Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 11.10.2023, Az.: 16 U 247/22
Anspruch auf Schadensersatz wegen des Erwerbs eines PKW mit einer illegalen automatischen Abgasabschalteinrichtung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 11.10.2023
- Aktenzeichen
- 16 U 247/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 52568
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 22.04.2022 - AZ: 3 O 175/21
Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 2 BGB
- § 826 BGB
Redaktioneller Leitsatz
1. Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für den Motorhersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt.
2. Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat. Gemäß § 403 ZPO hat die Partei, die die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragen will, die zu begutachtenden Punkte zu bezeichnen. Dagegen verlangt das Gesetz nicht, dass der Beweisführer sich auch darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in die Sachkenntnis des Sachverständigen gestellten Behauptung habe.
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 07. September 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. April 2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Verden wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
- 3.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- 4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
- 5.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 35.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sogenannten "Diesel-Abgasskandal" geltend.
Sie erwarb am 04.05.2016 bei der Firma Autohaus ... GmbH in ... einen neuen Volkswagen Tiguan zum Brutto-Kaufpreis von 44.505 €. In dem Fahrzeug ist ein VW-Dieselmotor vom Typ EA 288 Euro 6 mit SCR-Katalysator verbaut, der nach Auffassung der Klägerin unter den sogenannten "Diesel-Abgasskandal" fällt.
Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung, Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage durch Urteil vom 22.04.2022, auf das wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts, der tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe verwiesen wird (§ 540 ZPO), abgewiesen, weil angesichts der bestehenden Typengenehmigung und vor dem Hintergrund der von der Beklagten eingereichten Auskünfte des KBA keinerlei greifbare Anhaltspunkte dafür bestünden, dass sich das KBA getäuscht sehe oder aus anderen Gründen von einer Rechtswidrigkeit der erteilten Typengenehmigung ausgehe.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre erstinstanzlichen Begehren in modifizierter Form weiterverfolgt. Das Landgericht habe die Substantiierungsanforderungen überspannt und die Klage zu Unrecht abgewiesen. Mit Schriftsatz vom 25.08.2023 hat die Klägerin ihre Anträge um einen Hilfsantrag erweitert und verlangt hilfsweise die Zahlung eines Differenzschadens in Höhe von 15 % des Kaufpreises. Mit Schriftsatz vom 06.09.2023 hat die Klägerin ihre Anträge erneut um einen Hilfsantrag erweitert.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts zu erkennen:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Klägerschaft 29.512,45 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Volkswagen Tiguan mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ...;
hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, der klagenden Partei 6.675,75 € im Hinblick auf den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs VW Tiguan mit der FIN ... zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
weiter hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerpartei einen Betrag bezüglich des streitgegenständlichen Fahrzeugs, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 6.675,75 € betragen muss, zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
- 2.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
- 3.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.626,49 € freizustellen.
Im Übrigen hat die Klägerin die Erledigung erklärt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als zutreffend. Der teilweisen Erledigungserklärung hat sie sich nicht angeschlossen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache ist sie jedoch nicht begründet.
Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung, die angegriffen wird, auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Zur Überzeugung des Senats liegen solche Berufungsgründe nicht vor. Das Landgericht hat die Klage vielmehr zu Recht abgewiesen. Die hiergegen von der Klägerin erhobenen Einwände greifen nicht durch. Auch die hiernach ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung führt zu keinem abweichenden Ergebnis.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprühe aus §§ 826, 31 BGB.
Es kommt zwar, wenn unter Täuschung im EG-Typengenehmigungsverfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird, eine deliktische Haftung des Herstellers nach §§ 826, 31 BGB grundsätzlich in Betracht (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19, VI ZR 397/19 sowie VI ZR 5/20 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20; jeweils juris; vgl. auch OLG Celle, Urteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18, juris Rn. 26 ff. und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18, juris).
Voraussetzung hierfür ist jedoch eine sittenwidrige Schädigung. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15; vom 12. März 2020 -VII ZR 236/19, VersR 2020, 1120 Rn. 24; jeweils m.w.N.). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn.29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, VersR 2021, 661 Rn. 12 und vom 19. Januar 2021- VI ZR 433/19, ZIP 2021, 297 Rn. 14; Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020,1715 Rn. 29 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15).
Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VI ZR 257/20, juris Rn. 20; vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 21; vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, juris Rn. 19 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rn. 16 ff.).
Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt deshalb voraus, dass dies in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 21 und vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 22; Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 19).
Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für den Motorhersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 16).
2. Diesen Maßstab zugrunde gelegt, lassen sich dem Vorbringen der Klägerin die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadensersatz gem. § 826 BGB gegen die Beklagte nicht schlüssig entnehmen. Dabei kann die Unzulässigkeit der von ihr behaupteten Abschalteinrichtungen (Fahrkurve, Thermofenster) zu ihren Gunsten unterstellt werden. Eine sittenwidrige Schadenszufügung durch die Beklagte durch das Inverkehrbringen bzw. den Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist weder dargetan noch ersichtlich.
a) Ein Sachvortrag ist zur Begründung eines Anspruchs dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich diese Darstellung ist. Die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nur dann erforderlich, wenn die Einzelheiten für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2015 - V ZR 107/13, juris Rn. 18; Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 20; jeweils m.w.N.).
Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrunde liegenden Vorgängen hat. Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat. Gemäß § 403 ZPO hat die Partei, die die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragen will, die zu begutachtenden Punkte zu bezeichnen. Dagegen verlangt das Gesetz nicht, dass der Beweisführer sich auch darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in die Sachkenntnis des Sachverständigen gestellten Behauptung habe (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 21 m.w.N.).
b) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist eine ausreichende Darlegung von Anhaltspunkten durch die Klägerin, dass das Herstellen und Inverkehrbringen des Fahrzeuges mit unzulässigen Abschalteinrichtungen in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit, und damit objektiv sittenwidrig, geschehen ist, zu verneinen.
aa) Die Klägerin hat zwar das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen, namentlich eine als Fahrkurve bezeichnete Umschaltlogik und ein sogenanntes Thermofenster behauptet.
(1) Im Hinblick auf die Umschaltlogik unterliegt sie allerdings bereits einer Fehlvorstellung über deren Funktionsweise. Bei dem Motortyp EA 189 war in der Motorsteuerungssoftware eine Umschaltlogik verbaut, die so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten, im normalen Fahrbetrieb aber überschritten wurden. Die Funktion unterschied zwei Strategien für die Abgasrückführung. Befand sich das Fahrzeug in dem Strecken-Zeit-Korridor des NEFZ wurde ab Motorstart die "Strategie 1" genutzt mit einer hohen AGR-Rate. Außerhalb des Strecken-Zeit-Korridors wurde die Strategie 2 mit einer geringeren AGR-Rate genutzt. Der Motortyp EA 288 enthält - wie dem Senat aus zahlreichen Parallelverfahren bekannt ist - zwar auch eine Umschaltstrategie, die aber zwei SCR-Betriebsstrategien unterscheidet. In dem Strecken-Zeit-Korridor wird ab Motorstart eine "Strategie 1" genutzt, bei der bis 200°C SCR-Katalysator-Temperatur eine höhere AGR-Rate sowie eine geringere SCR-Dosierung erfolgen. Außerhalb des Strecken-Zeit-Korridors ist die "Strategie 2" aktiv, bei der ab 200°C SCR-Katalysator-Temperatur eine niedrigere AGR-Rate und eine höhere SCR-Dosierung erfolgen. Während jedoch die Umschaltstrategie beim EA 189 zu unterschiedlichen Emissionen führte, ist das bei den SCR-Strategien des EA 288 - wie das KBA durch eine Vielzahl von Überprüfungen festgestellt hat (s. dazu im Folgenden) - nicht der Fall.
(2) Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine Abschalteinrichtung nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unabhängig davon unzulässig ist, ob ihre Verwendung Auswirkungen auf die Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte im NEFZ hat, so fehlt der Verwendung einer solchen Steuerung das für den Vorwurf des objektiv sittenwidrigen Verhaltens wesentliche Element, dass anhand der Abschalteinrichtung der Typengenehmigungsbehörde die Genehmigungsfähigkeit des streitgegenständlichen Fahrzeuges im Wege der Täuschung vorgespiegelt wird. Diesen Aspekt, dass der Hersteller die Typengenehmigungsbehörde darüber täuscht, dass der eingesetzte Motor mit Blick auf dessen Stickoxidemissionen genehmigungsfähig ist, hat auch der Bundesgerichtshof als wesentliches Element der Bewertung des Verhaltens des Herstellers als sittenwidrig herangezogen. Denn der Vorwurf in dessen Grundsatzentscheidung vom 25. Mai 2020 stützte sich auf die Feststellung, dass anhand der dortigen Abschalteinrichtung, die in der Motorsteuerung des Vorgängermodells, der Baureihe EA 189, verbaut war, das KBA gezielt darüber getäuscht worden ist, dass das Fahrzeug die Abgasgrenzwerte auf dem Prüfstand einhält (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rn. 16). Als schadensstiftend wurde zudem der Umstand angesehen, dass die Herstellerin des dort in Rede stehenden Motors sehenden Auges erhebliche rechtliche Risiken für die Fahrzeugeigentümer in Kauf genommen hat, denen bei Aufdeckung des täuschenden Vorgehens des Herstellers gegenüber der Typengenehmigungsbehörde Betriebsbeschränkungen oder -untersagungen durch die Zulassungsbehörden drohten (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 a.a.O. Rn. 21). Schließlich begründete der Umstand, dass das Vertrauen der Verbraucher in den Bestand der Typengenehmigung und die Erfüllung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte ausgenutzt worden war, die Wertung, dass die Täuschung gegenüber der Typengenehmigungsbehörde wertungsmäßig einer Täuschung des geschädigten Verbrauchers gleichstehe (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 a.a.O. Rn. 23).
Alle diese Wertungsgesichtspunkte fehlen aber dann, wenn eine verbaute Fahrkurvenerkennung zwar Einfluss auf die Abgasreinigung in Abhängigkeit zum Prüfstandbetrieb nehmen mag, ohne dadurch aber die Einhaltung der Grenzwerte und damit die Genehmigungsfähigkeit vorzuspiegeln. Entsprechend sieht sich die Typengenehmigungsbehörde vorliegend auch nicht getäuscht und sieht ersichtlich, wie durch die diversen Auskünfte des KBA belegt ist, auch keinen Anlass, Maßnahmen zu ergreifen, die auf eine etwaige Herstellung der Genehmigungsfähigkeit gerichtet wären und für den Fahrzeugerwerber die Gefahr von Nutzungsuntersagungen mit sich brächten. Vor diesem Hintergrund ist für den Vorwurf des sittenwidrigen Verhaltens kein Raum.
bb) Das KBA hat den hier betroffenen Motortyp EA 288 mit SCR-Katalysator bereits (nachträglich) überprüft und keine Beanstandungen gehabt.
(1) Dies ergibt sich zunächst aus dem von der Beklagten mit der Klageerwiderung als Anlage B 1 vorgelegten Bericht der Untersuchungskommission "Volkswagen". Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass der streitgegenständliche Motortyp EA 288 Euro 6 mit SCR-Katalysator durch das KBA auf die Ausstattung mit unzulässigen Abschalteinrichtungen hin untersucht wurde, solche aber nicht festgestellt werden konnten. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Feststellungen des KBA aus dem Jahr 2016 in Bezug auf den streitgegenständlichen Motortyp überholt wären. Vielmehr bestätigen die von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünfte, u.a. vom 12. Oktober 2020 gegenüber dem Landgericht Freiburg i.B. (Anlage B 3) und vom 15. Dezember 2020 gegenüber dem Landgericht Bayreuth (Anlage B 23), dass das KBA auch weiterhin an seiner Beurteilung festhält, bei Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 288 seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden.
(2) Dies deckt sich mit den Erkenntnissen des Senats in entsprechenden Parallelverfahren, in denen amtliche Auskünfte des KBA in Bezug auf den Dieselmotor EA 288 eingeholt worden sind; auch darin hält das KBA weiterhin an seiner Beurteilung fest, bei Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 288 seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden. So heißt es beispielsweise in einer Auskunft des KBA, die dem Oberlandesgericht Celle im Verfahren 7 U 180/19 am 9. März 2021 zu einem - wie auch hier - VW Tiguan mit dem Motortyp EA 288 Euro 6 und SCR-Katalysator erteilt worden ist:
"Das KBA führte insgesamt sehr umfassende Untersuchungen an Fahrzeugen mit Motoren der Reihe des Entwicklungsauftrages (EA) 288 durch.
Im Fokus der Untersuchungen des KBA standen die Analyse des Abgasnachbehandlungssystems und seiner Komponenten sowie der Software der Motorsteuerung. . . .
Es wurde bei keinem Fahrzeug, welches ein Aggregat des EA 288 aufweist und durch das KBA untersucht wurde, eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. . . .
Die Funktion "Umschaltlogik" in der Motorsteuerung der Aggregate des EA 288 wird seitens des KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt. Der bloße Verbau einer Fahrkurvenerkennung ist nicht unzulässig, solange die Funktion nicht als Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 genutzt wird. Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, sodass es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.
Unter dem technisch nicht definierten umgangssprachlichen Begriff "Thermofenster" versteht man die außenlufttemperaturgeführte Korrektur der AbgasrückführungsRate (AGR-Rate) des Motorengrundkennfeldes. Eine Reduzierung dieser Rate führt in der Regel zu erhöhten Stickoxid- (NOx-) Emissionen des Motors bei zu niedrigen oder hohen Außentemperaturen. Die Korrektur kann aus Gründen des Motorschutzes gerechtfertigt sein, wenn dadurch u. a. übermäßige temperaturbedingte Ablagerungen oder Kondensation vermieden werden, die zur Beschädigung des Motors inklusive einzelner Bauteile führen. Eine Unzulässigkeit einer entsprechenden Funktion wurde von dem KBA in Bezug auf die EA 288 Aggregate nicht festgestellt."
(Hervorhebungen durch den Senat)
(3) Danach bewertet das KBA die Fahrkurvenerkennung - und eine etwaige daran anknüpfende geänderte Abgasrückführung bzw. Funktionsweise des SCR-Katalysators - sowie ein Thermofenster nicht als unzulässige Abschalteinrichtungen und hat auch keine sonstigen unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Ausführungen des KBA nicht die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG zulässig ist, einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung zu entziehen vermögen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 80; Beschluss vom 14. Dezember 2021 - VIII ZR 386/20, juris Rn. 34). Die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde ist an der objektiven Rechtslage zu messen. Sie hängt nicht davon ab, ob die im jeweiligen Einzelfall zuständige Zulassungsbehörde eine entsprechende Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV ausgesprochen hat oder eine solche (zunächst) unterblieben ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 a.a.O. Rn. 82).
Es kann jedoch an dieser Stelle dahinstehen, ob im konkreten Fall ein Grundmangel vorliegt und das Fahrzeug deshalb wegen einer gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ entspricht (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV; vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 357/20, juris Rn. 30 für das Kaufrecht; Urteil vom 27. Juli 2021 - VI ZR 151/20, juris Rn. 13 m.w.N. für das Deliktsrecht). Denn unabhängig davon fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen Vorstellungsbild der Beklagten, das streitgegenständliche Fahrzeug in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer Unrechtmäßigkeit hergestellt und in den Verkehr gebracht zu haben. In diesem Zusammenhang stellt die Rechtsauffassung des KBA wiederum ein gewichtiges Indiz dar.
(4) Das KBA mag zwar im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens möglicherweise zunächst "arglos" gewesen sein, weil vor Bekanntwerden des "Dieselabgasskandals" das erforderliche Bewusstsein für die Problematik "unzulässiger Abschalteinrichtungen" noch nicht in so ausgeprägter Form wie nunmehr vorhanden war. Das KBA ist allerdings nach Bekanntwerden des Dieselabgasskandals und im Rahmen einer komplexen tatsächlichen wie rechtlichen anlassbezogenen Überprüfung - wie z.B. im Rahmen des Berichts der Untersuchungskommission "Volkswagen" und erneut im Zusammenhang mit den zahlreichen, gegenüber verschiedenen mit Schadensersatzansprüchen von vermeintlich geschädigten Fahrzeugerwerbern befassten Gerichten abgegebenen amtlichen Auskünften - zu der Überzeugung gelangt, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zum Einsatz kämen. Somit ist das mittlerweile durch den Abgasskandal vollumfänglich "sensibilisierte" KBA auch nach erfolgter Prüfung und umfänglicher Kenntnis der Einzelheiten der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motorsteuerungssoftware bei seiner Beurteilung geblieben, unzulässige Abschalteinrichtungen seien nicht vorhanden.
Das ist - unabhängig vom Vorliegen einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung - nach den vorangehenden Ausführungen jedenfalls ein gewichtiges Indiz gegen das erforderliche Vorstellungsbild der Beklagten, das streitgegenständliche Fahrzeug in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer Unrechtmäßigkeit hergestellt und in den Verkehr gebracht zu haben.
cc) Der Bewertung des KBA könnte allerdings dann kein maßgebliches Gewicht beigemessen werden, wenn die Klägerin substantiiert darlegte, dass die Überprüfung des KBA auf einer falschen Grundlage erfolgt oder dem KBA nicht bekannte (unzulässige) Abschalteinrichtungen implementiert wären und die Beklagte diese in dem Typgenehmigungsverfahren bewusst verschwiegen oder - etwa durch eine Prüfstandserkennung - verschleiert hätte. Dafür hat die Klägerin jedoch keine zureichenden Anhaltspunkte vorgetragen.
(1) (a) Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das KBA bis heute über die genaue Funktionsweise der von ihr verwendeten Abschaltstrategien im Unklaren gelassen hätte, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Wie aus der bereits vorangehend auszugsweise wiedergegebenen Auskunft des KBA gegenüber dem Oberlandesgericht Celle zum Aktenzeichen 7 U 180/19 vom 9. März 2021 folgt, hat sich das KBA nicht auf Angaben der Beklagten verlassen, sondern eigene Untersuchungen vorgenommen, bei denen die Fahrkurvenerkennung deaktiviert war, ohne dass die zulässigen Grenzwerte überschritten worden wären. In der oben wiedergegebenen Auskunft heißt es: "Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, (...)." Die Art der Prüfungen - namentlich das Durchführen von Real-Driving-Tests (RDE) mit und ohne Aktivierung der Fahrkurve - werden zudem in einer in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Celle 7 U 665/20 eingeholten Auskunft näher dargestellt:
Ein Einfluss der Fahrkurve auf das Emissionsverhalten des Fahrzeugs war dabei gerade nicht feststellbar. Danach hat sich das KBA nicht auf Angaben der Beklagten verlassen, sondern eigene Untersuchungen vorgenommen, bei denen die Fahrkurvenerkennung deaktiviert war.
(b) Detaillierte Angaben zu den Emissionsstrategien im Typgenehmigungsverfahren wurden zudem erst Mitte des Jahres 2016 mit der Verordnung (EU) 2016/646 und damit nach Erteilung der Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug eingeführt. Schon aus diesem Grund war zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt eine Offenlegung der genauen Wirkungsweise der Abgasrückführung durch die Beklagte gegenüber dem KBA nicht geschuldet.
(c) Selbst wenn die Beklagte aber - nach den einschlägigen Vorschriften auch erforderliche - Angaben zu den Einzelheiten der Abgasnachbehandlung unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 322/20, juris Rn. 26 und Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 126/21, n.v., Rn. 20; OLG München, Beschluss vom 1. März 2021 - 8 U 4122/20, juris Rn. 63; OLG Nürnberg, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 5 U 4765/19, BeckRS 2020, 17693 Rn. 17).
(d) Auch bei Unterstellung einer unzulässigen Abschalteinrichtung hilft dies der Klägerin nicht weiter. Die Applikationsanweisungen der V. AG, und damit die behauptete Fahrkurvenerkennung waren dem KBA - nach den vorliegenden Unterlagen und den Erkenntnissen des Senats aus Parallelverfahren - noch im Jahr 2015 bekannt. War die behauptete Fahrkurvenerkennung der Behörde - wie hier - vor dem Erwerb des Fahrzeugs mitgeteilt worden, fehlt es in diesem Fall selbst dann an einer (fortwirkenden) Täuschung des KBA im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages, der erst im Mai 2016 erfolgte, wenn die Beklagte ursprünglich mit einer Fahrkurve eine Prüfstandserkennung implementiert haben sollte.
(2) Für eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer Prüfstandserkennung und deren Verschweigen im EG-Typgenehmigungsverfahren hat die Klägerin keine greifbaren Anhaltspunkte vorgetragen.
(a) In der vorstehend auszugsweise wiedergegebenen amtlichen Auskunft des KBA heißt es, dass die Grenzwerte nach den Untersuchungen des KBA auch bei Deaktivierung der Fahrkurvenerkennungsfunktion nicht überschritten werden und die Fahrkurve keinen Einfluss auf das Emissionsverhalten hat. Da nicht einmal aus der Überschreitung der Grenzwerte im Realbetrieb auf eine Prüfstandserkennung geschlossen werden kann, weil der Hinweis auf Diskrepanzen zwischen Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen und unter normalen Betriebsbedingungen auf der Straße keinen greifbaren Anhaltspunkt für die Verwendung einer solchen Steuerungsstrategie darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 23), gilt dies erst recht, wenn die Grenzwerte im Straßenbetrieb sogar eingehalten werden.
(b) Die Klägerin hat auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass eine (oder mehrere) im EG-Typgenehmigungsverfahren verschwiegene und auch bei der nachträglichen Prüfung unentdeckt gebliebene Abschalteinrichtung vorhanden ist, auf die sich die Beurteilung des KBA folgerichtig nicht beziehen könnte.
(aa) Die behauptete Abweichung der Messwerte im Straßenbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der unstreitigen gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 23; Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 2/21, juris Rn. 30; s. auch OLG Celle, Urteil vom 13. November 2019 - 7 U 367/18, juris Rn. 42). Denn die für die Einhaltung der Euro-5- bzw. Euro-6-Norm relevanten, im NEFZ Verfahren gemessenen Werte entsprechen grundsätzlich auch ohne unzulässige Beeinflussung des Messverfahrens nicht den im Rahmen des tatsächlichen Gebrauchs des Fahrzeugs anfallenden Emissionswerten (so auch OLG München, Urteil vom 5. September 2019 - 14 U 416/19, BeckRS 2019, 26072 Rn. 168). Daher ist der Straßenbetrieb mit der Prüfstandssituation nicht vergleichbar. Dies gilt sowohl hinsichtlich des angegebenen Kraftstoffverbrauchs als auch der Grenzwerte für Emissionen. Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte "ideale", nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit), Abschaltung der Klimaanlage usw., so dass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber jeweils nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt. Soweit ein Fahrzeug also höhere Emissionswerte im Straßenbetrieb aufweist als unter Prüfstandsbedingungen, kann dies auch auf andere Umstände als den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung zurückzuführen sein, weshalb nicht notwendigerweise beim Vorliegen höherer Emissionswerte im Realbetrieb von dem Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegangen werden muss.
(bb) Ein entsprechendes Indiz für das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen trotz einer Überprüfung durch das KBA begründet sich auch nicht aus einer Manipulation des OBD-Systems.
(aaa) Dass das OBD-System die Funktion eines Teils des Emissionskontrollsystems selbst aktiviert, verändert, verzögert oder deaktiviert und somit seinerseits als Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG zu bewerten wäre, macht die Klägerin nicht geltend (verneinend insoweit OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Oktober 2020 - 17 U 296/19, juris Rn. 72; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2021 - 18 U 526/19, juris Rn. 38 f.; OLG Dresden, Urteil vom 1. Juli 2021 - 11a U 1085/20, juris Rn. 41).
(bbb) Darüber hinaus handelt es sich bei dem OBD-System nach Art. 3 Nr. 9 VO 715/2007/EG um ein System für die Emissionsüberwachung, das in der Lage ist, mit Hilfe rechnergespeicherter Fehlercodes den Bereich von Fehlfunktionen anzuzeigen. Der Begriff der "Fehlfunktion" bezeichnet nach Art. 2 Nr. 20 der Verordnung 692/2008/EG der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung 715/2007/EG (ABl. L 199 vom 28. Juli 2008) den Ausfall oder das fehlerhafte Arbeiten eines emissionsrelevanten Bauteils oder Systems, der beziehungsweise das ein Überschreiten der in Anhang XI Absatz 3.3.2 genannten Emissionsgrenzwerte zur Folge hätte, oder den Fall, dass das OBD-System nicht in der Lage ist, die grundlegenden Anforderungen von Anhang XI an die Überwachungsfunktionen zu erfüllen.
Nach dieser Maßgabe ist es ersichtlich nicht Aufgabe des OBD-Systems, zwischen einer rechtlich zulässigen und einer rechtlich unzulässigen Abschalteinrichtung zu unterscheiden. Arbeitet eine Abschalteinrichtung - sei sie rechtlich zulässig oder unzulässig - mithin technisch so, wie sie programmiert ist, liegt eine Fehlfunktion nicht vor, so dass die Anzeige einer Fehlfunktion nicht veranlasst ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 91; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 7. Juli 2021 - 17 U 63/19, juris Rn. 54; OLG Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2021 - 1 U 104/19, juris Rn. 39; OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. Mai 2021 - 8 U 14/20, juris Rn. 77; OLG Hamm, Urteil vom 28. Januar 2021 - 18 U 21/20, juris Rn. 164). Da das Diagnosesystem mit der elektronischen Steuerung des Motor- und Abgassystems verknüpft ist und daher keine Betriebszustände als fehlerhaft anzeigt, die von der Motorsteuerung vorgegeben werden, liegt es auf der Hand, dass ein Unterbleiben eines "Alarm-Schlagens" des OBD-Systems unter diesen Voraussetzungen kein Indiz für eine Software-Manipulation ist. Dies ist derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt.
(cc) Auch aus dem weiteren Vortrag der Klägerin zu behaupteten Abschalteinrichtungen ergeben sich keine entsprechenden Indizien für deren Vorhandensein.
Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf den unstreitigen Tatbestand eines Verfahrens vor dem Landgericht Regensburg und ohne Nennung des dort betroffenen Herstellers und Fabrikats eine "Lenkwinkelerkennung" behauptet hat, erfolgt der Vortrag in Bezug auf das hier streitgegenständliche Fahrzeug erkennbar ins Blaue hinein. Der Vortrag geht auch lediglich dahin, dass "auf die Art der Emissionsreduzierung ... Einfluss genommen" werde, ohne auch nur konkret zu behaupten, dass diese in der Summe verringert würde. Gleiches gilt für behauptete Einflussnahme auf die Schaltpunkte des Getriebes, die weder konkret erläutert, noch in irgendeinen Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug gesetzt wird. Bereits der rudimentären Beschreibung der Klägerin nach unterscheidet die Lenkwinkelerkennung letztlich auch nicht zwischen Fahrten auf und außerhalb des Prüfstands. Denn allein dass in der Testsituation "nur geringe Lenkbewegungen" vorgenommen würde, schließt 15 Grad letztlich nicht aus. Erst die Tatsache, dass eine Manipulationssoftware ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktiviert, würde aber überhaupt eine arglistige Täuschung der Genehmigungsbehörden indizieren (BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2022 - VII ZR 602/21, juris Rn. 15 und vom 29. September 2021 - VII ZR 126/21, juris Rn. 18). Bezüglich der behaupteten Manipulation der AdBlue-Einspritzung behauptet die Klägerin in der Klagschrift (vgl. dort Seite 40), dass diese "durch das Thermofenster" reduziert oder ganz ausgesetzt werde. Dieser (im übrigen unsubstantiierte) Vortrag stellt bereits deshalb keine (unzulässige) Abschalteinrichtung und erst Recht keine Prüfstanderkennung dar, weil das Thermofenster hier ausreichend weit bedatet und daher zulässig ist (siehe unten).
(3) Es lässt sich darüber hinaus auch im Zusammenhang mit der temperaturgesteuerten Abgasrückführung und der Implementierung des Thermofensters keine arglistige Täuschung des KBA durch die Beklagte feststellen.
(a) Insoweit ist hier bereits nicht davon auszugehen, dass das im Fahrzeug vorhandene Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der VO (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist (siehe unten).
Zu beachten ist zudem, dass der Einsatz von Thermofenstern in Dieselmotoren bislang üblich und von den Herstellern allgemein als Stand der Technik angesehen wird. An dieser Beurteilung ändert auch die Entscheidung des EuGH vom 17. Dezember 2020 in der Rechtssache C-693/18 nichts. Danach ist zwar der Einbau einer Abschalteinrichtung, die die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert, nur dann als gerechtfertigt anzusehen, wenn sie den Motor vor plötzlichen und außergewöhnlichen Schäden schützen soll, nicht hingegen, um den Motor lediglich vor Verschmutzung und Verschleiß zu bewahren. Dass nach der Rechtsprechung des EuGH vom 17. Dezember 2020 die Zulässigkeit der sogenannten Thermofenster nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen für zulässig erachtet wird, führt aber lediglich dazu, dass die nationalen Behörden und Gerichte zu prüfen haben, ob und inwiefern dies zukünftig Berücksichtigung finden muss. Denn die Beklagte musste in Bezug auf die Auslegung und Befolgung des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 gegenüber sich selbst nicht strenger sein, als es die zuständigen Behörden ihr gegenüber waren. Geht mithin nicht einmal die Zulassungsbehörde von der Erforderlichkeit der Einhaltung der vom EuGH aufgestellten Anforderungen aus, kann ein entsprechendes Wissen von der Beklagten, das für den Vorwurf einer sittenwidrigen Schädigung denknotwendig ist, erst recht nicht verlangt werden.
(b) Selbst wenn aber eine temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung in Form eines Thermofensters als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren wäre, genügte der darin liegende Gesetzesverstoß des Fahrzeug- und Motorherstellers jedenfalls nicht, dessen Gesamtverhalten als sittenwidrig zu qualifizieren (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 26). Der Aspekt der Gesetzkonformität ist nämlich von der Frage eines sittenwidrigen Handelns strikt zu trennen. Dies gilt dabei sogar dann, wenn dieser Verstoß seitens des Herstellers aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung getroffen und mit der Entwicklung und dem Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt worden sein sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 13). Denn die Applikation einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist nicht mit der Verwendung einer Prüfstandserkennungssoftware zu vergleichen, da letztere unmittelbar auf eine Täuschung der Typengenehmigungsbehörde abzielt und einer unmittelbaren arglistigen Täuschung des Fahrzeugerwerbers in der Bewertung gleichsteht, während der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht von Vornherein durch Arglist geprägt ist (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 a.a.O. Rn. 27).
Aus diesem Grund setzte eine deliktische Haftung der Beklagten als Fahrzeug- und Motorherstellerin gem. §§ 826, 31 BGB voraus, dass diese die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps vorsätzlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen und die Genehmigungsbehörde, d.h. das KBA hierüber arglistig getäuscht hätte (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 a.a.O. und Urteile jeweils vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19 und VI ZR 397/19; jeweils juris).
Folglich wäre der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens nur dann gerechtfertigt, wenn zu einem Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Dafür müssten sich die betreffenden Personen bei der Entwicklung bzw. Installation des Thermofensters darüber bewusst gewesen sein, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 a.a.O. Rn. 28).
Greifbare Anhaltspunkte, die auf ein solches Vorstellungsbild hindeuten könnten - beispielsweise, dass die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren erforderliche Angaben verschwiegen, insbesondere verschleiert hätte, dass die Abgasrückführungsrate in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp durch die Außentemperatur mitbestimmt wird - hat die Klägerin jedoch weder erstinstanzlich, noch im Rahmen ihrer Berufungsbegründung vorgetragen. Sie trifft aber die Darlegungs- und Beweislast für solche Umstände, aus denen sich die Verwerflichkeit des Handelns der Mitarbeiter der Beklagten begründen soll (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 a.a.O. Rn. 19). Vor diesem Hintergrund reicht es nicht aus, lediglich zu bestreiten, dass die Beklagte im Typengenehmigungsverfahren die erforderlichen Angaben gemacht habe. Die Beklagte muss sich auch nicht im Rahmen einer sekundären Darlegungslast dazu entlasten, keine unzureichenden oder fehlerhaften Informationen gegenüber Genehmigungsbehörde bezüglich der Eigenschaften und Funktionsweise der von ihr verwendeten Motorsteuerungssoftware abgegeben zu haben. Sich zu den Einzelheiten der von ihr erfolgten Angaben im Typengenehmigungsverfahren zu erklären, obläge der Beklagten erst dann, wenn die Klägerin ihrerseits hinreichende Anhaltspunkte für unzureichende oder unrichtige Angaben vorgetragen hätte. Eben hieran fehlt es vorliegend jedoch. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorangehenden Ausführungen Bezug genommen werden.
dd) Auch die Gesamtschau aller von der Klägerin vorgetragenen Umstände reicht nicht aus, um auf das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der für die Beklagten verantwortlichen Personen schließen zu können oder auch nur eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu ihren internen Entscheidungsvorgängen auszulösen. Zwar bietet die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen sowie die Abweichung der Abgaswerte zwischen Prüfstand und Realbetrieb einen gewissen Anhalt; für die Vermutung, eine Prüfstandserkennung könne Verwendung finden, genügt dies aber nicht. Ausschlaggebende Bedeutung kommt daher der Bewertung durch das KBA zu, nach dessen Vorgaben sich die Beklagte richten durfte.
ee) Mangels Täuschung des KBA bzw. Erschleichung der Typengenehmigung fehlt es an einer Täuschung aller potentiellen Erwerber und damit an einer deliktischen Handlung der Beklagten, die als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung anzusehen wäre.
2. Auch eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 i.V.m. Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 kommt nicht in Betracht.
a) Der BGH hat mit Urteil vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21) unter Verweis auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung bekräftigt, dass der Regelung des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 kein Anspruch auf Gewähr "großen" Schadensersatzes entnommen werden kann, weshalb der hier in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch nicht besteht.
b) Nach der neuen Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 26. Juni 2023 zum Aktenzeichen VIa ZR 335/21) kann das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung zwar zu einem (hilfsweise geltend gemachten) Anspruch der Klägerin auf Ersatz eines Differenzschadens aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 führen. Dazu bedarf es aber des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Daran fehlt es hier, weshalb dahinstehen kann, ob der Klägerin ein Differenzschaden entstanden ist.
aa) Unter welchen konkreten Umständen eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, richtet sich nach Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Bei der Subsumtion unter Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auf die Verwendung des Fahrzeugs unter Fahrbedingungen abzustellen, wie sie im gesamten Unionsgebiet üblich sind (vgl. BGH VIa ZR 335/21, Urteil vom 26.06.2023, zitiert nach juris).
Nach Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 kann eine Abschalteinrichtung schon dann vorliegen, wenn die Funktion nur eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems in Abhängigkeit von bestimmten Parametern verändert und die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs verringert wird. Maßstab für die Frage der Zulässigkeit einer Funktionsveränderung in Abhängigkeit von bestimmten Parametern ist nach Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht die Einhaltung des Grenzwerts, sondern die Wirksamkeit des unverändert funktionierenden Emissionskontrollsystems unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs. In diesem Zusammenhang bedarf es eines Vergleichs der Wirksamkeit des unverändert funktionierenden und derjenigen des verändert funktionierenden Gesamtsystems, und zwar jeweils unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs im gesamten Unionsgebiet. Ob die Grenzwerte unter den Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auch bei veränderter Funktion eingehalten würden, ist hingegen mit Rücksicht auf den Wortlaut des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht von Bedeutung. Die Prüfung im NEFZ lässt nur in Bezug auf die dabei wirksamen Emissionskontrollsysteme Prognosen für den gewöhnlichen Fahrbetrieb zu und auch das nur dann, wenn die Wirksamkeit der betreffenden Systeme im gewöhnlichen Fahrbetrieb nicht verringert wird. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 knüpft an die Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems in seiner Gesamtheit an und nicht an die Einhaltung der Grenzwerte im NEFZ. Das gilt ohne Rücksicht auf die jeweils eingesetzten Technologien (vgl. EuGH, Urteil vom 8. November 2022 C-873/19, NJW 2022, 3769 Rn. 92; BGH a.a.O., Rn. 51).
bb) Das unstreitig in dem streitgegenständlichen Fahrzeug vorhandene sogenannte Thermofenster stellt nach diesen Maßstäben hier keine unzulässige Abschalteinrichtung dar.
Denn die Beklagte hat (nachdem die Klägerin in der Klagschrift lediglich auf andere Verfahren, Presseberichte und andere Fahrzeuge verwiesen und behauptet hatte, dass "die Abgasbehandlung ... im Bereich zwischen 20 Grad Celsius und 30 Grad Celsius beanstandungsfrei" funktioniere und außerhalb dieses Temperaturbereichs die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems "sinke") bereits in der Klageerwiderung explizit vorgetragen, dass die Abgasrückführung in dem streitgegenständlichen Fahrzeug bei einer Außentemperatur zwischen - 24 Grad Celsius und + 70 Grad Celsius ohne Abstufungen zu 100 % aktiv sei (vgl. Bl. 148 d.A.).
Die Klägerin hat darauf erklärt, dass das Thermofenster nicht "Hauptansatzpunkt des Verfahrens" sei (so auch in der Berufungsbegründung), "viel zu viel Raum" einnehme und "am eigentlichen Thema vorbei" gehe (Bl. 191 d.A.). Inhaltlich entgegengetreten ist sie dem substantiierten Vorbringen der Beklagten zur Reichweite des Thermofensters im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht, weshalb dieses als unstreitig zugrunde zu legen ist.
Da das Thermofenster demnach bei Außentemperaturen zwischen - 24 Grad Celsius und + 70 Grad Celsius ohne Abstufungen gleichermaßen funktioniert und es sich dabei um einen Temperaturbereich handelt, der die im gesamten Unionsgebiet vorliegenden Bedingungen sicher abdeckt, liegt nach den oben genannten Kriterien bereits keine Abschalteinrichtung vor.
Erst Recht wäre diese nicht unzulässig, weil die Beklagte in der Klageerwiderung unwidersprochen vorgetragen hat, dass außerhalb dieses Bereichs die Deaktivierung der Abgasrückführung aus Gründen des Motorschutzes und des sicheren Fahrbetriebs (drohender plötzlicher Leistungsabfall durch Ausfall des Turboladers) erforderlich sei.
cc) Der Senat geht auch nicht davon aus, dass in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung bzw. Prüfstanderkennung in Form einer von der Klägerin behaupteten Fahrkurve verbaut ist.
Die Klägerin hat zwar behauptet, dass die Beklagte eine Manipulation einsetze, die nach Erkennen des Prüfstands (Fahrkurve) den SCR-Katalysator früher als im Normalbetrieb, nämlich schon bei Temperaturen unter 200 Grad Celsius, zuschalte, wobei zugleich eine höhere Menge AdBlue zur Verringerung der NOx-Emissionen eingedüst werde und - ebenfalls abweichend vom Normalbetrieb - die Abgasrückführungsrate nach dem Zuschalten des SCR-Katalysators nicht reduziert werde (vgl. Bl. 9 d.A.).
Die Beklagte hat schon das Vorhandensein einer solchen Fahrkurvenerkennung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu irgendeinem Zeitpunkt seit der Klageerwiderung bestritten (vgl. z.B. Bl. 135 d.A.).
Vor dem Hintergrund des Inhalts der oben genannten Auskunft des KBA aus dem Verfahren 7 U 665/20, wonach selbst eine vorhandene Fahrkurve beim Motor EA288 keinerlei Auswirkungen auf das Emissionsverhalten hat, fehlt es an hinreichendem Vortrag der Klägerin, warum dies in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug anders sein sollte.
Der gesamte diesbezügliche Vortrag der Klägerin bezieht sich nicht auf das konkret streitgegenständliche Fahrzeug, sondern allgemein auf den Motor EA288. Es fehlt jede Darlegung, weshalb der Motor im streitgegenständlichen Fahrzeug - anders als laut der vorliegenden Auskunft sonstige Motoren EA288 - eine Fahrkurve enthalten sollte, die Einfluss auf das Emissionsverhalten nimmt. Die Klägerin begründet ihre Behauptung u.a. mehrfach mit Bezug auf den Inhalt der Anlage K 2. In dieser ist aber zum Motor EA288 gerade aufgeführt, dass es zwischen den aufgeführten Strategien 1 und 2 "keine unterschiedlichen Emissionen" gibt. Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, dass man den Angaben der Beklagten aufgrund ihres Verhaltens im Zusammenhang mit dem sogenannten Diesel-Abgasskandal ohnehin nicht vertrauen könne, vermag dies nicht zu überzeugen und übersieht zudem, dass nicht nur Behauptungen der Beklagten, sondern auch eine Auskunft des KBA vorliegt. Im Übrigen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die oben im Zusammenhang mit § 826 BGB angestellten Erwägungen Bezug.
Der Senat sieht vor diesem Hintergrund insgesamt keine zureichenden Anhaltspunkte für die Richtigkeit der klägerischen Behauptung, weshalb eine Beweiserhebung nicht veranlasst ist.
3. Schadensersatzsprüche im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Fahrzeugerwerb auf anderer Grundlage kommen für die Klägerin nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH schon von Vornherein nicht in Betracht.
a) Insbesondere haftet die Beklagte wegen der fehlenden Stoffgleichheit zwischen einer etwaigen Vermögenseinbuße der Klägerin und den denkbaren Vermögensvorteilen der Beklagten nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris Rn. 24).
b) Schließlich steht der Klägerin gegen die Beklagte auch kein Anspruch gemäß § 280, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 3 BGB wegen Inanspruchnahme besonderen Vertrauens oder Zusicherung einer Beschaffenheit im Zusammenhang mit der Übereinstimmungsbescheinigung zu. Dass der Hersteller des Fahrzeuges über die gesetzliche Pflichterfüllung nach §§ 6, 27 Abs. 1, 37 Abs. 1 EG-FGV und Art. 18 der Richtlinie 2007/46 hinaus in besonderem Maße Vertrauen in Anspruch nimmt oder eine Zusicherung abgeben will, erschließt sich weder nach dem Text der Bescheinigung noch nach deren Zweck. Eine irgendwie geartete Garantiezusage ist damit nicht verbunden. Insofern ist die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH (Urteil vom 15. Juni 2016 - VIII ZR 134/15, juris), in der es um eine Herstellergarantie ging, schon nicht einschlägig. Aus demselben Grund kann die Klägerin den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auch nicht auf einen selbständigen Garantievertrag gemäß § 443 BGB stützen.
4. Mangels Anspruchsgrundlage stehen der Klägerin somit weder die von ihr geltend gemachten Zahlungsansprüche zu, noch kann infolgedessen ein Annahmeverzug der Beklagten festgestellt oder diese zur Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers verurteilt werden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.