Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.12.1997, Az.: I 421/97
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 09.12.1997
- Aktenzeichen
- I 421/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 27895
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:1209.I421.97.0A
In dem Rechtsstreit
wegen Vermögensteuer auf den 1. Januar 1993
hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 9. Dezember 1997, an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
ehrenamtliche Richterin .
ehrenamtlicher Richter .
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Rechtmäßigkeit eines im Jahre 1997 ergangenen Bescheides, mit dem das Finanzamt (FA) einen Vermögensteuerbescheid aus dem Jahre 1994 berichtigt hat.
Die Klägerin (Kl.) ist Rechtsnachfolgerin ihrer im Jahre 1995 verstorbenen Mutter Agnes. Für ihre Mutter gab die Kl. im Jahre 1993 die Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1993 ab. In der Erklärung führte sie als einziges Grundstück des Grundvermögens in den Zeilen 35 und 36 des Erklärungsvordrucks ihr Einfamilienhaus P. in H. auf und gab darin den Einheitswert ohne Zuschlag mit 63. 400 DM an. Die Zeile 40 des Vordrucks, in der nach der Summe aller inländischen Grundstücke gefragt wird, füllte sie nicht aus. Statt dessen trug sie den Betrag von 63. 400 DM in die darunterliegende Zeile 41 des Vordrucks ein, in der ausländische Grundstücke mit dem gemeinen Wert anzugeben sind. Der für die Veranlagung zuständige Beamte des Beklagten (Bekl.) hakte diesen Wert ab und gab ihn an das Rechenzentrum des Landes zur edv-mäßigen Erstellung des Vermögensteuerbescheides weiter. Der Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1993 wurde der Rechtsvorgängerin der Kl. unter dem 6. April 1994 bekanntgegeben. Darin ist das Grundvermögen mit 63. 400 DM -; also ohne den Zuschlag nach § 121 a Bewertungsgesetz (BewG) -; berücksichtigt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Im Januar 1997 entdeckte das FA, daß der inländische Grundbesitz falsch erfaßt worden war. Es erließ deshalb am 12. März 1997 unter Hinweis auf § 129 Abgabenordnung (AO) einen Berichtigungsbescheid, in dem das Grundvermögen mit 88. 760 DM -; das entspricht der nach § 121 a BewG vorgesehenen Erhöhung des Einheitswertes -; erfaßt ist. Dieser Bescheid ist adressiert und bekanntgegeben an "Frau Ingeleore G." "als Gesamtrechtsnachfolgerin nach Frau Agnes G.".
Dagegen hat die Kl. nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der sie zunächst die mangelhafte Bekanntgabe des Bescheides rügt. Sie verweist darauf, daß sie Ingeborg heiße, der Bescheid aber an eine Ingeleore G. gerichtet gewesen sei. Sie bestreitet ferner, daß ein Berichtigungsgrund nach § 129 AO vorgelegen habe. Nach dieser Norm könnten lediglich bloße Schreib- und Rechenfehler berichtigt werden. Im Streitfall könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß dem Veranlagungsbeamten ein Fehler in der Willensbildung unterlaufen sei. Derartige Rechtsirrtümer könnten nicht berichtigt werden. Schließlich sei der angefochtene Bescheid deshalb rechtswidrig, weil eine Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Vermögensteuer nicht mehr bestehe. So habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluß vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BStBl II 1995, 655, erkannt, daß das bis dahin geltende Vermögensteuergesetz (VStG) verfassungswidrig sei. Es sei übergangsweise lediglich noch bis zum 31.12.1996 anzuwenden. Diese Frist sei inzwischen abgelaufen. Da der Gesetzgeber ein neues VStG nicht geschaffen habe, fehle es dem streitigen Bescheid an einer Rechtsgrundlage.
Die Kl. beantragt,
den Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1993 vom 12. März 1997 und den Einspruchsbescheid vom 14. Mai 1997 aufzuheben.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, daß der angefochtene Bescheid ordnungsgemäß bekanntgegeben worden sei. Auch wenn der Vorname der Kl. darin falsch geschrieben worden sei, so sei zumindest durch den Zusatz "als Gesamtrechtsnachfolgerin nach Frau Agnes G." die Kl. als Empfängerin hinreichend bestimmt gewesen. Tatsächlich habe die Kl. den Bescheid auch erhalten und sich als Adressatin verstanden. Das reiche für eine ordnungsgemäße Bekanntgabe aus. Doch selbst wenn man die Bekanntgabe als fehlerhaft erachten sollte, so sei ein solcher Fehler durch die fehlerfreie Bekanntgabe des Einspruchsbescheides geheilt worden. Es liege auch ein Berichtigungsgrund nach § 129 AO vor. Dem Veranlagungsbeamten sei -; wie zuvor der Kl. -; eine bloße Zeilenverwechselung zwischen den Zeilen 40 und 41 des Veranlagungsbogens unterlaufen. Das VStG sei weiterhin Rechtsgrundlage für alle Steuerfestsetzungen für Veranlagungszeitpunkte vor dem 31. Dez. 1996. Dies habe der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluß vom 18. Juni 1997 II B 33/97, BStBl II 1997, 515, erkannt.
Wegen des Vertrags der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klageverfahren sowie im Vorverfahren verwiesen.
Die Parteien haben durch Schriftsatz des Klägervertreters vom 27. Juni 1997 und des FA vom 7. August 1997 auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
Gründe
I.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Dem angefochtenen Bescheid haften keine Bekanntgabemängel an.
Gem. § 122 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist. Dies ist im Streitfall die Kl. in ihrer Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin ihrer verstorbenen Mutter. Ihr ist der Bescheid auch tatsächlich bekanntgegeben worden, auch wenn sie darin fälschlicherweise als "Ingeleore" statt mit "Ingeborg" benannt worden ist. Eine falsche Namensangabe ist für eine wirksame Bekanntgabe eines Bescheids solange irrelevant, wie nicht eine Verwechselungsgefahr besteht und der Bekanntgabeadressat nicht mehr erkennbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Nov. 1995 V R 64/94, BFHE 179, 211, BStBl II 1996, 256 [BFH 08.11.1995 - V R 64/94]). Im Streitfall bestand eine derartige Verwechselungsgefahr nicht. Der Bescheid enthielt neben der zutreffenden Anschrift der Kl. noch den Hinweis, daß sie als Rechtsnachfolgerin ihrer verstorbenen Mutter betroffen sei. Damit erscheint eine Verwechselungsgefahr ausgeschlossen, zumal die Kl. den Bescheid auch an sich selbst gerichtet verstanden hat. Durch die falsche Namensangabe ist lediglich -; wie der BFH es in seinem Urteil vom 26. Juni 1974 II R 199/72, BFHE 113, 90, BStBl II 1974, 724, [BFH 26.06.1974 - II R 199/72] genannt hat -; nicht etwa die falsche Person richtig, sondern die richtige Person falsch bezeichnet worden.
2. Der Bescheid vom 12. März 1997 erfüllt alle Anforderungen des § 129 AO.
Nach dieser Norm können Schreibfehler, Rechenfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit berichtigt werden. Eine derartige ähnliche offenbare Unrichtigkeit ist in dem Bescheid vom 6. April 1994 in der Weise eingeflossen, als darin der Wert des inländischen Grundvermögens lediglich mit 63. 400 DM, also nicht mit dem nach § 121 a BewG um 40 v.H. erhöhten Einheitswert, berechnet worden ist. Entstanden ist der Fehler dadurch, daß der Steuerbescheid durch den Computer der Finanzverwaltung erstellt worden ist und dabei das zu erfassende Grundstück im Eingabebogen als ausländisches Grundstück gekennzeichnet war. Dieser Fehler ist zutreffend im angefochtenen Bescheid berichtigt worden. Daß der Fehler aus dem Bescheid selbst -; in dem zwischen in- und ausländischem Grundvermögen nicht unterschieden wird -; als offenbar unrichtig erkennbar sein muß, ist für eine Berichtigung nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 31. März 1987 VIII R 46/83, BFHE 149, 478, BStBl II 1987, 588 [BFH 31.03.1987 - VIII R 46/83]).
Bei dieser Einschätzung geht der Senat zunächst davon aus, daß der Kl. bzw. ihrem steuerlichen Berater beim Ausfüllen der Vermögensteuererklärung auf den 01.01.1993 eine Zeilenverwechselung unterlaufen ist. Nachdem sie ihr Einfamilienhausgrundstück im P. zunächst zutreffend in den Zeilen 36 und 37 des Vordrucks mit dem Einheitswert eingetragen hat, hat sie die Summe der Einheitswerte aller inländischen Grundstücke -; also wiederum den Betrag von 63. 400 DM -; in die dafür vorgesehene Zeile 40 eintragen wollen. Tatsächlich ist dieser Betrag dann aber in die darunter liegende Zeile 41 eingetragen worden, die nach dem Vordruck ausländischen Grundstücken vorbehalten ist. Zweifel daran, daß der Eintrag in dieser Zeile eine bloße Verwechselung ist, hat der Senat nicht. Es erscheint dem Gericht nicht vorstellbar, daß die Kl. bzw. ihr steuerlicher Berater in dieser Zeile bewußt eine Eintragung hat vornehmen wollen, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Kl. oder ihre damals noch lebende Mutter ausländischen Grundbesitz hatte, schon gar nicht solchen mit exakt dem Wert, der dem Einheitswert des Grundstücks P. entspricht. Die Eintragung in Zeile 41 gäbe keinen Sinn, wenn sie dort wirklich gewollt gewesen wäre.
Das Gericht geht bei seiner Einschätzung weiter davon aus, daß der Veranlagungsbeamte des FA diesen Wert unkritisch übernommen, ihn einfach abgehakt hat. Die Annahme, der Beamte könnte den eingetragenen Wert bewußt als solchen übernommen haben, ist rein hypothetisch und entbehrt jeder Grundlage. Wie zuvor bei der Kl. fehlen auch beim Veranlagungsbeamten des FA jedwede Anhaltspunkte für die Vermutung, er könne eine Veranlagung mit diesem Wert gewollt haben, denn außer der falschen Eintragung ist der Akte kein Hinweis auf ausländischen Grundbesitz zu entnehmen. Damit hat der Veranlagungsbeamte die Zeilenverwechselung der Kl, wie eine eigene übernommen und sich zu eigen gemacht.
Der Fehler des Veranlagungsbeamten beruht nicht auf einer Amtsermittlungspflichtverletzung, die -; läge sie vor -; nicht nach § 129 AO korrigiert werden könnte. Nach den Eintragungen im Erklärungsformular waren weitere Ermittlungen nicht geboten. Verstand man bei sorgfältiger Betrachtung die erklärten Angaben so, wie sie gewollt waren, daß nämlich in Zeile 41 die Summe der Einheitswerte der inländischen Grundstücke wiedergegeben werden sollte, dann bestand kein weiterer Aufklärungsbedarf. Von daher hat der Veranlagungsbeamte eine erkennbare offenbare Unrichtigkeit in der Erklärung übernommen, womit der Anwendungsbereich des § 129 AO eröffnet ist (vgl. BFH-Urteil vom 25. Febr. 1972 VIII R 141/71, BFHE 105, 234, BStBl II 1972, 550 [BFH 25.02.1972 - VIII R 141/71]).
3. Zur Überzeugung des erkennenden Senats stehen dem angefochtenen Bescheid keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Nach dem Beschluß des BVerfG vom 22. Juni 1995 ist das VStG nicht nichtig, sondern darf unverändert bis zum 31. Dez. 1996 weiterhin angewendet werden. Der BFH hat daraus die Erkenntnis gewonnen, daß das VStG für alle Veranlagungszeiträume bis 31. Dez. 1996 fortgilt (BFH-Urteil vom 30. Juli 1997 II R 9/95, BStBl II 1997, 635). Dieser Auffassung hat sich der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (Senatsurteile vom 16. Sept. 1997 I 451/97, I 482/97, n.v.).
Es kommt hinzu, daß es sich bei dem streitigen Bescheid lediglich um einen Berichtigungsbescheid handelt. Die Berichtigung enthält im Unterschied zur Änderung eines Bescheides keine neue eigenständige Regelung. Mit ihr wird nur das klargestellt, was bereits im fehlerhaften Bescheid geregelt worden war (vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, . Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 129 AO Anm. 1, Schwarz/Frotscher, Kommentar zur Abgabenordnung, § 129 Tz. 1). Sie verwirklicht lediglich eine Aussage, die bereits in einem früheren Bescheid erkennbar gewollt war (Beschluß des BFH vom 14. Okt. 1976 V B 16/76, BFHE 120, 145, [BFH 14.10.1976 - V B 16/76] BStBl II 1977, 38 [BFH 14.10.1976 - V B 16/76] zu § 107 FGO). Da der Berichtigung somit lediglich deklaratorische und keine konstitutive Wirkung zukommt, kann es für ihre Rechtmäßigkeit nicht darauf ankommen, ob der Berichtigungsbescheid vor oder nach dem 31. Dez. 1996 bekanntgegeben worden ist.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
Das Gericht hat der beantragten Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die beim BVerfG anhängige Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1831/97 nicht entsprochen. Der Verfassungsbeschwerde liegt ein anderer, mit diesem Rechtsstreit nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist ein Beschluß, mit dem die Aussetzung der Vollziehung eines Vermögensteuerbescheides abgelehnt worden war, mit dem erstmals im Jahre 1997 -; im Wege der Schätzung -; Vermögensteuer festgesetzt worden war. Im Streitfall ist dagegen die Steuer nicht neu festgesetzt, sondern vielmehr eine bereits 1994 festgesetzte Steuer berichtigt worden.