Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.04.2013, Az.: 2 LB 365/12

Anspruch eines syrischen Staatsangehörigen auf Befristung der Ausweisung auf "Null"

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.04.2013
Aktenzeichen
2 LB 365/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 36054
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0422.2LB365.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 08.12.2011 - AZ: 4 A 256/10

Redaktioneller Leitsatz

1.

Rauschgiftdelikte gehören zu den gefährlichen und schwer zu bekämpfenden Straftaten und können deswegen grundsätzlich die Ausweisung von Ausländern auch aus generalpräventiven Erwägungen rechtfertigen.

2.

Liegt der Ausweisung eines Ausländers eine schwerwiegende Straftat zugrunde, ist eine mehrjährige, über fünf Jahren liegende Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung als angemessen anzusehen.

3.

Etwaige gewichtige familiäre Belange setzen sich in Ausweisungsverfahren nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durch. Dies gilt vor allem für sicherheitsrechtliche Belange.

[Tatbestand]

I.

Der Kläger begehrt, die ihm gegenüber rechtskräftig ergangene Ausweisung auf "Null" zu befristen.

Der 19 in E. /Syrien geborenen Kläger, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste 20 mit seiner Ehefrau (F., geb. 19 in E. /Syrien) in das Bundesgebiet ein und begehrte Asyl. Es gab damals an, von ungeklärter Staatsangehörigkeit zu sein und ursprünglich eine sog. rot-orange Ausweiskarte als registrierter Ausländer in Syrien besessen zu haben (vgl. BA A Bl. 132, 139 ff). Das Asylbegehren des Klägers, seiner Ehefrau und der im Bundesgebiet geborenen Kinder (G., geb. 20 , H., geb. 20 , I., geb. 20 ) blieb erfolglos (vgl. für den Kläger Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge v. 21.3.2000, VG Braunschweig, Urt. v. 10.9.2001 - 6 A 236/00). Unter anderem wurde das von dem Kläger geschilderte individuelle Verfolgungsschicksal als nicht glaubhaft angesehen. Wegen Passlosigkeit wurde die Familie in der Folgezeit geduldet.

Ein im November 2001 gestelltes Begehren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose blieb erfolglos (VG Braunschweig, Urt. v. 6.10.2006 - 4 A 196/04 -, abl. Zulassungsbeschluss des erk. Sen. v. 22.11.2007 - 2 LA 1245/06 -), da sich im Laufe jenes Verfahrens herausgestellt hatte, dass die von dem Kläger als Beleg für seine jahrelang aufrechterhaltene Behauptung, nicht die syrische Staatsangehörigkeit zu besitzen, überreichten Unterlagen (z.B. Auszug aus dem Ausländerregister, Bescheinigung der syrischen Botschaft in Berlin, BA A Bl. 208 ff, 245) gefälscht waren (BA A Bl. 222 ff, 252, 259) und der Kläger als syrischer Staatsangehöriger sowohl in dem Familienregister für syrisch-arabische Staatsbürger als auch in dem Personenstandsregister für syrische Staatsangehörige eingetragen war/ist (BA A Bl. 269, BA B Bl. 308 ff, 405, 490).

Ein späterer Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den "Bleiberechtsregelungen" (u.a. § 104 a AufenthG) blieb u.a. im Hinblick auf § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG (Täuschung über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände) ohne Erfolg (VG Braunschweig, Urt. v. 1.3.2010 - 4 A 278/08 -, BA I).

Der Kläger ist 20 wegen Bedrohung/Beleidigung, 20 wegen Diebstahls und 20 wegen fahrlässiger Trunkenheitsfahrt jeweils zu Geldstrafen verurteilt worden. Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts J. (v. 9. 6. 2010 - -) wurde er zudem wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Im Anschluss an die letzte Verurteilung wies der Beklagte den Kläger mit Verfügung vom 30. September 20 gem. § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG aus spezial- und generalpräventiven Gründen aus Deutschland aus und führte u.a. ergänzend aus, auch Art. 2, 6 GG und Art. 8 EMRK stünden der Ausweisung nicht entgegen.

Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, die Ausweisung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen Art. 8 EMRK.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 30. September 20 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Ausweisung sei zutreffend sowohl auf spezial- als auch generalpräventive Gründe gestützt und ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liege nicht vor.

In seinem auf § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Kläger unter anderem fehlende Ausführungen zu der Befristung der Ausweisung gerügt, was für sich schon zur Rechtswidrigkeit der Verfügung führe.

Das Landgericht J. (Beschl. v. 8.3.2012 - -) setzte die Reststrafe des Klägers gem. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zum 16. März 20 (reguläres Strafende: 21.7.20 , 2/3-Termin: 20.5.20 ) zur Bewährung (3 Jahre) aus.

Nach der Haftentlassung entfaltete der Kläger exilpolitische Tätigkeiten und stellte Anfang Mai 2012 einen Asylfolgeantrag. Mit Bescheid vom 14. Mai 2012 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG fest und hob die im Rahmen des Asylerstverfahrens mit Bescheid vom 21. März 20 erlassene Abschiebungsandrohung auf. Die ebenfalls begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 60 Abs. 1 AufenthG, 3 Abs. 1 AsylVfG) lehnte es dagegen unter Hinweis auf § 28 Abs. 2 AsylVfG ab. Die daraufhin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erhobene Klage des Klägers blieb ohne Erfolg, da das Verwaltungsgericht ebenso wie das Bundesamt davon ausging, der Kläger habe unmittelbar nach seiner Haftentlassung exilpolitische Aktivitäten nur entfaltet, um ein Aufenthaltsrecht als Flüchtling zu erlangen (VG Braunschweig, Urt. v. 7.11.2012 - 2 A 1181/12 -).

Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG ist dem Kläger wegen seiner strafrechtlichen Verfehlung im Hinblick auf § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b und d AufenthG bislang nicht erteilt worden. Die Ehefrau und die Kinder besitzen dagegen (nach Vortrag der Beteiligten) mittlerweile eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG.

Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Oktober 2012 (2 LA 82/12) den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt, soweit das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Ausweisung (als solche) abgewiesen hat, da das Verwaltungsgericht zu Recht von der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung ausgegangen sei und die hiergegen von dem Kläger angeführten Zulassungsgründen nicht durchgriffen. Die Ausweisungsverfügung ist damit rechtskräftig geworden Hinsichtlich der Frage der Befristung der Ausweisung ist dagegen die Berufung zugelassen worden, weil aufgrund der erst nach Erlass des angefochtenen Bescheides (30.9.20 ) und kurz vor Erlass des angefochtenen Urteils (8.12.2011) erfolgten Änderung von § 11 AufenthG durch das am 26. November 2011 in Kraft getretene "Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex" (v. 22.11.2011, BGBl. 2011, 2258, Richtlinienumsetzungsgesetz 2011) in Verbindung mit der dazu, bei Erlass des angefochtenen Urteils naturgemäß noch nicht bekannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 14.2.2012 - 1 C 7.11 -, InfAuslR 2012, 255, [...]; v. 10.7.2012 - 1 C 19/11 -, [...]) - anders als bislang - zugleich mit dem Erlass einer Ausweisungsverfügung auch die Wirkungen der Ausweisung stets zu befristen sind und die Befristungsentscheidung einer vollen gerichtlichen Prüfung unterliegt.

Der Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 23. Januar 2013 mitgeteilt, er ziehe eine Befristung von vier Jahren nach Ausreise in Betracht.

Der Kläger ist dem entgegengetreten. Er ist der Auffassung, die Wirkungen der Ausweisung seien auf "Null" zu befristen; denn er sei bislang nicht wieder straffällig geworden, im Bundesgebiet verheiratet und Vater von drei minderjährigen Kindern. Zudem besäßen sowohl seine Frau als auch seine Kinder bereits eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Außerdem sei seine Abschiebung nach Syrien aufgrund der dort bestehenden politischen Lage und des ihm deswegen gewährten Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG auf unbestimmte Zeit nicht möglich und eine freiwillige Ausreise nach Syrien nicht zumutbar.

Der Kläger beantragt,

die Befristung auf "Null" festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung insoweit zurückzuweisen, als eine Befristung der Ausweisung unter vier Jahre ab Ausreise begehrt wird.

Er trägt im Wesentlichen vor, eine Befristung unter vier Jahren ab Ausreise komme derzeit nicht in Betracht. Bei dem Kläger sei weiterhin von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Zwar könne er derzeit nicht nach Syrien abgeschoben werden, das mit einer Ausweisung ebenfalls grundsätzlich einhergehende Verbot, einen Aufenthaltstitel zu erteilen, entfalte aber ebenfalls präventive Wirkungen. Zudem sei nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die derzeitige politische Situation in Syrien noch über Jahre andauern werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

[Entscheidungsgründe]

II.

Die Berufung des Klägers hat nur aus dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Befristungsbegehrens des Klägers ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung durch den Senat. Rechtsgrundlage ist daher § 11 AufenthG in der durch das "Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex" (v. 22.11.2011, BGBl. I S. 2258, Richtlinienumsetzungsgesetz 2011) geänderten Fassung.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird gemäß Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift bestimmt, dass die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist nach Satz 4 der Vorschrift unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt mit der Ausreise (Satz 6).

Seit Inkrafttreten der Änderung des § 11 Abs. 1 AufenthG haben Ausländer einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit Erlass der Ausweisung zugleich deren in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannte Wirkungen befristet. Dieser Anspruch ist auch hinsichtlich der Dauer der Befristung gerichtlich voll überprüfbar. Hat eine Ausländerbehörde eine zu lange Frist gesetzt oder fehlt eine behördliche Befristungsentscheidung, hat das Gericht über die konkrete Dauer einer angemessenen Frist selbst zu befinden und die Ausländerbehörde zu einer entsprechenden Befristung der Ausweisung zu verpflichten (BVerwG, Beschl. v. 14.3.2013 - 1 B 17.12 -, Urt. v. 13.12.2012 - 1 C 14.12 -, InfAuslR 2013, 141 und - 1 C 20.11 -, v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397, v. 14.2.2012 - 1 C 7.11 -, InfAuslR 2012, 255, alle jeweils auch [...].).

Hier ist der Kläger rechtskräftig aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden, so dass Streitgegenstand nur der Anspruch des Klägers auf Befristung der Wirkungen dieser Ausweisung ist, wobei der Senat nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts über die konkrete Dauer der Befristung selbst zu entscheiden hat.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf "Null", vielmehr ist eine Frist von vier Jahren angemessen, die gem. § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG mit der Ausreise beginnt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat im o.a. Urteil vom 13. Dezember 2012 (- 1 C 14.12 -, aaO.) die Kriterien für die Bemessung der Frist wie folgt zusammengefasst:

"Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (zu der zuletzt genannten Voraussetzung vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG). Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu ... präventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Selbst wenn die Voraussetzungen für ein Überschreiten der zeitlichen Grenze von fünf Jahren gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorliegen, geht der Senat davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal 10 Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung - insbesondere jüngerer Menschen - kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden. Leitet sich diese regelmäßige Höchstdauer für die Befristung von 10 Jahren aus dem Umstand ab, dass mit zunehmender Zeit die Fähigkeit zur Vorhersage zukünftiger persönlicher Entwicklungen abnimmt, bedeutet ihr Ablauf nicht, dass bei einem Fortbestehen des Ausweisungsgrundes oder der Verwirklichung neuer Ausweisungsgründe eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 iVm. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).

Die auf diese Weise ermittelte Frist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK, messen lassen und ist daher ggf. in einem zweiten Schritt zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. Urteile vom 11. August 2000 - BVerwG 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <373> und vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rnr. 19 ff.). Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen bzw. von den Verwaltungsgerichten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts vollumfänglich zu überprüfen. Fehlt - wie hier - die behördliche Befristungsentscheidung, ist sie vom Gericht durch eine eigene Abwägung als Grundlage des Verpflichtungsausspruchs zu ersetzen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rnr. 42 f.)."

a) Danach ist zunächst die nach präventiven Gesichtspunkten maßgebende Frist zu ermitteln. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das seiner zu spezial- und generalpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag.

Die Bemessung der Frist ist dabei allein anhand der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Eine abstrakte Festlegung von Fristen, etwa durch einen eigenständig formulierten und nach den Ausweisungsgründen gestaffelten Fristenkatalog oder durch eine sinngemäß weiter fortgeführte Orientierung an den Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz zur Befristung (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 4.6.2012 - 11 A 2509/12 -, [...]) ist nicht (mehr) möglich (vgl. erk. Ger., Urt. v. 14.2.2013 - 8 LC 129/12 -, zu der o.g. Entscheidung des VG Oldenburg).

Unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls ist - ausgehend von einer regelmäßigen Höchstfrist von zehn Jahren - eine Frist von 6 Jahren als angemessen anzusehen.

Die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG enthaltene Fristgrenze von fünf Jahren kommt vorliegend nicht zur Anwendung. Dabei kann offen bleiben, ob § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für die Überschreitung der 5-Jahres-Grenze abweichend vom Wortlaut eine schwerwiegende Straftat fordert (so BT-DrS 17/5470 S. 21, vgl. auch erk. Ger., Urt. v. 14.2.2013 - 8 LC 129/12 -, [...] unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 -, [...] Rnr. 42); denn der Ausweisung liegt eine schwerwiegende Straftat zugrunde, was sich bereits aus Anlass (Einbindung des Klägers in einen gut organisierten Handel mit Betäubungsmitteln) und Höhe (drei Jahren und sechs Monate aufgrund einer "Verständigung im Strafprozess") der Freiheitsstrafe ergibt. Den durch einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz verletzten Rechtsgütern anderer kommt zudem ein sehr hohes Gewicht bei.

aa) Schon generalpräventive Überlegungen erfordern eine länger andauernde Befristung und stehen damit der vom Kläger begehrten Befristung auf "Null" entgegen. Das erkennende Gericht ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts stets davon ausgegangen, dass Rauschgiftdelikte zu den gefährlichen und schwer zu bekämpfenden Straftaten gehören und deswegen grundsätzlich die Ausweisung von Ausländern auch aus generalpräventiven Erwägungen rechtfertigen können (vgl. schon BVerfG, Beschl. v. 18.7.1979 - 1 BvR 650/ 77; BVerwG, Urt. v. 11.6.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247 = [...]; erk. Ger., Beschl. v. 8.12.2009 - 11 LA 497/09 -). Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu in seinem aktuellen Urteil (v.13.12.2012 - 1 C 20.11 -, [...]) ausgeführt:

"Die Gefahren, die vom gewerbsmäßigen illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, sind schwerwiegend und berühren ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit der Bürger nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein. Der Gerichtshof der Europäischen Union sieht in der Rauschgiftsucht ein "großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit" (vgl. EuGH, Urteil vom 23. November 2010 - Rs. C-145/09, Tsakouridis - NVwZ 2011, 221 Rn [EuGH 23.11.2010 - Rs. C-145/09]r. 47). Er verweist auf die "verheerenden Folgen" gerade des bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln für die Gesundheit, Sicherheit und Lebensqualität der Unionsbürger sowie der legalen Wirtschaftstätigkeit, der Stabilität und der Sicherheit der Mitgliedstaaten (a.a.O. Rnr. 46). Die Mitgliedstaaten dürfen daher die Verwendung von Betäubungsmitteln als eine Gefahr für die Gesellschaft ansehen, die besondere Maßnahmen gegen Ausländer rechtfertigt, die gegen Vorschriften über Betäubungsmittel verstoßen (a.a.O. Rnr. 54). Im Übrigen zählt der illegale Drogenhandel zu den Straftaten, die in Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV als Bereiche besonders schwerer Kriminalität genannt werden. Diese können als schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen werden und die Ausweisung von Personen rechtfertigen, die entsprechende Straftaten begangen haben (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - Rs. C-348/09, P.I. - NVwZ 2012, 1095 Rn [EuGH 22.05.2012 - Rs. C-348/09]r. 28). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht den Handel mit Betäubungsmitteln, selbst wenn er nicht bandenmäßig begangen wird, als schwerwiegende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Interessen an (vgl. Urteile vom 3. November 2011 - Nr. 28770/05, Arvelo Aponte/Niederlande - Rnr. 58 und vom 12. Januar 2010 - Nr. 47486/06, Khan/Vereinigtes Königreich - InfAuslR 2010, 369 Rnr. 40 mwN.)."

Angesichts der mit der Rauschgiftkriminalität verbundenen besonderen Gefahren für die Allgemeinheit und der Schwierigkeit ihrer Bekämpfung kommt den generalpräventiven Aspekten (nicht nur bei der Ausweisung, sondern) auch im Rahmen der Entscheidung, für welche Zeitspanne die Befristung auszusprechen ist, ein wesentliches Gewicht bei, um eine Verhaltenssteuerung und Abschreckung bei anderen Ausländern zu bewirken. Im Falle durchgreifender generalpräventiver Erwägungen stehen eine Strafaussetzung zur Bewährung und in diesem Zusammenhang eine zugunsten des Betroffenen angestellte Sozialprognose der Ausweisung (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.6.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247 = [...]) und damit auch einer Befristung nicht entgegen.

bb) Aber auch aus spezialpräventiven Gründen kommt eine Befristung auf "Null" nicht in Betracht. Vielmehr ist auch unter diesem Aspekt eine mehrjährige, über fünf Jahren liegende Zeitspanne als angemessen anzusehen, da bei dem Kläger zum jetzigen Zeitpunkt noch von einem Gefahrenpotential auszugehen ist.

Dieses leitet sich aus der Intensität ab, in der der Kläger in den Betäubungsmittelhandel verstrickt war. Selbst ein einmaliges Rauschgiftdelikt kann im Hinblick auf den spezialpräventiven Ausweisungszweck einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund darstellen (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 11.6.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247; erk. Ger., Beschl. v. 8.12.2009 - 11 LA 497/09). Zureichende Anhaltspunkte, dass die Straftat in einer einmaligen Ausnahme- - und Konfliktsituation begangen worden ist, liegen nicht vor. Zu berücksichtigen ist zudem Folgendes:

Motiv für den Rauschgifthandel des Klägers waren die seiner Meinung nach unzureichenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, er erhält indes für sich und seine Familie auch derzeit (nur) Leistungen nach diesem Gesetz. Erschwerend kommt hinzu, dass er (weiterhin) hoch verschuldet ist. So hat er nach den Ausführungen in dem Urteil des Verwaltungsgerichts in dem von dem Kläger geführten Asylfolgeverfahren (VG Braunschweig, Urt. v. 7.11.2012 - 2 A 1181/12 -) rd. 53.000,-- EUR Schulden und deswegen Privatinsolvenz angemeldet. Weiter ist der Kläger bereits in den Jahren 20 1, 20 und 20 u.a. wegen Bedrohung/Beleidigung, Diebstahls und fahrlässiger Trunkenheitsfahrt zu Geldstrafen verurteilt worden. Darüber hinaus hat er seit seiner Einreise in das Bundesgebiet über Jahre unter Vorlage gefälschter Unterlagen unzutreffende Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit gemacht und später, nachdem seine syrische Staatsangehörigkeit (und die seiner Ehefrau) über einen Auszug aus dem syrischen Personenstandsregister von den Behörden nachgewiesen worden war, - unglaubhaft (vgl. Beschl. d. Sen. v. 22.11.2007 - 2 LA 1245/06 im Verfahren des Klägers, BA H) - behauptet, ihm sei seine syrische Staatsangehörigkeit nicht bewusst gewesen (vgl. z.B. BA C Bl. 546, 612 R). Diese Umstände belegen eindrucksvoll, dass der Kläger während des gesamten Zeitraums seines Aufenthalts im Bundesgebiet die Rechtsordnung als für sich nicht verbindlich angesehen, sondern sein Verhalten und seinen Vortrag stets taktisch danach ausgerichtet hat, was ihm einen weiteren Verbleib im Bundesgebiet ermöglicht.

Zureichende Anhaltspunkte für eine geänderte Einstellung vermag der Senat nicht zu erkennen. Insbesondere fällt nicht ins Gewicht, dass das vollzugliche Verhalten des Klägers und - soweit ersichtlich auch sein Verhalten nach der Haftentlassung - beanstandungsfrei war. Zum einen kann ein ordnungsgemäßes Verhalten von einem Strafgefangenen erwartet werden. Zum anderen stand der Kläger unter dem Druck des Ausweisungs- bzw. Befristungsverfahrens und steht zudem seit einem Jahr unter dem Druck der noch laufenden Bewährungszeit. Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer am Landgericht J. vom 8. März 2012 ( ), den noch nicht verbüßten Rest der Freiheitsstrafe auf drei Jahre zur Bewährung auszusetzen, ist nicht geeignet, die oben getroffene Gefahrenprognose zu relativieren; denn er entfaltet keine Bindungswirkung. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 -, [...]) ausgeführt:

"Das Berufungsgericht war bei seiner Gefahrenprognose nicht an die Einschätzung der Strafvollstreckungskammer bei deren Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gebunden. Zwar sind die Entscheidungen der Strafgerichte nach § 57 StGB von tatsächlichem Gewicht und stellen bei der Prognose ein wesentliches Indiz dar. Eine Bindungswirkung geht von den strafvollstreckungsrechtlichen Entscheidungen jedoch nicht aus. Die ... Prognose, ob der Ausländer eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt, bestimmt sich nämlich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten, auch nicht nach dem Gedanken der Resozialisierung. Vielmehr haben die zuständigen Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte eine eigenständige Prognose über die Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. Urteile vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 C 17.94 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 10 = NVwZ 1997, 1119 [BVerwG 28.01.1997 - 1 C 17/94] <1120> und vom 16. November 2000 - BVerwG 9 C 6.00 - BVerwGE 112, 185 <193> = Buchholz 402.240 § 51 AuslG Nr. 40; Discher, in: GK-AufenthG, Stand: Juni 2009, vor §§ 53 ff. Rnr. 1241 ff.). Dabei haben sie auch sonstige, den Strafgerichten möglicherweise nicht bekannte oder von ihnen nicht beachtete Umstände des Einzelfalles heranzuziehen. Sie können deshalb sowohl aufgrund einer anderen Tatsachengrundlage als auch aufgrund einer anderen Würdigung zu einer abweichenden Prognoseentscheidung gelangen."

Vorliegend rechtfertigt das oben aufgezeigte, der Strafvollstreckungskammer zum Teil zudem nicht bekannte Verhalten des Klägers seit seiner Einreise (20 ) eine abweichende Prognoseentscheidung, zumal ausweislich des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer auch die von ihr eingeschaltete Gutachterin langfristig für weniger schwerwiegende Delikte (als Betäubungsmitteldelikte) keine durchgehend günstige Prognose gestellt hat, "da der Kläger in der Vergangenheit gezeigt habe, dass er in bestimmten Situationen eigene Interessen über allgemein gültige Regeln stellt". Vor diesem Hintergrund ist es auch unerheblich, dass die Reststrafe gem. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB, und damit vor dem 2/3-Termin erlassen wurde, wobei allerdings bis zum 2/3-Ternin ohnehin nur noch ca. zwei Monate lagen. Die knappe und allgemein gehaltene Stellungnahme des Bewährungshelfers vom 1. November 20 - weitere Stellungnahmen liegen nicht vor - gibt ebenfalls zu keiner anderen Bewertung Anlass.

Unter Berücksichtigung der strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers und der aufgezeigten general- und spezialpräventiven Aspekte hält der Senat eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf sechs Jahre für grundsätzlich gerechtfertigt.

b) Die nach § 11 AufenthG erforderliche Befristung muss sich an höherrangigem Recht, d. h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 8 EMRK messen lassen und ist daher in einem zweiten Schritt gegebenenfalls zu relativieren. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.8.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300, [...], v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 -, ZAR 2007, 243, [...]; BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 - 1 C 14.12 -, InfAuslR 2013, 141 = [...], v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 -, [...]). Danach war die Frist auf vier Jahre herabzusetzen.

(1) Auf einen Eingriff in sein Privatleben (Art. 8 EMRK, Art. 2 GG) kann sich der Kläger allerdings nicht berufen, weil mangels einer zureichenden Integration in die Verhältnisse im Bundesgebiet (vgl. dazu oben) schon der Schutzbereich dieser Normen für ihn nicht eröffnet ist. Offen bleiben kann daher, ob der Schutzbereich auch wegen des fehlenden rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet gar nicht betroffen sein kann (vgl. hierzu Sen. Beschl. v. 2.3.2011 - 2 PA 287/10 -, Urt. v. 11.11.2010 - 2 LB 582/08 -, jeweils mwN.).

(2) Zugunsten des Klägers waren dagegen seine familiären Bindungen (Art. 8 EMRK, Art. 6 GG) an seine Frau F. und die gemeinsamen drei Kinder zu berücksichtigen, was zu einer Herabsetzung der Befristung auf vier Jahre führt.

Eine Befristung auf "Null" oder zumindest auf einen unter vier Jahren liegenden Zeitraum vermögen diese familiären Bindungen dagegen nicht zu rechtfertigen. Der Senat hat bereits in seinem Zulassungsbeschluss im vorliegenden Verfahren (v. 17.10.2012 - 2 LA 82/12) bezogen auf die Ausweisung ausgeführt:

"Im Übrigen ist in der Rechtsprechung geklärt, dass selbst etwaige gewichtige familiäre Belange sich in Ausweisungsverfahren nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durchsetzen Dies gilt vor allem für sicherheitsrechtliche Belange, weil die Pflicht des Staates, seine Bürger vor (Gewalt-, Vermögens- oder) Betäubungsmitteldelikten zu schützen, gleichfalls verfassungsrechtlichen Rang besitzt und in Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 GG wurzelt (vgl. z. B. BVerfG, Beschl. v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682, v. 22.8.2000 - 2 BvR 1363/00 -, [...]; EGMR, Urt. v. 6.12.2007 - 69735/01 -, InfAuslR 2008, 111; Sen., Beschl. v. 14.4.2010 - 2 LA 434/09 -, erk. Gericht, Beschl. v. 20.5.2009 - 11 ME 110/09 -)."

Entsprechendes gilt für die hier im Streit befindliche Befristungsentscheidung. Angesichts der erheblichen Verstrickungen des Klägers in Betäubungsmitteldelikte und seine über Jahre gezeigte und weiterhin zu befürchtende Missachtung der Rechtsordnung im Bundesgebiet verliert der Schutz des Familienlebens gegenüber den gegenläufigen öffentlichen Interessen an Gewicht.

c) Soweit der Kläger eine Befristung auf "Null" auch deswegen für geboten hält, weil er wegen der politischen Situation in seinem Heimatland bzw. wegen der Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG das Bundesgebiet in der nächsten Zeit ohnehin nicht verlassen müsse, ist dieser Wertung nicht zu folgen.

Zum einen ist es als offen anzusehen, wie sich die politischen Verhältnisse in Syrien in den nächsten Jahren entwickeln und ob - ggfs. nach Aufhebung des dem Kläger gewährten Abschiebungsschutzes - eine Rückkehr dorthin möglich sein wird.

Zum anderen führt die Ausweisung nicht nur zu einem Einreise- und Aufenthaltsverbot im gesamten Gebiet der Schengenstaaten, sondern auch zu einem Titelerteilungsverbot (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) für alle nichthumanitären Titel. Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 13.4.2010 - 1 C 5.09 -, BVerwGE 136,284 = InfAuslR 2010, 353 = [...]) hat hierzu ausgeführt:

"Dass die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis die Sperrwirkung einer Ausweisung nur begrenzt beseitigt, ergibt sich sowohl aus der Systematik als auch aus Sinn und Zweck des Gesetzes. Die gesetzliche Systematik spricht deutlich dafür, dass § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG durch die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nicht vollständig suspendiert sein soll. Die in der Vorschrift normierte Sperrwirkung nach einer Ausweisung oder Abschiebung ist und bleibt - als Grundsatz - Ausschluss- bzw. Versagungsgrund für die Erteilung von Aufenthaltstiteln, von dem das Gesetz ausnahmsweise einzelne Abweichungsmöglichkeiten vorsieht. Eine Ausnahme ist § 25 Abs. 5, eine weitere § 25 Abs. 4a AufenthG, in dem ebenfalls ausdrücklich zur Abweichung von der Sperrwirkung ermächtigt wird. Ausnahmen finden sich auch in § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG, die eine Versagung der Aufenthaltserlaubnis nicht nach jeder Ausweisung erlauben, sondern nur dann, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Eine weitere Ausnahme enthält schließlich § 37 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG, der die Ablehnung eines Wiederkehrrechts nicht generell vorschreibt, sondern in das Ermessen der Behörde stellt, wenn der Ausländer vor der Ausreise aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden war. Der Zusammenschau dieser Regelungen ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Aufhebung der Sperrwirkung einer gesonderten Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 bis 6 AufenthG vorbehalten hat."

Auch dieses Titelerteilungsverbot für alle nichthumanitären Titel ist für sich bereits geeignet, generalpräventiv als Abschreckung auf andere Ausländer bzw. spezialpräventiv auf das zukünftige Verhalten des Klägers einzuwirken; denn es wird dem jeweiligen Ausländer deutlich gemacht, dass als Folge einer (befristeten) Ausweisung (unabhängig von einer Ausreise) die Möglichkeit, sich im Bundesgebiet rechtmäßig aufzuhalten, allenfalls aus humanitären Gründen gewährt werden kann (Hailbronner, AuslR, Stand: Febr. 2013, § 11 AufenthG Rnr. 16).

d) Die nach den obigen Darlegungen gebotene Befristung der Ausweisung auf vier Jahre beginnt nach § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG erst mit der Ausreise. Diese Vorgabe gilt auch dann, wenn der ausgewiesene Ausländer weder freiwillig ausreisen noch abgeschoben werden kann (OVG Hamburg, Beschl. v. 12.4.2007 - 1 So 26/07 -, NVwZ-RR 2007, 712, [...]; Hailbronner, AuslR: Stand: Febr. 2013, § 11 AufenthG Rnr. 48; Hofmann/Hofmann, Ausländerrecht, 2008, § 11 Rnr. 27; etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des VGH BW v. 5.12.2012 - 11 S 739/12 -, [...], da jenem Verfahren - anders als vorliegend - die mit der Ausweisung verfolgten ordnungsrechtlichen Ziele bereits erreicht waren). Unzumutbare Härten ergeben sich dadurch nicht.

Zum einen erfordert § 11 AufenthG nicht die Ausreise in das jeweilige Heimatland. Ausreichend wäre - sofern das im Einzelfall möglich sein sollte - vielmehr auch die freiwillige Ausreise in einen anderen Staat.

Zum anderen kann der Kläger zu gegebener Zeit eine befristete humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG beantragen; denn diese kann unabhängig von § 11 Abs. 1 AufenthG erteilt werden, stellt also eine spezialgesetzliche Ausnahmevorschrift zu der generellen Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 AufenthG dar (vgl. hierzu auch BVerwG, Urt. v. 13.12.2005 - 1 C 36.04 -, BVerwGE 125, 1 = InfAuslR 2006, 289 = [...]). Die Entscheidung nach § 25 Abs. 5 AufenthG steht im Ermessen der Behörde, wobei im Rahmen dieses Ermessens das bisherige Verhalten des Ausländers, insb. seine Beachtung bzw. Nichtbeachtung der Rechtsordnung zu berücksichtigen sein wird.

Schließlich steht es dem Kläger frei, bei dem Beklagten in späterer Zeit - nach derzeitiger Einschätzung wohl frühestens in vier Jahren - eine Überprüfung der Befristungsentscheidung anzuregen.