Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.12.1997, Az.: VI 388/97 V
Anwendungsbereich des Steuerabzugs gemäß § 50a EStG (Einkommensteuergesetz); Umqualifizierung des Steuerabzugs auf Einnahmen zu einer Umsatzbesteuerung ; Abgeltungswirkung des Steuerabzugs
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.12.1997
- Aktenzeichen
- VI 388/97 V
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 17856
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:1208.VI388.97V.0A
Rechtsgrundlagen
- § 50a Abs. 4 EStG
- § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
- § 50 Abs. 5 EStG
Verfahrensgegenstand
Der Steuerabzug nach § 50 a EStG verstößt nicht gegen Art. 33 Abs. 1 der 6. EU-Richtlinie.
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung Einkommensteuer für das II. Quartal 1996
In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
durch
den Präsidenten des Finanzgerichts ... als Vorsitzenden,
die Richterin am Finanzgericht ... und
den Richter am Finanzgericht ...
am 8. Dezember 1997beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller (Ast.) ist ein Tennisverein, der Vergütungen im Sinne des § 50 a Abs. 4 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) an beschränkt Steuerpflichtige zahlt. Für das II. Quartal 1996 gab der Ast. beim Finanzamt eine Anmeldung der Steuerabzugsbeträge für Vergütungen in Höhe von 28.848 DM ab. Der hierauf entfallende Steuerabzugsbetrag beträgt 7.212 DM zuzüglich 540,90 DM Solidaritätszuschlag.
Der Antragsgegner (Ag.) legte die Anmeldung der Besteuerung zugrunde. Gegen die Anmeldung legte der Ast. Einspruch ein und beantragte zugleich Aussetzung der Vollziehung. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Ag. mangels ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ab, Zugleich wies der Ag. den Einspruch mit Bescheid vom 4. Februar 1997 als unbegründet zurück.
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage (Az.: VI 144/97) begehrt der Ast. die ersatzlose Aufhebung der Steuerfestsetzung, da die Abzugssteuer nach§ 50 a Abs. 4 EStG wegen der Nichtberücksichtigung von Betriebsausgaben als Umsatzsteuer zu qualifizieren sei. § 50 a Abs. 4 EStG verstoße deshalb gegen Art. 33 Abs. 1 der 6. EU-Richtlinie. Dies sei von Grams, DB 1996, 907 im einzelnen dargelegt worden.
Seinen beim Finanzgericht gestellten Aussetzungsantrag begründet der Ast. wie folgt: Aus den im Hauptsacheverfahren vorgetragenen Gründen resultierten ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes, so daß die Vollziehung in voller Höhe auszusetzen sei.
Der Ast. beantragt,
die angefochtene Steueranmeldung für das II. Quartal 1996 vom 3. September 1996 in voller Höhe von der Vollziehung auszusetzen.
Der Ag. beantragt,
den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid.
II.
Der Antrag ist unbegründet.
Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluß des BFH vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454).
Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Der Steuerabzug gemäß § 50 a EStG erfaßt nach ganz herrschender Meinung als besondere Erhebungsform der Einkommensteuer bestimmte beschränkt steuerpflichtige Einkünfte (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1991 I R 86/89, BStBl II 1992, 185). Zwar umschreibt § 50 a Abs. 4 EStG als Bemessungsgrundlage nicht die Einkünfte, also den Saldo zwischen Einnahmen und Ausgaben, sondern lediglich die Einnahmen und stellt für die Entstehung der Abzugssteuer nicht auf eine Abrechnungsperiode, sondern auf den Jeweiligen Zufluß der Einnahmen ab. Dies führt jedoch nicht zu einer Umqualifizierung des Steuerabzugs auf Einnahmen zu einer Umsatzbesteuerung (ebenso Schmidt/Heinicke, EStG, 16. Auf., § 50 a Rdnr. 12; anderer Ansicht, Grams, Der Betrieb 1996, 907).
Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut der Regelung, sondern auch seine systematische Stellung und der Kontext der Gesamtregelung in den der Steuerabzug gestellt ist. Gemäß § 50 a Abs. 4 Nr. 2 EStG ist der Steuerabzug nur vorzunehmen, soweit es sich nicht um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handelt, die dem Steuerabzug von Arbeitslohn nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG unterliegen. Diese einkünftebezogene Differenzierung ist einer Umsatzbesteuerung fremd. Sie soll eine angemessene ertragsteuerliche Besteuerung sicherstellen (vgl. Blümich/Krabbe, EStG, § 50 a Rdnr. 25).
Die im übrigen eingreifende Abgeltungswirkung des Steuerabzugs (§ 50 Abs. 5 EStG) berücksichtigt typisierend durch Festlegung eines vergleichsweise niedrigen Steuersatzes, daß die üblicherweise anfallenden Betriebsausgaben bei individueller Einkünfteermittlung regelmäßig nicht zu einer Unterschreitung des für den Steuerabzug angesetzten Steuersatzes führen. Die Betriebsausgaben werden damit in verfassungsgemäßer Weise pauschal berücksichtigt (vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 1972, I R 191/70, BStBl II 1973, 134).
Gleichwohl auftretende Überbesteuerungen werden gemäß § 50 Abs. 5 Nr. 3 EStG durch völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Einkommensteuer vermieden. Die Erstattung setzt aber voraus, daß die mit den Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben oder Werbungskosten höher sind als die Hälfte der Einnahmen. Diese Regelung belegt zugleich eindeutig, daß die Berücksichtigung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten beim Steuerabzug mit Abgeltungswirkung in typisierender Weise erfolgt, also eine Ertragsbesteuerung und keine auf den Umsatz abzielende Besteuerung gegeben ist. Ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 1 der 6. EU-Richtlinie liegt mithin nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.