Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.11.1997, Az.: III 535/96
Entstehung der Schenkungsteuerpflicht; Abgabe der Auflassung und Eintragungsbewilligung in gehöriger Form bei einer Grundstücksschenkung; Aufhebung des Schenkungsvertrages vor Änderung der Grundbucheintragung; Vollzug der Schenkung als Voraussetzung für die Entstehung der Steuerschuld
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 26.11.1997
- Aktenzeichen
- III 535/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 16009
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:1126.III535.96.0A
Rechtsgrundlage
- § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
Fundstelle
- DStRE 1998, 238 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Schenkungsteuer
Amtlicher Leitsatz
Haben die Vertragspartner einer Grundstücksschenkung die Auflassung und Eintragungsbewilligung in gehöriger Form abgegeben, so steht es der Entstehung der Schenkungsteuerpflicht nicht entgegen, wenn die Vertragspartner den Schenkungsvertrag noch vor Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch und vor Besitzübergang auf den Beschenkten aufheben.
Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 26. November 1997 ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück trotz zeitnaher Aufhebung des Übertragungsvertrags der Schenkungsteuer unterliegt.
Durch notariellen Vertrag vom 30. März 1995übertrug I. M. - im folgenden: Schenkerin - die ideelle Hälfte an einem bebauten Grundstück in K. unentgeltlich auf den Kl. Der Kl. nahm dieÜbertragung, die am 1. Juli 1995 erfolgen sollte, an. In demÜbertragungsvertrag erklärten die Vertragsparteien gleichzeitig die Auflassung und bewilligten und beantragten die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch. Durch Aufhebungsvertrag vom 21. April 1995 hoben die Vertragsbeteiligten den Übertragungsvertrag vom 30. März 1995 in allen Punkten rückwirkend auf den Zeitpunkt der Beurkundung des Übertragungsvertrags am 30. März 1995 auf. Das beklagte Finanzamt - FR - setzte gegen den Kl. durch Bescheid vom 31. Mai 1996 Schenkungsteuer nach einem steuerpflichtigen Erwerb von 39.400 DM, den es unter Ansatz des anteiligen erhöhten Einheitswerts desübertragenen Miteigentumsanteils und Berücksichtigung eines Freibetrags von 3.000 DM errechnet hatte, von 7.880 DM fest. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FR durch Bescheid vom 10. Oktober 1996 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung der Kl. geltend macht: Die Schenkungsteuer aus dem Übertragungsvertrag vom 30. März 1995 sei noch nicht entstanden. Die Übertragung des fraglichen Miteigentumsanteils habe nach dem Vertrag vom 30. März 1995 erst zum 1. Juli 1995 erfolgen sollen. Aufgrund der bereits zuvor erfolgten Aufhebung des Übertragungsvertrags sei die fragliche Schenkung noch nicht vollzogen gewesen und eine entsprechende Bereicherung nicht eingetreten. Die vom FR bejahte Steuerpflicht bedeute eine gesetzwidrige Verschärfung des § 1 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG).
Der Kl. beantragt sinngemäß,
den Schenkungsteuerbescheid vom 31. Mai 1996 und den Einspruchsbescheid vom 10. Oktober 1996 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es erwidert: Die Schenkungsteuer für die hier fragliche Grundstücksschenkung sei am 30. März 1995 entstanden, weil sich die Schenkerin und der Kl. in gehöriger Form über den Eigentumsübergang einig gewesen seien und die Schenkerin die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt habe. Bereits damit sei die für die Besteuerung erforderliche Vermögensverschiebung eingetreten. Verlange man zur Entstehung der Schenkungsteuer darüber hinaus, daß der wert des Schenkungsobjekts z.B. durch Veräußerung realisiert sei, so sei auch hiernach die Schenkungsteuer entstanden. Denn der Kl. habe den wert des Schenkungsobjekts durch Wegschenkung (Rückschenkung) realisiert. Für die rechtliche Beurteilung könne es keinen Unterschied machen, ob ein Beschenkter ein Grundstück an den Schenker oder an einen Dritten auflasse. Schenkungsteuerlich sei auch ohne Belang, ob die vom Kl. erlangte Rechtsposition von sicherem Bestand gewesen sei. Ebenso sei unerheblich, ob ein Grundstück gegen Entgelt oder - wie hier - unentgeltlich auf den Schenker rückaufgelassen werde.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die zu der Akte gereichten Schriftsätze und auf die beim FA geführte Schenkungsteuerakte (...) Bezug genommen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
Entscheidungsgründe
1.
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Diese Voraussetzungen erfüllte die hier fragliche Zuwendung des Miteigentumsanteils an dem Kl. Diese Zuwendung erfolgte objektiv unentgeltlich und erfüllte auch den subjektiven Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Der Auffassung des Kl., daß er im Streitfall nicht um den fraglichen Miteigentumsanteil bereichert worden sei, folgt der Senat nicht. Die von §§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geforderte Bereicherung des Bedachten setzt den Vollzug der Schenkung, d.h. eine endgültige materielle Bereicherung des Beschenkten, voraus (BFH-Urteil vom 6. März 1985 II R 19/84, BStBl II 1985 S. 382 m.w.N.). Schenkungsteuerlich wird nur die Vermögensvermehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung erfaßt; dieser Zeitpunkt entspricht dem der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 26. September 1990 II R 150/88, BStBl II 1991 S. 320 m.w.N.) ist eine Grundstücksschenkung ausgeführt, wenn die Vertragspartner die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken. Nicht erforderlich ist, daß der Beschenkte den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung beim Grundbuchamt gestellt hat. Ebenso kommt es nicht auf den Übergang des Besitzes an (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1979 II R 67/76, BStBl II 1979 S. 642). Nach diesen Grundsätzen ist die Schenkungsteuer hinsichtlich des fraglichen Miteigentumsanteils entstanden, weil die Auflassung und Eintragungsbewilligung in gehöriger Form abgegeben worden ist und der Kl. in der Lage war, die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch herbeizuführen. Die demgemäß entstandene Schenkungsteuer ist nicht - was im übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist - gemäß § 29 ErbStG erloschen.
2.
Der Senat verkennt nicht, daß die Bejahung der Steuerpflicht in Fällen einer - wie hier - nach Entstehung der Schenkungsteuer zeitnah erfolgenden Rückgabe des Geschenks an den Schenker als eine Störung des Rechtsempfindens qualifiziert werden kann (so Moench, Kommentar zum ErbStG, § 29 Rz. 2; Sosnitza UVR 1992 S. 342, 348). Jedoch ist der Senat der Auffassung, daß für den Streitfall nach geltendem Recht eine Abweichung von der vorstehend unter 1. dargelegten Rechtslage nicht in Betracht kommt. Zwar wird in der Literatur (Klein/Blenkers, DStR 1991 S. 1549/1552 ff.; Meincke, Kommentar zum ErbStG, 11. Aufl. 1997, § 9 Rz. 48; Troll/Gebel, ErbStG, § 9 Rz. 95 f.) die Auffassung vertreten, daß die Steuer bei einer Grundstücksschenkung erst im Zeitpunkt des Eingangs des Eintragungseintrags beim Grundbuchamt oder - so Klein/Blenkers, a.a.O. S. 1554 - im Zeitpunkt der Eintragung einer Vormerkung zu Gunsten des Beschenkten im Grundbuch eintrete. Der zur Begründung gegen die vorzitierte BFH-Rechtsprechung zunächst erhobene Einwand, diese bedeute im Ergebnis die Anwendung einer dem ErbStG fremden wirtschaftlichen Betrachtungsweise (so Klein/Blenkers, a.a.O. S. 1553), erscheint dem Senat jedoch nicht berechtigt. Denn nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Schenkung i.S.d. § 518 Abs. 2 BGB bereits mit der Auflassung und der Eintragungsbewilligung vollzogen (BGH-Urteil vom 21. Juni 1972 TV ZR 69/71 - BGHZ 59 S. 210). Im übrigen hat die unter 1. aufgeführte BFH-Rechtsprechung auch nicht - wie Troll/Gebel, a.a.O. annimmt - ihren Rechtsstandpunkt auf ein vom Beschenkten bereits vor Eingang des Eintragungsantrags beim Grundbuchamt begründetes Anwartschaftsrecht gestützt. Letztlich ist für den Senat jedoch dieÜberlegung entscheidend, daß - wie die unter 1. aufgeführte BFH-Rechtsprechung zutreffend ausführt - ein Beschenkter bereits vor Stellung des Eintragungsantrags im Grundbuch über die ihm durch die Auflassung begründeten Rechte verfügen kann. Der hierzu in der Literatur (Klein/Blenkers, a.a.O.) vertretene Gegenstandpunkt, wonach es in diesem Zeitpunkt noch an der freien Verfügungsbefugnis des Beschenkten fehle, würde im Ergebnis in sachlich nicht gerechtfertigter Weise die Schenkungsteuerpflicht entfallen Lassen, wenn es ohne Zwischeneintragung des Beschenkten im Grundbuch zur Weiterübertragung des Auflassungsanspruchs kommt. Eine bei der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung etwa als wünschenswert angesehene Regelung über das Erlöschen der Steuerpflicht bei zeitnaher Rückgabe des Beschenkten enthält das ErbStG - anders als § 16 GrEStG - nicht. Einer dem§ 16 GrEStG entsprechenden Auslegung ist§ 29 ErbStG nach seinem Wortlaut und nach seinem Zweck nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.
Der Senat hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die in der Literatur vorgebrachten Bedenken gegen die unter 1. dargestellte BFH-Rechtsprechung grundsätzliche Bedeutung hat.