Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.12.1997, Az.: I 561/96
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 09.12.1997
- Aktenzeichen
- I 561/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 27897
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:1209.I561.96.0A
In dem Rechtsstreit
wegen Einkommensteuer 1991 bis 1993
hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 9. Dezember 1997, an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
ehrenamtliche Richterin .
ehrenamtlicher Richter .
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1991 vom 23.04.1993 und die Einkommensteuer-Änderungsbescheide 1992 und 1993, beide vom 15.12.1995, sowie der Einspruchsbescheid vom 27.11.1996 werden aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, sofern diese nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob bzw. in welcher Weise Rabatte zu versteuern sind, die die Klägerin (Kl'in) beim Kauf von Personenkraftwagen erhalten hat.
Die Kl'in war in den Streitjahren kaufmännische Angestellte bei dem Autohaus D. D. ist Vertragshändler der Mercedes-Benz AG in Stuttgart. In den Jahren 1991 bis 1993 kaufte die Kl'in jeweils einen Mercedes-Pkw. Die Abwicklung dieser Käufe verlief wie folgt:
Die Kl'in bestellte die Pkws unmittelbar beim Werk, d. h. bei der Mercedes-Benz AG in Stuttgart. Mercedes übersandte der Kl'in sodann eine vorläufige Fahrzeugabrechnung (Auftragsbestätigung); eine Durchschrift davon erhielt jeweils das Autohaus D., der Arbeitgeber der Kl'in. Die Auslieferung der Pkw erfolgte über das Autohaus D., das die Übergabeinspektionen durchführte und der Kl'in die Fahrzeuge aushändigte. Die Rechnungen wurden von der Mercedes-AG erstellt und sind unmittelbar an die Kl'in gerichtet. Die Kl'in zahlte die Kaufpreise an das Autohaus D., das -; lt. Zusatz auf den Rechnungen -; als Empfangsbevollmächtigter für Mercedes auftrat. Das Autohaus D. Leitete die Kaufpreise ungekürzt an die Mercedes-Benz AG weiter. Anschließend erhielt das Autohaus D. von Mercedes eine Provision, die es -; zumindest teilweise -; als "Rabatt" an die Kl'in weitergab.
Dabei handelte es sich um folgende Beträge:
1991: 190 E 1.8 | 1992: 190 E 1.8 | 1993: E 200 | |
---|---|---|---|
Kaufpreis (brutto): | 41.971/61 DM | 44.627/81 DM | 58.221/28 DM |
"Rabatt" | 3.681/00 DM | 3.914/00 DM | 5.062/00 DM |
in % | 8/77 v.H. | 8/77 v.H. | 8/70 v.H. |
Nach einer Außenprüfung bei dem Autohaus D. sah der Beklagte (Finanzamt, FA) die Beträge, die der Kl'in vergütet worden waren, nämlich
1991: | 3. 681 DM |
---|---|
1992: | 3. 914 DM |
1993: | 5. 062 DM, |
als Arbeitslohn der Kl'in an und änderte die Einkommensteuerbescheide 1991 bis 1993 gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) entsprechend.
Hiergegen richtet sich -; nach erfolglosem Vorverfahren -; die Klage. Umstritten ist, ob auch fremden Kunden von dem Autohaus D. sowie anderen Mercedes-Händlern ähnliche Rabatte wie der Kl'in eingeräumt wurden, sei es in gleicher Höhe oder niedriger, und ob der Kl'in ggf. die Steuervergünstigung nach § 8 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) zusteht.
Die Kläger (Kl.) beantragen sinngemäß,
die Einkommensteuer-Änderungsbescheide 1991 vom 23.04.1993 sowie 1992 und 1993 vom 15. Dezember 1995 und den Einspruchsbescheid vom 27.11.1996 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es meint., die der Kl'in eingeräumten Rabatte seien in voller Höhe als Arbeitslohn zu besteuern, und beruft sich auf ein Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 12. September 1995 (vgl. Bl. 40-;43 Einkommensteuerakte).
Das Gericht hat Beweis erhoben über die Frage, ob und ggf. in welcher Höhe es in den Streitjahren möglich und branchenüblich war, beim Neukauf von Mercedes-Fahrzeugen der Typen 190 E und E 200 Nachlässe und Vergünstigungen zu erhalten, durch Anfrage bei der Daimler-Benz-AG, Stuttgart, sowie durch Vernehmung des Disponenten Heinz Tebbe und des Autoverkäufers Volker Döpke als Zeugen, wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahmen wird auf das Telefax der Daimler Benz AG vom 10.11.1997 (Bl. 76 FG-Akte) und das Protokoll über die Zeugenvernehmungen vom 09.12.1997 verwiesen.
Im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die der Kl'in in den Streitjahren von ihrem damaligen Arbeitgeber eingeräumten Rabatte stellen keinen Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG dar. Das ergibt sich aus folgendem:
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß ein Preisnachlaß oder eine Vergünstigung, die ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer gewährt, als Vorteil im Sinne des § 19 EStG anzusehen und als Arbeitslohn zu versteuern ist. Das gilt jedoch nicht, wenn oder soweit ein solcher Vorteil auch im normalen Geschäftsverkehr hätte erzielt werden können und deshalb auch andere Personen als die Arbeitnehmer des Verkäufers diesen Vorteil bekommen konnten (vgl. BFH, Urteile vom 02.02.1990 VI R 15/86, BStBl II 1990, 472 und vom 15.01.1993 VI R 32/92, BStBl II 1993, 356). Das bedeutet, daß ein Arbeitnehmer einen Preisnachlaß, den er auch im normalen Geschäftsverkehr hätte erhalten können, nicht zu versteuern braucht. So ist es hier. Die vom Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 1997 vernommener Zeugen, insbesondere der Autoverkäufer Döpke, haben detailliert vorgetragen, daß es in den Streitjahren im normalen Geschäftsverkehr möglich war, beim Neukauf von Mercedes-Fahrzeugen der Typen 190 E und E 200 Preisnachlässe in mindestens gleicher Höhe zu erhalten, wie sie die Kl'in bekommen hat. Es sei allein eine Frage des Verhandlungsgeschicks der Kunden gewesen. Der Zeuge Döpke hat zudem eine Reihe von Fotokopien vorgelegt, die belegen, daß das Autohaus D. in den Streitjahren auch fremden Kunden solche Rabatte eingeräumt hat. Es gibt keinen Anlaß, an der Richtigkeit dieser Bekundungen zu zweifeln. Sie sind von den Beteiligten auch nicht bestritten worden.
Die der Kl'in eingeräumten Rabatte stellen somit keinen Arbeitslohn dar. Schon deshalb ist die Klage begründet.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß die angefochtenen Steuerbescheide auch aus anderen Gründen unrichtig sind. Einerseits ist davon auszugehen, daß beim Neukauf von Pkw stets Rabatte möglich sind. Daher hätte das FA allenfalls den Differenzbetrag zwischen diesem allgemeinen Rabatt und den der Kl'in eingeräumten tatsächlichen Nachlässen versteuern dürfen, sofern diese Nachlässe höher waren als die allgemeinen Rabatte. Zweitens geht das Gericht davon aus, daß -; wären der Kl'in tatsächlich als Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG zu beurteilende Preisnachlässe eingeräumt worden -; ihr die Steuervergünstigung nach § 8 Abs. 3 zustehen würde. Das ergibt sich aus Abschn. 32 der Lohnsteuerrichtlinien 1993, wo unter Ziffer B ein Beispiel aufgeführt ist, das dem Fall der Kl'in entspricht. Dem entgegenstehenden Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 12.09.1995 -; das ebenfalls einen Arbeitnehmer des Autohauses D. betrifft -; folgt der Senat nicht. Denn dieses Urteil geht weder der Frage nach, welche Preisnachlässe im normalen Geschäftsverkehr hätten erzielt werden können, noch berücksichtigt es Abschn. 32 der Lohnsteuerrichtlinien.
Nach alledem mußten die angefochtenen Änderungsbescheide aufgehoben werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird gem. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig erklärt.