Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.12.1997, Az.: VI 607/93

Erteilung einer Pensionszusage an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschft als verdeckte Gewinnausschüttung; Erfordernis klarer und eindeutiger Vereinbarungen bei Leistungen an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer; Beurteilung der Ernsthaftigkeit der Zusage; Fehlender Abschluss einer Rückdeckungsversicherung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
09.12.1997
Aktenzeichen
VI 607/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 16195
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:1209.VI607.93.0A

Fundstellen

  • GmbH-StB 1998, 220 (Volltext mit amtl. LS)
  • GmbHR 1998, 388-389 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Körperschaftsteuer 1991

In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 9. Dezember 1997,
an der mitgewirkt haben:
Präsident des Finanzgerichts ... als Vorsitzender
Richterin am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die an den Gesellschafter-Geschäftsführer erteilte Pensionszusage als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu behandeln ist.

2

Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 28. Januar 1983 gegründete GmbH. Ihr Unternehmensgegenstand ist der An- und Verkauf von Hardware und Microcomputer-Software sowie die Planung, Beratung, Ausführung und der Service bei der Abwicklung von Automatisierungsprojekten in der Technik. Das Stammkapital betrug im Streitjahr 1991 100.000 DM. Es wurde von dem am 15. Mai 1935 geborenen alleinigen Gesellschafter S. (S.) gehalten. Der Gesellschafter S. war seit dem 1. Januar 1985 alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiter Geschäftsführer. Im Streitjahr 1991 war auch N. (N.) zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. N. wurde im Jahr 1994 als Geschäftsführer abberufen. Zugleich ist das Dienstverhältnis mit N. beendet worden.

3

Aufgrund des mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer S. geschlossenen Anstellungsvertrages vom 28. Dezember 1984 erhielt dieser ein monatliches Grundgehalt von 25.000 DM, das sich zum 1. Juni 1991 auf monatlich 26.500 DM erhöhte. Ferner erhielt er bestimmte Sonderzuwendungen. Die Gesamtvergütung belief sich in den Jahren 1989 bis 1991 auf jährlich ca. 350.000 DM. N. erhielt in den Jahren 1989 und 1990 eine Gesamtvergütung von ca. 150.000 DM und im Jahr 1991 von ca. 200.000 DM. Im Anhang zum Anstellungsvertrag wurde dem Gesellschafter-Geschäftsführer S. mit Pensionsvertrag vom 1. Dezember 1989 eine Pension zugesagt. Danach sollte ein Ruhegehalt wegen dauernder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, Bezugs von Altersruhegeld aus gesetzlicher Rentenversicherung oder Ausscheiden aus dem Dienst der Klägerin wegen Vollendung des 65. Lebensjahres sowie eine Witwenrente für die Ehefrau gezahlt werden. Dem Geschäftsführer N. wurde am 1. Dezember 1992 eine gleichlautende Pensionszusage erteilt. Die Zuführung zur Pensionsrückstellung hat die Klägerin nach Ausscheiden des Geschäftsführers gewinnerhöhend aufgelöst.

4

Nach dem Pensionsvertrag (Ziffer 4) soll der Jahresbetrag des Ruhegehaltes "35 % der nach § 6 des Dienstvertrages gezahlten Jahresbezüge" betragen. Rückdeckungsversicherungen zur Abdeckung des Risikos im Versicherungsfall wurden von der Klägerin nicht abgeschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Pensionszusage vom 1. Dezember 1989 (Bl. 57 Vertragsakte) Bezug genommen. Ab dem Jahr 1989 wurde unter Verwendung der allgemeinen Sterbetafel 1986/88 (Zinssatz 6 %, Individualmethode, rechnungsmäßiges Pensionsalter 65 Jahre) eine entsprechende Pensionsrückstellung gebildet, und zwar für 1989 in Höhe von 295.565 DM und eine Rückstellungszuführung für 1990 in Höhe von 70.000 DM (auf 365.565 DM) und für 1991 in Höhe von 106.593,10 DM (auf 472.158,10 DM).

5

Die Klägerin erklärte seit 1985 folgende Ergebnisse:

1985198619871988198919901991
DMDMDMDMDMDMDM
Umsätze1.974.3822.967.3573.741.7584.873.4547.372.4406.719.6455.601.585
Jähresergebnis4.08284,721- 12.62715.529147.2544.6946.422
Ausschüttung30.881119.2734.694
Bilanzgewinn-Verlust116.373- 114.5791.728.
6

Anläßlich der bei der Klägerin für die Jahre 1989 bis 1991 durchgeführten Außenprüfung erkannte der Betriebsprüfer die Pensionsrückstellung wegen fehlender Ernsthaftigkeit nicht an. Dementsprechend erließ der Beklagte gemäß § 164 Abs. 2, 3 Abgabenordnung (AO) einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 1991 vom 15. März 1993. Den Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 7. Oktober 1993 als unbegründet zurück. Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Berücksichtigung der Pensionsrückstellungen.

7

Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, in Höhe der Pensionsrückstellungen seien keine vGA gegeben. Die dem Gesellschafter-Geschäftsführer S. gewährte Pensionszusage sei ernsthaft gewollt. Es liege ein schriftlicher Vertrag vor, der mit dem zweiten Geschäftsführer in gleicher Form abgeschlossen worden sei. Dem stehe auch eine fehlende Rückdeckungsversicherung nicht entgegen. Eine solche Absicherung sei wegen der durch die Versicherungsprämien bedingten Liquiditätsbelastungen aus wirtschaftlichen Gründen unterlassen worden. Bei Eintritt des Versorgungsfalles führe die Aufstockung der Pensionsrückstellung auf den Barwert der Verpflichtung zwar zu einer buchmäßigen Überschuldung. Dies bedeute jedoch keine wirtschaftliche Existenzgefährdung der Klägerin, wenn die zu erbringenden Versorgungsleistungen aus Mitteln des laufenden Geschäftsbetriebs beglichen werden könnten. Der Pensionsvertrag sehe im übrigen bei wesentlicher Verschlechterung der Vermögens- und Ertragslage eine Leistungskürzung oder -einstellung vor. Im übrigen könne der Pensionsberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer S. zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens eine Rangrücktrittserklärung zugunsten der Klägerin abgeben. Es sei realitätsfremd, die Beurteilung der Ernsthaftigkeit einer Pensionszusage von ausreichenden Betriebsmitteln für latente Risiken, wie den Versorgungsfall abhängig zu machen. Die Jahresbezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers seien für die Beurteilung der Anerkennung der Pensionszusage unerheblich. Im Streitfall gehe es nicht um die Angemessenheit des Gesellschafter-Geschäftsführergehaltes.

8

Die Klägerin beantragt.

unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 7. Oktober 1993 den Körperschaftsteuerbescheid 1991 vom 15. März 1993 zu ändern und vom Ansatz einer vGA in Höhe von 106.593 DM abzusehen.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor, die an den Gesellschafter-Geschäftsführer S. erteilte Pensionszusage erfülle die Voraussetzung einer vGA. Von einer ernsthaften, einem Fremdvergleich standhaltenden Pensionszusage könne nicht ausgegangen werden, da das Merkmal der betrieblichen Veranlassung in Folge mangelnder Ernsthaftigkeit und Angemessenheit der Zusage nicht erfüllt sei. Eine ernsthafte Zusage setze voraus, daß die zusagende Gesellschaft bei Eintritt des Versorgungsfalles den Pensionsanspruch auch wirtschaftlich erfüllen könne. Daran fehle es vorliegend. Die Klägerin verfüge über Aktivposten von lediglich 2 Mio. DM, denen Verbindlichkeiten von ca. 1,6 Mio. DM gegenüber stünden. Bei einem Pensionszuführungsbedarf von ca. 780.000 DM seien daher keine ausreichenden Betriebsmittel zur Abdeckung des Versorgungsfalles vorhanden. Zudem seien die Gewinne 1989 bis 1991 voll ausgeschüttet worden.

11

Die gewährte Pensionszusage sei auch nicht angemessen. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer müsse dafür Sorge tragen, daß der Gesellschaft ein angemessener Teil des erwirtschafteten Gewinns verbleibe. Dies sei jedenfalls für die Jahre 1990 und 1991 nicht beachtet worden, denn die Klägerin habe nur einen Gewinn für 1990 in Höhe von 4.694 DM und für 1991 in Höhe von 6.422 DM ausgewiesen. Demgegenüber sei das Geschäftsführergehalt im Zeitraum 1989 bis 1991, von monatlich 16.400 DM auf monatlich 26.500 DM angehoben worden.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist unbegründet. Die Gewährung der Pensionszusage an den Gesellschafter-Geschäftsführer ist eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßte vGA.

13

Eine vGA gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß beruht. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt in der Regel vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt hätte. Entscheidend ist damit, ob die Leistung aus betrieblichen Gründen oder mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt wird, wobei die Zweckrichtung nur anhand äußerer Merkmale festgestellt werden kann (BFH-Urteile vom 23. März 1984, I R 294/81, BStBl II 1984, 673, vom 20. Mai 1992, I R 2/91, BFH/NV 1992, 52, vom 30. September 1992, I R 75/91, BFH/NV 1993, 330).

14

Für Leistungen an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer stellt die Rechtsprechung zusätzliche, vorrangig zu prüfende Anforderungen an die (schuldrechtlichen) Vereinbarungen auf. Diese müssen danach unter anderem klar und eindeutig sein (BFH-Urteil vom 8. September 1993, I R 27/93, BFH/NV 1994, 413).

15

Der zwischen der Klägerin und dem Gesellschafter-Geschäftsführer S. geschlossene Pensionsvertrag vom 1. Dezember 1989 ist seinem Inhalt nach nicht klar und eindeutig. Klar und eindeutig ist eine Vereinbarung dann, wenn sich aus ihrem Inhalt ergibt, ob und in welcher Höhe die vereinbarte Leistung erbracht werden soll (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1987, I R 22/84, BFH/NV 1989, 131 mit weiteren Nachweisen).

16

Daran fehlt es im Streitfall im Hinblick auf die vereinbarte Höhe. Denn im Pensionsvertrag vom 1. Dezember 1989 ist lediglich vereinbart, daß "der Jahresbetrag des Ruhegehaltes ... 35 % der nach § 6 des Dienstvertrages gezahlten Jahresbezüge" beträgt. Daraus ergibt sich nicht welches Jahr bzw. welcher Jahresdurchschnitt der Berechnung der Versorgungsbezüge zugrunde gelegt werden soll. Schon in den Jahren 1989 bis 1991 blieben die Jahresbezüge des S. nicht ständig gleich, sondern änderten sich infolge mehrfacher Erhöhungen der monatlichen Bezüge.

17

Pensionszusagen an Gesellschafter stellen zudem dann vGA dar, wenn sie die Voraussetzungen des § 6 a Einkommensteuergesetz (EStG) nicht erfüllen oder nicht betrieblich veranlaßt sind (BFH-Urteil vom 26. April 1982, VIII R 50/80, BStBl II 1983, 209). Eine betriebliche Veranlassung erfordert u.a. Ernsthaftigkeit und Angemessenheit der Zusage. Eine ernsthafte Vereinbarung setzt voraus, daß die die Pension zusagende Gesellschaft den Pensionsanspruch des Berechtigten auch wirtschaftlich erfüllen kann (BFH-Urteil vom 30. September 1992, I R 75/91, BFH/NV 1993, 330). Stehen Betriebsmittel, die kurzfristig zur Befriedigung plötzlich eintretender Pensionsansprüche eingesetzt werden können, nicht ausreichend zur Verfügung, ist das Risiko eines frühzeitigen Ausfalles durch den Abschluß einer Rückdeckungsversicherung abzusichern (FG Düsseldorf vom 4. Juli 1991, 6 K 324/85, EFG 1992, 38; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. März 1996, 2 K 2069/93, EFG 1996, 832).

18

Im Streitjahr 1991 wie auch in den Vorjahren war - bei ausgeschütteten Gewinnen - die Erfüllung der Pensionszusage bei plötzlichem Eintritt des Versorgungsfalles nicht gewährleistet, gleichwohl war eine Rückdeckungsversicherung von der Klägerin nicht abgeschlossen worden. Legt man für die Berechnung der Pensionshöhe lediglich das dem Geschäftsführer ab den 1. Juni 1991 gezahlte monatliche Grundgehalt in Höhe von 26.500 DM - ohne Sonderzuwendungen und Sachleistungen - zugrunde, ergebe sich eine monatliche Pensionszahlen von 9.275 DM (= 35 v.H. von 26.500 DM) mithin eine jährliche Belastung von 111.300 DM. Angesichts der erzielten Jahresergebnisse für 1989 bis 1991 ist die Zahlung der laufenden Pensionslasten - auch unter Berücksichtigung der möglichen gewinnerhöhenden Auflösung der Rückstellungen - nicht annähernd abgedeckt.

19

Der Hinweis der Klägerin auf die Vorbehaltsklausel (Ziffer 8 des Pensionsvertrages: wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse) ist nicht überzeugend. Denn eine Leistungskürzung ist nicht in das Belieben der Gesellschaft gestellt oder bei Liquiditätsengpässen infolge des eingetretenen Pensionsfalles zulässig, sondern erst und nur dann, wenn die bei Abschluß des Pensionsvertrages maßgebenden wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin sich so wesentlich zu ihrem Nachteil verändert haben, daß eine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Zusage unbillig wäre. Eine Leistungskürzung kann demgemäß nur erfolgen, soweit dies unter Beachtung der objektiven Belange des Pensionsempfängers der Billigkeit entspricht (vgl. BAG, AP, Betr. AVG, § 16 Nr. 5; Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, § 315 Rdnr. 8).

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Der Senat kann die im Aussetzungsbeschluß vom 21. Dezember 1994 (VI 520/93 V) angesprochene Problematik der Angemessenheit der Gesamtvergütung dahingestellt sein lassen, da aus den vorgenannten Gründen bereits eine betriebliche Veranlassung der Pensionszusage auszuschließen ist. Dies gilt im übrigen auch für den sich aus den Gesamtumständen aufdrängenden Aspekt der zu niedrigen verbleibenden Kapitalverzinsung und der Gewinnabsaugung.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wurde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Frage der Erfüllbarkeit einer Pensionszusage höchstrichterlich nicht abschließend geklärt ist und die Rechtsfrage für eine Vielzahl von Besteuerungsverfahren von Bedeutung ist.