Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.12.1997, Az.: II 711/95

Verlustausgleichsbeschränkung nach § 15a EStG für Betriebe der Schifffahrt (VZ 1994); Beschränkung des Verlustausgleichs und Verlustabzugs auf das Eineinhalbfache bzw. Eineinviertelfache der geleisteten Einlage für Sonderverluste

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
03.12.1997
Aktenzeichen
II 711/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 23285
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:1203.II711.95.0A

Verfahrensgegenstand

Anwendung des § 15 a EStG auf Seeschiffe

Redaktioneller Leitsatz

Nach § 52 Abs. 19 S. 3 Nr. 3 Buchst. b Hs. 2 und 3 EStG VZ 1994 ist die Abzugs- und Ausgleichsfähigkeit von Verlusten aus Sonderabschreibungen nach § 82 f EStDV und Inanspruchnahme degressiver AfA nach § 7 Abs. 2 EStG zweifach begrenzt, und zwar zum einen dahin, dass diese Sonderverluste nur noch bis zum Eineinhalbfachen bzw. Eineinviertelfachen der insgesamt geleisteten Einlage, zum anderen dahin, dass die Sonderverluste zusammen mit den nach § 15a Abs. 1 S. 1 EStG schon abziehbaren oder ausgleichsfähigen Verlusten nur bis zu diesem Betrag abziehbar oder ausgleichsfähig sind.

In dem Rechtstreit
hat der II. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 3. Dezember 1997,
an der mitgewirkt haben:
1.Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
2.Richter am Finanzgericht ...
3.Richter am Finanzgericht ...
4.ehrenamtlicher Richter ...
5.ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob für die Kommanditisten der Klägerin (Kl'in.) im Streitjahr 1993 entstandene Verluste noch ausgleichbar oder abziehbar oder nach § 15 a Einkommensteuergesetz (EStG) lediglich verrechenbar sind.

2

Die Kl'in. ist eine Ende 1992 ins Handelsregister eingetragene, in der Rechtsform der GmbH und Co. KG betriebene Schiffahrtsgesellschaft. Die Kapitaleinlagen betrugen:

KomplementärKommanditist 1/Kommanditist 2/Kommanditist 3/
SummeBeigeladener 1Beigeladener 2Beigeladener 3
DMDMDMDMDM
3.150.000400.0002.250.000250.000250.000
3

Nach den Bilanzergebnissen der Jahre 1992 und 1993 ergaben sich folgende negative Kapitalkonten zum 31.12.1993:

Verlust 1992- 4.211.370- 534.777- 3.008.121- 334.236- 334.236
Gewinn 199321.4302.72115.3071.7011.701
Kapital 31.12.1992- 1.039,940- 132.056- 742.814- 82.535- 82.535
4

Im Streitjahr 1994 erwirtschaftete die Kl'in. einen (Bilanz-)Verlust, der sich wie folgt auf die Gesellschafter verteilte:

- 160.887- 20.430- 114.919- 12.769- 12.769
5

Im Geschäftsergebnis sind Sonderabschreibungsverluste aus Sonder-AfA nach § 82 f EStDV aus den Jahren 1992 und 1993 von insgesamt 4.780.189 DM enthalten.

6

Der Beklagte (das beklagte Finanzamt - FA -) behandelte die auf die Kommanditisten entfallenden Verlustanteile, da sie nicht auf Sonder-AfA nach § 82 f Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) beruhten, als nicht ausgleichsfähig oder abziehbar, mithin als lediglich verrechenbar, weil sich durch die Verlustanteile deren negative Kapitalkonten erhöhten.

7

Gegen den entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid legte die Kl'in. Einspruch ein, den sie damit begründete, nach der Sonderregelung in § 52 Abs. 19 Satz 3 b EStG seien bei Inanspruchnahme von Sonder-AfA nach § 82 f EStDV Verluste bis zum Eineinhalbfachen der geleisteten Einnahme ausgleichsfähig.

8

Zugleich beantragte die Kl'in., die für 1993 geltend gemachte und auch berücksichtigte Sonder-AfA um 100 DM zu kürzen und im Streitjahr zu gewähren, dies im Hinblick darauf, daß die Berücksichtigung von Verlusten bis zum Eineinhalbfachen der eingezahlten Einlage möglicherweise voraussetze, daß nicht nur überhaupt einmal, sondern auch noch im Verlustjahr Sonder-AfA in Anspruch genommen werde.

9

Das FA gewährte die beantragte Sonder-AfA von 100 DM und wies den Einspruch im übrigen zurück.

10

Mit der Klage begehrt die Kl'in. weiterhin, die auf die beigeladenen Kommanditisten entfallenden Verlustanteile als nicht lediglich verrechenbar, sondern ausgleichs- und abzugsfähig zu behandeln. Das FA verstehe die Anwendungsregelung zu § 15 a EStG für Betriebe der Schiffahrt in § 52 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 b 2. Halbsatz EStG falsch.

11

Für Altbetriebe, die vor 1980 eröffnet seien, seien nach der Grundregelung des § 52 Abs. 19 EStG weiterhin alle Verluste bis 1989 unbeschränkt abzugsfähig.

12

Für Neubetriebe und bei Bestellung des Schiffes vor dem 16.11.1984 könnten Verluste bis zum 31.12.1989 bis zur Höhe des Kapitals zugerechnet werden, soweit sie aus "sonstigen Ursachen", d.h. nicht durch Sonderabschreibungen, entstanden seien und unbegrenzt, soweit sie aus degressiver AfA nach § 7 Abs. 2 EStG oder Sonderabschreibungen gem. § 82 f EStDV entstünden. Hier werde also für die Anwendung des § 15 a EStG zwischen den Verlustarten differenziert.

13

Mit § 52 Abs. 19 Satz 3 Nr. 3 b EStG habe der Gesetzgeber dagegen das Abzugssystem geändert, wenn nunmehr ein Verlust bis zur Höhe des Eineinhalbfachen der insgesamt geleisteten Einlage ausgleichs- und abzugsfähig sei. Für den Verlustabzug sei nun die Höhe der geleisteten Einlage maßgebend, nicht mehr eine Differenzierung nach der Ursache der Verlustentstehung. Die nach "alter Lesart nicht privilegierten Verluste" seien nämlich in die Höchstbetragsberechnung einzubeziehen. Da nun Verluste erst, "soweit sie nach Satz 2 Nr. 4 oder § 15 a Abs. 1 Satz 1 EStG ausgleichsfähig oder abzugsfähig sind" und "zusammen das Eineinhalbfache der geleisteten Einlage übersteigen" nicht mehr abgezogen werden dürften, bedeute dies im Umkehrschluß, daß diese bis zum Eineinhalbfachen auch ohne Rücksicht auf ihre Entstehungsursachen abziehbar und nicht nur verrechenbar seien. Wenn der Gesetzgeber lediglich eine Beschränkung für diejenigen Verluste hätte zulassen wollen, die auf Abschreibungen zurückzuführen seien, hätte es des Zusatzes "... oder nach § 15 a Abs. 1 Satz 1 ..." nicht bedurft.

14

Die Kl'in. beantragt,

die festgesetzten Verluste aus Gewerbebetrieb von 100.887 DM als ausgleichfähige Verluste festzusetzen und wie folgt zu verteilen:

Komplementär: Gewinn39.570 DM
Beigeladener zu 1): Verlust114.919 DM
Beigeladener zu 2): Verlust12.769 DM
Beigeladener zu 3): Verlust12.769 DM
Gesamtverlust100.887 DM
15

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Das FA hält an seiner Begründung in der Einspruchsentscheidung fest, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 21-24 Gerichtsakte).

17

Mit § 52 Abs. 19 Satz 3 Nr. 3 b EStG habe das Gesetz die Zurechnung der sog. privilegierten Verluste unabhängig von den Schranken des § 15 a EStG geregelt. Die Zurechnung der privilegierten Verluste werde dabei auf das Eineinhalbfache der geleisteten Einlage beschränkt. Dieses Volumen werde nach der gesetzlichen Regelung allerdings durch nach § 15 a EStG ausgleichs- oder abzugsfähige Verluste und die privilegierten Verluste aufgebraucht.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist unbegründet.

19

Das FA hat die auf die Kommanditisten entfallenden Verlustanteile zutreffend als gem. § 15 a EStG nicht ausgleichsfähig, sondern lediglich verrechenbar beurteilt, da deren Kapitalkonten bereits negativ waren und es sich insoweit nicht um aus Sonderabschreibungen nach § 82 f EStDV oder degressiver AfA nach § 7 Abs. 2 EStG entstandene und nach der Übergangsregelung in § 52 Abs. 19 EStG in der für das Streitjahr 1994 maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (StMBG) vom 21.12.1993 (BGBl I 1993, 1569; BStBl I 1993, 774) privilegierte, bis zum Eineinhalbfachen der geleisteten Einlage abziehbare Sonderverluste handelt.

20

Entgegen der Auffassung der Kl'in. ist die im Streitfall maßgebende Übergangsregelung in § 52 Abs. 19 EStG in der o.g. Fassung, die die bisherige für den Streitfall maßgebende Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 vom 14.12.1984 (BGBl I 1984, 1493; BStBl I 1984, 659) und nachfolgende Fassungen - jedenfalls soweit es die zu beurteilende Fallgestaltung betrifft - inhaltlich unverändert fortführt, nicht dahin auszulegen, daß beim Betrieb von Seeschiffen, für die überhaupt einmal oder doch wenigstens noch im zu beurteilenden Geschäftsjahr Sonderabschreibungen nach § 82 f EStDV in Anspruch genommen worden sind, auch Verluste, die nicht aus solchen Sonderabschreibungen entstanden sind, bis zum Eineinhalbfachen der insgesamt geleisteten Einlage ausgleichsfähig sind.

21

1.

Zwar läßt der Wortlaut des § 52 Abs. 19 Satz 3 Nr. 3 b 2. Halbsatz EStG i.d.F. d. StMBG ("soweit Verluste, die in dem Betrieb der Gesellschaft entstehen und nach Satz 2 Nr. 4 oder nach § 15 a Abs. 1 Satz 1 ausgleichsfähig oder abzugsfähig sind, zusammen das Eineinhalbfache der insgesamt geleisteten Einlage übersteigen, ist § 15 a auf Verluste anzuwenden, die in nach dem 15. November 1984 beginnenden Wirtschaftsjahren entstehen") offen, auf welche Art von Verlusten § 15 a EStG bei Überschreiten des Eineinhalbfachen der insgesamt geleisteten Einlage anzuwenden ist, während die Verlustarten, nämlich solche aus Sonderabschreibungen und degressiver Absetzung für Abnutzung (nach Satz 2 Nr. 4 ausgleichsfähige oder abzugsfähige Verluste) und sonstige (nach § 15 a Abs. 1 Satz 1 EStG ausgleichsfähige oder abzugsfähige Verluste), die in die Berechnung des Eineinhalbfachen einzubeziehen sind, genau bezeichnet sind.

22

Aus Gründen der Logik kann es sich aber auf der Rechtsfolgeseite nicht um solche Verluste handeln, deren Abzugs- und Ausgleichsfähigkeit gem. § 15 a EStG Tatbestandsvoraussetzung ist.

23

Schon aus diesem Grunde verbietet sich der Umkehrschluß, den die Kl'in. aus der Oder-Verknüpfung der beiden Verlustzurechnungstatbestände ("Verluste, die in dem Betrieb der Gesellschaft entstehen und nach Satz 2 Nr. 4oder § 15 a Abs. 1 Satz 1 ausgleichsfähig oder abzugsfähig sind") auf der Voraussetzungsseite der Übergangsvorschrift dahin ziehen will, daß Verluste unabhängig von ihrer Entstehungsart, also auch Verluste, die nach § 15 a EStG ausgleichs- oder abzugsfähig sind, bis zum überschreiten des Eineinhalbfachen der insgesamt geleisteten Einlage abzugsfähig seien.

24

2.

Dies folgt außerdem aus einer die Systematik und die Entwicklung der Übergangsvorschrift sowie deren Sinn und Zweck berücksichtigenden Auslegung, die im Ergebnis auch dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers entspricht.

25

a)

Die Anwendungsregelung in § 52 Abs. 19 Satz 3 Nr. 3 b EStG i.d.F. des StMBG kann nämlich nicht isoliert betrachtet werden, da sie in eine Abfolge von Regeln und Ausnahmen eingebettet ist. Nach der Grundregelung in § 52 Abs. 19 Satz 1 EStG ist § 15 a EStG erstmals auf Verluste anzuwenden, die in dem nach dem 31.12.1979 beginnenden Wirtschaftsjahr entstehen (Anwendungsgrundsatz). Dies gilt neben weiteren Ausnahmen nachSatz 2 Nr. 4 a nicht für Verluste, soweit sie durch Sonderabschreibungen nach § 82 f der EStDV entstehen und nach Satz 2 Nr. 4 b nicht für Verluste, soweit sie durch degressive Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 2 EStG entstehen, sind mithin Sonderverluste weiterhin (unbeschränkt) abzieh- oder ausgleichsfähig (Ausnahme). Nach Satz 3 Nr. 3 b 1. und 2. Halbsatz ist § 15 a in den Fällen des Satzes 2 Nr. 4, mithin in den Ausnahme fällen der unbeschränkten Abzugs- oder Ausgleichsfähigkeit von Verlusten aus Sonderabschreibungen nach § 82 f EStDV und der Inanspruchnahme degressiver AfA nach § 7 Abs. 2 EStG, erstmals auf Verluste, die in nach dem 31.12.1999 beginnenden Wirtschaftsjahren entstehen anzuwenden, wenn die Gesellschaft das Schiff nach dem 15. November 1984 angeschafft, bestellt oder mit seiner Herstellung begonnen hat (dieser Zeitpunkt ist allerdings, ohne Auswirkung für das Streitjahr, mit Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.1996 (BGBl I 1996, 2049; BStBl II 1996, 1523) auf das Jahr 1995 vorverlegt worden; danach gilt der 31.12.1999 nur noch, wenn der Schiffsbauvertrag vor dem 25.04.1996 abgeschlossen worden ist und der Gesellschafter vor dem 01.01.1999 der Gesellschaft beigetreten ist).

26

Gem. Satz 3 Nr. 3 b 2. Halbsatz ist § 15 a EStG allerdings, soweit Verluste, die in dem Betrieb der Gesellschaft entstehen und nach Satz 2 Nr. 4 oder nach § 15 a Abs. 1 Satz 1 ausgleichsfähig oder abzugsfähig sind, zusammen das Eineinhalbfache der insgesamt geleisteten Einlage übersteigen, auf Verluste anzuwenden, die in nach dem 15. November 1984 beginnenden Wirtschaftsjahren entstehen und ermäßigt sich nach Satz 3 Nr. 3 b 3. Halbsatz das Eineinhalbfache auf das Eineinviertelfache der insgesamt geleisteten Einlage für Verluste, die in nach dem 31.12.1994 beginnenden Wirtschaftsjahren entstehen.

27

Nach § 52 Abs. 19 Satz 3 b 2. und 3. Halbsatz wird damit die Abzugs- und Ausgleichsfähigkeit von Verlusten aus Sonderabschreibungen nach § 82 f EStDV und Inanspruchnahme degressiver AfA nach § 7 Abs. 2 EStG zweifach begrenzt, und zwar zum einen dahin, daß diese Sonderverluste nur noch bis zum Eineinhalbfachen bzw. Eineinviertelfachen der insgesamt geleisteten Einlage (insoweit kapitalabhängige Begrenzung der von der Anwendung des § 15 a EStG ausgenommenen Sonderverluste), zum anderen dahin, daß die Sonderverluste zusammen mit den nach "15 a Abs. 1 Satz 1 EStG" schon abziehbaren oder ausgleichsfähigen Verlusten bis zu diesem Betrag abziehbar oder ausgleichsfähig sind (insoweit Gesamtverlustbegrenzung).

28

b)

Dieses Ergebnis der systematischen Auslegung entspricht auch der historischen Entwicklung.

29

aa)

§ 15 a EStG ist durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschachtsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 20.08.1980 (BGBl I 1980, 1545; BStBl I 1980, 589) eingeführt worden und war gem. § 52 Abs. 20 a Satz 1 EStG i.d.F. dieses Gesetzes erstmals auf Verluste anzuwenden, die in dem nach dem 31.12.1979 beginnenden Wirtschaftsjahr entstanden.

30

Der Gesetzgeber hat allerdings aus Gründen des Vertrauensschutzes für Altbetriebe und aus wirtschaftspolitischen Gründen für den Schiffsbau, den sozialen Wohnungsbau und das Berliner Hotel- und Gaststättengewerbe hiervon Ausnahmen zugelassen.

31

In § 52 Abs. 20 a EStG i.d.F. dieses Gesetzes war deshalb schon vorgesehen, daß dieser Anwendungszeitpunkt nicht gilt u.a. für Verluste aus Sonderabschreibungen nach § 82 f EStDV und degressiver AfA nach § 7 Abs. 2 EStG (§ 52 Abs. 20 a Satz 2 Nr. 4 a) und b)) und in diesen Fällen § 15 a EStG erstmals auf Verluste, die in nach dem 31.12.1989 beginnenden Wirtschaftsjahren entstehen, anzuwenden war (§ 52 Abs. 20 a Satz 3 Nr. 2). Mithin waren bei Seeschiffen Verluste aus dem laufenden Geschäftsbetrieb nur beschränkt im Rahmen des § 15 a EStG, Sonderverluste aus Sonderabschreibungen und degressiver AfA dagegen bis einschließlich 1989 unbeschränkt abziehbar oder ausgleichsfähig.

32

bb)

Mit dem Steuerbereinigungsgesetz 1985 vom 14.12.1984 (BGBl I 1984, 1493; BStBl I 1984, 659) ist angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Seeschiffahrt und im Schiffsbau die Übergangsregelung für Verluste aus Sonderabschreibungen nach § 82 f EStDV und degressiver AfA nach § 7 Abs. 2 EStG um fünf Jahre bis einschließlich 1994 verlängert worden, allerdings nur für den Fall, daß die Gesellschaft das Schiff nach dem 15.11.1984 bestellt oder mit seiner Herstellung begonnen hatte (§ 52 Abs. 21 Satz 3 Nr. 3 b EStG i.d.V. dieses Gesetzes); bei Bestellung oder Herstellungsbeginn vor dem 16.11.1984 verblieb es dagegen bei der bisherigen Regelung der erstmaligen Anwendbarkeit des § 15 a EStG auf in nach dem 31.12.1989 beginnenden Wirtschaftsjahren aus diesen Sondertatbeständen entstandene Verluste (§ 52 Abs. 21 Satz 3 Nr. 3 a EStG i.d.F. dieses Gesetzes). Zugleich ist aber der verlängerte Verlustabzug dem Umfang nach beschränkt worden; soweit nämlich die nach Satz 2 Nr. 4 der Vorschrift oder nach § 15 a Abs. 1 Satz 1 EStG ausgleichsfähigen oder abzugsfähigen Verluste das Eineinhalbfache der insgesamt geleisteten Einlage überstiegen, ist § 15 a EStG auf Verluste anzuwenden, die in nach dem 15.11.1984 beginnenden Wirtschaftsjahren entstehen (§ 52 Abs. 21 Satz 3 Nr. 3 b 2. Halbsatz).

33

cc)

Mit dem Standortsicherunsgesetz vom 13.09.1993 (a.a.O.) ist die Anwendung des § 15 a EStG im Bereich der Seeschiffahrt und des Schiffbaus nochmals um fünf Jahre hinausgeschoben worden (auf Verluste, die in nach dem 31.12.1999 beginnenden Wirtschaftsjahren entstehen), einhergehend mit einer weiteren Beschränkung auf das Eineinviertelfache der insgesamt geleisteten Einlage; diese Regelung aber bereits wieder mehrfach, zuletzt mit Jahressteuergesetz 1997 (a.a.O.) modifiziert worden.

34

Der historischen Entwicklung der Anwendungsregelungen zu § 15 a EStG ist zu entnehmen, daß die Auswirkung der Verlängerung der für die genannten Sondertatbestände gewährten Vergünstigung (keine Verlustbegrenzung nach § 15 a EStG für Verluste aus den Sondertatbeständen) lediglich der Höhe nach begrenzt werden sollte. Wenn der Gesetzgeber im Zuge der betragsmäßig begrenzten Verlängerung nunmehr auch den"normalen" Verlust bis zum Eineinhalbfachen der insgesamt erbrachten Einlage hätte begünstigen wollen, insoweit also die Begünstigungssystematik hätte ändern wollen, hätte er dieses deutlich zum Ausdruck bringen müssen.

35

c)

Das gewonnene Auslegungsergebnis wird auch durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Danach sollte die seinerzeit bei Einführung des § 15 a EStG gewährte Übergangsfrist um fünf Jahre verlängert und der Umfang der Verlustabschreibung auf maximal 150 % eingeschränkt werden (BT-Drucks. 10/2370 S. 9, 13, 14). Mithin brauchte, wie geschehen, lediglich die Verlustabzugsgrenze geregelt zu werden. An der Art der Verluste, für die § 15 a EStG noch nicht gelten sollte, sollte dagegen offenbar nichts geändert werden. Jedenfalls ergibt sich hierfür nichts aus den Gesetzesmaterialien.

36

3.

Die abweichende Auffassung der Kl'in. läßt sich auch nicht etwa mit dem vom III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Investitionszulagenrecht entwickelten Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 09.12.1988 III R 27/86, BFHE 155, 444, BStBl II 1989, 242; BFH-Beschluß vom 10.01.1992 III R 223/90, BFHE 167, 261, BStBl II 1992, 427) begründen. Zwar hat die Übergangsregeiung zur Einführung des begrenzten Verlustabzugs des § 15 a EStG Förderungscharakter und liegt es nahe, den Grundsatz der Meistbegünstigung nicht nur auf die staatliche Förderung von Investitionen nach den Investitionszulagengesetzen zu beschränken. Indes findet der Grundsatz nur Anwendung, wenn sich der Inhalt eines Gesetzes im Wege der Auslegung nicht eindeutig erschließen läßt, führt nicht bereits jede schwierige Gesetzesinterpretation zu dessen Anwendung (vgl. das o.a. Urteil und den o.a. Beschluß; ferner BFH-Urteil vom 27.10.1994 I R 107/93, BFHE 176, 529, BStBl II 1995, 403).

37

Für die Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung ist mithin kein Raum.

38

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.