Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 18.10.2023, Az.: 7 U 67/23

Abgasskandal; EA288; Grenzwertkausalität; Verbotsirrtum; Kein Schadensersatz bei EA288 wegen Verbotsirrtums

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.10.2023
Aktenzeichen
7 U 67/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 39208
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:1018.7U67.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 17.02.2023 - AZ: 5 O 201/22

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 17. Februar 2023 (Az. 5 O 201/22) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 4.000 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sog. "Diesel-Abgasskandal" geltend.

Die Klägerin erwarb am 29. April 2019 von der A. GmbH in N. einen VW Passat Variant 2.0 TDI mit 110 kW zum Kaufpreis von 23.700 € brutto. Das am 23. Juni 2017 erstzugelassene Fahrzeug wies bei Erwerb durch die Klägerin eine Laufleistung von 35.600 km auf und ist mit einem Motor des Typs EA 288, Schadstoffklasse 6 mit NSK ausgestattet.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte wegen einer aus ihrer Sicht bestehenden Ausstattung des Fahrzeugs mit unzulässigen Abschalteinrichtungen - so insbesondere einer prüfstandbezogenen Manipulation des NOx-Katalysators in Form einer Fahrkurvenerkennung sowie eines Thermofensters - zum Schadensersatz verpflichtet sei. Dem ist die Beklagte unter Hinweis darauf, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug keine unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut, insbesondere die an die Fahrkurvenerkennung geknüpften Funktionen zulässig seien, entgegengetreten.

Das Landgericht hat die zuletzt auf Ersatz sog. "kleinen" Schadensersatzes in Höhe von mindestens 15% des Kaufpreises, mithin also von mindestens 3.555 € sowie Freistellung von vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage durch Urteil vom 17. Februar 2023 (Bl. 252 ff. d. A.), auf das wegen der erstinstanzlichen Feststellungen und gestellten Anträge verwiesen wird, abgewiesen.

Dies hat es im Kern damit begründet, dass eine Haftung der Beklagten nach §§ 826, 31 BGB ausscheide, weil die Klägerin vor dem Hintergrund der von der Beklagten vorgelegten Auskünfte des KBA keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen habe, die den Schluss auf ein Handeln der für die Beklagte verantwortlichen Personen im Bewusstsein der Unrechtmäßigkeit zuließen. Auch komme keine deliktische Haftung der Beklagten auf anderer Anspruchsgrundlage - so insbesondere aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO (EG) 715/2007 in Betracht, da die Beklagte - auch in Bezug auf das unstreitig vorhandene Thermofenster - jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt habe, da sie sich insoweit in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden habe.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.

Ihrer Ansicht nach habe das Landgericht ihren Vortrag zum Verbau unzulässiger Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug zu Unrecht als "ins Blaue hinein" erachtet und damit die Vortragsanforderungen überspannt. Aus dieser Vorgehensweise begründe sich ein Gehörsverstoß. Insbesondere habe das Landgericht verkannt, dass die Entscheidung, ob unzulässige Abschalteinrichtungen vorlägen, nicht dem KBA obliege. Deswegen hätte es dessen Wertungen nicht seiner Beurteilung zugrunde legen dürfen, sondern selbst die erforderliche Tatsachenfeststellung vornehmen müssen.

Außerdem hätte das Landgericht erkennen müssen, dass die Beklagte um die fehlende Übereinstimmung ihrer Fahrzeuge mit dem genehmigten Typ gewusst habe und ihr daher zumindest ein fahrlässiges Verhalten anzulasten sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz in Höhe von mindestens 15 % des Kaufpreises des Fahrzeugs (23.700 €), mindestens somit 3.555 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.295,43 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze, insbesondere auf die Berufungsbegründung vom 19. April 2023 (Bl. 314 ff. d. A.) verwiesen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. Juli 2023 (Bl. 424 ff. d. A.) die Parteien darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des BGH durch die Entscheidungen vom 26. Juni 2023 (Az. VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22) der Klägerin ein Anspruch auf den sog. Differenzschaden zustehen könnte.

Im Hinblick hierauf haben die Parteien ergänzend mit Schriftsätzen vom 8. August 2023, (Bl. 441 d. A.) - Klägerin - und 4. September 2023 (Bl. 460 ff. d. A.) - Beklagte - vorgetragen.

Die Klägerin beantragt nunmehr in Ergänzung zu ihren bisher gestellten Anträgen,

hilfsweise

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden angemessenen Schadensersatz in Höhe von 5% bis 15% des Kaufpreises des Fahrzeugs (23.700 €) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.295,43 € freizustellen.

B.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil der Klägerin unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs zusteht.

Mit ihren hiergegen erhobenen Einwänden kann die Klägerin nicht durchdringen.

Im Einzelnen:

I.

Ein Anspruch der Klägerin aus §§ 826, 31 BGB besteht nicht.

1. Zwar kommt, wenn unter Täuschung im EG-Typengenehmigungsverfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird, eine deliktische Haftung des Herstellers nach §§ 826, 31 BGB grundsätzlich in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19; vgl. ferner: Senatsurteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18, juris Rn. 26 ff. und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18). Dem Vorbringen der Klägerin lassen sich die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs auf Schadensersatz gegen die Beklagte aber nicht schlüssig entnehmen.

a) Sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 19 mwN).

Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 20 mwN).

Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt voraus, dass dies in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 21 mwN).

Nach diesen Grundsätzen reicht der Umstand, dass eine die Abgasemissionen beeinflussende Einrichtung im Emissionskontrollsystem des Fahrzeugs des Erwerbers nach seinem Sachvortrag in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht als eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, NJW 2021, 1216), für die Begründung der objektiven Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB nicht aus. Der darin liegende Gesetzesverstoß ist für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Herstellerin handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedarf es vielmehr weiterer Umstände. So setzt die Annahme von Sittenwidrigkeit in diesen Fällen jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der die Abgasemissionen beeinflussenden Einrichtung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2021 - VII ZR 415/21, juris Rn. 27).

Der Schluss auf ein im Hause des Herstellers vorhandenes Bewusstsein der Unzulässigkeit in Bezug auf eine Abschalteinrichtung, das wiederum Voraussetzung bereits der objektiven Sittenwidrigkeit ist, ist bei evident unzulässigen Abschalteinrichtungen gerechtfertigt, wie dies für ein "System der Prüfstanderkennung" und die Applikation einer entsprechenden Steuerungssoftware gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 - VII ZR 252/20, juris Rn. 16). Mangels Prüfstandbezogenheit kann nicht schon aus der Funktionsweise der Abschalteinrichtung auf eine als sittenwidrig zu bewertende Täuschungsabsicht der Beklagten geschlossen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 126/21, juris Rn. 19; Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 18). Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für den Motorhersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 16).

Die Darlegungs- und Beweislast für ein derartiges Vorstellungsbild der handelnden Personen trägt dabei nach den allgemeinen Grundsätzen der Fahrzeugkäufer als Anspruchsteller (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 18). Reichen die von einer Partei für das Vorstellungsbild der anderen Partei behaupteten Indizien nach Auffassung des Tatgerichts für eine dahingehende Überzeugungsbildung auch dann nicht aus, wenn sie sich als zutreffend erweisen, so ist das Tatgericht nicht gehalten, Feststellungen zu den behaupteten Indizien zu treffen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 20).

b) Dies zugrunde gelegt, hat die Klägerin die für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten nicht dargetan. Denn es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Ausstattung des Fahrzeugs mit einer Motorsteuerungssoftware mit - unterstellt - unzulässigen Abschalteinrichtungen seitens der Beklagten in dem Bewusstsein der Unrechtmäßigkeit geschehen und damit objektiv sittenwidrig wäre.

Zwar verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug über ein Thermofenster und auch eine Fahrkurvenerkennung. Dies allein genügt aber nicht, um das Handeln der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren.

(1) Insbesondere hat die Klägerin nicht dargetan, dass das Kraftfahrtbundesamt die Funktionsweise der Fahrkurvenerkennung und deren Einfluss auf das Emissionsverhalten des Wagens nicht erkannt hätte und dementsprechend seitens der Beklagten hierüber im Typengenehmigungsverfahren getäuscht worden sei.

(a) Für die Annahme, dass die Bewertung des KBA auf einer unzutreffenden oder lückenhaften Beurteilung der Funktionsweise der Fahrkurve basiere, findet sich im Streitfall keine Grundlage. Vielmehr ergibt sich aus den seitens der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünften des KBA vergleichbare Fahrzeuge betreffend (Anlagen B1, B13 - B15, Anlagenband Beklagte, Anlage BB1, Anlagenhefter zu Schriftsatz vom 24. Mai 2023) genau das Gegenteil, heißt es in diesen Auskünften doch: "Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, (...)."

Danach hat sich das Kraftfahrtbundesamt also gerade nicht auf Angaben Dritter oder der Beklagten verlassen, sondern eigene Untersuchungen vorgenommen, bei denen die Fahrkurvenerkennung deaktiviert war. Ob das KBA dazu in der Lage war, die Motorsteuerungssoftware auszulesen, spielt keine Rolle. Denn - wie die vorgenannte Auskünfte zeigen - war es jedenfalls auch ohne diese Fähigkeit dazu in der Lage, eine Aktivierung oder Deaktivierung der Fahrkurve festzustellen. Im Übrigen datieren die Auskünfte zum Teil aus dem Jahr 2022, also einer Zeit, zu der das KBA bereits über ein eigenes Prüflabor in Harrislee verfügte.

Dabei entfaltet zwar die Bewertung einer Abschalteinrichtung durch das KBA als zulässig oder unzulässig keine Bindungswirkung für das Gericht, weil die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde an der objektiven Rechtslage und nicht an der Bewertung der Behörde zu messen ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 82). Aus diesem Grund unterliegt die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG zulässig ist, einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung ohne Bindung an eine Tatbestandswirkung (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 80-82).

Dies ändert aber nichts daran, dass sich das Gericht für eventuelle Feststellungen zum Vorhandensein und der Funktionsweise von Konstruktionsteilen, die die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringern, auf die Sachkunde des KBA stützen kann.

Vor diesem Hintergrund lassen sich aus den zur Akte gereichten amtlichen Auskünften des KBA Rückschlüsse darauf, welche Feststellungen das KBA im Zusammenhang mit der hier streitrelevanten Fahrkurvenerkennung getroffen hat, sehr wohl ziehen. Diese ergeben indes im Streitfall keinen Hinweis darauf, dass das KBA über die Wirkung der Fahrkurvenerkennung nicht vollumfänglich informiert war.

(b) Darüber hinaus war dem KBA aufgrund entsprechender Mitteilungen durch die Beklagte im Zusammenhang mit der durchgeführten Felduntersuchung bereits seit Oktober 2015 und damit deutlich vor dem Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch den Kläger im April 2019 die Existenz einer Fahrkurvenerkennung in Motoren des Typs EA 288 bekannt. Dementsprechend fehlte es jedenfalls an einer Täuschung des KBA im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages, auch wenn mit der Fahrkurvenerkennung eine Prüfstanderkennung verbunden ist.

(2) Außerdem hat die Klägerin auch das Vorhandensein einer den Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertigenden Prüfstanderkennungssoftware, die bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, nicht hinreichend dargelegt.

Insoweit findet zwar, wie vorstehend erwähnt, mit der Fahrkurvenerkennung eine Prüfstanderkennung Anwendung. Dies indiziert aber - anders als in den Fällen des Motortyps EA 189 - nicht die Sittenwidrigkeit.

Wie oben bereits ausgeführt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nämlich maßgeblich darauf an, ob ein Automobilhersteller Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris-Rn. 20 mwN). Daran fehlt es hier jedoch.

Denn wie sich aus den oben erwähnten Auskünften des Kraftfahrtbundesamts ergibt, die sich die Beklagte insoweit zu Eigen gemacht hat, werden die gesetzlichen Grenzwerte nach den dortigen Untersuchungen auch bei einer Deaktivierung der Fahrkurvenerkennungsfunktion gerade nicht überschritten.

Dem ist die Klägerin nicht mit Substanz entgegengetreten. Soweit sie in diesem Zusammenhang behauptet, dass die Grenzwerte auf dem Prüfstand zwar eingehalten, im Realbetrieb hingegen überschritten würden, kommt es hierauf nicht an. Denn dass die entsprechenden Werte im Realbetrieb diejenigen erheblich übertreffen, die im seinerzeit maßgeblichen NEFZ erzielt werden, ist schon angesichts der Unterschiede der Bedingungen und unabhängig von der Verwendung einer Umschaltlogik zu erwarten und stellt deshalb weder für sich allein noch in der Zusammenschau mit einer ggf. erfolgten freiwilligen Kundendienstmaßnahme der Beklagten einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür dar, dass der entsprechende Motor zur Täuschung der zuständigen Behörde auf dem Prüfstand in einem anderen Modus als außerhalb des Prüfstandes betrieben wird (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 15; derss., Urteil vom 13. Juli 2021, VI ZR 128/20, juris Rn. 23; Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 2/21, juris Rn. 30).

Zudem hat nach Art. 3 Nr. 6 der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Hersteller lediglich zu gewährleisten, dass die bei der Emissionsprüfung ermittelten Werte unter den in dieser Verordnung angegebenen Prüfbedingungen den geltenden Grenzwert nicht überschreiten. Werden die Grenzwerte unter diesen Bedingungen auch ohne die Abschalteinrichtung eingehalten, bietet eine solche Abschaltstrategie keinen Anhaltspunkt für ein sittenwidriges Verhalten; denn der Hersteller hätte auf sie verzichten können und - weil die erforderlichen Grenzwerte auch ohne die Abschalteinrichtung eingehalten werden - die Typgenehmigung gleichwohl erteilt bekommen.

Damit spielt auch der Umstand, dass der NSK auf dem Prüfstand ein anderes Regenerationsverhalten aufweist als im realen Fahrbetrieb, für die Frage der Sittenwidrigkeit keine Rolle. Denn da nicht einmal aus der Überschreitung der Grenzwerte im Realbetrieb auf eine die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte nur auf dem Prüfstand gewährleistenden Prüfstanderkennung geschlossen werden kann, weil der Hinweis auf Diskrepanzen zwischen Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen und unter normalen Betriebsbedingungen auf der Straße keinen greifbaren Anhaltspunkt für die Verwendung einer solchen Steuerungsstrategie darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021, VI ZR 128/20, juris-Rn. 23), gilt dies erst recht, wenn im Straßenbetrieb die Emissionen zwar möglicherweise höher als auf dem Prüfstand sind, die Grenzwerte aber gleichwohl einhalten werden.

Dabei kommt es auf eine "Grenzwertkausalität", also die Frage, ob eine solche Steuerungsstrategie, die zwar zu gegenüber dem Prüfstandbetrieb erhöhten, gleichwohl aber noch immer innerhalb der gesetzlichen Grenzwerte liegenden Emissionswerte führt, mit den maßgeblichen EU-Bestimmungen in Einklang zu bringen ist, nicht an. Nur hierzu hat sich indes der BGH in seiner Entscheidung vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21) positioniert. Rechtlicher Ausgangspunkt an dieser Stelle ist aber nicht die Frage, ob eine Abschalteinrichtung, die sich auf die Schadstoffemissionen auswirkt, ohne dabei jedoch die Grenzwerte zu überschreiten, zulässig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG ist. Entscheidend ist vielmehr, dass eine solche Abschaltstrategie keinen Anhaltspunkt für ein sittenwidriges Verhalten bietet.

So liegt es auch im Streitfall bei der zum Einsatz kommenden Fahrkurvenerkennung. Denn die Beklagte als Herstellerin hätte auf diese Abschalteinrichtung verzichten können und - weil die erforderlichen Grenzwerte auf dem Prüfstand auch ohne die Abschalteinrichtung eingehalten werden - die Typgenehmigung gleichwohl erhalten. Daher begründet eine unterbliebene Offenlegung abweichender Emissionswerte auf dem Prüfstand von solchen im Realbetrieb - jedenfalls, wenn letztere die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschreiten - auch kein Anknüpfungskriterium für eine sittenwidrige Täuschung.

(3) Die Klägerin hat auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass eine (oder mehrere) im EG-Typgenehmigungsverfahren verschwiegene und auch bei der nachträglichen Prüfung unentdeckt gebliebene Abschalteinrichtung vorhanden ist, auf die sich die Beurteilung des Kraftfahrtbundesamtes folgerichtig nicht beziehen könnte.

(aa) Dass die behauptete Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ kein Indiz für eine Abschalteinrichtung darstellen, hat der Senat bereits oben ausgeführt.

(bb) Es hilft der Klägerin auch nicht weiter, dass für eine geringe Anzahl von Fahrzeugen der Beklagten mit einem Motor des Typs EA 288 - nämlich beispielsweise einen VW T6 EA 288 Euro 6 - ein verpflichtender Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt angeordnet wurde. Denn dieser Rückruf erfolgte, wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, nicht wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen, sondern wegen technischer Konformitätsabweichungen während der Regeneration des Diesel-Partikelfilters und zur Sicherstellung eines für die Ki-Familie des streitgegenständlichen Fahrzeugs repräsentativen Ki-Werts (vgl. Senat, Beschluss vom 23. April 2021 - 7 U 851/20).

(cc) Gleichermaßen ergeben sich auch aus den von der Klägerin in Bezug genommenen "Bosch-Papers" keine Hinweise für dem KBA gegenüber verschwiegene Abschalteinrichtungen. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die in den vorgenannten Unterlagen erwähnten Manipulationsmaßnahmen tatsächlich Eingang in die jeweilige Motorsteuerungssoftware gefunden haben und es sich insoweit nicht nur um die Darstellung potentieller, aber nicht realisierter Optionen handelt. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass das Aufspielen der Motorsteuerungssoftware nicht Sache der Bosch GmbH, sondern des jeweiligen Herstellers selbst war. Darüber hinaus sind die vorgenannten Unterlagen den Ermittlungsbehörden bereits seit geraumer Zeit bekannt; gleichwohl haben sich Anhaltspunkte für einen konkreten Tatverdacht hieraus offensichtlich nicht ergeben.

(3) Auch hinsichtlich der temperaturgesteuerten Abgasrückführung und der Implementierung des Thermofensters ist eine arglistige Täuschung des Kraftfahrtbundesamts durch die Beklagte nicht substantiiert dargelegt.

a) Selbst wenn man an dieser Stelle zugunsten der Klägerin unterstellte, dass das im streitgegenständlichen Fahrzeug implementierte Thermofenster tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 darstellte, fehlte es jedenfalls an ausreichenden Umständen, die die Bewertung einer solchen Abschalteinrichtung als sittenwidrig rechtfertigten.

Greifbare Anhaltspunkte, die auf ein entsprechendes Vorstellungsbild bei der Beklagten hindeuten könnten - beispielsweise, dass diese im Typgenehmigungsverfahren erforderliche Angaben ungeachtet der Amtsermittlungspflicht des Kraftfahrtbundesamtes verschwiegen, insbesondere verschleiert hätte, dass die Abgasrückführungsrate in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp durch die Außentemperatur mitbestimmt wird - hat die Klägerin weder erstinstanzlich, noch im Rahmen seiner Berufungsbegründung vorgetragen.

Aus dem Bericht der Untersuchungskommission "Volkswagen" vom April 2016 ergibt sich, dass in dem hier fraglichen Zeitraum Thermofenster von allen Autoherstellern verwendet wurden. Begründet wurde dies mit dem Erfordernis des Motorschutzes, wobei diese Frage vor allem die Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 715/2007 betraf. Dementsprechend hat das Kraftfahrtbundesamt den Einsatz eines Thermofensters, bei dem die Hersteller die Abgasreinigung temperaturabhängig zurückfahren, jedenfalls dann nicht grundsätzlich in Frage gestellt, wenn die Einrichtung notwendig sei, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich erstmals mit Urteil vom 17. Dezember 2020 (C-693/18, NJW 2021, 1216) mit der Auslegung der vorgenannten Ausnahmevorschrift befasst. Insoweit war ein Verstoß betreffend die Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a VO (EG) Nr. 715/2007 nicht eindeutig. Allein aus dem Einsatz eines Thermofensters können daher keine Anhaltspunkte dafür hergeleitet werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen dies als illegal angesehen und gebilligt haben. Eine möglicherweise fahrlässige Verkennung der Rechtslage durch die Beklagte genügt für die Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit nicht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - III ZR 205/20, juris Rn. 24).

Zudem war dem Kraftfahrtbundesamt die Verwendung von Thermofenstern bei allen Herstellern und die in diesem Zusammenhang geführte rechtliche Diskussion um den Motorschutz bekannt. Es war deshalb zu einer Überprüfung des Emissionsverhaltens der Fahrzeuge ohne weiteres in der Lage (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - III ZR 205/20, juris Rn. 25). Erforderlichenfalls wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, Einzelheiten zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 322/20, juris Rn. 26).

(b) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass ein Software-Update für das streitgegenständliche Fahrzeug angeboten wird.

Auch dies stellt kein ausreichendes Indiz für ein verwerfliches Verhalten der Beklagten oder einen Unwertgehalt der der Motorsteuerung bislang zugrundeliegenden Softwarekonzeption dar.

Aus der Erforderlichkeit eines Software-Updates lassen sich nämlich keine Rückschlüsse darauf ziehen, dass der Motorhersteller unter bewusster Hinwegsetzung über Gesetzesbestimmungen das Fahrzeug mit einer normwidrigen Steuerungssoftware für die Abgasrückführung ausgestattet hätte.

Anknüpfungspunkt für ein Software-Update ist insoweit lediglich die Erforderlichkeit eines Eingriffs in die bisherigen Standards unter technischen Gesichtspunkten; ob diese Standards auf einem Verhalten beruhen, das in seinem Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, lässt sich dagegen aus der Erforderlichkeit eines Software-Updates nicht herleiten.

(4) Nach alledem reichen die von der Klägerin vorgetragenen Umstände - auch in ihrer Gesamtschau - nicht aus, um auf das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der für die Beklagten verantwortlichen Personen schließen zu lassen oder auch nur eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu ihren internen Entscheidungsvorgängen auszulösen.

II.

Schadensersatzsprüche im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Fahrzeugerwerb auf anderer Grundlage als § 826 BGB kommen für die Klägerin ebenfalls nicht in Betracht.

1. Es besteht kein Anspruch aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 3, § 241 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte, weil zwischen den Parteien kein (vor-)vertragliches Schuldverhältnis zustande gekommen ist. Es ist nichts dafür dargetan oder anderweitig ersichtlich, dass die Beklagte in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hätte (OLG München, Urteil vom 10. August 2020 - 21 U 2719/19, BeckRS 2020, 18878 Rn. 31). Dies wäre jedoch für eine Haftung aus den vorgenannten Normen erforderlich.

2. Insbesondere haftet die Beklagte wegen der fehlenden Stoffgleichheit zwischen einer etwaigen Vermögenseinbuße der Klägerin und den denkbaren Vermögensvorteilen der Beklagten auch nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (BGH, Urteil v. 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris-Rn. 24).

3. Auch eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) 715/2007 scheidet aus.

a) Dabei hilft der Klägerin nicht weiter, dass nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-100/21 vom 21. März 2023 die Art. 18 Abs. 1, 26 Abs. 1 und 46 der Richtlinie 2007/46 sowie die Bestimmungen der VO (EG) 715/2007 als drittschützende Normen zu qualifizieren sind und entsprechende Verstöße gegen diese Normen nach den nunmehr am 26. Juni 2023 ergangenen Entscheidungen des BGH in den Verfahren VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 sowie VIa ZR 1031/22 auch im Fall bloßer Fahrlässigkeit Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 GB i.V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV rechtfertigen können.

Auch in Anbetracht der vorgenannten Entscheidung des BGH vom 26. Juni 2023 bleibt es nämlich dabei, dass § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit entsprechenden Schutzgesetzen in sachlicher Hinsicht das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht umfasst und sich dementsprechend weder ein Anspruch auf Gewährung sog. "großen" Schadensersatzes auf diese Anspruchsnorm stützen lässt (vgl. BGH, VIa ZR 335/21, Rn. 18 ff.), noch ein Anspruch auf sog. "kleinen" Schadensersatz, den die Klägerin hier vorrangig verfolgt; denn hierbei handelt es sich lediglich um zwei gleichwertige Möglichkeiten des Schadensausgleichs, die beide an die Belastung mit einem nicht gewollten Vertrag anknüpfen und damit nicht unter den Normzweck der vorgenannten Bestimmungen fallen.

b) Gleichermaßen ergeben sich zugunsten der Klägerin auch keine Ansprüche auf Ersatz des sog. "Differenzschadens" - der insoweit einzig aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) 715/2007 in Betracht kommenden Form des Schadensersatzes, auf die sie ihr Begehren - jedenfalls hilfsweise - umgestellt hat.

aa) Im Zusammenhang mit dem Thermofenster begründet sich ein solcher Differenzschaden schon deswegen nicht, weil die Klägerin insoweit nicht dargelegt hat, dass es sich bei dieser Steuerungsfunktion um eine Abschalteinrichtung i.S. von Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 handelt und die Beklagte damit gegen die Bestimmungen der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV verstoßen hat.

(1) Grundsätzlich obliegt es der Klagepartei, die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruches und damit das Vorliegen einer Abschalteinrichtung darzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21 -, juris Rn. 53). Die Beklagte hat hinsichtlich des im streitgegenständlichen Fahrzeug verwendeten Thermofensters vorgetragen, dass dieses in einem Temperaturbereich von -24°C bis +70°C für eine volle Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems sorgt. Diesem Vortrag ist die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht hinreichend entgegengetreten, insbesondere hat sie keine Angaben dazu gemacht, in welchem Temperaturbereich das Thermofenster im streitgegenständlichen Fahrzeug eine Abgasrückführung zu 100 % und ab welchem Temperaturbereich ein - ggf. iterativer - Rückgang der Abgasrückführung erfolgt.

Damit ist mangels ausreichendem Vorbringens der Klägerin das von der Beklagten gehaltene Vorbringen maßgeblich.

Enthält danach das streitgegenständliche Fahrzeug ein Thermofenster, das in einem Temperaturbereich von -24°C bis +70°C für eine vollständige Abgasrückführung sorgt, liegt bereits nach der Legaldefinition des Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 keine Abschalteinrichtung vor. Eine solche setzt voraus, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen verringert wird, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, wobei auf Fahrbedingungen abzustellen ist, wie sie im gesamten Unionsgebiet üblich sind (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21 -, Rn. 50 juris). Es ist allgemein bekannt und damit im Sinne des § 291 ZPO offenkundig, dass Temperaturen über +70°C in der EU nicht vorkommen und Temperaturen unter -24°C selbst im kältesten Teil der EU nur zu wenigen Zeiten zu beobachten sind (OLG Braunschweig, Beschluss v. 24. Juli 2023 - 2 U 100/22, juris Rn. 7).

bb) Ein Anspruch auf Ersatz des "Differenzschadens" ergibt sich indes auch nicht im Zusammenhang mit der - unstreitig - vorhandenen Fahrkurvenerkennung.

(1) Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei der Fahrkurvenerkennung um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Unionsrechts handelt, was jedenfalls nicht der Fall wäre, wenn die Fahrkurvenerkennung überhaupt keinen außerhalb der üblichen Messstreuungen liegenden Einfluss auf die NOx-Emissionen hätte (vgl. BGH, Urteil v. 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 48), wie die Beklagte behauptet.

Denn jedenfalls fehlt es an einem für eine Haftung nach den o.g. Vorschriften erforderlichen Verschulden der Beklagten selbst in der Form einfacher Fahrlässigkeit.

(2) Eine Schadensersatzhaftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV setzt ein Verschulden des in Anspruch genommenen Fahrzeugherstellers voraus (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 36 f.). Insoweit genügt ein fahrlässiger Verstoß für die Haftung (BGH, aaO Rn. 38).

(a) Maßstab für die Bestimmung der Fahrlässigkeit im Rahmen von § 823 Abs. 2 BGB ist § 276 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 16. Januar 1968 - VI ZR 134/66, juris Rn. 15). Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Fahrlässigkeit setzt unter anderem die Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit voraus. Ein Irrtum des Schuldners über die Rechtmäßigkeit seines Tuns schließt Fahrlässigkeit nur aus, wenn er unvermeidbar war. An die Unvermeidbarkeit sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 27. September 1989 - IVa ZR 156/88, juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1969 - VIII ZR 10/68, juris Rn. 9). Ein Rechtsirrtum wird nur ganz ausnahmsweise als unvermeidbar angesehen.

Der Fahrzeughersteller muss, wenn er eine Übereinstimmungsbescheinigung trotz der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegeben und dadurch § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV verletzt hat, Umstände darlegen und beweisen, die sein Verhalten ausnahmsweise nicht als fahrlässig erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 59).

Dabei kommt es nicht auf das Vorstellungsbild des Herstellers bei der Entwicklung der Emissionsstrategien oder bei Beantragung der Typgenehmigung an, sondern stattdessen ist maßgeblich der Zeitpunkt, zu dem das streitgegenständliche Fahrzeug erworben wurde, da erst dann durch das - vermeintlich - schädigende Ereignis das gesetzliche Schuldverhältnis gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 6 As. 1, 27 As. 1 EG-FGV entstanden ist (BGH, aaO, juris Rn. 61).

Der Fahrzeughersteller, der sich unter Berufung auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum entlasten will, muss sowohl den Verbotsirrtum als solchen als auch die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums konkret darlegen und beweisen. Nur ein auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt unvermeidbarer Verbotsirrtum kann entlastend wirken. Ein entlastend wirkender Verbotsirrtum kann vorliegen, wenn der Schädiger die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen braucht (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 63).

Dabei kann der Fahrzeughersteller zu seiner Entlastung darlegen und erforderlichenfalls nachweisen, seine Rechtsauffassung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 wäre bei entsprechender Nachfrage von der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden (hypothetische Genehmigung). Steht fest, dass eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Schädigers dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte, scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB infolge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann aus, wenn der Schädiger eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 65).

(b) Nach diesen Maßstäben ist ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten - auch in Form bloßer Fahrlässigkeit i.S. von § 276 BGB - zum Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs durch die Klägerin zu verneinen.

(aa) Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich in ihrer Klageerwiderung ausgeführt, dass selbst dann, wenn die Fahrkurvenerkennung als unzulässige Abschalteinrichtung zu beurteilen sein sollte, es angesichts der eindeutigen Rechtsauffassung des KBA als zuständiger Bundesfachbehörde, auf die sie vertraut habe und habe vertrauen dürfen, jegliche Anhaltspunkte für ein Unrechtsbewusstsein ihrerseits fehlten. Denn das KBA habe nach seinen Untersuchungen, die es nach Offenlegung der Implementierung einer Fahrkurvenerkennung in Fahrzeugen mit EA288-Motor durch die Beklagte ab Herbst 2015 durchgeführt habe, die Fahrkurvenerkennung nicht als unzulässige Abschalteinrichtung erachtet, da diese nicht zu einer grenzwertkausalen Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter normalen Fahrbedingungen geführt habe. Entsprechendes hätten auch die von ihr - der Beklagten - selbst vorgenommenen Messungen an Feldfahrzeugen ergeben.

Damit hat die Beklagte vorgetragen, sich zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin das streitgegenständliche Fahrzeug erworben hat, nämlich im April 2019, im Sinne eines Verbotsirrtums in der Fehlvorstellung befunden zu haben, die Verwendung der Fahrkurve stelle keine unzulässige Abschalteinrichtung dar.

(bb) Dem ist die Klägerin nicht in erheblicher Weise entgegengetreten.

(aaa) Soweit sie meint, dass die Rechtsauslegung der maßgeblichen EU-Bestimmungen der Rechtsprechung und nicht dem KBA obliege und damit offenbar eine Unmaßgeblichkeit der Rechtsauffassung des KBA für die Vorstellungen der Beklagten geltend machen will, kann sie hiermit nicht durchdringen.

Zum einen widerlegt dieser - zudem erst durch die Rechtsprechung des BGH von Ende 2021 (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 82) klargestellte - rechtliche Gesichtspunkt nicht den Tatsachenvortrag der Beklagten, auf die Zulässigkeit der von ihr verwendeten Abschalteinrichtung vertraut zu haben. Zum anderen gab es im maßgeblichen Zeitpunkt des hiesigen Vertragsabschlusses für die hier in Rede stehende Rechtsfrage, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung auch dann anzunehmen ist, wenn mit einer Fahrkurvenerkennung Funktionen verbunden sind, die zwar einen Einfluss auf entstehende Emissionen haben, der jedoch für die Einhaltung des gesetzlichen NOx-Grenzwertes nicht relevant ist, keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof hat erst im Juni 2023 entschieden, dass es jedenfalls für die Auslegung des Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 nicht auf eine Grenzwertrelevanz ankommen soll (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 51) und sich insoweit auf eine vorausgegangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bezogen (EuGH, Urteil vom 8. November 2022 - C-873/19, juris Rn. 92).

Damit mangelte es im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an einer einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, aus der die Beklagte die Unzulässigkeit der mit der Fahrkurvenerkennung verbundenen Funktionen hätte schlussfolgern können (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 13. Juli 2023 - I-13 U 527/21, juris Rn. 74).

Unter diesen Voraussetzungen kam es für sie als Fahrzeugherstellerin damit in erster Linie auf die Beurteilung des KBA als zuständiger Typgenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde an. Insofern kann der Genehmigungspraxis dieser Behörde zumindest eine Indizfunktion für die Feststellung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums beigemessen werden (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR335/21, juris Rn. 67).

(bbb) Einem Verbotsirrtum der Beklagten stehen auch nicht die von der Klägerin angeführten "Bosch-Papers" entgegen.

Diese mögen zwar auf die Bedenklichkeit von Funktionen hinweisen, die aufgrund der Verknüpfung mit anderen Steuerungsmaßnahmen mit einer Umschaltlogik ausgestattet sind. Dass dies indes auch für den Fall gelten könnte, dass sich die Abschalteinrichtungen auf das Emissionsverhalten nicht auswirken, also gerade nicht grenzwertkausal sind, lässt sich diesen Unterlagen dagegen nicht entnehmen.

(ccc) Dass die Beklagte trotz der Billigung der Fahrkurvenerkennung durch das KBA in Wirklichkeit von deren Unzulässigkeit ausging, lässt sich auch nicht aus einer vergleichenden Betrachtung mit ihren Manipulationshandlungen beim Motortyp EA189 herleiten.

Eine solche Vergleichbarkeit der Sachverhalte hält der Senat in Übereinstimmung mit dem OLG Hamm (a.a.O., juris Rn. 57 f.) nicht für gegeben. Zwar mag die bei den älteren EA189-Motoren verwendete "Umschaltlogik" als evident unzulässig einzustufen gewesen sein (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 17), so dass sich auch ein Rechtswidrigkeitsbewusstsein der Beklagten aufdrängte (BGH, Beschluss vom 21. März 2022 - VIa ZR 334/21, juris Rn. 22). Die bei den neueren EA288-Motoren verwendete Technik wies aber deutliche Unterschiede auf. Insofern beschränkten sich die Auswirkungen der Fahrkurvenerkennung bei den EA288-Motoren nach dem Vortrag der Beklagten auf die bei diesen Aggregaten überwiegend vorhandene zusätzliche Abgasnachbehandlung, während es bei Anwendung des Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 für die Wirkung der Funktionsänderung auf das Emissionskontrollsystem in seiner Gesamtheit ankommt und dabei auch die kombinierte Wirkung von Abgasrückführung und -reinigung zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 322/21, juris Rn. 51).

Auch als die Beklagte nach ihrer Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 die bei den Motorengenerationen EA189 und EA288 verwendeten Emissionsstrategien gegenüber dem KBA darstellte, brachte sie eine differenzierte Einschätzung der Zulässigkeit der jeweils verwendeten Applikationen zum Ausdruck.

Während die Beklagte bezüglich der "Akustikfunktion" bei den EA189-Motoren im Zuge der Kooperation mit der Behörde keine Einwendungen gegen die Anordnung eines verpflichtenden Rückrufs erhob, betonte sie in Bezug auf die neueren EA288-Motoren von vornherein, dass die Fahrkurvenerkennung nicht zur Einhaltung des NOx-Grenzwertes benötigt werde und deshalb aus ihrer Sicht als zulässig zu bewerten sei.

Dies ergibt sich unstreitig sowohl aus der "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA288" (Anlage K3, Anlagenband Klägerin) als auch aus dem als Anlage B11 (Anlagenband Beklagte) vorgelegten Schreiben, das die Beklagte am 29. Dezember 2015 an das KBA gerichtet hatte, und in dem es u.a. heißt:

"Die vorstehend beschriebene Applikation mit der sogenannten Akustikfunktion inklusive Fahrkurve ist in allen Steuergeräten ... seit Einführung der CR-Technologie ab 2007 in den V. Dieselaggregaten der Baureihen EA189 und EA288 enthalten, wobei sie - wie bereits mehrfach dargelegt und nachgewiesen - in der Aggregatebaureihe EA288 keinen Einfluss auf die Emissionen des Aggregates hat."

Zwar könnte die Beklagte die Zulässigkeit der bei den EA288-Motoren verwendeten Applikationen entgegen ihren öffentlichen Verlautbarungen auch nur unter dem Rechtsfertigungsdruck gegenüber dem KBA wider besseres Wissen vorgegeben haben, um eine Ausweitung des "Diesel-Abgasskandals" zu verhindern. Hiergegen spricht aber der Umstand, dass auch das KBA nach eigenständigen Prüfungen von der Zulässigkeit der Fahrkurvenerkennung infolge fehlender Grenzwertrelevanz ausging (vgl. OLG Hamm, aaO, juris Rn. 65).

(ddd) Schließlich steht der Annahme, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf die Zulässigkeit der von ihr verwendeten Fahrkurve vertraute, auch nicht der Umstand entgegen, dass diese Applikation für ab der 22. Kalenderwoche 2016 produzierte Fahrzeuge nicht mehr vorgesehen war bzw. bei älteren Fahrzeugen zum Teil durch ein Software-Update entfernt wurde.

Hiergegen spricht, wie das OLG Hamm zutreffend ausgeführt hat (OLG Hamm, aaO., Rn. 67) schon der Umstand, dass die Beklagte Fahrzeuge mit dem Motortyp EA288 mit Fahrkurvenerkennung auch weiterhin in den Verkauf gegeben hat, obwohl sie wusste, dass dieser Motortyp eingehenden Untersuchungen des KBA unterlag. Dass sie dies getan hätte, wenn sie selbst von einer Unzulässigkeit der Fahrkurvenerkennung ausgegangen wäre, kann angesichts der Tatsache, dass unter diesen Voraussetzungen die Aufdeckung etwaiger unzulässiger Steuerungsfunktionen - gerade vor dem Hintergrund des Manipulationsgeschehens beim Motortyp EA189 - mehr als naheliegend war, vernünftigerweise ausgeschlossen werden.

(cc) Der bei der Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags vorherrschende Verbotsirrtum war für sie auch unvermeidbar.

(aaa) Den Nachweis der Unvermeidbarkeit eines konkret dargelegten und durch den Gegner nicht ausreichend bestrittenen Verbotsirrtums kann der Fahrzeughersteller mittels einer tatsächlich erteilten EG-Typgenehmigung führen, wenn diese EG-Typgenehmigung die verwendete unzulässige Abschalteinrichtung in allen ihren nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 maßgebenden Einzelheiten umfasst (BGH, Urteil v. 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, jurs Rn. 64.

Gelingt der Nachweis auf diesem Wege nicht, kann der Fahrzeughersteller - wie schon oben erwähnt - zu seiner Entlastung darlegen und erforderlichenfalls nachweisen, seine Rechtsauffassung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 wäre bei entsprechender Nachfrage von der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden (hypothetische Genehmigung, vgl. BGH, aaO., juris Rn. 65). Steht dabei fest, dass eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Schädigers dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte, scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB infolge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann aus, wenn der Schädiger eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat (BGH, Urteil vom 27. Juni 2017 - VI ZR 424/16, NJW-RR 2017, 1004 Rn. 16).

(bbb) So liegen die Dinge auch im hier zu entscheidenden Fall.

Das KBA hätte für den Fall einer entsprechenden Nachfrage durch die Beklagte zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Fahrzeugerwerbs, also im April 2019, deren (fehlerhafte) Rechtsauffassung bestätigt, dass die Verwendung einer Fahrkurve, die auf die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte für die Stickoxidemissionen keinen Einfluss hat, nicht als unzulässige Abschalteinrichtung anzusehen sei. Damit liegt hier ein Fall der sog. hypothetischen Genehmigung vor.

Dies ergibt sich zur hinreichenden Überzeugung des Senats aus den seitens der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit vorgelegten Auskünften gegenüber verschiedenen Gerichten, in denen das KBA selbst noch in den Jahren 2021 und 2022 entsprechendes bestätigt hat. So heißt es beispielsweise in einer von Beklagtenseite als Anlage BB15 (Anlagenhefter zum Schriftsatz vom 4. September 2023) vorgelegten Auskunft des KBA vom 10. Mai 2022 u.a.: "Im Zuge dessen war wesentlicher Bestandteil des Typgenehmigungsverfahrens das Vorlegen offizieller Nachweise durch den Antragsteller, die das Einhalten der Emissionsgrenzwerte in den für das in Rede stehende Fahrzeug relevanten Prüfverfahren belegen. Die Rechtslage nach Art. 5 Abs. 2 lit. c EG (VO)715/2007 ist im Übrigen seit dem Jahr 2007 unverändert und die Bewertung der Rechtsfrage, dass die Verwendung einer Fahrkurven- oder Prüfstandserkennung keine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, wenn auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, wäre in 2014 oder 2015 nicht anders ausgefallen als zum heutigen Zeitpunkt."

Dies entsprach im Übrigen bis zur Entscheidung des BGH vom 26. Juni 2023 auch der Rechtsauffassung einer Vielzahl deutscher Obergerichte (vgl. die Aufstellung in der Entscheidung des OLG Braunschweig v. 24. Juli 2023 - 2 U 100/22, juris Rn. 12), was belegt, dass es sich bei der Beurteilung durch das KBA nicht um eine bereits von Vornherein unvertretbare Rechtsauffassung handelte (vgl. OLG Hamm, aaO, juris Rn. 89 m.w.N.), die einen unvermeidbaren Verbotsirrtum nicht begründen könnte.

Damit steht mit der gem. § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit fest, dass das KBA die Auffassung der Beklagten, es komme für die Annahme einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf eine grenzwertrelevante Beeinflussung der NOx-Emissionen an, geteilt hat.

Dies gilt insbesondere auch für den Zeitpunkt des streitgegenständlichen Fahrzeugerwerbs durch die Klägerin. Denn das KBA war, wie sich aus dem oben bereits erwähnten Schreibens der Beklagten an das KBA vom 29. Dezember 2015 (Anlage B11, Anlagenband Beklagte) und den seitens der Klägerin selbst vorgelegten Applikationsrichtlinien ergibt, bereits seit dem Jahr 2015 über die Fahrkurvenimplementierung beim Motortyp EA288 hinreichend informiert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob bereits sämtliche Einzelheiten zur jeweiligen Funktionsweise der Fahrkurvenerkennung bis ins letzte Detail, also das ganze Wirkungsspektrum bekannt war. Entscheidend ist lediglich, dass das KBA in der Lage war, aufgrund der mitgeteilten Informationen die Einflussnahme der Fahrkurvenerkennung auf das Emissionsverhalten des Fahrzeugs zu ermitteln und die sich dabei ergebenden Ergebnisse in technischer und rechtlicher Hinsicht unter Berücksichtigung der Bestimmung des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 einzuordnen. Dies war - wie oben bereits zur Frage der Haftung nach § 826 BGB ausgeführt - jedenfalls der Fall.

Soweit die Klägerin darauf verweist, dass verschiedene spätere Untersuchungen von Fahrzeugen mit EA288-Motor deutlich oberhalb des für Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6 maßgeblichen Emissionswerts von 80 mg/km liegende Emissionswerte im Realbetrieb ergeben hätten, kommt es hierauf nicht an; denn - wie bereits im Zusammenhang zur hier nicht bestehenden Haftung der Beklagten gem. § 826 BGB ausgeführt - sind derartige Messwerte mit denen auf dem Prüfstand gemessenen Werten nicht vergleichbar.

ccc) Da somit das KBA als zuständige Behörde die beim Motortyp EA288 verwendete Fahrkurvenerkennung für unbedenklich hielt, kann bei den für die Beklagte verantwortlich handelnden Personen auch kein Bewusstsein einer evidenten Unzulässigkeit ihres Verhaltens festgestellt werden (vgl. OLG Hamm, aaO, juris Rn. 145, m.w.N.). Jedenfalls ist aber vor dem Hintergrund der behördlichen Billigung nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte handelnden Personen die Gefahr einer Schädigung der Fahrzeugerwerber und im Streitfall damit der Klägerin hätte aufdrängen müssen (OLG Hamm, aaO., juris Rn. 145 unter Verweis auf BGH, Urteile v. 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 32 und VII ZR 286/20, juris Rn.31).

Nach alledem fehlt es somit an einem schuldhaften Handeln der Beklagten selbst in Form einfacher Fahrlässigkeit, was zur Folge hat, dass damit auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 6, 27 EG-FGV auf Ersatz des Differenzschadens ausscheidet. Auf die Frage, ob ein solcher Schaden überhaupt (noch) besteht, weil - jedenfalls nach Behauptung der Beklagten - die Fahrkurvenerkennung durch das angebotene Software-Update vollständig beseitigt werden kann oder aber die seitens der Klägerin gezogenen Nutzungen und der Restwert einen Differenzschaden vollständig aufgezehrt haben, kommt es infolgedessen nicht weiter an.

III.

Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu. Dabei ergibt sich im Zusammenhang mit einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB auf Ersatz des Differenzschadens ohnehin kein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, weil ein Begehren auf Ersatz des Differenzschadens nicht Gegenstand der außergerichtlichen Rechtsverfolgung war.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 2, § 713 ZPO.