Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.12.1997, Az.: XII 197/90
Voraussetzungen für die Gewerblichkeit eines Grundstückhandels in Abgrenzung zur privaten vermögensverwaltenden Tätigkeit; Verlustrücktrag aufgrund eines ausgewiesenen Bilanzverlustes; Anforderungen an einen Gewerbebetrieb; Anforderungen an das Bestehen einer bedingten Veräußerungsabsicht
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 18.12.1997
- Aktenzeichen
- XII 197/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 17874
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:1218.XII197.90.0A
Rechtsgrundlagen
- § 10 d EStG
- § 6 Abs. 1 EStG
- § 15 Abs. 2 EStG
Fundstelle
- SteuerBriefe 1998, 710-711
Verfahrensgegenstand
Trotz Veräußerung von 30 Eigentumswohnungen kein gewerblicher Grundstückshandel.
Einkommensteuer 1983 und 1984
In dem Rechtsstreit
hat der XII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 18. Dezember 1997,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter... am Finanzgericht
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht...
ehrenamtlicher Richter...
ehrenamtlicher Richter...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage eines gewerblichen Grundstückshandels.
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen des K. Über das Vermögen wurde mit Beschluß des Amtsgerichts V. vom 24.11.1992 - also im Verlaufe des Klageverfahrens - das Konkursverfahren eröffnet. Das Verfahren war daraufhin bis zum 07.08.1996 unterbrochen.
K. war in den Streitjahren Inhaber eines Textilversandes in A. Er hatte sich in den Jahren 1983 und 1984 an verschiedenen Bauherrengemeinschaften beteiligt und insgesamt 57 Eigentumswohnungen - 56 in D. und eine in B. erworben. Die Anschaffungskosten dafür beliefen sich auf ingesamt ca. 8,5 Mill. DM. K. erfaßte diese Grundstücke zunächst bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, also als private Vermögensverwaltung.
In der Zeit vom 05.10.1987 bis 16.12.1987 führte der Beklagte (das Finanzamt - FA-) bei K. eine Außenprüfung für die Jahre 1983 bis 1986 durch. Im Verlaufe der Außenprüfung teilte K. dem FA mit, daß die Grundstücke nunmehr von Beginn an im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels ausgewiesen würden. Entsprechende Bilanzen wurden vom steuerlichen Berater des K. erstellt. In der Bilanz auf den 31.12.1985 nahm K. eine Teilwertabschreibung in Höhe von 4.507.164,00 DM vor. Daraus ergab sich für das Jahr 1985 ein Bilanzverlust von 4.865.047,63 DM. K. beantragte aufgrund dessen einen Verlustrücktrag gem. § 10 d EStG nach 1983 und 1984.
Das FA lehnte dies mit der Begründung ab, es läge kein gewerblicher Grundstückshandel vor, da bis zum Abschluß der Außenprüfung keine Wohnung veräußert worden sei. In der Folgezeit wurden im November und Dezember 1990 27 Wohnungen der Zwangsversteigerung unterworfen; die restlichen 30 Wohnungen wurden im Jahre 1993 frei veräußert. Das FA blieb gleichwohl bei seiner Auffassung, daß ein gewerblicher Grundstückshandel im Streitfall nicht anzunehmen sei.
Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage. Der Kläger ist der Auffassung, daß die Voraussetzungen für einen gewerblichen Grundstückshandel vorlägen. Da die Grundstücke dem Betriebsvermögen des Gewerbebetriebes angehörten, sei auch nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG eine Teilwertabschreibung zulässig. K. habe im übrigen die Wohnungen bereits ab 1985 zum Verkauf angeboten. Daß ein Verkauf nicht gelungen sei, habe an der allgemeinen Wohnungssituation sowie auch daran gelegen, daß ein Großteil der Wohnungen erhebliche Baumängel aufwies. Im übrigen seien auch die Banken unterhalb eines bestimmten Mindestpreises nicht zur Freigabe ihrer Grundpfandrechte bereit gewesen. Der Beginn des gewerblichen Grundstückshandels liege im Jahre 1983, denn die ersten Verkaufsbemühungen hätten der gesamten Betätigung rückwirkend das Gepräge eines Gewerbebetriebes verliehen. K. habe von Anfang an zumindest eine bedingte Veräußerungsabsicht gehabt, wie dies für einen gewerblichen Grundstückshandel erforderlich sei.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, den aus einer Teilwertabschreibung von 4.507.164 DM im Jahre 1985 sich ergebenden Verlust gemäß § 10 d EStG nach 1983 und 1984 zurückzutragen und die Einkommensteuer der Kläger für 1983 und 1984 dementsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist der Meinung, daß im Streitfall kein gewerblicher Grundstückshandel vorliege. K. habe bei Erwerb der Wohnungen diese an einen gewerblichen Zwischenvermieter vermietet und gemäß § 9 UStG auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze verzichtet. Es seien langfristige Mietverträge (fünf Jahre) mit dem Zwischenvermieter abgeschlossen worden. Im übrigen habe K. im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde an das Niedersächsische Finanzministerium aus dem April 1997 erklärt, er habe die Wohnungen nur deshalb erworben, um in den Genuß des Vorsteuerabzugs aus der Errichtung der Wohnungen zu kommen. In dieser Dienstaufsichtsbeschwerde habe er ausdrücklich darauf verwiesen, daß die Veräußerungsabsicht für alle Wohnungen erst nach Ablauf der "steuerlichen Bindefrist" bestanden habe. Hinsichtlich der Veräußerung habe er deshalb die Bindungsfrist des § 15 a UStG (10 Jahre) beachten müssen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen im Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Ein Verlustrücktrag (§ 10 d EStG) aus 1985 aufgrund des in der Bilanz per 31.12.1985 ausgewiesenen Bilanzverlustes von 4.865.047,63 DM kam nicht in Betracht. Zu Recht hat das FA die der Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 01.01.1985 bis 31.12.1985 vorgenommene Teilwertabschreibung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) auf den Wert der vom Gemeinschuldner K. angeschafften Gebäude in Höhe von 4.507.164,00 DM nicht berücksichtigt. Die in den Jahren 1983 und 1984 mit insgesamt rd. 8,5 Mill. DM angeschafften Eigentumswohnungen waren nicht Betriebsvermögen (Umlaufvermögen) gem.§ 6 Abs. 1 EStG eines gewerblichen Grundstückshandels des K.
Nach § 15 Abs. 2 EStG ist unter einem Gewerbebetrieb jede selbständige, nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Es darf sich dabei weder um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch um die Ausübung eines freien Berufes oder eine andere selbständige Tätigkeit handeln, und die Betätigung muß den Rahmen privater Vermögensverwaltungüberschritten haben. Im Streitfall ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, daß die Tätigkeit des K. den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung noch nicht überschritten hatte, mithin ein gewerblicher Grundstückshandel nicht angenommen werden kann. Die Voraussetzungen für eine private vermögensverwaltende Tätigkeit sind dann erfüllt, wenn der Erwerb der Grundstücke lediglich den Beginn und die spätere Veräußerung das Ende einer grundsätzlich auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellt. Ein Gewerbebetrieb (gewerblicher Grundstückshandel) liegt demgegenüber nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige von vornherein die Absicht hat, Substanzwertsteigerungen zu erzielen und die Tätigkeit nicht nur in der Fruchtziehung aus Immobilien besteht. Für einen gewerblichen Grunstückshandels kommt es mithin entscheidend darauf an, ob nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung die Umschichtung von Vermögenswerten und deren Verwertung als Vermögenssubstanz in den Vordergrund tritt (vgl. dazu Beschluß des Großen Senats des BFH vom 03.07.1995, BStBl II 1995, 67).
In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, daß dann, wenn mehr als drei Objekte gekauft und in engem zeitlichen Zusammenhang wieder veräußert werden, dies zu der Schlußfolgerung führt, daß bereits bei Ankauf der Objekte (Wohnungen) zumindest eine bedingte Veräußerungsabsicht bestanden hat (so z.B. BFH-Urteil vom 15.12.1992, BFH/NV 1993, 656, 657). Ein enger zeitlicher Zusammenhang in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn zwischen Erwerb und Veräußerung der Objekte nicht mehr als fünf Jahre liegen. Dabei handelt es sich zwar lediglich um Beweisanzeichen mit der Folge, daß der Fünf-Jahres-Zeitraum nicht als absolute und starre Grenze angesehen werden kann; je größer allerdings der zeitliche Abstand zwischen Anschaffung und Veräußerung ist, desto weniger ist anzunehmen, daß der Steuerpflichtige die Grundstücke bereits mit bedingter Veräußerungsabsicht erworben hat (BFH-Urteil vom 05.09.1990, BStBl II 1990, 160; BFH-Urteil vom 14.11.1995, BFH/NV 1996, 455; dazu auch Ehlers, Aktuelles Steuerrecht - AktStR - 1997, 489 mit weiteren Hinweisen, insbesondere auf die Rechtsprechung des BFH).
Im Streitfall hat der Gemeinschuldner K. erst 1993, also rund 9-10 Jahre nach Anschaffung Eigentumswohnungen veräußert. Bei derÜbertragung im Jahre 1990 handelte es sich demgegenüber nicht um Veräußerungsgschäfte, sondern um Zwangsversteigerungen, die bei der Beurteilung der bedingten Veräußerungsabsicht im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels außer Betracht zu bleiben haben, weil der Schuldner im Falle einer Zwangsversteigerung keinen Einfluß auf den Zeitpunkt und die Höhe des erzielten Erlöses hat.
Im übrigen bleiben Objekte, die nach mehr als fünf Jahren veräußert werden, nicht generell bei der Beurteilung eines gewerblichen Grundstückshandels außer Betracht; die mit zunehmender Zeitdauer sich verringernde Indizwirkung muß dann jedoch durch andere Anhaltspunkte ergänzt werden. So hat es die Rechtsprechung des BFH z.B. als ausreichend angesehen, daß der Steuerpflichtige durch seinen Beruf der Bau- bzw. Grundstücksbranche eng verbunden ist (z.B. Architekten, Baubetreuer; vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 11.10.1985, BFH/NV 1986, 279; BFH-Urteil vom 28.09.1987, BStBl II 1988, 6; dazu auch Grüne, Aktuelles Steuerrecht - AktStR - 1996, 279, 286 mit weiteren Nachweisen).
Ein solcher Umstand ist im Streitfall nicht gegeben. Vielmehr deutet hier vieles darauf hin, daß K. die Wohnungen als Vermögensanlage zu Versorgungszwecken angesehen hat. Dies ergibt sich schon daraus, daß er mit einem gewerblichen Zwischenvermieter langfristige Mietverträge über einen Fünf-Jahres-Zeitraum abgeschlossen hatte. Darüber hinaus hat der Gemeinschuldner K. in seiner Dienstaufsichtsbeschwerde deutlich hervorgehoben, daß er die Wohnungen zumindest bis zum Ablauf "steuerlicher Bindefristen" habe behalten wollen. Der Senat folgert hieraus, daß K. die Wohnungen ganz offensichtlich in der Absicht einer langfristigen Vermietung angeschafft hatte und daß von Anfang an keineswegs die Absicht bestanden hat, die 57 Wohnungen in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung wieder zu veräußern. Vielmehr ergibt sich aus diesem Schreiben an das Niedersächsische Finanzministerium ganz deutlich, daß K. zumindest den 10-Jahres-Zeitraum des § 15 a UStG vor einer Veräußerung abwarten wollte, um nicht Gefahr zu laufen, einen Teil der aus den Anschaffungskosten der Wohnungen gezogenen Vorsteuer (§ 15 UStG) an das FA zurückzahlen zu müssen. Soweit der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, diese Dienstaufsichtsbeschwerde sei nicht von K. verfaßt worden, folgt der Senat diesem Vorbringen nicht. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß ein anderer als K. sich mit dieser Beschwerde an das Finanzministerium gewandt hat. Auch der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat im übrigen nicht bestritten, daß die auf Seite 5 dieser Dienstaufsichtsbeschwerde sich befindende Unterschrift eindeutig von K. stammt.
Gegen eine von Anfang an bestehende bedingte Veräußerungsabsicht spricht im übrigen auch, daß K. selbst in der Zeit von 1983 bis 1987 die Einkünfte aus den Eigentumswohnungen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung behandelt hat. Erst im Rahmen der Außenprüfung 1987 behandelte er die Tätigkeit als Gewerbebetrieb.
Gegen eine vermögensverwaltende Tätigkeit des K. spricht nicht der Umstand, daß er sich über diverse Immobilienmakler und auch selbst bemüht hat, einzelne Wohnungen zu veräußern. Zum einen ist nicht erkennbar, welche Eigentumswohnungen hier veräußert werden sollten, zum anderen haben die jeweiligen Immobilienmakler (...) dem Gemeinschuldner auch mitgeteilt, daß der von ihm gewünschte Verkaufspreis von 2.800,00 DM/qm völlig unrealistisch sei. Angesichts der oben geschilderten, gegen einen gewerblichen Grundstückshandel sprechenden Umstände geht der Senat deshalb insofern davon aus, daß es sich nicht um ernsthafte Veräußerungsaktivitäten des K. gehandelt hat.
Nach alldem war davon auszugehen, daß ein gewerblicher Grundstückshandel im Streitfall nicht gegeben ist. Aus diesem Grund kam eine Abschreibung auf den niederen Teilwert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG nicht in Betracht. Die Klage war insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.