Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.10.2013, Az.: 12 ME 156/13

Punktlöschende Wirkung eines Fahrerlaubnisverzichts bei einem Stand von 13 Punkten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.10.2013
Aktenzeichen
12 ME 156/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 46793
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:1009.12ME156.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 26.06.2013 - AZ: 1 B 2774/13

Fundstellen

  • DAR 2014, 155-158
  • DÖV 2014, 47
  • NordÖR 2014, 99
  • VRR 2013, 443
  • zfs 2013, 715-718

Amtlicher Leitsatz

Dem Fahrerlaubnisverzicht kommt eine punktelöschende Wirkung jedenfalls dann nicht zu, wenn der Betroffene auf seine Fahrerlaubnis bei einem Stand von 13 Punkten verzichtet. Eine solche Wirkung tritt auch im Fall der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Durchführung einer medizinisch psychologischen Untersuchung jedenfalls dann nicht ein, wenn damit nicht die maßgeblichen Zweifel an der Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen umfassend ausgeräumt werden.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung der ihm im Juli 2010 neu erteilten Fahrerlaubnis.

Dem Antragsteller war im Mai 1999 eine Fahrerlaubnis erstmals erteilt worden. Nach einer Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 29. November 2008 wies das Verkehrszentralregister für den Antragsteller zu diesem Zeitpunkt u.a. folgende Eintragungen auf: Geschwindigkeitsüberschreitung um 22 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften, Tattag 3. September 2007, 1 Punkt; Führen eines Kraftfahrzeugs mit einer BAK von 1,06 Promille, Tattag 18. Januar 2008, 4 Punkte; Führen eines Kraftfahrzeugs mit einer BAK von 0,71 Promille, Tattag 8. Oktober 2008, 4 Punkte. Unter dem 11. Dezember 2008 forderte der Antragsgegner den Antragsteller zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf zur Klärung u.a. der Frage, ob zu erwarten sei, dass Letztgenannter zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Unter dem 16. Dezember 2008 wurde der Antragsteller nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG verwarnt. Nach dem seit dem 14. Januar 2009 rechtskräftigen Bußgeldbescheid des Antragsgegners vom 23. Dezember 2008 hatte der Antragsteller auch am 3. November 2008 ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss (BAK von 0,85 Promille) geführt; dies führte zu einer weiteren Eintragung im Verkehrszentralregister mit 4 Punkten.

Nachdem dem Antragsgegner mitgeteilt worden war, dass der Antragsteller den von ihm für die medizinisch-psychologische Untersuchung zu leistenden Kostenvorschuss nicht eingezahlt habe, und der Antragsgegner ihm empfohlen hatte, einen freiwilligen Verzicht auf die Fahrerlaubnis in Erwägung zu ziehen, verzichtete der Antragsteller unter dem 20. Februar 2009 auf die ihm erteilte Fahrerlaubnis.

Im Januar 2010 beantragte der Antragsteller die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Ausweislich der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 28. Januar 2010 wies das Verkehrszentralregister für den Antragsteller zu diesem Zeitpunkt unverändert die angeführten, mit insgesamt 13 Punkten versehenen Eintragungen auf. Das vom Antragsgegner angeforderte, vom Antragsteller vorgelegte medizinisch-psychologische Gutachten der D. GmbH (Versanddatum 13. April 2010) gelangte zu der Einschätzung, es sei nicht zu erwarten, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde, es lägen jedoch - möglicherweise als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums - Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs u.a. der beantragten Klasse B in Frage stellten. Nachdem der Antragsteller die Fahrerlaubnisprüfung erfolgreich abgelegt hatte, erteilte der Antragsgegner dem Antragsteller am 22. Juli 2010 erneut eine Fahrerlaubnis.

Mit Bescheid vom 3. August 2011 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, an einem besonderen Aufbauseminar teilzunehmen, da für ihn mittlerweile 17 Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen seien, und wies ihn darauf hin, dass die Fahrerlaubnis im Falle der Eintragung von 18 Punkten entzogen werde. Der Antragsteller kam der genannten Aufforderung im August 2011 nach.

Im Januar 2012 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Löschung der bis zu seinem Verzicht auf seine Fahrerlaubnis im Februar 2009 im Verkehrszentralregister eingetragenen 13 Punkte. Dieses Anliegen verfolgt der Antragsteller mit seiner am 23. April 2012 beim Verwaltungsgericht Stade zum Aktenzeichen 1 A 1725/12 erhobenen Klage weiter.

Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt unter dem 25. April 2013 mitgeteilt hatte, das Verkehrszentralregister weise für den Antragsteller zu diesem Zeitpunkt insgesamt 19 Punkte und u.a. die Eintragungen Führen eines Kraftfahrzeugs mit einer BAK von 1,06 Promille, Tattag 18. Januar 2008, 4 Punkte; Führen eines Kraftfahrzeugs mit einer BAK von 0,71 Promille, Tattag 8. Oktober 2008, 4 Punkte; Führen eines Kraftfahrzeugs mit einer BAK von 0,85 Promille, Tattag 3. November 2008, 4 Punkte; Nichteinhaltung des erforderlichen Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug, Tattag 20. Mai 2011, 4 Punkte; Geschwindigkeitsüberschreitung um 29 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften, Tattag 6. April 2012, 3 Punkte, auf, hörte der Antragsgegner den Antragsteller zu der beabsichtigen Entziehung der Fahrerlaubnis an. Mit Bescheid vom 12. Juni 2013 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis unter Hinweis auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den im Tenor bezeichneten Beschluss abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Entscheidung des Antragsgegners, dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu entziehen, sei zu Recht ergangen. Es ergäben sich mehr als 18 Punkte nach dem Punktsystem des § 4 StVG. Der Antragsteller könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Punkte zu löschen seien, die vor seinem Verzicht auf die Fahrerlaubnis in das Verkehrszentralregister eingetragen worden seien. Der Verzicht auf die Fahrerlaubnis führe nach der eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers nicht zu einer Löschung von Punkten nach § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG, einen Verstoß gegen den Grundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG stelle dies nicht dar. Der Umstand, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis im Jahr 2010 neu erteilt worden sei, nachdem er eine medizinisch-psychologische Untersuchung sowie eine erneute Fahrprüfung absolviert hatte, habe auf den Punktestand ebenfalls keinen Einfluss.

II.

Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobene Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Beschwerde vor: Das Verwaltungsgericht habe das Zusammenspiel der §§ 4 Abs. 2 Satz 3 und 2 Abs. 2 Nr. 3 StVG verkannt. Es sei zwar richtig, dass § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG nicht ausdrücklich bestimme, dass auch bei einem freiwilligen Verzicht auf die Fahrerlaubnis die Punkte gelöscht würden, doch auch der Umkehrschluss, dass die Punkte unangetastet blieben, ergebe sich weder aus dieser Vorschrift noch aus anderen Regelungen. In § 2 Abs. 2 Nr. 3 StVG sei ausdrücklich geregelt, dass nur demjenigen eine Fahrerlaubnis erteilt werden dürfe, der zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei. Jemand, der bei mehr als 18 Punkten freiwillig auf seinen Führerschein verzichte, würde diesen nach Ablauf von 6 Monaten zwar zurückerhalten, er müsste ihm jedoch zugleich wieder entzogen werden. Dieses stelle gegenüber demjenigen, dem der Führerschein nach 18 Punkten entzogen wurde, eine nicht mehr hinnehmbare Ungleichbehandlung dar. Vorliegend müsse berücksichtigt werden, dass ihm selbst die Fahrerlaubnis nach bestandener medizinisch-psychologischer Untersuchung und einer erneuten Fahrprüfung wiedererteilt worden sei. Unter diesen Voraussetzungen hätten eine Reihe anderer Verwaltungsgerichte jeweils einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz angenommen und eine Löschung der Punkte angeordnet.

Die dargelegten Gründe, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, geben keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern. Der Senat teilt nach summarischer Prüfung die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der Antragsgegner vorliegend zu Recht die Fahrerlaubnis des Antragstellers auf der Grundlage des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG entzogen hat. Nach der genannten Vorschrift gilt der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn sich 18 oder mehr Punkte ergeben; die Fahrerlaubnisbehörde hat die Fahrerlaubnis zu entziehen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Antragsgegners waren - wie sich im Einzelnen auch aus dem angefochtenen Bescheid vom 12. Juni 2013 ergibt - für den Antragsteller mehr als 18 Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen. Es lagen keine Umstände vor, die - abgesehen von der erfolgten Löschung der mit einem Punkt bewehrten Geschwindigkeitsüberschreitung vom 3. September 2007 - zu einer weiteren Löschung geführt oder gezwungen hätten. Im Einzelnen:

Nach Auffassung des Senats ist durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 2011 (- 3 C 1.10 -, BVerwGE 139, 120, [...]) hinreichend geklärt, dass ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art nicht eine Löschung von Punkten gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG zur Folge hat. Nach der genannten Vorschrift werden, wenn die Fahrerlaubnis entzogen oder eine Sperre (§ 69a Abs. 1 Satz 3 StGB) angeordnet worden ist, die Punkte für die vor dieser Entscheidung begangenen Zuwiderhandlungen gelöscht. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu im angeführten Urteil ([...] Rdn. 10 ff.) ausgeführt:

"Diese Regelung (Anm. hier: § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG) kann weder durch analoge Anwendung noch ... im Wege einer verfassungskonformen Auslegung auf Fälle eines Fahrerlaubnisverzichtes erstreckt werden.

1. Eine Anwendung von § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG scheidet nicht bereits deshalb aus, weil dem Kläger ohne seinen Verzicht die Fahrerlaubnis nicht gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG wegen des Erreichens von mindestens 18 Punkten im Verkehrszentralregister, sondern nach § 11 Abs. 8 FeV wegen Nichtvorlage eines zu Recht angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens entzogen worden wäre. § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG beschränkt schon nach seinem Wortlaut die dort vorgesehene Löschung von Punkten nicht auf "punktsysteminterne" Fahrerlaubnisentziehungen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG. Zusätzlich verdeutlicht die Gesetzesbegründung, dass von der Regelung auch andere als durch den Punktestand bedingte Fahrerlaubnisentziehungen wegen fehlender Fahreignung erfasst werden sollen (BRDrucks 821/96 S. 72).

2. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG auf Verzichtsfälle sind jedoch nicht erfüllt, weil es insoweit an einer nicht beabsichtigten (planwidrigen) Regelungslücke fehlt. Der Gesetzgeber hat, wie auch das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, die Löschung von Punkten in § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG bewusst auf die Fälle einer Entziehung der Fahrerlaubnis sowie einer Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB beschränkt. Dass der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahrberechtigung außerdem auch durch einen Verzicht verlieren kann, hat er dabei nicht übersehen. So heißt es in der Gesetzesbegründung ausdrücklich, dass es zur Löschung der Punkte nur im Fall der Entziehung, nicht aber beim Verzicht auf die Fahrerlaubnis kommt (BRDrucks 821/96 S. 72). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in § 4 StVG einen Verzicht auf die Fahrerlaubnis an anderer Stelle durchaus berücksichtigt und dort - anders als hier - jedenfalls bestimmten Fällen einer Fahrerlaubnisentziehung gleichgestellt. So ist gemäß § 4 Abs. 11 Satz 2 StVG vor der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis die Teilnahme an einem Aufbauseminar nicht nur in den Fällen der Entziehung der Fahrerlaubnis, sondern unter anderem auch dann nachzuweisen, wenn der Betroffene einer solchen Entziehung durch den Verzicht auf die Fahrerlaubnis zuvorgekommen ist.

3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zwingt Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu einer erweiternden verfassungskonformen Auslegung der Löschungsregelung; die vom Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG vorgesehene Differenzierung zwischen einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis und deren Entziehung ist sachlich gerechtfertigt.

Die Fahrerlaubnisentziehung und der Verzicht auf die Fahrerlaubnis sind eigenständige Verlusttatbestände. Während die Fahrerlaubnisentziehung an bestimmte rechtliche Voraussetzungen anknüpft, namentlich an die von der Fahrerlaubnisbehörde oder von einem Strafgericht festgestellte mangelnde Kraftfahreignung des Betroffenen, ist der Verzicht nicht in derselben Weise rechtlich gebunden, sondern hängt allein von der Willensentschließung des Betroffenen ab. Dessen Entscheidung kann von sehr unterschiedlichen Motiven getragen sein; sie können von der eigenen Einsicht in die mangelnde Kraftfahreignung, etwa aus Altersgründen oder wegen gesundheitlicher Mängel, bis hin zu der Absicht reichen, die negativen Folgewirkungen einer Fahrerlaubnisentziehung zu vermeiden. So darf gemäß § 4 Abs. 10 Satz 1 StVG eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung nach Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 erteilt werden; nach § 4 Abs. 10 Satz 3 StVG ist unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens anzuordnen. Eine vorangegangene Fahrerlaubnisentziehung ist auch nach §§ 11, 13 und 14 FeV Grund für Eignungszweifel und damit Anlass für die Anforderung eines Fahreignungsgutachtens vor der Neuerteilung. Mit Blick auf diese über die Fahrerlaubnisentziehung hinauswirkenden Vorgaben für eine Neuerteilung kam es dem Gesetzgeber ersichtlich darauf an, einem "taktisch geschickten" Verzicht des Fahrerlaubnisinhabers auf seine Fahrerlaubnis vorzubeugen (vgl. etwa Bouska/Laeverenz, Fahrerlaubnisrecht, 3. Aufl. 2004, § 4 StVG Rn. 15a). Der Gesetzgeber hat deshalb die Löschung der bisher im Verkehrszentralregister angefallenen Punkte, die das Korrelat für die mit der Fahrerlaubnisentziehung erfolgte Sanktionierung der bisherigen Zuwiderhandlungen bildet, den rechtlich klar abgegrenzten Fällen einer Fahrerlaubnisentziehung vorbehalten. Das ist mit Blick auf seine Typisierungsbefugnis nicht zu beanstanden, zumal die unterschiedliche Behandlung von Verzicht und Entziehung ohnehin dadurch relativiert wird, dass nach § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG nur die Punkte als solche gelöscht werden, die eingetragenen Entscheidungen dagegen solange im Verkehrszentralregister bleiben, bis sie tilgungsreif sind (BRDrucks 821/96 S. 72). Wegen der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen und Motivlagen verpflichtet Art. 3 Abs. 1 GG den Gesetzgeber nicht dazu, hinsichtlich der Motivation des verzichtenden Fahrerlaubnisinhabers und einer daraus möglicherweise resultierenden Missbrauchsgefahr weiter zu differenzieren. Das wäre außerdem unweigerlich mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und Beweisproblemen verbunden, die auch mit der vom Berufungsgericht vorgenommenen Eingrenzung nicht in zufriedenstellender Weise zu bewältigen sind. Erst recht ist der Gesetzgeber durch den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gehalten, die mit einem Verzicht für den Betroffenen verbundenen Vorteile, die neben der Vermeidung einer behördlichen oder strafgerichtlichen Feststellung seiner mangelnden Kraftfahreignung auch in der Ersparnis von Verwaltungsgebühren liegen, noch um die Vorteile zu vermehren, die dem von einer Fahrerlaubnisentziehung Betroffenen jedenfalls in Form einer damit einhergehenden Löschung von Punkten zugute kommen."

Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an. Von dem Antragsteller zur Stützung seiner gegenteiligen Ansicht bemühte Versuche in der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorausgegangenen Rechtsprechung, diese gesetzgeberischen Festlegungen zu korrigieren, sind auch nach Ansicht des Senats (vgl. insoweit Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 4 StVG Rdn. 27) überholt. Ob und inwieweit der Auffassung des VG Düsseldorf in seinem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nachfolgenden Beschluss vom 28. Februar 2013 (- 6 L 297/13 -, VRR 2013, 243, [...]) gefolgt werden kann, ausnahmsweise könne davon ausgegangen werden, einem Verzicht komme ungeachtet der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts analog § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG punktelöschende Wirkung zu, wenn ein Verzicht nach Erreichen der 18 Punkte ausgesprochen werde und der Betroffene der Entziehung der Fahrerlaubnis lediglich zuvorkomme, kann hier offenbleiben. Das VG Düsseldorf hat in dem genannten Beschluss ([...] Rdn. 31 ff.) ausgeführt:

"Die analoge Anwendung von § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG auf den vorliegenden Fall erscheint nicht ausgeschlossen. Dass die Vorschrift ausdrücklich nur die vor dem Verzicht begangenen Verkehrsverstöße erfassen kann, steht ihrer Heranziehung hier nicht entgegen. Die Zuwiderhandlungen, denen die genannten 18 Punkte zugrunde liegen, hat der Antragsteller nämlich allesamt vor Abgabe der Verzichtserklärung am 9. August 2007 begangen.

Nicht entgegen steht ferner die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis nicht zur Löschung von Punkten im Verkehrszentralregister nach § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG führt.

Urteil vom 3. März 2011 - 3 C 1.10 -, BVerwGE 139, 120, [...].

Die Kammer geht davon aus, dass die zitierte Entscheidung lediglich eine isolierte Verzichtserklärung betraf und dieser - mit guten Gründen - keine punktelöschende Wirkung beimaß. Im vorliegenden Fall ist jedoch einzustellen, dass dem Antragsteller nach seinem Verzicht die Fahrerlaubnis unter Beachtung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 10 StVG wiedererteilt wurde (dazu sogleich). Legte man in dieser Fallkonstellation schematisch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde, führte dies zu dem nur schwerlich nachvollziehbaren Ergebnis, dass die Fahrerlaubnisbehörde trotz eines Punktestandes von 18 Punkten eine Fahrerlaubnis (wieder)erteilt hätte, die sie folglich von Gesetzes wegen sofort wieder hätte entziehen müssen.

Auch die bei einem Verzicht denkbare Möglichkeit der Manipulation des Punktsystems, der das Bundesverwaltungsgericht erkennbar entgegenwirken will, erscheint vorliegend ausgeschlossen. Die Gefahr der Manipulation des Punktesystems besteht nämlich nicht, wenn die mangelnde Fahreignung aufgrund des (unstreitigen) Überschreitens der 18-Punkte-Grenze vermutet wird und die Fahrerlaubnis deshalb nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG zwingend zu entziehen wäre. Denn in diesem Fall kommt der Betroffene der Entziehung der Fahrerlaubnis durch den (kostengünstigeren) Verzicht lediglich zuvor."

Hier ist der Sachverhalt ein anderer. Der Antragsteller hat nicht nach einem Erreichen der 18-Punkte-Grenze auf die Fahrerlaubnis verzichtet, sondern zu einem Zeitpunkt, in dem 13 Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen waren. Nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis war ihm diese nicht von Gesetzes wegen sofort wieder zu entziehen. Auch die denkbare Möglichkeit der Manipulation des Punktsystems durch den Verzicht, der das Bundesverwaltungsgericht erkennbar entgegenwirken will, erschien vorliegend nicht als ausgeschlossen.

Nach summarischer Prüfung zwingt auch die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis des Antragstellers nicht zu einer Punktereduzierung. Eine unmittelbare Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG scheitert daran, dass der Fall der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis in der Regelung nicht genannt wird. Eine analoge Anwendung der Vorschrift scheidet ebenfalls aus. Es fehlt an einer vom Gesetzgeber planwidrig hingenommenen Regelungslücke. In seinem Urteil vom 27. September 2012 (- 3 C 33.11 -, NJW 2013, 552, [...], Rdn. 19) hat das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die Ablehnung eines Antrags auf Fahrerlaubniserteilung (während es hier um die Stattgabe eines Antrags auf Fahrerlaubniserteilung geht) ausgeführt:

"Zwar heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG nur, dass es - anders als bei einer Entziehung - bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis nicht zur Löschung von Punkten komme (vgl. BRDrucks 821/96 S. 72). Doch rechtfertigt allein der Umstand, dass dort der Fall der Versagung einer beantragten Fahrerlaubnis nicht ebenfalls erwähnt wird, noch nicht den Schluss, dass insoweit eine nicht beabsichtigte Regelungslücke besteht. Es handelt sich vielmehr um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Das ergibt sich zum einen aus der Gesetzesbegründung selbst. Im ersten Halbsatz des Satzes, auf den sich der Kläger bezieht, wird ausgeführt, dass es zur Löschung der Punkte "nur" im Fall der Entziehung komme; daraus folgt, dass nach der Auffassung des Normgebers die Anwendung dieser Regelung auf andere Sachverhalte als die in § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG genannten Fälle gerade ausgeschlossen sein soll."

Diese Erwägungen gelten hier entsprechend, zumal der Gesetzgeber ausdrückliche Regelungen zu der Behandlung von Eintragungen im Verkehrszentralregister - wie Punkten - bei einer Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach einem Verzicht getroffen hat. So heißt es in § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG, dass bei der Versagung oder Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung, der Anordnung einer Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB oder bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis die Tilgungsfrist erst mit der Erteilung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis beginnt, spätestens jedoch fünf Jahre nach der beschwerenden Entscheidung oder dem Tag des Zugangs der Verzichtserklärung bei der zuständigen Behörde. Das zeigt, dass der Gesetzgeber die Fälle der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach einem Verzicht im Blick hatte.

Im Übrigen erscheint zweifelhaft, ob hier eine Löschung der Punkte im Verkehrszentralregister mit der Zielsetzung des § 4 StVG vereinbar ist. Wie der Gesetzesbegründung (abgedruckt in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 4 StVG Rdn. 1 ff.) zu entnehmen ist, beruht die Entziehung der Fahrerlaubnis, weil der Betreffende 18 Punkte oder mehr erreicht, auf dem Gedanken, dass die weitere Teilnahme derartiger Kraftfahrer am Straßenverkehr für die übrigen Verkehrsteilnehmer eine Gefahr darstellen würde. Bei vielen Mehrfachtätern liege - wie die bisherigen Untersuchungen belegten - die Ursache ihres häufigen Fehlverhaltens und der überdurchschnittlichen Unfallbelastung weniger in der mangelnden Kenntnis der Verkehrsvorschriften und/oder unzureichenden Beherrschung des Fahrzeugs als vielmehr in einer falschen Einstellung zum Straßenverkehr, einer fehlerhaften Selbsteinschätzung und einer erhöhten Risikobereitschaft. Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen in diesem Sinne werden indessen weder durch die erfolgte medizinisch-psychologische Untersuchung noch durch die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ausgeräumt. Das Gutachten der D. GmbH (Versanddatum 13. April 2010) erging lediglich zu den Fragen, ob zu erwarten sei, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde, und/oder als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs in Frage stellten. Das erfolgreiche Ablegen der Fahrerlaubnisprüfung belegt lediglich die notwendige Kenntnis der Verkehrsvorschriften und ein zureichendes Beherrschen des Fahrzeugs. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch etwa von demjenigen, der dem (auch vom VG Düsseldorf herangezogenen) Urteil des VG Berlin vom 17. Februar 2010 (- 20 A 200.07 -, [...]) zugrunde lag.