Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.04.2013, Az.: 9 LC 91/11

Minderung des beitragsfähigen Aufwands für eine Straßenausbaumaßnahme durch den durch die Gemeinde durch die Veräußerung von nicht mehr benötigten Teilflächen der ausgebauten Straße erzielten Verkaufserlös

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.04.2013
Aktenzeichen
9 LC 91/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 40353
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0422.9LC91.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 15.02.2011 - AZ: 1 A 306/09

Fundstellen

  • DÖV 2013, 778
  • Gemeindehaushalt 2013, 236
  • NVwZ-RR 2013, 6
  • NVwZ-RR 2013, 977-979
  • NdsVBl 2014, 19-21
  • NordÖR 2013, 543

Amtlicher Leitsatz

Der beitragsfähige Aufwand für eine Straßenausbaumaßnahme ist nicht um den Verkaufserlös zu mindern, den die Gemeinde durch die Veräußerung von nicht mehr benötigten Teilflächen der ausgebauten Straße erzielt hat.

[Tatbestand]

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind vier Ausbaubeitragsbescheide der Beklagten vom 2. Oktober 2009 für die jeweils selbstständigen Buchgrundstücke der Kläger zu 1. bis 4. betreffend den Ausbau des J. Weges in K..

Die Bescheide haben zum Gegenstand:

  1. 1.

    Bescheid an die Klägerin zu 1.:

    Ausbaubeitrag in Höhe von 2.020,39 Euro für das Grundstück L.,

  2. 2.

    Bescheid an die Kläger zu 2.:

    Ausbaubeitrag in Höhe von 3.298,86 Euro für das Grundstück M.,

  3. 3.

    Bescheid an den Kläger zu 3.:

    Ausbaubeitrag in Höhe von 3.085,56 Euro für das Grundstück N.,

  4. 4.

    Bescheid an den Kläger zu 4.:

    Ausbaubeitrag in Höhe von 2.192,62 Euro für das Grundstück O..

Die Grundstücke der Kläger liegen an der Nordseite des J. Weges und wurden im Jahre 1964 im Rahmen des "{Q.} -Programms" voll erschlossen veräußert. Erschließungsbeiträge wurden für die erstmalige Herstellung nicht erhoben.

Der Ausbau des J. - Weges wurde vom Stadtentwicklungsausschuss der Beklagten in seiner Sitzung vom 27. April 2006 behandelt. Dabei berichtete die Verwaltung, dass sich von den insgesamt 16 Anliegern der Südseite des J.- Weges 9 Anlieger bereit erklärt hätten, den Grundstücksstreifen zu erwerben, während 6 Anlieger dies ablehnen würden. Daher schlage die Verwaltung eine Ausbauvariante C vor, nach der in den Bereichen, in denen die Anlieger nicht zum Erwerb des Grundstücksstreifens bereit seien, auf den Grundstücksstreifen öffentliche Stellplätze errichtet werden, während die übrigen Grundstücksstreifen an die zum Kauf bereiten Anlieger veräußert werden sollten. Die Mehrkosten für die Stellplätze müssten dann auf alle Anlieger umgelegt werden. Dem stimmte der Stadtentwicklungsausschuss zu.

Beim Ausbau des J.- Weges im Jahre 2007 wurden die Fahrbahn und die sonstigen Teileinrichtungen Gehwege, Parkbuchten, Beleuchtung und Straßenentwässerung erneuert. Die Fahrbahn wurde wegen der damit einhergehenden Kanalerneuerung auf Kosten des Trägers der Kanalbaumaßnahme (Stadtwerke Osnabrück) wiederhergestellt, so dass hierfür und für die Straßenentwässerung ein Investitionsaufwand bei der Kostenermittlung nicht in Ansatz gebracht wurde. Ein Kostenspaltungsbeschluss erfolgte nicht.

Teilflächen des südlichen Straßenrandstreifens des J.- Weges wurden trennvermessen und an einige Anlieger der südlichen Straßenseite zu einem Betrag von insgesamt 86.700,- Euro veräußert. Die veräußerten Teilflächen wurden bei der Verteilung des ermittelten umlagefähigen Aufwandes als beitragspflichtige Grundstücke berücksichtigt. Der Verkaufserlös wurde bei der Zusammenstellung des Beitragsaufwandes für Gehwege, Parkflächen und Beleuchtung nicht beitragsmindernd in Ansatz gebracht.

Gegen die Ausbaubeitragsbescheide vom 2. Oktober 2009 haben alle 4 Kläger am 5. November 2009 gemeinsam Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht unter einem einheitlichen Aktenzeichen geführt hat. Zur Begründung haben die Kläger geltend gemacht, die Erlöse aus dem Verkauf des Randstreifens müssten bei der Berechnung des Ausbauaufwandes in Abzug gebracht werden, weil die Veräußerung ein Teil der Maßnahme sei ("negativer Grunderwerb"). Außerdem fehle es an dem erforderlichen Kostenspaltungsbeschluss. Im Übrigen seien für die Teileinrichtungen nur 60 % statt 75 % als Anliegeranteil anzusetzen, weil es sich bei dem J.- Weg um eine verkehrsberuhigte Wohnstraße und nicht um eine Anliegerstraße handele. Die Beklagte habe von der Möglichkeit zum Erlass einer Abweichungssatzung keinen Gebrauch gemacht. Außerdem seien die vorgelegten Rechnungen nicht nachvollziehbar.

Mit Urteil vom 15. Februar 2011 hat das Verwaltungsgericht die Bescheide der Beklagten im Wesentlichen mit der Begründung aufgehoben, dass der Erlös aus der Veräußerung der Straßenrandstreifen, die nicht mehr als öffentliche Verkehrsfläche dienen sollten, vom beitragsfähigen Aufwand hätte abgesetzt werden müssen. Da der Erwerbserlös in Höhe von 86.700,- Euro den beitragsfähigen Aufwand in Höhe von 36.200,37 Euro überstiegen habe, komme eine Heranziehung der Eigentümer der angrenzenden Grundstücke zu Ausbaubeiträgen nicht mehr in Betracht.

Gegen das ihr am 28. März 2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte am 20. April 2011 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt und diese unter dem 9. Mai 2011 wie folgt begründet: Die Kläger hätten keinen Anspruch auf eine Anrechnung der Verkaufserlöse für die veräußerten Teilflächen des südlichen Randstreifens. Frühere Anlieger hätten für die erstmalige Herstellung des J.- Weges in den 60iger Jahren keine Erschließungsbeiträge, sondern einheitlich und unabhängig von den Straßenbreiten für alle Grundstücke im "Q. -Programm" kalkulierte Verkaufspreise gezahlt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Grunderwerb sei bei der erstmaligen Herstellung zu 90 % von den Anliegern geleistet worden, entspräche nicht den Tatsachen. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, sei der Beitrag zur Abgeltung eines Sondervorteils für die Erschließung gezahlt worden, nicht aber für einen bestimmten Ausbauzustand oder eine bestimmte Ausbaubreite der Straße und sei durch die seinerzeit pauschal gezahlten Kosten der Erschließung abgegolten. Für die nunmehr abgerechnete Ausbaumaßnahme bestehe ein Sondervorteil durch die Inanspruchnahmemöglichkeit und den erhöhten Gebrauchswert der Grundstücke unabhängig davon, ob die Anlage geringfügig schmaler ausgebaut worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klagen gegen die Ausbaubeitragsbescheide vom 2. Oktober 2009 abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen im Berufungsverfahren vor, der Erwerb der Flächen, die von der Beklagten veräußert worden seien, sei bei der erstmaligen Herstellung von den Anliegern kaufpreiserhöhend mitfinanziert worden und als negativer Grunderwerb beitragsmindernd zu berücksichtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die vom Verwaltungsgericht gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassene Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Ausbaubeitragsbescheide der Beklagten vom 2. Oktober 2009 zu Unrecht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgehoben. Die Bescheide entsprechen den landesgesetzlichen und satzungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung von Ausbaubeiträgen durch die Beklagte und sind rechtmäßig. Der Heranziehung der Kläger zu Beiträgen für den Ausbau des J.- Weges steht insbesondere nicht entgegen, dass der von der Beklagten erzielte Erlös für den Verkauf von im Rahmen der Ausbaumaßnahme nicht mehr benötigten Teilflächen der Straße den beitragsfähigen Aufwand übersteigt. Die Beklagte war entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Kläger weder nach Maßgabe des einschlägigen Landes- und Satzungsrechts noch nach allgemeinen beitragsrechtlichen Grundsätzen verpflichtet, den ermittelten beitragsfähigen Aufwand um den vereinnahmten Verkaufserlös zu mindern:

Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Kläger zu Ausbaubeiträgen für die Erneuerung bzw. Verbesserung des J.- Weges ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - § 6 NKAG in Verbindung mit der am 1. August 2006 in Kraft getretenen Straßenbaubeitragssatzung der Beklagten vom 18. Juli 2006 - SBS. Umstritten ist zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren im Wesentlichen die Frage, ob von dem durch die Beklagte nach Maßgabe des § 2 SBS ermittelten beitragsfähigen Aufwand in Höhe von 36.200,37 Euro (19.361,75 Euro für Parkflächen und Gehwege, 16.838,62 Euro für Beleuchtungseinrichtungen) der Verkaufserlös abzuziehen ist, den die Beklagte durch den Verkauf von im Rahmen der Ausbaumaßnahme nicht mehr benötigten südlichen Teilflächen der Straße erzielt hat.

Eine entsprechende Anrechnungsverpflichtung ergibt sich weder aus den landesgesetzlichen Bestimmungen über den Umfang und die Höhe des beitragsfähigen Aufwandes gemäß § 6 Abs. 3 Satz 4 NKAG noch aus den Satzungsregelungen in §§ 2 und 3 SBS der Beklagten. Diese Regelungen enthalten lediglich eine Rechtsgrundlage für die Einbeziehung der Kosten in den beitragsfähigen Aufwand, die wegen der konkreten Ausbaumaßnahme für den Grunderwerb von Flächen der Verkehrsanlage tatsächlich aufgewendet werden mussten bzw. für die Einbeziehung des Wertes der Flächen, die aus dem Vermögen der Kommune für die Verkehrsanlage bereitgestellt wurden. Sie sind nicht einschlägig für den umgekehrten Fall, dass ehemals für die Verkehrsanlage in Anspruch genommene Flächen aufgrund des konkreten Ausbauprogramms nicht mehr benötigt und an private Dritte veräußert werden.

Eine Anrechnungsverpflichtung für den Verkaufserlös bei der Bestimmung des beitragsfähigen Aufwandes ergibt sich entgegen den Überlegungen des Verwaltungsgerichts aber auch nicht aus dem Aspekt, dass der flächenmäßige Rückbau der Verkehrsanlage eine Umkehrung des Ankaufsfalles darstelle und es deshalb nahe liege, den Zuwachs und die Verfügungsbefugnis der Beklagten in der Umkehrung genauso zu behandeln wie die Erwerbsfälle.

Die Einbeziehung des Aufwands für den Erwerb der für die Herstellung, Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung einer Verkehrsanlage benötigten Flächen beruht im Erschließungs- wie im Ausbaubeitragsrecht auf gesetzlichen Regelungen (vgl. § 128 Abs. 1 BauGB bzw. § 6 Abs. 3 Satz 4 NKAG), die dem Charakter des Beitrags als Gegenleistung für die Vorteile Rechnung getragen, die den anliegenden Grundstücken durch die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage bzw. der Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Verkehrsanlage von der Gemeinde geboten werden. Die Gemeinde hat nicht nur Anspruch auf einen Ausgleich ihres für die Ausbaumaßnahme getätigten tatsächlichen Investitionsaufwandes, sie stellt zugunsten der Allgemeinheit und der Anlieger für die Inanspruchnahme der Erschließungsanlage/öffentlichen Einrichtung auch die benötigten Flächen aus ihrem allgemeinen Liegenschaftsvermögen zur Verfügung, sodass der Aufwand für den benötigten Grunderwerb oder der Bodenwert der benötigten Flächen zum beitragsfähigen Aufwand gehören (hierzu im Einzelnen Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 13 Rn. 32 ff.; derselbe in Kommunalabgabenrecht, Stand: 48. Erg.Lfg. 2013, § 8 Rn. 261, 319a, 332, 336). In diesem Sinne handelt es sich bei dem Ausbaubeitrag um einen Erstattungsanspruch der Gemeinde für den Aufwand, der unmittelbar im Zusammenhang mit der konkreten Ausbaumaßnahme erforderlich ist. Hat die Gemeinde - wie hier - im Zusammenhang mit der konkreten Ausbaumaßnahme keinen Aufwand für den Flächenerwerb bzw. die Flächenbereitstellung, weil sie weder aus ihrem Liegenschaftsvermögen Grundstücke bereitstellen noch für die Maßnahme erwerben muss, entfällt ein unmittelbar darauf bezogener Erstattungsanspruch. Werden umgekehrt die im Eigentum der Gemeinde stehenden und in ihr Liegenschaftsvermögen eingegangenen Flächen einer Verkehrsanlage aufgrund einer im Ausbauprogramm vorgesehenen Umgestaltung der Verkehrsanlage nicht mehr benötigt und veräußert, erfolgt durch die Vereinnahmung des Veräußerungserlöses ein Ausgleich für den Verlust des Grundeigentums der Gemeinde. Der Veräußerungserlös dient daher gerade nicht unmittelbar der Verbesserung oder Erneuerung der Verkehrsanlage zugunsten der Beitragspflichten und ist systematisch daher auch nicht als "negativer Grunderwerb" der konkreten Ausbaumaßnahme zuzurechnen und bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands zu berücksichtigen. Denn der beitragsfähige Aufwand oder eine in diesem Zusammenhang zu berücksichtigende Anrechnung von Erlösen kann sich nur auf diejenigen Grundflächen der Verkehrsanlage beziehen, die nach dem Ausbauprogramm noch zur öffentlichen Verkehrsanlage gehören, nicht aber auf solche, die danach nicht mehr Teil der öffentlichen Verkehrsanlage sein sollen. Der Verkaufserlös für nicht mehr benötigte Teilflächen einer bereits hergestellten Verkehrsanlage (z. B. wegen Verschmälerung oder Verlagerung der bisherigen Verkehrsfläche) steht folglich nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der konkreten Ausbaumaßnahme, sondern erfolgt nur gelegentlich dieser.

Insofern unterscheidet sich die vorliegende Konstellation auch von den in der Rechtsprechung anerkannten und vom Verwaltungsgericht angeführten Fällen, in denen der beitragsfähige Aufwand zu mindern ist, wenn etwa für wiederverwendbares Altmaterial der ausgebauten Verkehrsanlage Erlöse erzielt werden oder solche anzurechnen sind (hierzu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 33 Rn. 15 und derselbe, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 324) oder wenn bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes eine tatsächlich eingetretene Kostenersparnis durch die Verbindung von Kanalbau - und Straßenbaumaßnahme eingetreten ist (hierzu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, § 33 Rn. 26 und derselbe, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 329). Bezogen auf wiederverwendbares Altmaterial kann der beitragsfähige Aufwand nach der Senatsrechtsprechung zu mindern sein, wenn in das Vermögen der Gemeinde als Ergebnis des Ausbaus wiederverwendbares Material von nicht unerheblichem Wert einfließt, z. B. durch die Aufnahme und Veräußerung ausgebauten Altmaterials, das objektiv wiederverwendungsfähig ist und einen nicht unerheblichen wirtschaftlichen Wert hat (vgl. Senatsurteil vom 22.01.1986 - 9 A 132/83 -). Hierzu hat der Senat ausgeführt:

" Aufgenommenes und noch brauchbares Altmaterial aus öffentlichen Straßen, an dem die Anlieger weder Besitz- noch sonstige Rechte haben und das nach nicht zu beanstandendem Ausbauermessen an dieser Stelle nicht wiederverwendet wird, kann damit den Ausbauaufwand schon begrifflich nicht mindern. Etwas anderes mag dann gelten, wenn es einzig ermessensgerecht erschiene, das "Altmaterial" beim Ausbau in der Straße zu belassen und dies allein aus sachfremden Motiven unterbleibt. ... Etwas anderes mag ferner dann in Betracht zu ziehen sein, wenn das Altmaterial unmittelbar nach seiner "Bergung" veräußert wird und der Erlös auch im zeitlichen Zusammenhang mit der Abrechnung der Ausbaumaßnahme als aufwandsmindernd anzusehen ist. ..."

Grundlage einer danach in eng begrenzten Fällen denkbaren Anrechnungspflicht ist somit, dass der Gemeinde durch das wiederverwendbare Altmaterial Vermögenswerte zufließen, die sie ohne den Ausbau nicht hätte und die deshalb aufwandmindernd zu berücksichtigen sind. Demgegenüber führt die Veräußerung von gemeindeeigenen Teilflächen einer Verkehrsanlage nicht zu einem Vermögenszuwachs der Gemeinde, den sie ohne den Ausbau nicht hätte, sondern gleicht den Verlust von Liegenschaftsvermögen aus. Es geht also - anders als das Verwaltungsgericht meint - bei der Beurteilung der Aufwandminderung bei wiedergewonnenem Altmaterial und nicht mehr benötigten Grundflächen nicht nur um den Unterschied zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen.

Der Verkaufserlös für die veräußerten südlichen Randstreifen ist auch nicht im Sinne einer Zuwendung Dritter bei der Ermittlung des umlagefähigen Beitragsaufwands aufwandmindernd zu berücksichtigen, denn er dient nicht zweckgerichtet der Minderung des von den Beitragspflichtigen aufzubringenden Investitionsaufwandes, sondern als Gegenleistung für eine Grundstücksveräußerung der Gemeinde (vgl. ähnlich zur Frage der Aufwandminderung durch die Vereinnahmung von Sondernutzungsgebühren: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 331b).

Soweit das Verwaltungsgericht den Verkauf der nicht mehr benötigten Teilflächen als Umkehrung des Ankaufs der Verkehrsflächen ansieht, scheint es auf einen Erstattungsanspruch der Anlieger für den Fall abzuzielen, dass diese den Grunderwerb der Flächen für die Erschließungsanlage bzw. ihre Bereitstellung durch die Gemeinde bei der erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage über Erschließungsbeiträge anteilig (zu 90 %) finanziert haben. Dabei übersieht das Verwaltungsgericht bei seiner Argumentation für eine Anrechnungsverpflichtung zunächst, dass es sich bei der Veräußerung der Flächen nicht um eine Kehrseite der nunmehr durchgeführten Ausbaumaßnahme (Erneuerung oder Verbesserung) handelt, sondern allenfalls um eine Kehrseite der erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage, mithin um die Kehrseite einer ganz anderen Maßnahme. Darüber hinaus unterstellt das Verwaltungsgericht bei seinen Ausführungen, dass durch die Veräußerung einige Anlieger Flächen zurückkaufen könnten, für deren Erwerb sie bei der erstmaligen Herstellung einen Anteil von 90 % geleistet hätten, ohne hinreichende Anhaltspunkte dafür zu haben, dass die Beklagte überhaupt bei der erstmaligen Herstellung des J.-- Weges Aufwand für den Grunderwerb in Ansatz gebracht hat. Auf den Umstand, dass die Straßenbaubeitragssatzung der Beklagten den Grunderwerb als umlagefähigen Aufwand anführt, kommt es dabei ersichtlich nicht an, weil maßgeblich wäre, ob der nach § 128 Abs. 1 BauGB beitragsfähige Grunderwerb bei der Erhebung von Erschließungsbeiträgen oder ihrer Ablösung berücksichtigt wurde. Vorliegend ist aber weder ersichtlich noch von der Beklagten eingeräumt worden, dass die Kläger oder ihre Rechtsvorgänger bei Erwerb der Grundstücke Erschließungsbeiträge gezahlt oder abgelöst hätten, in deren Berechnung als beitragsfähiger Aufwand auch der Grunderwerb eingeflossen wäre.

Außerdem ist abschließend der Fehlvorstellung zu begegnen, dass die Beitragspflichtigen selbst dann, wenn der Grunderwerb in die Ermittlung des Erschließungsbeitragsaufwandes einbezogen worden wäre, im Falle einer späteren Veräußerung von Teilflächen der Verkehrsanlage einen Erstattungsanspruch wegen auszugleichender Vermögensnachteile hätten. Denn die für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage eingebrachten Flächen stehen nicht im (auch nur anteiligen) Eigentum der Anlieger, sondern im Eigentum der Gemeinde und die Anlieger erwerben mit der Entrichtung von Erschließungsbeiträgen oder Ablösungsbeträgen keine Eigentums- oder Besitzrechte an der Erschließungsanlage, sondern erbringen eine Gegenleistung für den ihnen gewährten Erschließungsvorteil. Dieser bleibt aber auch nach Veräußerung von Teilflächen des J.- Weges bestehen. In diesem Sinne ist auch im Erschließungsbeitragsrecht nicht vorgesehen, dass eine spätere Änderung des räumlichen Umfangs der erstmals hergestellten Erschließungsanlage oder sogar ihre gänzliche Einziehung nachträglich Erstattungsansprüche der Anlieger auslösen würde.

Demzufolge ist der von der Beklagten in Ansatz gebrachte beitragsfähige Aufwand in Höhe von 36.200,37 Euro nicht um den erzielten Verkaufserlös für die südlichen Teilflächen zu mindern. Sonstige Einwände gegen die Höhe des ermittelten beitragsfähigen Aufwands haben die Kläger im Berufungsverfahren nicht erhoben. Die angefochtenen Bescheide vom 2. Oktober 2009 sind auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig. Soweit die Kläger erstinstanzlich geltend gemacht haben, dass eine Beitragserhebung für die Teileinrichtungen Gehwege, Parkbuchten und Beleuchtung einen Aufwandspaltungsbeschluss erfordert habe, hat die Beklagte dem zu Recht entgegengehalten, dass alle Teileinrichtungen des J.- Weges von der Ausbaumaßnahme erfasst waren. Die Beitragspflicht ist daher für die Verkehrsanlage insgesamt mit all ihren Teileinrichtungen entstanden und die Beitragserhebung war nicht gemäß § 9 SBS nur auf einzelne Teileinrichtungen bezogen. Hierfür ist unerheblich, dass die Beklagte in die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands zugunsten der Anlieger nur den Aufwand für einzelne Teileinrichtungen einbezogen hat. Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Anliegeranteil für die Stichstraße mit 75 % zu hoch bemessen wäre. Bei dem mit einer Fahrbahn, Gehwegen und Parkbuchten ausgestalteten J.- Weg handelt es sich ersichtlich nicht um eine verkehrsberuhigte Wohnstraße im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 5 SBS. Ebenso wenig ist erkennbar, dass abweichend von den Anteilsätzen für Anliegerstraßen eine andere Vorteilsbemessung gemäß § 4 Abs. 4 SBS geboten gewesen wäre.