Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.12.2017, Az.: 4 LB 51/16

Afgooye; Ashraf; Mogadischu; Shabellaha Hoose; Somalia; subsidiärer Schutz; Süd- und Zentralsomalia

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.12.2017
Aktenzeichen
4 LB 51/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54037
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 30.10.2014 - AZ: 4 A 19/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Kein subsidiärer Schutz für einen Angehörigen der Ashraf aus Afgooye, Region Shabellaha Hoose, Somalia.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer - vom 27. November 2014 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung dagegen, dass sie durch das erstinstanzliche Urteil dazu verpflichtet worden ist, dem Kläger den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

Der Kläger stammt nach eigenen Angaben aus Afgooye, gehört der Volksgruppe der Ashraf an und ist in Somalia verheiratet und Vater dreier Kinder.

Am 8. Dezember 2011 stellte der Kläger einen Asylantrag. In der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gab er an, dass er Somalia am 6. Juni 2011 verlassen habe, sich dann mehrere Monate in Äthiopien aufgehalten habe und schließlich am 1. Dezember mit Hilfe eines Schleusers, der ihm einen belgischen Pass besorgt habe, auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist sei. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 15. Dezember 2011 schilderte der Kläger, dass er in Afgooye mit seiner Familie in einer Mietwohnung gelebt und dort eine Videothek betrieben habe. Zuvor habe er mit Bekleidung gehandelt. Seine wirtschaftliche Situation sei durchschnittlich gewesen. Die Al-Shabaab habe seinen Laden zugemacht und ihm vorgeworfen, dass Hochzeitsvideos, die er gedreht habe, zu europäisch gewesen seien. Mitglieder der Miliz hätten ihn aufgefordert, sich ihnen anzuschließen, und seinen Namen aufgeschrieben. Daraufhin sei er am nächsten Tag ausgereist. In Addis Abeba habe er ein halbes Jahr gelebt. Ein Freund habe ihm für 7.200 Dollar einen Schleuser vermittelt. Das Geld habe aus dem Verkauf von geerbtem Land gestammt. Er fürchte, bei einer Rückkehr nach Somalia von Al-Shabaab umgebracht zu werden.

Mit Bescheid vom 13. September 2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorlagen.

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben, die er im Wesentlichen folgendermaßen begründet hat: Ihm sei die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, weil er Somalia nach einem Rekrutierungsversuch der Al-Shabaab verlassen habe. Hätte er sich dieser Miliz nicht angeschlossen, dann wäre er zwangsläufig mit dem sicheren Tod bestraft worden. Staatlichen Schutz gebe es in Somalia nicht; als Angehöriger des Stammes der Ashraf sei ihm auch jeglicher sonstige Schutz verwehrt. Dass die Al-Shabaab-Miliz mittlerweile aus seinem Heimatort zurückgedrängt worden sei, habe die Gefahr nicht gebannt; es beständen noch immer bürgerkriegsähnliche Zustände. Außerdem leide er an einer schweren depressiven Episode und einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung. Es drohe eine Retraumatisierung, eine psychologisch-psychiatrische Behandlung sei in Somalia nicht verfügbar und in seinem Fall auch nicht erfolgversprechend. Der Kläger hat im erstinstanzlichen Klageverfahren einen Bericht eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 12. Juli 2013 vorgelegt, der eine reaktive psychische Störung mit depressiven und posttraumatischen Symptomen diagnostiziert. Des Weiteren hat er einen „Bericht aus laufender Psychotherapie“ desselben Facharztes vom 21. Juli 2014 vorgelegt, in dem ihm eine deutliche Stabilisierung seiner Psyche bescheinigt wurde und weitere Therapiestunden beantragt wurden. Eine nachhaltige Stabilisierung habe nicht erreicht werden können, weil seine Störung tiefgreifend sei, seine Frau und Kinder weiterhin verschwunden seien und sich sein Asylverfahren zermürbend lange hinziehe. In der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2014 hat der Kläger angegeben, dass er Somalia einerseits wegen seines Stammes und andererseits wegen religiös motivierter Bedrohungen verlassen habe. Er sei bereits in seiner Kindheit immer von anderen Stämmen unterdrückt worden. In seinem Videoladen sei er von Männern mit Kopftüchern bedroht, gefesselt und misshandelt worden. Sein Laden sei verwüstet und er in eine große Halle gebracht worden. Er habe zusichern müssen, gegen die Ungläubigen zu kämpfen. Er und seine Frau seien dann weggegangen.

Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung seine Klage hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigter und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zurückgenommen hatte, hat er noch beantragt,

die Ziffern 3. und 4. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. September 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz zu gewähren,

hilfsweise

die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass hinsichtlich des Klägers Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz vorliegen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, dass Rekrutierungsversuche durch Angehörige der Al-Shabaab keine individuelle Verfolgung darstellten. Hinsichtlich des vorgetragen innerstaatlichen Konfliktes verweise sie auf ihren Bescheid vom 13. September 2012.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit der Kläger die Klage hinsichtlich der begehrten Anerkennung als Asylberechtigter und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zurückgenommen hat. Im Übrigen hat es die Ziffern 3. und 4. des angegriffenen Bescheides aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht habe, dass er in seinem Herkunftsland Somalia infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit ausgesetzt sei. In Süd- und Zentralsomalia herrsche auch nach Antritt der neuen Regierung im Herbst 2012 ein weiter andauernder Bürgerkrieg; die Zustände seien im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte und die humanitäre Lage desaströs. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger aus Afgooye komme und dort auch gelebt habe. Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln ergebe sich, dass in Zentral- und Südsomalia ein derart hoher Gefahrengrad bestehe, dass jede dort anwesende Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG (heute: § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG) ausgesetzt sei. Dies gelte auch für die von der Zentralregierung überwiegend kontrollierte Hauptstadt Mogadischu und ebenso für den durch Truppen der AMISOM zurückeroberten Afgooye-Korridor zwischen der Hauptstadt und Afgooye. Die Verhältnisse in Puntland und Somaliland seien zwar besser, diese Regionen böten aufgrund des Clansystems aber keine erreichbare innerstaatliche Fluchtalternative für den Kläger. Im Jahr 2012 seien allein in Mogadischu mindestens 160 Zivilisten durch Kampfhandlungen getötet und mindestens 6.700 verletzt worden. Seit 2007 habe es der Praxis der Beklagten entsprochen, Antragstellern aus Somalia zumindest Abschiebungsschutz wegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes oder drohender Menschenrechtsverletzungen zu gewähren. Eine quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei insoweit nicht erfolgt. Dies sei mangels Zahlenmaterial auch gar nicht möglich gewesen. Die nunmehr vorliegenden Erkenntnismittel führten nicht zu einer anderen Beurteilung der Lage. Es fehle noch immer an belastbarem Zahlenmaterial. Auch habe sich die vom EGMR im Jahr 2013 angenommene positive Entwicklung weder bestätigt noch fortgesetzt. Vielmehr habe sich die Gefahrenlage seit dem Jahr 2011 nicht wesentlich verbessert.

Gegen dieses Urteil hat der Senat auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 22. Februar 2016 (- 4 LA 27/15 -) die Berufung wegen Divergenz zugelassen.

Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor, dass das Urteil auf einer Abweichung von der übergeordneten Rechtsprechung beruhe und Tatsachen- und Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen seien. Das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass es angesichts der bestehenden Schwierigkeit, belastbare Aussagen zu den Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung zu erhalten, von der Verpflichtung enthoben sei, eine quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorzunehmen. Dies widerspreche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 1. Juli 2013 (- 10 B 4.13 -) und den Urteilen vom 27. April 2010 (- 10 C 4.09 -) und vom 17. November 2010 (- 10 C 13.10 -), das in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem vom bewaffneten Konflikt betroffenen Gebiet fordere. Diese zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung begründete Rechtsprechung gelte auch für den unionsrechtlichen subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Es bestehe ausreichendes Zahlenmaterial für Somalia, um zumindest eine nicht völlig realitätsferne Basis für die erforderliche Risikobewertung zu liefern. Selbst bei einer großzügigen Betrachtungsweise und unter Berücksichtigung einer Dunkelziffer bleibe das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Mogadischu in einem niedrigen Bereich von unter 2 %. Dies sei weit entfernt von dem erforderlichen Grad des „real risk“, der dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspreche. Zwar könne eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer quantitativen Betrachtungsweise eine Wahrscheinlichkeit von weniger als 50 % für dessen Eintritt bestehe. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit sei gegeben, wenn bei einer zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Gefährdung sprechenden Umstände größeres Gewicht besäßen und deswegen die dagegensprechenden Tatsachen überwögen. Allerdings liege die vorliegend quantitativ festgestellte Gefährdungswahrscheinlichkeit von unter 2 % derart weit entfernt von einer an 50 % heranreichenden Schadenswahrscheinlichkeit, dass auch bei wertender Betrachtung keine beachtliche Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei. Sowohl der EGMR als auch weitere Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit seien in Entscheidungen aus den Jahren 2013 und 2014 dementsprechend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für subsidiären Schutz wegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit jeder Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes in Somalia bzw. einzelnen Landesteilen nicht vorlägen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen, soweit ihr stattgegeben wurde.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2017 hat der Kläger Gelegenheit erhalten, seine Fluchtgeschichte und seine persönlichen Umstände zu schildern. Davon hat er Gebrauch gemacht. Es wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Die von dem Senat zugrunde gelegten Erkenntnismittel ergeben sich aus den Listen, die den Beteiligten übersandt worden sind, sowie aus der Sitzungsniederschrift.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Aufgrund der Einverständniserklärung der Beteiligten dufte die Berichterstatterin entscheiden (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 87 a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO); die mündliche Verhandlung durfte auch in Abwesenheit der Beklagten durchgeführt werden (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 102 Abs. 2 VwGO).

Einer Einlegung der Berufung bedurfte es nach ihrer Zulassung durch den Senat gemäß § 78 Abs. 5 Satz 3 AsylG nicht. Die Berufung ist fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden (§ 124 a Abs. 6 und Abs. 3 Sätze 3 bis 5 VwGO). Eine Bezugnahme auf den Zulassungsantrag - wie vorliegend erfolgt - genügt, wenn dieser - wie hier - einen bestimmten Antrag enthält und die im Einzelnen aufzuführenden Berufungsgründe substantiiert und auf den Fall bezogen darlegt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.8.2016 - 1 B 79.16 -, zitiert nach juris).

Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte nach der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, die am 5. Dezember 2017 vor dem erkennenden Gericht stattgefunden hat, zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger den subsidiären Schutz zuzuerkennen. Weil der Kläger auch keinen Anspruch darauf hat, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt werden, und der angegriffene Bescheid der Beklagten daher, soweit er im Berufungsverfahren noch zu überprüfen war, rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO), war das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Ein Anspruch des Klägers auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG ergibt sich nicht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

Ein drohender ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG erfordert stets eine erhebliche individuelle Gefahrendichte. Diese kann nur angenommen werden, wenn dem Schutzsuchenden ein ernsthafter Schaden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dieser Prüfungsmaßstab folgt aus dem Tatbestandsmerkmal „… tatsächlich Gefahr liefe …“ in Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2011/95/EU (vormals Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG). Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser stellt bei einer Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 -, BVerwGE 136, 377 Rn.18 ff., Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, NVwZ 2012, 454 Rn. 20, jeweils mit Verweis auf EGMR, Urt. v. 28.2.2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien -, NVwZ 2008, 1330).

Für alle Anträge auf internationalen Schutz, worunter der hier begehrte subsidiäre Schutz im Sinne des § 4 AsylG fällt (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG), gilt die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, bei Rückkehr einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt aber auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrundeliegende Wiederholungsvermutung beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (BVerwG, Urt. v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360 Rn 31, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 Rn 21).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia ein ernsthafter Schaden im Sinne einer der Varianten des § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG droht.

Seinen Angaben zu Folge stammt der Kläger aus Afgooye in der Region Unter-Shabelle bzw. Shabellaha Hoose und gehört der Volkgruppe der Ashraf an. Diese Angaben legt das erkennende Gericht seiner Prüfung zugrunde.

Unabhängig davon, ob im Juni 2011, dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger Somalia verlassen haben will, möglicherweise eine Ausgangssituation bestand, aufgrund derer ihm wegen eines besonders hohen, allgemeinen Gefährdungsrisikos ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG gedroht hat, ist davon zum nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht mehr auszugehen, so dass die tatsächliche Vermutung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU widerlegt ist.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG gilt als ernsthafter Schaden eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Die Schutzgewährung greift auch dann ein, wenn sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt nur auf einen Teil des Staatsgebietes erstreckt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198 Rn. 25, Urt. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 -, BVerwGE 146, 12 Rn. 13). Besteht ein bewaffneter Konflikt mit einem solchen Gefahrengrad nicht landesweit, ist für die anzustellende Gefahrenprognose auf den Zielort der Abschiebung abzustellen. Dabei kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer seinem subjektiven Blickwinkel nach strebt. Vielmehr ist in der Regel auf die Herkunftsregion des Schutzsuchenden abzustellen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Ein Abweichen von dieser Regel kann nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ihm Schutz gewähren soll. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. (BVerwG, Urt. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 -, a.a.O., Rn. 13 f.).

Nach dem Diakité-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (v. 30.1.2014 - C-285/12 -, NVwZ 2014, 573 [EuGH 30.01.2014 - Rs. C-285/12]) zu Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU (vormals 2004/83/EG), dessen Umsetzung § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG dient, liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Das am humanitären Völkerrecht orientierte Begriffsverständnis des innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes, wie es das Bundesverwaltungsgericht vertreten hat (Urt. v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O., Rn. 22 ff.), muss damit als überholt angesehen werden (vgl. BayVGH, Urt. v. 7.4.2016 - 20 B 14.30101 -, zitiert nach juris). Entscheidend für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist bei bewaffneten Auseinandersetzungen das Gefährdungsniveau für den Schutzsuchenden.

Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O., Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, a.a.O., Urt. v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 -, NVwZ-RR 2014, 487), welcher das Gericht folgt, enthält folgende Vorgaben zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.) anzunehmen ist: Es genügt nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 -, a.a.O., Rn. 24). Allerdings kann sich eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erfüllen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O., Rn. 34). Für die individuelle Betroffenheit bedarf es einer Feststellung zur Gefahrendichte, die jedenfalls auch eine annährungsweise quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos umfasst. Erforderlich ist eine Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (BVerwG, Urt. v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O., Rn. 33). Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden (BVerwG, Urt. v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O., Rn. 33, Urt. v. 17.11.2010 - 10 C 13.10 -, a.a.O., Rn. 18). Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des Begriffs der ernsthaften individuellen Bedrohung in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU (vormals 2004/83/EG) im Elgafaji-Urteil (EuGH, Urt. v. 17.2.2009 - C-465/07 -, zitiert nach juris) gibt keinen Anlass, den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Prüfungsmaßstab aufzugeben.

Es ist das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG in dem vom Kläger angegebenen Herkunftsort Afgooye zu prüfen.

Für die Provinz Shabellaha Hoose, deren Bezirkshauptstadt Afgooye ist, ist ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt anzunehmen.

In den Worten des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs stellt sich die allgemeine Situation in Somalia nach den auch in dieses Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln aktuell im Wesentlichen wie folgt dar (BayVGH, Urt. v. 23.3.2017 - 20 B 15.30110 -, zitiert nach juris):

„Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen Al-Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- bzw. Zentralsomalia mit der Hauptstadt Mogadischu kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al-Shabaab-Miliz. Die Gebiete befinden sich teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al-Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon seit längerer Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al-Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al-Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1. Januar 2017 – Stand: November 2016, S. 4 f.; Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia – vom 25. April 2016, S. 13 ff. und Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 12. Oktober 2015, S. 32; siehe auch EGMR, U.v. 10.9.2015 – Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] – NVwZ 2016, 1785; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] – Rn. 87 ff.; BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris und U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29).“

In der Provinz Shabellaha Hoose, die zu dem von gewaltsamen Auseinandersetzungen besonders betroffenen Landesteil Süd- und Zentralsomalia gehört, ist die Al-Shabaab auch nach der Befreiung von Afgooye durch somalische Truppen mit Unterstützung der AMISOM im Mai 2012 weiterhin präsent. Zudem ist die Region traditionell von Clankonflikten geprägt, die sich an der Verteilung der dort vorhandenen Ressourcen entzünden. Die Grenze zwischen Clan-Milizen und den somalischen Sicherheitskräften (SNA) ist verschwommen. In Afgooye verfügen die Truppen der AMISOM über einen ständig mit 250-800 Mann besetzten Stützpunkt, welcher die Stadt vor einer erneuten Eroberung durch die Al-Shabaab-Miliz schützt, aber dennoch Angriffen ausgesetzt ist (Sicherheitslage in Somalia - Bericht zur österreichisch-schweizerischen Fact Finding Mission, August 2017, S. 67 f.; European Asylum Support Office [EASO], Somalia Security Situation, Februar 2016, S. 48 f.; Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia, 25.4.2016, S. 25 f.).

Aus diesem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt folgt aber nicht, dass zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt eine erhebliche individuelle Gefahrendichte vorliegt, die dazu führt, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr in seine Heimatregion mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG drohen würde.

Die quantitative Ermittlung des Verletzungs- und Tötungsrisikos ergibt auf der Grundlage der verfügbaren Auskünfte folgendes Bild: Für die Heimatregion des Klägers Shabellaha Hoose ist schätzungsweise von einer Gesamtbevölkerung von ca. 1.325.000 Menschen auszugehen. Diese Zahl fußt maßgeblich auf der Schätzung des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) für Somalia, die auf Erhebungen der Somalischen Behörden im Zeitraum Oktober 2013 bis März 2014 beruht. Danach beträgt die Bevölkerung für die Unter-Shabelle-Region 1.202.219 Menschen (UNFPA, Population Estimation Survey 2014, Oktober 2014, S. 110 f.). Bei einem geschätzten Bevölkerungswachstum von 2,8 % im Jahr (UNFPA, a.a.O., S. 44), ergibt sich davon ausgehend drei Jahre später die Anzahl von ca. 1.305.000 Menschen. Zählt man noch ca. 20.000 Binnenflüchtlinge dazu, die vor der in den nördlich von Shabellaha Hoose gelegenen Regionen herrschenden Dürre geflohen sind (OCHA, Somalia: Humanitarian Snapshot, 6.7.2017), ergibt sich eine Gesamtzahl für die Heimatregion des Klägers von rund 1.325.000 Menschen, wobei ein knappes Viertel der Bevölkerung auf den städtischen Bereich entfällt, über die Hälfte der Einwohner ländlich lebt und der Rest sich auf Nomaden und Binnenvertriebene verteilt (UNFPA, a.a.O., S. 104 ff.). Dieser Gesamtzahl ist zunächst die Zahl der bekannten Todesfälle aufgrund von Konfliktvorfällen für diese Region gegenüberzustellen. Für das erste Quartal 2017 wurden 202 und für das zweite Quartal 2017 wurden 320 Todesfälle berichtet (Austrian Center for Country of Origin & Asylum Research Documentation [ACCORD], Somalia 1. und 2. Quartal 2017: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project [ACLED]). Hochgerechnet auf das gesamte Jahr 2017 sind damit 1.044 Todesfälle zu erwarten. Für das Jahr 2016 wurden ausweislich der ACLED-Auskünfte 1.045 Todesfälle in der Region Shabellaha Hoose berichtet. Damit ergibt sich gemessen an der ermittelten Bevölkerung eine Wahrscheinlichkeit von rund 0,079 % Prozent (ca. 1:1250), durch einen Konfliktvorfall ums Leben zu kommen. Zahlen über Verletzte liegen nicht vor. Bei der Bewertung dieser Zahlen ist einerseits zu berücksichtigen, dass die ACLED-Auskünfte sich nicht auf getötete Zivilpersonen beschränken, sondern Tote bei Konfliktvorfällen insgesamt erfassen. Schätzungsweise mehr als die Hälfte der angegebenen Toten dürften daher Soldaten und Kämpfer und nicht Zivilisten sein. Diese Schätzung beruht auf der Kategorisierung der Konfliktvorfälle durch ACLED. Danach wird im Wesentlichen unterschieden zwischen Kämpfen, Gewalt gegen Zivilpersonen, Fernangriffen, Ausschreitungen und strategischen Entwicklungen. Es ist davon auszugehen, dass in der Kategorien Kämpfe deutlich mehr Soldaten bzw. Kämpfer betroffen sind als Zivilisten. Diese Kategorie macht regelmäßig mehr als die Hälfte der in den ACLED-Auskünften angegebenen Toten aus. Andererseits muss davon ausgegangen werden, dass gerade bei getöteten Zivilpersonen im ländlichen Bereich Südsomalias und vor allem in Gebieten, die - wie weite Teile des ländlichen Bereichs von Unter-Shabelle - von der Al-Shabaab kontrolliert werden, eine erhebliche Dunkelziffer besteht (Sicherheitslage in Somalia - Bericht zur österreichisch-schweizerischen Fact Finding Mission, August 2017, S. 111). Daher geht das Gericht davon aus, dass die aufgrund der ACLED-Auskünfte ermittelte Tötungsquote nur eine höchst annäherungsweise Abbildung des Risikos darstellt, als Teil der Zivilbevölkerung Opfer willkürlicher Gewalt in der Heimatregion des Klägers zu werden.

Selbst bei großzügiger Betrachtungsweise und bei der vom Bundesverwaltungsgericht geforderten wertenden Gesamtbetrachtung, zu der auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet gehört (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, a.a.O., Rn. 23), sieht das erkennende Gericht auf der Grundlage der verfügbaren Zahlen die Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, dass jede der im Konfliktgebiet anwesenden Zivilpersonen allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erleiden würde, noch nicht als überschritten an. Denn das erforderliche besonders hohe Niveau willkürlicher Gewalt wird nicht erreicht. Das erkennende Gericht legt angesichts der anzunehmenden Dunkelziffer speziell im ländlichen Bereich Südsomalias die ermittelte Tötungsquote von 0,079 % ohne den an sich vorzunehmenden, substantiellen Abzug von getöteten Soldaten und Kämpfern zugrunde. Auch bei Berücksichtigung einer erheblichen Anzahl zusätzlicher Verletzter und einer äußerst mangelhaften medizinischen Versorgungslage (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1.1.2017, Stand: November 2016, S. 16; Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia, 25.4.2016, S. 93) bleibt die individuelle Gefährdungsquote immer noch deutlich unter 1 %. Damit ist zwar durchaus ein spürbares, aber eben noch nicht ein besonders hohes Gefährdungsrisiko gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass für den städtischen Bereich in Afgooye von deutlich höheren Tötungs- und Verletzungszahlen ausgegangen werden müsste, bestehen nicht.

Die verfügbaren aktuellen Informationen zur Lage in Afgooye führen nicht zu einer anderen Einschätzung des allgemeinen Gefährdungsrisikos. Zwar gilt die Situation in der Unter-Shabelle-Region wegen der besonderen Gemengelage von rivalisierenden Clans und der ständigen Präsenz von Al-Shabaab einerseits und Truppen der AMISOM andererseits als besonders von Gewalt betroffen (EASO, Somalia Security Situation, Februar 2016, S. 48 ff.; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation - Somalia Sicherheitslage, 25.7.2013, S. 25). Allerdings wird die Sicherheitslage für die allgemeine Bevölkerung von Afgooye als friedlich und stabil eingeschätzt (Observatory of Conflict an Violence Prevention, Afgooye - District Conflict and Security Assesment Report, September 2015). Die relativ hohe und konstante Mordrate in Afgooye ist auch durch die dort schwelenden Clankonflikte zu erklären (Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation - Somalia Sicherheitslage, 25.7.2013, S. 25 f.). Angesichts der AMISOM-Präsenz in Afgooye ist nicht davon auszugehen, dass Al-Shabaab gegenwärtig in der Lage ist, Afgooye zurückzuerobern (Sicherheitslage in Somalia - Bericht zur österreichisch-schweizerischen Fact Finding Mission, August 2017, S. 68).

Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers, die angesichts der allgemeinen Gefährdungslage bei einer Rückkehr in seinen Heimatort zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung seiner Person führen würden, vermag das Gericht nicht zu erkennen.

Seine gewaltsame Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab-Miliz ist sehr unwahrscheinlich. Denn solche Zwangsrekrutierungen entsprechen nicht dem modus operandi der Al-Shabaab; dementsprechend sind aus jüngerer Zeit keine oder kaum Meldungen über solche Rekrutierungen bekannt (Sicherheitslage in Somalia - Bericht zur österreichisch-schweizerischen Fact Finding Mission, August 2017, S. 49 f.).

Dass der Kläger in seiner Anhörung behauptet hat, bereits von der Al-Shabaab zwangsrekrutiert worden zu sein, führt zu keiner anderen Bewertung seines individuellen Gefährdungsrisikos. Denn seine Angaben zu den Umständen seiner Flucht sind insgesamt unglaubhaft. Sein Bericht dieser Geschehnisse ist detailarm und wenig plausibel. Seinen Geschäftsbetrieb und die Gründe für die Erstürmung seines Ladens hat er in wesentlichen Punkten unterschiedlich geschildert. So hat er beim Bundesamt angegeben, dass die Al-Shabaab ihm den Dreh von zu europäischen Hochzeitvideos vorgeworfen habe, und geschildert, dass er auch ein Freiluftkino betrieben habe. In der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2017 hat er auf ausdrückliche Nachfrage seines Prozessbevollmächtigten hingegen angegeben, mit Musik, Musikanlagen und Partybedarf bzw. Getränken gehandelt zu haben und weitere Tätigkeiten verneint. Auch war seine Begründung dafür, dass er in das Visier der Al-Shabaab geraten sei, zunehmend allgemein gehalten. Seine Schilderung der Mitnahme durch Mitglieder der Al-Shabaab in der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2017 vor dem erkennenden Gericht weicht von der Schilderung vor dem Verwaltungsgericht ab. So hat er dort angegeben, dass drei Männer in den Laden gekommen seien und drei vor der Tür geblieben seien. Vor dem erkennenden Gericht war hingegen von sechs Männern die Rede, die in seinen Laden gekommen seien und ihn verbal bedroht hätten. Nicht plausibel ist die vom Kläger geschilderte Freilassung und die Einräumung einer Bedenkzeit durch die Al-Shabaab. Auch ist es nicht glaubhaft, dass es ihm angesichts der von ihm geltend gemachten Bedrohungslage und des von ihm behaupteten Ausmaßes der Vernetzung der Al-Shabaab ohne Weiteres gelungen ist, Afgooye ungehindert Richtung Beledweyne zu verlassen. Widersprüchlich sind seine Schilderungen zur weiteren Flucht. In der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2017 war der Kläger auf gezielte Nachfrage nicht in der Lage, den Zeitablauf überzeugend zu schildern. So will er einerseits am Tag nach dem Angriff auf seinen Laden, also am 6. Juni 2011, aus Somalia ausgereist sein, andererseits hat er aber angegeben, dass sein Kontakt nach Äthiopien Ende Juni von der somalischen Stadt Beledweyne aus hergestellt worden sei. Diesen Widerspruch konnte der Kläger nicht auflösen. Auch hat er in der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2017 angegeben, dass er zuvor keine Kontakte nach Äthiopien gehabt habe. Gegenüber dem Bundesamt hat er hingegen erzählt, dass ein in Addis Abeba lebender Freund ihm den Kontakt zu einem Schleuser vermittelt habe. Da seine Fluchtgeschichte aufgrund der geschilderten Widersprüche und Ungereimtheiten insgesamt unglaubhaft ist, kann sie zur Begründung gefahrerhöhender individueller Umstände nicht zugrunde gelegt werden.

Das erkennende Gericht sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aufgrund seiner somalischen Vergangenheit oder seines Aufenthaltes in Deutschland verstärkt in das Visier der Al-Shabaab geraten würde. Insbesondere ist - wie soeben ausgeführt - nicht davon auszugehen, dass er vor seiner Ausreise bereits in das Visier der Al-Shabaab geraten ist und deshalb bei einer Rückkehr besonders gefährdet wäre. Allein die Tatsache, dass der Kläger aus dem Ausland nach Somalia zurückkehren würde, bewirkt ebenfalls keine signifikante Erhöhung seines individuellen Gefährdungsrisikos. Der Kläger gehört nicht zum Kreis derjenigen Personen, die aufgrund ihres Berufs oder ihrer prominenten öffentlichen Stellung im Fokus der Al-Shabaab stehen (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note - Somalia [South and Central]: Fear of Al-Shabaab, July 2017). Es ist davon auszugehen, dass im Falle der Rückkehr, sofern überhaupt eine Kontrolle durch die Al-Shabaab stattfände, letztlich sein Verhalten und seine familiären Verbindungen entscheidend dafür wären, ob er in Schwierigkeiten geraten würde (vgl. Danish Immigration Service, South and Central Somalia - Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups, März 2017, S. 24; Landinfo, Report Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in Southern Somalia, 4.4.2016, S. 10). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sein Verhalten nicht anpassen könnte oder aufgrund seiner familiären Verbindungen zu einer Zielperson der Al-Shabaab werden würde, liegen nicht vor.

Die von ihm geschilderte Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Ashraf wirkt sich ebenfalls nicht in beachtlicher Weise gefahrerhöhend aus. Zu den Ashraf gehören schätzungsweise 0,5 % der somalischen Bevölkerung. Es handelt sich um Nachkommen arabischer Immigranten, die nach eigenem Verständnis direkt vom Propheten Mohammed, genauer seinen Enkelsöhnen Hussein oder Hassan, abstammen. Im ländlichen Bereich schließen die Ashraf sich üblicherweise einem größeren Clan als Schutzmacht an, im städtischen Bereich gehören sie zu den Minderheiten. Wegen ihres Minderheitenstatus sind die Ashraf einerseits schutzloser als die Angehörigen der Mehrheitsclans. Andererseits genießen sie wegen ihres besonderen religiösen Status und ihres häufig überdurchschnittlichen Bildungsgrades Ansehen. Ihre religiöse Ausprägung lässt sie allerdings negativ bei islamistischen Gruppen wie der Al-Shabaab auffallen, weil diese den religiösen Status der Ashraf nicht anerkennen (Österreichisches Bundesasylamt, Somalia: Die Ashraf - Herkunft, Status, aktuelle Lage, 21.12.2009; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Minderheiten in Somalia, Juli 2010, S. 9 f.). Auch wenn es damit nicht ausgeschlossen scheint, dass die Zugehörigkeit zu den Ashraf in Einzelfällen eine signifikante Gefahrerhöhung begründen kann, etwa bei einer Rückkehr in Gebiete, die unter der Herrschaft der Al-Shabaab stehen, ist vorliegend nicht von einer solchen Gefahrerhöhung auszugehen. Denn der Kläger würde in die Stadt Afgooye zurückkehren, die nicht von der Al-Shabaab beherrscht wird. Im Übrigen hat er auch nicht angegeben, dass seine spezielle Art der Religionsausübung zu Anfeindungen geführt hat. Vielmehr hat er allgemein die Unterdrückung durch Mehrheitsclans beklagt, aus denen sich seinen Angaben zufolge auch die Al-Shabaab überwiegend rekrutiert. Die Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan führt aber für sich gesehen nicht zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, sondern allenfalls zu einer allgemeinen gesellschaftlichen Benachteiligung in der somalischen Gesellschaft.

Weil aufgrund der verfügbaren Erkenntnisse und der Angaben des Klägers im Laufe des Verfahrens und der letzten mündlichen Verhandlung keine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts festgestellt werden kann, ist ein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG abzulehnen. Daher kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob er in einem anderen Landesteil internen Schutz im Sinne des § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3 e AsylG fände.

Der Kläger ist auch nicht deshalb subsidiär schutzberechtigt, weil ihm für den Fall seiner Rückkehr nach Somalia Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohen würde.

Diese Vorschrift setzt Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU (vordem 2004/83/EG) um und orientiert sich an Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685). Damit ist auch die Rechtsprechung des EGMR zu beachten. Danach haben die Staaten vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst, das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Ausländern zu regeln (EGMR, Urt. v. 28.5.1985 - Nr. 15/1983/71/107-109, Abdulaziz u.a./Vereinigtes Königreich - NJW 1986, 3007; BVerwG, Beschl. v. 25.10.2012 - 10 B 16.12 -, zitiert nach juris Rn. 8 m.w.N.). Die Verantwortlichkeit eines Konventionsstaates nach der Konvention kann dann begründet werden, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (BVerwG, Urt. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 -, a.a.O., Rn. 23 unter Verweis auf EGMR, Urt. v. 7.7.1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 [BFH 13.03.1990 - IX R 104/85] Rn. 90 f. und Urt. v. 28.2.2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Allerdings bestimmt sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nicht nach einem für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandard einer Behandlung. So können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach der Rechtsprechung des EGMR allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen (BVerwG, BVerwG, Urt. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 -, a.a.O., Rn. 23). Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht allerdings eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern bzw. subsidiären Schutz zuzuerkennen. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind. Einen solchen Ausnahmefall hat der EGMR im Urteil M.S.S./Belgien und Griechenland (v. 21.1.2011 - Nr. 30696/09 -, NVwZ 2011, 413) angenommen, wenn ein vollständig von staatlicher Unterstützung abhängiger Asylbewerber behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in mit der Menschenwürde unvereinbarer Bedürftigkeit und Armut befindet und obwohl das positive Recht des Aufnahmestaates vorsieht, dass bedürftigen Asylbewerbern Unterkunft und angemessene materielle Bedingungen gewährt werden müssen. In Fällen, in denen - wie in Somalia - die schlechten humanitären Bedingungen nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR und ihm folgend das Bundesverwaltungsgericht es in Anlehnung an die im Verfahren M.S.S./Belgien und Griechenland entwickelten Kriterium ebenfalls für geboten, die Fähigkeit eines Schutzsuchenden, seine elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit im Rahmen der Prüfung des Art. 3 EMRK zu berücksichtigen (EGMR, Urt. v. 28.6.2011 - Nr. 8319/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich - NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f.; BVerwG, Urt. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 -, a.a.O., Rn. 25).

Maßgeblich für die Beurteilung, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden, ist die Perspektive des abschiebenden Staates. Bei dieser Prüfung stellt der EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat ab und prüft zunächst, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet. Das gilt auch bei der Beurteilung von Umständen, die nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen, dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK aber dennoch eine Abschiebung des Ausländers verbieten (BVerwG, Urt. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 -, a.a.O., Rn. 26 unter Verweis auf EGMR, Urt. v. 28.6.2011 - Nr. 8319/07, a.a.O., Rn. 265, 301, 309.).

Davon ausgehend ist zunächst die Lage in Mogadishu in Bezug auf den Kläger in den Blick zu nehmen. Denn dieses ist die einzige Stadt in Süd- und Zentralsomalia, in die es einen geordneten Linienflugverkehr aus Europa gibt und die folglich als Zielort für eine Abschiebung in Betracht kommt (Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia, 25.4.2016, S. 97). In der jüngeren Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch deutscher Oberverwaltungsgerichte besteht Einigkeit darüber, dass die Sicherheitslage in Mogadischu mittlerweile ein Stabilitätsniveau erreicht hat, welches eine Bedrohungslage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG und damit auch die Gefahr, deswegen einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden, jedenfalls für Personen ohne besondere gefahrerhöhende Umstände ausschließt (EGMR, Urt. v. 5.9.2013 - Nr. 886/11, K.A.B./Schweden, Rn. 67 ff.; Urt. v. 10.9.2015 - Nr. 4601/14, R.H./Schweden, NVwZ 2016, 1785 Rn. 67 ff.; BayVGH, Urt. v. 28.3.2017 - 20 B 15.30204 -, zitiert nach juris; Urt. v. 23.3.2017 - 20 B 15.30110 -, zitiert nach juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 -, zitiert nach juris). Dieser Beurteilung der Gefahrenlage in Mogadischu schließt sich das Gericht nach Auswertung der verfügbaren Erkenntnismittel an. Im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Somalia des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (v. 25.4.2016, S. 27) wird die Lage wie folgt beschrieben:

„Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 24.2.2016). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (DIS 9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014, EASO 2.2016). Der Rückzug der formalen Präsenz der al Shabaab aus Mogadischu ist dauerhaft. Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Es gibt in Mogadischu keine Clanmilizen und keine Clangewalt (UKUT 3.10.2014; vgl. EGMR 10.9.2015), auch wenn einzelne Clans angeblich noch in der Lage sein sollen, Angriffe führen zu können (EASO 2.2016). In Mogadischu gibt es eine Präsenz von AMISOM, somalischer Armee und Polizei, sowie des Geheimdienstes NISA. Die Stadt ist generell sicher, auch wenn sie von al Shabaab bedroht wird (EASO 2.2016; vgl. DIS 9.2015). Es besteht keine Angst mehr, dass in Mogadischu wieder Bürgerkrieg herrschen könnte. Seit 2011 hat sich die Sicherheitslage in der Stadt sehr verbessert. Die größte Gefahr geht heute von terroristischen Aktivitäten der al Shabaab aus. Die Hauptziele dafür sind die Regierung und die internationale Gemeinde (LI 1.4.2016). Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre (EGMR 10.9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014). Die Stadtbewohner sind normalerweise nur dann betroffen, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind (LI 1.4.2016). Jeder Stadtbürger kann sein eigenes Risiko weiter minimieren, indem er Gebiete oder Einrichtungen meidet, die klar als Ziel der al Shabaab erkennbar sind (UKUT 3.10.2014). EASO listet als angegriffene Ziel von Sprengstoffanschlägen der al Shabaab vor allem Hotels (YSL Hotel, Central Hotel, Maka alMukarama Hotel, Jazeera Palace Hotel, Sahafi Hotel), Restaurants, Regierungseinrichtungen und -Konvois, Stellungen und Stützpunkte von Regierungskräften und AMISOM (EASO 2.2016).“

An dieser Einschätzung der generellen Lage ändern auch die jüngsten Berichte und Meldungen über die Situation in Mogadischu nichts. Der verheerende Terroranschlag am 14. Oktober 2017, welcher der Al-Shabaab zugeschrieben wird, kann nicht als Rückfall in offene bürgerkriegsartige Zustände wie im Jahr 2011 verstanden werden, zumal bis dahin von einer graduellen Verbesserung der Sicherheit in Mogadischu im Jahr 2017 berichtet wurde (International Crisis Group, Crisis Group Africa Briefing: Managing the Disruptive Aftermath of Somalia’s Worst Terror Attack, 20.10.2017). Betroffen von diesem Anschlag waren letztlich die Stadtbewohner, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers dergestalt, dass er einem besonders hohen Risiko ausgesetzt wäre, in Mogadischu Opfer von willkürlicher Gewalt zu werden, sind nicht erkennbar.

Der Kläger wäre bei einer Rückkehr nach Mogadischu auch nicht deswegen einer menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt, weil er auf derart schlechte humanitäre Verhältnisse stieße, dass seine Rückführung im Lichte des im Verfahren M.S.S./Belgien und Griechenland (EGMR, Urt. v. 21.1.2011 - Nr. 30696/09, a.a.O.) entwickelten Prüfungsmaßstabs die Garantien aus Art. 3 EMRK verletzen würde.

Mogadischu wird im ostafrikanischen Raum - trotz aller Gefahren und Armutsrisiken - mittlerweile als „Boomtown“ angesehen (SpiegelOnline, Warlord City - The Business of Fear in Boomtown Mogadishu, 27.10.2017; The Guardian, Three tales of Mogadishu: violence, a booming economy … an now famine, 15.5.2017). Der ökonomische Aufschwung und die Zunahme öffentlicher Verwaltung haben zu einer wachsenden Nachfrage nach gelernten und ungelernten Arbeitskräften geführt; insbesondere auf dem Bau und in der Gastronomie werden mittlerweile vermehrt Gastarbeiter aus Kenia und Bangladesch angeworben. Anders als in anderen Landesteilen Somalias besteht vermehrt Bedarf auch an ungelernten Tagelöhnern (Landinfo, Report Somalia: Relevant social and economic conditions upon return to Mogadishu, 1.4.2016, S. 12 f.). Für Mogadischu wird von einer im landesweiten Vergleich besonders niedrigen Jugendarbeitslosigkeit von 6 % ausgegangen; die Chancen für Auslandsrückkehrer auf dem Arbeitsmarkt werden - abhängig von weiteren Umständen - als relativ günstig eingeschätzt (Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia, 25.4.2016, S. 88, 92 f.).

Allerdings stimmen die aktuellen Berichte darin überein, dass nach Mogadishu zurückkehrende Somalier über familiäre oder Clan-Verbindungen verfügen sollten, um im wirtschaftlichen Leben Fuß zu fassen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Magdeburg v. 2.11.2015 zum Az. 5 A 288/14 MD; Landinfo, Report Somalia: Relevant social and economic conditions upon return to Mogadishu, 1.4.2016, S. 13 f.; Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia, 25.4.2016, S. 87 ff.). Das vom Österreichischen Bundesasylamt herausgegebene Länderinformationsblatt über Somalia (a.a.O., zuletzt geändert am 27. Juni 2017) beschreibt die Situation unter Bezugnahme auf Entscheidungen des United Kingdom Upper Tribunal aus den Jahren 2014 und 2015 wie folgt (S. 93):

„Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr nach Mogadischu zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise aus Mogadischu; die Dauer der Abwesenheit aus der Stadt; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Rimessen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht. Insgesamt liegt es also an der Person selbst zu erklären, warum sie nicht an den durch den Wirtschaftsboom in Mogadischu bestehenden ökonomischen Möglichkeiten teilhaben kann.“

Das erkennende Gericht hält es ebenfalls für überzeugend, diese Aspekte in einer Gesamtschau zu berücksichtigen.

Im Falle des Klägers ergibt sich folgendes Gesamtbild: Obwohl er seinen Angaben zufolge nicht aus Mogadischu stammt, kommt er doch immerhin aus einer Stadt, die dem Großraum Mogadischu zuzurechnen ist. Es ist seinen Angaben in der Anhörung durch die Beklagte am 15. Dezember 2011 zufolge davon auszugehen, dass er über geschäftliche Vernetzung nach Mogadischu verfügt hat, weil er dort von Leuten berichtet hat, die ihm Filmkassetten aus Mogadischu mitgebracht haben. In der Vergangenheit ist der Kläger seinen Angaben zufolge mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen (Bekleidungshandel im Straßenverkauf, später Musikverkauf in einem Laden) selbständig gewesen und war in der Lage, sich auf durchschnittlichem wirtschaftlichem Niveau zu unterhalten. Angesichts des geschilderten Wirtschaftsbooms in Mogadischu ist daher nicht ersichtlich, wieso es dem mit selbständigem Wirtschaften im Großraum Mogadischu bereits erfahrenen Kläger nicht wieder möglich sein sollte, bei einer Rückkehr erneut eine vergleichbare Existenz aufzubauen, zumal das wirtschaftliche Umfeld nunmehr günstiger ist als zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger das Land verlassen haben will. Zudem sind Mitglieder seiner Volksgruppe der Ashraf traditionell in einigen Bezirken von Mogadischu beheimatet (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Minderheiten in Somalia, Juli 2010, S. 9), was ihm die Kontaktaufnahme in Mogadischu erleichtern dürfte. Der Aufbau einer geschäftlichen Existenz dürfte dem Kläger auch ohne Zuwendungen aus dem Ausland wieder möglich sein; über solche dürfte er auch vor seiner Flucht nicht verfügt haben.

Alternativ könnte der Kläger wieder in das nahegelegene Afgooye zurückkehren, um dort beruflich Fuß zu fassen. Es ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass er noch über Kontakte zu Familien- bzw. Clan-Mitgliedern verfügt und an damalige Geschäftsverbindungen anknüpfen könnte. Die Fahrt von Mogadischu nach Afgooye würde für ihn keine Gefährdungslage schaffen, die einen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder Nr. 3 AsylG begründen könnte. Denn es ist weder mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass er eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne vom Art. 3 EMRK erfahren würde, noch ist zu erwarten, dass sein Leben oder seine Unversehrtheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt würden. Die Reisezeit zwischen diesen beiden Städten beträgt 30 bis 60 Minuten mit dem Bus. Gefahren gehen vor allem von Straßensperren („Checkpoints“) aus, die von sämtlichen Konfliktakteuren - Clan-Milizen, staatlichen Truppen und Al-Shabaab - sowie von Banditen errichtet werden; dies gilt auch für die Verbindungsstraße zwischen Mogadischu und Afgooye (EASO, Somalia Security Situation, Februar 2016, S. 49). Regelmäßig geht es bei diesen Sperren um die Generierung von zusätzlichen Einnahmen. Fahrer versuchen, soweit wie möglich auf sichere Routen auszuweichen oder Reisen zeitlich zu verschieben, sofern im Vorwege Informationen über Sperren kursieren. Entscheidend für Reisende, die in solche Sperren geraten, ist es, nicht aufzufallen (Landinfo, Report Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in Southern Somalia, 4.4.2016). Da der Kläger - wie bereits ausgeführt - nicht zu einem individuell besonders gefährdeten und damit in den Augen der Al-Shabaab auffälligen Personenkreis gehört, würde eine Reise von Mogadischu in seine Heimatregion kein für einen Anspruch aus § 4 Abs. 1 AsylG ausreichendes Gefährdungsniveau begründen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG beanspruchen könnte, weil ihm bei einer Rückkehr nach Somalia die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde, sind nicht ersichtlich. Soweit er angegeben hat, dass die Al-Shabaab ihn wegen seiner Flucht bei seiner Rückkehr umbringen würde, hält das Gericht - wie bereits ausgeführt - seine Schilderung nicht für glaubhaft.

Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG besteht nicht. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 EMRK zu Lasten des Klägers ist bei seiner Rückkehr nach Somalia nicht anzunehmen. Es wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht gegeben. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen      oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung können in Somalia bestehende allgemeine Gefahren wegen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (BVerwG, Urt. v. 24.6.2006 - 10 C 43.07 -, a.a.O., Rn. 32). Nur wenn der Kläger bei einer Abschiebung nach Somalia aufgrund der dort herrschenden Lebensbedingungen einer extremen Gefahrenlage mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre, würden es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebieten, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (BVerwG, Urt. v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 -, NVwZ 2012, 451 Rn. 20; vgl. bereits zu § 53 Abs. 6 AuslG Urt. v. 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 [328]). Eine solche extreme Gefahrenlage ist nach den obigen Ausführungen bei einer Abschiebung des Klägers nach Somalia indessen nicht gegeben.

Individuelle Umstände, die eine Gefahrenlage im soeben beschriebenen Sinne begründen würden, sind vorliegend ebenfalls nicht ersichtlich. Dass der Kläger ausweislich der fachärztlichen Berichte vom 12. Juli 2013 und vom 21. Juli 2014 mit einer schweren depressiven Episode sowie einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung diagnostiziert worden ist und deswegen auch Psychotherapie in Anspruch genommen hat, begründet kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Eine solcher Fall ist hier aufgrund der vorliegenden Facharztberichte nicht anzunehmen. Denn es geht aus diesen Berichten bereits nicht hervor, inwiefern sich die diagnostizierten Leiden des Klägers bei einer Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Zudem wurde ihm im Bericht aus laufender Psychotherapie vom 21. Juli 2014 eine deutliche Stabilisierung seiner Psyche bescheinigt. Aktuelle Berichte oder Bescheinigungen in Bezug auf gesundheitliche Probleme hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht vorgelegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.