängt. Ein Vertrauen auf die ausnahmsweise Zulässigkeit des hier verwendeten "Thermofensters" konnte auch nicht in Bezug auf die Praxis des Kraftfahrtbundesamtes entstehen. Dieses hat eine Bewertung der rechtlichen Zulässigkeit der konkret verwendeten Abschaltstrategie mangels Kenntnis der genauen Ausgestaltung nicht vorgenommen; das Kraftfahrtbundesamt hat nach seiner Auskunft vor Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2016/646 keine Angaben des Herstellers zu den Emissionsstrategien des Fahrzeuges im sogenannten Beschreibungsbogen gefordert. Schließlich wirft auch - ohne dass es hierauf ankäme - die oben zitierte Passage aus dem Geschäftsbericht für 2016 die Frage auf, ob nicht jedenfalls bei Abschluss des Kaufvertrages eine bedingte Unrechtseinsicht bei der Beklagten vorlag, die einen Verbotsirrtum ausschließt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 7. April 2016 - 5 StR 332/15, NStZ 2016, 460, 462).

e) Nach Maßgabe der oben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat der Tatrichter die Höhe des ersatzfähigen Schadens im Rahmen der vorgesehenen Bandbreite zwischen 5% und 15 % des gezahlten Kaufpreises nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO ohne Hinzuziehung eines Sachverständigengutachtens nach freier Überzeugung zu schätzen.

aa) Bei dieser Schätzung hat der Tatrichter bei der Bestimmung des objektiven Werts des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Nachteile, insbesondere das Risiko behördlicher Anordnungen, zu berücksichtigen. Weiter hat er den Umfang in Betracht kommender Betriebsbeschränkungen und die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Beschränkungen mit Rücksicht auf die Einzelfallumstände in den Blick zu nehmen. Maßgebend ist dabei eine auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene Betrachtung. Über diese originär schadensrechtlichen Gesichtspunkte hinaus hat der Tatrichter das Gewicht des der Haftung zugrundeliegenden konkreten Rechtsverstoßes für das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte sowie den Grad des Verschuldens nach Maßgabe der Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls zu bewerten, um so dem Gebot einer verhältnismäßigen Sanktionierung auch bezogen auf den zu würdigenden Einzelfall Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 76 f.).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist der dem Kläger entstandene Schaden auf 10% des von ihm gezahlten Kaufpreises (13.300 €), also 1.330 € zu bestimmen.

Der Schaden kann einerseits nicht im oberen Bereich liegen. Zwar hat die Beklagte durch die Verwendung von zwei unzulässigen Abschalteinrichtungen das Risiko eines behördlichen Eingreifens - das sich auch hinsichtlich des "Geregelten Kühlmittelthermostats" verwirklicht hat - erheblich gesteigert und sind beide Abschalteinrichtungen grenzwertrelevant, weshalb das mit dem Verbot unzulässiger Abschalteinrichtungen angestrebte hohe Umweltschutzniveau vereitelt wird. Sowohl hinsichtlich des erstrebten Umweltschutzniveaus als auch des Grads des Verschuldens bleibt der Verstoß der Beklagten jedoch hinter dem einer manipulativen Prüfstandserkennung deutlich zurück. Andererseits stehen die genannten Gründe einer Schadensbestimmung im unteren Bereich entgegen. Aus der danach noch verbleibenden Spanne erscheint die Beeinträchtigung des Vorteils der jederzeitigen Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs in diesem Fall mit 10% zutreffend erfasst.

f) Der Schaden ist nicht durch Anrechnung eines Vorteilsausgleichs aufgezehrt.

aa) Auf den Differenzschaden finden die von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe des Vorteilsausgleichs zum "kleinen" Schadensersatz Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 80 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, juris Rn. 23 f.; Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21, juris Rn. 17). Dies hat zur Folge, dass die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs anspruchsmindernd im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen sein können, soweit sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen, wofür ebenfalls die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet ist. Beruft sich der Fahrzeughersteller auf die nachträgliche Verbesserung des Fahrzeugs durch ein Software-Update, kann damit eine Schadensminderung nur verbunden sein, wenn und soweit das Software-Update die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn es nicht seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung beinhaltet.

bb) Nach diesen Grundsätzen ist ein Vorteilsausgleich zu verneinen.

(1) Das Fahrzeug des Klägers hat durch das in der Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes genannte Software-Update keine relevante Aufwertung erfahren. Die Beklagte legt lediglich dar, dass mit dem Software-Update der Umfang des AGR-Betriebs stark ausgeweitet worden sei. Etwaig verbleibende außentemperaturabhängige Steuerungen seien jedenfalls aus Motorschutzgründen gerechtfertigt. Dieser Vortrag lässt nicht erkennen, dass die festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtungen entfernt worden wären.

(2) Der Schaden ist auch im Übrigen nicht ausgeglichen, weil die Summe aus gezogenen Nutzungen (4.668,50 €) und Restwert (7.300 €) von 11.968,50 € den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs von 11.970 € (Kaufpreis von 13.300 € abzüglich 10%) im Kaufzeitpunkt nicht übersteigt.

(a) Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Bemessung der anzurechnenden Vorteile ist folgende Berechnungsformel zugrunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2014 - VIII ZR 215/13, juris Rn. 14 mwN zum Rücktritt; Urteil vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20, juris Rn. 13; Urteil vom 23. März 2021 - VI ZR 3/20, juris Rn. 10; Urteil vom 18. Mai 2021 - VI ZR 720/20, juris Rn. 6 zur Schadenshaftung):

Bruttokaufpreis x gefahrene Strecke (seit Erwerb) / erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt = gezogene Nutzungen

Für die Berechnung der Nutzungsvorteile schätzt der Senat (§ 287 ZPO) die Gesamtlaufleistung auf 250.000 km (so auch OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 - 13 U 149/18, juris Rn. 91 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 - 13 U 142/18, juris Rn. 114).

Für die Prognose der Gesamtlaufleistung sind in erster Linie Fahrzeugtyp und Baujahr maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2021 - VI ZR 812/20, juris Rn. 16), wobei es nicht auf die mögliche Laufleistung des Motors an sich, sondern die Lebensdauer des (gesamten) Fahrzeugs ankommt. Da Fahrzeuge aus verschiedenen Teilen mit unterschiedlicher Lebensdauer bestehen und bei zunehmender Nutzungsdauer die Reparaturanfälligkeit steigt, werden in aller Regel bereits wirtschaftliche Erwägungen dazu führen, dass eine mögliche Lebensdauer des Motors nicht ausgeschöpft wird und daher nicht mit der maßgeblichen Gesamtnutzungsdauer des Fahrzeugs gleichzusetzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2021 - VIII ZR 111/20, juris Rn. 58). Daher kommt es auf die unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende (durchschnittliche) Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs und nicht darauf an, welche Gesamtlaufleistung das Fahrzeug unter günstigen Bedingungen im äußersten Fall erreichen kann oder in bestimmten Einzelfällen erreicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2021 - VIII ZR 111/20, juris Rn. 59).

Die Laufleistung von 250.000 km entspricht der gewöhnlichen Lebensdauer eines - wie hier - Mittelklassefahrzeugs (wenn auch nicht der maximalen, bei entsprechend gesteigertem Erhaltungsaufwand technisch möglichen Leistungsgrenze) und wird der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle regelmäßig zugrunde gelegt (vgl. Senatsurteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18 und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18; Urteil vom 11. Oktober 2023 - 7 U 794/21, juris Rn. 74).

Ausgehend von 146.936 km bei Übergabe, 183.113 km zur Zeit der mündlichen Verhandlung und einem Kaufpreis von 13.300 € errechnet sich der Wert der gezogenen Nutzungen mit 4.668,50 €:

13.300 € x (183.113 km - 146.936 km) / (250.000 km - 146.936 km) = 4.668,50 €.

(b) Der anzurechnende Restwert kann (lediglich) auf 7.300 € geschätzt werden.

Die Vorteilsausgleichung erfordert weder einen besonderen Antrag noch eine Einrede. Der Schädiger muss sich aber zumindest auf konkrete Abzugsposten berufen, weil er für die von dem Geschädigten erlangten Vorteile darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2021 - V ZR 272/19, juris Rn. 24). Die Beklagte hat sich für einen Vorteilsausgleich auch auf den Restwert bezogen, ohne jedoch Angaben zu dessen Höhe zu machen.

Zwar ist es Sache des Anspruchstellers, diejenigen Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die seine Vorstellungen zur Schadenshöhe rechtfertigen sollen. Enthält der diesbezügliche Vortrag Lücken oder Unklarheiten, ist es in der Regel jedoch nicht gerechtfertigt, dem jedenfalls in irgendeiner Höhe Geschädigten jedweden Ersatz zu versagen. Der Tatrichter muss in diesem Fall vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob nach § 287 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist, und darf eine solche Schätzung erst dann gänzlich unterlassen, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge und daher willkürlich wäre (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 45/09, juris Rn. 19; Urteil vom 29. Mai 2013 - VIII ZR 174/12, juris Rn. 20). Nichts Anderes gilt auch für die nach § 287 ZPO zu bemessenden Vorteile.

Demgemäß hat der Senat auf der Basis der bekannten Fahrzeugdaten und der im Termin mitgeteilten Laufleistung eine Wertermittlung im Internet durchgeführt. Einwände gegen die Heranziehung des ermittelten Wertes von 7.300 € haben die Parteien nicht erhoben, weshalb der Senat keine Bedenken hat, diesen Wert als Restwert anzusetzen.

2. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB. Zwar befand sich die Beklagte aufgrund der ursprünglichen Zuvielforderung nicht in Verzug. Der Kläger kann jedoch Rechtshängigkeitszinsen verlangen, nachdem er seine Klage mit dem Schriftsatz vom 4. August 2023, die der Beklagten am 7. August 2023 zugestellt worden ist, von einer Zug-um-Zug-Leistung auf eine reine Zahlungsklage umgestellt hatte.

3. Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kann der Kläger nicht verlangen. Mit dem außergerichtlichen Aufforderungsschreiben hat er die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs verlangt. Ein solcher Anspruch auf großen Schadensersatz stand ihm jedoch nicht zu. Ein solcher Anspruch könnte sich allenfalls aus §§ 826, 31 BGB ergeben. Zwar kommt, wenn unter Täuschung im EG-Typgenehmigungsverfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird, eine deliktische Haftung des Herstellers nach §§ 826, 31 BGB grundsätzlich in Betracht. Nach der eingeholten Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes steht jedoch ein sittenwidriges Handeln der Beklagten nicht fest.

a) Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 20 mwN).

Das Inverkehrbringen eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Kraftfahrzeugs durch einen Fahrzeughersteller ist aber nicht schon wegen des darin liegenden Gesetzesverstoßes als sittenwidriges Verhalten gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs anzusehen. Damit eine unzulässige Abschalteinrichtung eine Haftung des Fahrzeugherstellers wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB auslösen kann, müssen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weitere Umstände hinzutreten, die sein Verhalten als besonders verwerflich erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2023 - III ZR 303/20, juris Rn. 11 mwN).

aa) Einen derartigen Umstand kann es darstellen, dass die Abschalteinrichtung danach unterscheidet, ob das Kraftfahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus unterzogen wird oder sich im normalen Fahrbetrieb befindet. Die Tatsache, dass eine Manipulationssoftware ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktiviert, indiziert eine arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2023 - III ZR 303/20, juris Rn. 12 mwN).

bb) Hiervon ist zu unterscheiden, ob die Abschalteinrichtung in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise arbeitet. Das ist der Fall, wenn unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Geschwindigkeit, Widerstand, etc., vgl. Art. 5 Abs. 3 a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 in Verbindung mit Art. 3 Nr. 1 und 6, Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 (ABl. L 199 vom 28. Juli 2008, S. 1 ff.) in Verbindung mit Abs. 5.3.1 und Anhang 4 Abs. 5.3.1, Abs. 6.1.1 der UN/ECE-Regelung Nr. 83 (ABl. L 375 vom 27. Dezember 2006, S. 246 ff.)) die Rate der Abgasrückführung im normalen Fahrbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand entspricht (vgl. zum "Thermofenster" BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 18; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 27). Sofern die verwendete Abschalteinrichtung auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb im Grundsatz in gleicher Weise funktioniert, ist darauf abzustellen, ob die konkrete Ausgestaltung der Abschalteinrichtung angesichts der sonstigen Umstände die Annahme eines heimlichen und manipulativen Vorgehens oder einer Überlistung der Typgenehmigungsbehörde rechtfertigen kann. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt in einem solchen Fall jedenfalls voraus, dass der Fahrzeughersteller bei der Entwicklung und/oder Verwendung der Abschalteinrichtung in dem Bewusstsein handelte, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahm. Fehlt es daran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 16; Urteil vom 20. Juli 2023 - III ZR 303/20, juris Rn. 13 mwN).

cc) Die Darlegungs- und Beweislast für ein derartiges Vorstellungsbild der handelnden Personen trägt dabei nach den allgemeinen Grundsätzen der Fahrzeugkäufer als Anspruchsteller (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 18). Reichen die von einer Partei für das Vorstellungsbild der anderen Partei behaupteten Indizien nach Auffassung des Tatgerichts für eine dahingehende Überzeugungsbildung auch dann nicht aus, wenn sie sich als zutreffend erweisen, so ist das Tatgericht nicht gehalten, Feststellungen zu den behaupteten Indizien zu treffen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 20).

b) Gemessen hieran kann die für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten nicht festgestellt werden. Es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit den oben festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtungen von der Beklagten in dem Bewusstsein der Unrechtmäßigkeit geschah und damit objektiv sittenwidrig war.

aa) Insbesondere kann auf ein vorhandenes Bewusstsein der Unzulässigkeit nicht aus dem von dem Kraftfahrtbundesamt beanstandeten "Geregelten Kühlmittelthermostat" geschlossen werden, weil es sich hierbei nicht um eine Prüfstandserkennung handelt. Diese Abschaltstrategie funktioniert im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise wie im realen Fahrbetrieb. Zwar schaltet die vorhandene Strategie in Abhängigkeit bestimmter Parameter in einen für die Abgasrückführung weniger effektiven Modus, wobei diese Umschaltparameter insbesondere im Normalbetrieb erreicht werden. Das Kraftfahrtbundesamt hat das "Geregelte Kühlmittelthermostat" aber nicht als Prüfstandserkennung eingeordnet. Auch dem Vortrag des Klägers lassen sich über eine pauschale Behauptung hinaus keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es sich bei dem "Geregelten Kühlmittelthermostat" um eine Prüfstandserkennung handeln könnte.

Gleiches gilt für das "Thermofenster". Die Steuerung der Abgasrückführung arbeitet bei dem Thermofenster - auch nach dem Vortrag des Klägers - zwar an der Umgebungstemperatur orientiert, im Grundsatz aber - bei Vorliegen der entsprechenden Bedingungen - auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise.

bb) Der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens wäre vor diesem Hintergrund nur dann gerechtfertigt, wenn zu dem Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Dafür müssten sich die betreffenden Personen bei der Entwicklung bzw. Verwendung der Abschalteinrichtungen zumindest darüber bewusst gewesen sein, unzulässige Abschalteinrichtungen zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben.

Greifbare Anhaltspunkte, die auf ein solches Vorstellungsbild hindeuten könnten, sind jedoch von dem Kläger weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Kläger behauptet ein wissentliches bzw. vorsätzliches Handeln der Beklagten nur pauschal und macht geltend, die Wirkungsweise der Abschalteinrichtungen sei gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt gezielt verschleiert worden; hierfür hat er aber keine belastbaren Anhaltspunkte aufgezeigt.

(1) Solche Anhaltspunkte für ein wissentliches Handeln der Beklagten folgen nicht bereits daraus, dass die Beklagte im Rahmen einer Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV einen Verbotsirrtum nicht dargelegt hat. Daraus kann nicht auf ein wissentliches Fehlverhalten der Beklagten geschlossen werden, weil es bei der Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB um die Widerlegung (zumindest) fahrlässigen Verhaltens ging, wofür die Beklagte beweisbelastet ist. Bei der Haftung aus § 826 BGB hat jedoch der Kläger ein vorsätzliches sittenwidriges Handeln der Beklagten zu beweisen, ohne dass er sich hierfür auf eine Vermutung stützen könnte.

(2) Aus der Erforderlichkeit eines Software-Updates lassen sich keine Rückschlüsse darauf ziehen, dass die Beklagte unter bewusster Hinwegsetzung über Gesetzesbestimmungen das Fahrzeug mit einer normwidrigen Steuerungssoftware für die Abgasrückführung ausgestattet hätte. Anknüpfungspunkt für ein Software-Update ist lediglich die Erforderlichkeit eines Eingriffs in die bisherigen Standards unter technischen Gesichtspunkten; ob diese Standards auf einem Verhalten beruhen, das in seinem Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, lässt sich dagegen aus der Erforderlichkeit eines Software-Updates nicht herleiten.

(3) Aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise der Abschalteinrichtungen gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt folgen ebenfalls keine Anhaltspunkte, dass für die Beklagte tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Nach der Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes hat es zu dem Zeitpunkt der hier relevanten Emissionsgenehmigung keine Angaben des Herstellers zu den Emissionsstrategien des Fahrzeuges im sogenannten Beschreibungsbogen gefordert. Dass die Beklagte gleichwohl erforderliche Angaben zu den Einzelheiten der Abschalteinrichtungen im Typgenehmigungsverfahren unterlassen haben sollte, hat das Kraftfahrtbundesamt nicht bekundet. Ohnehin wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 223/20, Rn. 14).

(4) Auch eine Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der unstreitigen gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021, VI ZR 128/20, juris Rn. 23; Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 2/21, juris Rn. 30). Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte "ideale", nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit), Abschaltung der Klimaanlage usw., so dass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber jeweils nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt.

(5) Schließlich reicht auch die Gesamtschau aller von dem Kläger für das Vorstellungsbild der Beklagten vorgetragenen Umstände nicht aus, um dem Senat die Überzeugung eines verwerflichen Handelns der für die Beklagten verantwortlichen Personen zu erlauben oder auch nur eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu ihren internen Entscheidungsvorgängen auszulösen. Dabei ist zwar zu beachten, dass das "Geregelte Kühlmittelthermostat" zu einer verbesserten Emissionsminderung vor allem unter Prüfstandsbedingungen führt. Für die konkrete Ausgestaltung hat die Beklagte aber technische Aspekte angeführt, die zwar eine Zulässigkeit der Abschalteinrichtungen nicht zu begründen vermögen, jedoch der Beurteilung ihres Verhaltens als verwerflich entgegenstehen. Hinsichtlich des "Thermofensters" ist zu bedenken, dass das Kraftfahrtbundesamt zur damaligen Zeit - und auch in der dem Senat erteilten Auskunft - das "Thermofenster" nicht als unzulässig, sondern als Industriestandard bewertet hat ("Thermofenster" wurden von allen Autoherstellern eingesetzt; vgl. BMVI, Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen, Stand April 2016). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich erstmals mit Urteil vom 17. Dezember 2020 (C-693/18, NJW 2021, 1216) mit der Auslegung der vorgenannten Ausnahmevorschrift befasst. Insoweit war ein Verstoß betreffend die Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a VO (EG) Nr. 715/2007 auch nicht evident (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - III ZR 205/20, juris Rn. 24).

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 92 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Auch die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 10. Oktober 2023 - 7 U 100/22, juris und vom 14. November 2023 - 7 U 19/23, juris geben keinen Anlass, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Zwar teilt der Senat nicht die von dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht vertretene Ansicht, liege eine tatsächliche oder hypothetische Genehmigung vor, bedürfe es keiner näheren Begründung eines Rechtsirrtums (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht vom 14. November 2023 - 7 U 19/23, juris Rn. 27, 29). Der Senat weicht mit seinem Urteil jedoch nicht von einer tragenden Erwägung ab, weil das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht seine Entscheidung zusätzlich damit begründet, dass es von einem konkreten Verbotsirrtum überzeugt sei (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht vom 14. November 2023 - 7 U 19/23, juris Rn. 23, 31 f.).