Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.12.1997, Az.: VII 121/96
Aufwendungen für Ausbau eines Einfamilienhauses; Inanspruchnahme von Abzugsbeträgen nach § 10e Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG); Erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG für das Haus selbst; Benachteiligung von Ehepaaren gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften; Zusammenveranlagung von Ehegatten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.12.1997
- Aktenzeichen
- VII 121/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 16219
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:1216.VII121.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 10e Abs. 2 EStG
- § 10e Abs. 3 S. 1 EStG
- § 7b EStG
- § 10e Abs. 4 S. 1 EStG
- § 26 Abs. 1 EStG
- Art. 3 Abs. 1 GG
- Art. 6 Abs. 1 GG
- § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB
- § 1360 S. 1 BGB
Fundstelle
- NWB DokSt 1998, 744-745
Verfahrensgegenstand
§ 10 e Abs. 4 Satz 2, letzter Satzteil EStG ist verfassungsgemäß.
Einkommensteuer 1990
In dem Rechtsstreit
hat der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 16. Dezember 1997,
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.
Tatbestand
Streitig ist, ob für den Ausbau eines Einfamilienhauses Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch für solche Veranlagungszeiträume in Anspruch genommen werden können, in denen für das Einfamilienhaus selbst noch erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG abgezogen wurden.
Die Kl. sind Eheleute, die für das Streitjahr 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Zu ihrem Haushalt gehören fünf Kinder.
Seit 1983 sind die Kl. Eigentümer des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses ... in R., für das sie im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG als Werbungskosten abzogen. Im Jahre 1986 begannen die Kl., das Dachgeschoß des Einfamilienhauses auszubauen. Der mit einem Kostenaufwand von 109.962 DM hergestellte Ausbau wurde im Jahre 1987 bezugsfertig und wird seitdem von den Kl. ebenfalls zu eigenen Wohnzwecken genutzt.
Für die Veranlagungszeiträume 1987 bis 1989 zogen die Kl. die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge für das Einfamilienhaus (wie in den Vorjahren 9.600 DM) gemäß § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG wie Sonderausgaben ab.
Mit der Einkommensteuererklärung 1990 beantragten sie die Berücksichtigung eines Abzugsbetrages nach § 10 e Abs. 1 und 2 EStG in Höhe von 24.385 DM. Außerdem machten sie die Steuerermäßigung nach § 34 f EStG für fünf Kinder geltend. Bei der Ermittlung des Abzugsbetrages legten die Kl. neben den Herstellungskosten des Dachausbaus auch anteilige Grundstückskosten (insgesamt) 121.925 DM zugrunde und machten außer dem Abzugsbetrag für das Jahr 1990 (6.097 DM) die Nachholung von Abzugsbeträgen für die Jahre 1987 bis 1989 (18.288 DM) geltend.
Durch Einkommensteuerbescheid vom 14. April 1993 berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) lediglich ein Abzugsbetrag in Höhe von 5.499 DM. Daneben gewährte er eine Steuerermäßigung nach § 34 f EStG in Höhe von 3.000 DM. Bei der Ermittlung der Steuerbegünstigung für die eigengenutzte Wohnung legte das FA nur die Herstellungskosten von 109.962 DM zugrunde und ging davon aus, daß den Kl. der Abzugsbetrag für den Dachausbau nur für 1990 zustehe. Eine Nachholung von Abzugsbeträgen für die Jahre 1987 bis 1989 hielt das FA im Hinblick auf § 10 e Abs. 4 Satz 2, letzter Satzteil EStG für ausgeschlossen, weil die Kl. für diese Jahre die den erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG entsprechenden Beträge für das Einfamilienhaus wie Sonderausgaben abgezogen hatten.
Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage. Die Kl. sind der Ansicht, daß die Regelung des § 10 e Abs. 4 Satz 2 EStG, soweit sie die gleichzeitige Inanspruchnahme von Abzugsbeträgen für zwei im räumlichen Zusammenhang stehende Objekte durch Ehegatten ausschließe, eine gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßende Benachteiligung der Ehe gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften darstelle. Im übrigen schließe die Vorschrift lediglich die gleichzeitige Inanspruchnahme von Abzugsbeträgen für zwei in räumlichen Zusammenhang belegene Objekte in ein und demselben Veranlagungszeitraum aus. Die in § 10 e Abs. 3 EStG eröffnete Möglichkeit zur Nachholung von in früheren Veranlagungszeiträumen nicht ausgenutzten Abzugsbeträgen bleibe davon unberührt.
Außerdem machen die Kl. geltend, daß das FA die Höhe des Abzugsbetrages nach § 10 e Abs. 1 und 2 EStG zu Unrecht nur nach den Herstellungskosten des Dachausbaus bemessen habe statt - wie in § 10 e Abs. 1 Satz 1 EStG vorgesehen - auch die Anschaffungskosten für den dazugehörenden Grund und Boden anteilig in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.
Die Kl. beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1990 vom 14. April 1993 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheides vom 5. Februar 1996 die Einkommensteuer von 11.638 DM auf 6.586 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest, daß § 10 e Abs. 4 Satz 2 EStG auch die Möglichkeit der Nachholung von Abzugsbeträgen einschränke. Eine solche Nachholung sei nur insoweit möglich, als Abzugsbeträge, die dem Steuerpflichtigen für die Vorjahre zugestanden hätten, nicht in Anspruch genommen worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Den Kl. steht für das Streitjahr ein Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 2 EStG nur in der von dem FA bereits berücksichtigten Höhe zu.
1.
Die Nachholung von Abzugsbeträgen für die Jahre 1987 bis 1989 kommt nicht in Betracht.
a)
Nach § 10 e Abs. 3 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung kann der Steuerpflichtige Abzugsbeträge nach den Absätzen 1 und 2, die er in den ersten drei Jahren des Abzugszeitraums nicht ausgenutzt hat, bis zum Ende des vierten Jahres des Abzugszeitraums abziehen. Nicht ausgenutzt sind Abzugsbeträge, soweit sie dem Steuerpflichtigen zustanden, im Entstehungsjahr aber nicht zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer oder aufgrund der außersteuerlichen Bindungswirkung des Steuerbescheids zu einem Kindergeldzuschlag nach § 11 a des Bundeskindergeldgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung geführt haben (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteile vom 25. Januar 1995 X R 191/93, BStBl II 1995, 586; vom 14. Februar 1996 X R 61/93, BStBl II 1996, 364). Im Streitfall hatten die Kl. für die Jahre 1987 bis 1989 keinen Anspruch auf Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 2 EStG, auf deren Geltendmachung sie hätten verzichten können.
Nach § 10 e Abs. 4 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige Abzugsbeträge nach den Absätzen 1 und 2 nur für eine Wohnung oder für einen Ausbau oder eine Erweiterung abziehen. Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen, können die Abzugsbeträge nach den Absätzen 1 und 2 für insgesamt zwei der in Satz 1 bezeichneten Objekte abziehen, jedoch nicht gleichzeitig für zwei in räumlichem Zusammenhang belegene Objekte, wenn bei den Ehegatten im Zeitpunkt der Herstellung oder Anschaffung der Objekte die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen (§ 10 e Abs. 4 Satz 2 EStG). Gemäß § 10 e Abs. 4 Satz 3 EStG stehen die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG den Abzugsbeträgen nach § 10 e Abs. 1 und 2 EStG auch dann gleich, wenn sie aufgrund der Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG wie Sonderausgaben abgezogen werden (BFH, Urteil vom 4. Oktober 1990 X R 54/90, BFHE 163, 36, BStBl II 1991, 221). Hiernach war die Inanspruchnahme von Abzugsbeträgen nach § 10 e Abs. 2 EStG für den Ausbau des Dachgeschosses in den Jahren 1987 bis 1989 ausgeschlossen, weil die Kl. in diesen Veranlagungszeiträumen für das Einfamilienhaus selbst die den erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG entsprechenden Beträge wie Sonderausgaben abgezogen haben (§ 52 Abs. 21 Satz 4 EStG), der Ausbau in räumlichem Zusammenhang mit dem Einfamilienhaus stand und die Kl. im Zeitpunkt der Fertigstellung des Ausbaus die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erfüllten.
b)
Entgegen der von den Kl. vertretenen Auffassung begegnet die Vorschrift des § 10 e Abs. 4 Satz 2 EStG auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelung, daß Ehegatten, die die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erfüllen, Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1 und 2 EStG nicht gleichzeitig für zwei in räumlichen Zusammenhang belegenen Objekte in Anspruch nehmen können, stellt keine gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßende Benachteiligung von Ehepaaren gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften dar (a.A. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 e EStG Anmerkung 319; Paus, DStZ 1990, 434). Die Gewährung der Steuerbegünstigung nach § 10 e EStG ist dazu bestimmt, aus sozial- und gesellschaftspolitischen Gründen den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums zu fördern. Im Rahmen solcher Subventionsregelungen steht dem Gesetzgeber ein weitgehender Gestaltungsspielraum zu. Er kann nicht nur darüber bestimmen, welche Beträge er zur Durchführung der Maßnahme insgesamt bereitstellen will, sondern ist auch weitgehend frei in der Entscheidung darüber, wie er sie einsetzen und verteilen will (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: BVerfGE 6, 55, 77; 11, 50, 60; 12, 151, 166; 27, 210, 216). In diesen Fällen kann die vom Gesetzgeber getroffene Regelung von der Verfassung her solange nicht beanstandet werden, wie sie sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt (vgl. auch BVerfGE 12, 354, 367 f.).
Die sich hieraus ergebende grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, selbst zu bestimmen, was "gleich" und "ungleich" sein soll, wird zwar durch die besonderen Wertentscheidungen des Grundgesetzes eingeschränkt, zu denen auch die durch Art. 6 Abs. 1 GG gebotene Förderung von Ehe und Familie gehört. Deshalb dürfen Verheiratete im Rahmen einer freiwilligen Förderungsmaßnahme des Staates nicht allein deshalb weniger erhalten als Ledige, weil sie verheiratet sind. Andererseits ist es jedoch zulässig, daß der Gesetzgeber Verheiratete steuerlich anders behandelt als Ledige, wenn einleuchtende Sachgründe erkennen lassen, daß die abweichende Regelung ihren Grund in der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Situation der Ehegatten hat (BVerfGE 17, 210, 217; 24, 104, 109; 32, 260, 268). So verhält es sich bei der Regelung des § 10 e Abs. 4 Satz 2, letzter Satzteil EStG. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, daß Ehegatten aufgrund der ihnen wechselseitig obliegenden Pflicht zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft und zur Unterhaltsgewährung (§§ 1353 Abs. 1 Satz 2 und 1360 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) ein durch § 10 e Abs. 1 und 2 EStG begünstigtes Objekt regelmäßig gemeinsam als Familienwohnheim nutzen und sich der gesellschafts- und sozialpolitische Zweck des § 10 e Abs. 1 EStG bei ihnen daher regelmäßig durch die Begünstigung eines Objektes verwirklichen läßt. Bei den Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften bestehen den § 1353 Abs. 1 Satz 2 und 1360 Satz 1 BGB entsprechende Rechtspflichten, die es erlauben würden, die den Partnern gehörenden Einzelobjekte als beiderseitige Familienheime anzusehen, nicht. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht willkürlich, daß der Gesetzgeber die gleichzeitige Inanspruchnahme von Abzugsbeträgen nach § 10 e Abs. 1 und 2 EStG bzw. den ihnen gleichstehenden erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG durch zusammenlebende Ehegatten ausgeschlossen hat.
Für den hier zu beurteilenden Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten kommt hinzu, daß der Ausschluß der gleichzeitigen Förderung zweier in räumlichem Zusammenhang belegener Objekte lediglich die Einschränkung einer durch § 10 e Abs. 4 Satz 2 EStG gewährten Begünstigung darstellt. Da die Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1 und 2 EStG wie Sonderausgaben abzuziehen sind, wirken sie sich auf einer Stufe der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 2 Abs. 4 EStG) aus, auf der zusammenveranlagte Ehegatten nach § 26 b EStG bereits gemeinsam als Steuerpflichtige zu behandeln sind, so daß sie die Förderung nach der Grundregel des § 10 e Abs. 4 Satz 1 EStG nur für ein Objekt beanspruchen könnten. Für den Fall der Zusammenveranlagung bringt § 10 e Abs. 4 Satz 2 EStG für Ehegatten daher keine Einschränkung, sondern eine Erweiterung der Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums mit sich, deren Modalitäten der Gesetzgeber durch den letzten Satzteil der Vorschrift ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG geregelt hat.
2.
Auch die Höhe des den Kl. für das Streitjahr zustehenden Abzugsbetrag nach % 10 e Abs. 2 EStG hat das FA zutreffend ermittelt. Nach § 10 e Abs. 2 EStG gilt Abs. 1 entsprechend für Herstellungskosten zu eigenen Wohnzwecken genutzter Ausbauten und Erweiterungen an einer im Inland belegenen, zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung. Bemessungsgrundlage des Abzugsbetrages sind daher nur die Herstellungskosten des Ausbaus oder der Erweiterung. Eine - hälftige - Einbeziehung der Anschaffungskosten des der Baumaßnahme zuzuordnenden Grund und Bodens ist im Gegensatz zur Förderung nach § 10 e Abs. 1 EStG nicht vorgesehen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 31. Dezember 1994 IV B 3 - S 2225 a - 294/94, BStBl I, 887, Tz. 44; Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 e EStG Anm. 234 m.w.N.; Schmidt/Drenseck, EStG, 16. Aufl. § 10 e Rdz. 85).
3.
Hiernach war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung abzuweisen.