Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.10.2013, Az.: 13 ME 132/13

Vorliegen lebensmittelrechtlicher Befugnisse gegenüber einem Lebensmittelunternehmer bei lebensmittelrechtlichen Verstößen durch einen Vorlieferanten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.10.2013
Aktenzeichen
13 ME 132/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 48584
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:1028.13ME132.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 26.06.2013 - AZ: 4 B 66/13

Fundstellen

  • LMuR 2014, 76
  • NVwZ 2014, 798-803
  • NordÖR 2014, 187-192
  • ZLR 2014, 218-230

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die lebensmittelrechtlichen Eingriffsbefugnisse setzen eine Identität von rechtswidrig handelndem Verhaltensstörer und Anordnungsadressaten nicht voraus, so dass gegenüber einem Lebensmittelunternehmer in der weiteren Lieferkette auch bei Verstößen eines Vorlieferanten Anordnungen und Maßnahmen getroffen werden können.

  2. 2.

    Anordnungen und Maßnahmen zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit i.S.d. § 39 Abs. 2 Satz 1, 4. Alt. LFGB setzen die (positive) Feststellung der Gesundheitsschädlichkeit des in Rede stehenden Lebensmittels nicht voraus. Eine entsprechende Verfügung kommt im Rindfleischsektor insbesondere in Betracht, wenn unklar bleibt, ob an den Schlachttieren erforderliche BSE Untersuchungen durchgeführt worden sind.

[Gründe]

I.

Die Antragstellerin stellt Suppen, Saucen und Fertiggerichte her, die unter verschiedenen Markennamen im Lebensmitteleinzelhandel vertrieben werden. Sie sucht um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen einen Bescheid des Antragsgegners nach, mit dem ihr gegenüber unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Zwangsgeldandrohung ein Verbot des Inverkehrbringens und ein Rücknahmegebot ausgesprochen worden ist. Der Bescheid bezieht sich auf Erzeugnisse der Antragstellerin, in denen Rindfleisch des niederländischen Zerlegebetriebs B. verarbeitet wurde, das von dort im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 15. Februar 2013 zugeliefert worden war. Der niederländische Zerlegebetrieb war während des "Pferdefleischskandals" auffällig geworden, weil dort offenbar dem als Rindfleisch deklarierten und in verschiedene EU-Mitgliedstaaten vertriebenen Fleisch Pferdefleisch beigemischt worden war. Zudem blieb nach den Ermittlungen der niederländischen Behörden die Herkunft des gesamten Fleischs unklar; Dokumente zur Rückverfolgbarkeit wurden als unzureichend betrachtet. Gegenüber dem niederländischen Zerlegebetrieb wurde deshalb im April 2013 behördlicherseits die gesamte Produktion aus dem in Rede stehenden Zeitraum für den Handel gesperrt und veranlasst, die betreffenden Waren vom Markt zu nehmen. Dies wurde dem Europäischen Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel (RASFF) unter dem 10. und 12. April 2013 (Schnellwarnungs-Nrn. 2013/0519 und 2013/0519-add01) als Informationsmeldung mitgeteilt. Dabei wurde in den Zusatzinformationen der Schnellwarnung deutlich gemacht, dass es sich aus Sicht der Niederlande bei dem Thema "Pferdefleisch" einerseits und "unzureichender Rückverfolgbarkeitsdokumentation" andererseits um zwei Problemfelder handelt. Niederländische Behörden gingen von einem betroffenen Gesamtvolumen von etwa 50.000 Tonnen aus. In den Niederlanden wurden die der Rücknahme unterliegenden Fleischlieferungen als nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (Material der Kategorie 2) beseitigt. Die Antragstellerin bezog in dem in Rede stehenden Zeitraum insgesamt vier Rindfleischlieferungen von dem niederländischen Betrieb (Lieferung vom 11. Juli 2011 "Magerfleisch 90/10", Lieferungen vom 9. August 2011, 26. März 2012 und 4. April 2012 jeweils "Rinderbug"). Dieses Fleisch verarbeitete sie in Dosen- und Glaskonserven (Ochsenschwanzsuppe, Gulaschsuppe, Rinderfond, Kalbsfond), die mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum bis 2015 bzw. 2016 versehen wurden.

Der Antragsgegner verbot der Antragstellerin als Reaktion auf die bekannt gewordenen Vorgänge zunächst mit Bescheid vom 12. April 2013 bis zum Ergebnis einer Nachprobe das Inverkehrbringen aller Produkte, die mit Fleisch des niederländischen Zulieferers hergestellt worden waren. Dabei hatte er zunächst in den Produkten möglicherweise enthaltenes Pferdefleisch im Blick. Die aus Rückstellmustern aller betroffenen Chargen genommen Proben ergaben indessen keine Hinweise auf enthaltenes Pferdefleisch und bescheinigten zudem einen unauffälligen sensorischen Gesamteindruck. Auf Weisung des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 17. April 2013, in der auf Unklarheiten in Bezug auf die Sicherheit des gesamten Fleisches des Zulieferers - nicht nur hinsichtlich des Pferdefleischanteils - abgestellt wurde, erließ der Antragsgegner den hier streitgegenständlichen Bescheid vom 19. April 2013, mit dem (sinngemäß) unter Nr. 1 ein Verbot des Inverkehrbringens und ein Rücknahmegebot bezüglich der betroffenen Erzeugnisse ausgesprochen wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin eine Pflicht zur Rücknahme und zur Unterlassung des Inverkehrbringens derjenigen Erzeugnisse habe, die Fleisch des niederländischen Zulieferers enthielten. Der Ursprung dieses Fleisches habe bislang nicht ermittelt werden können, so dass nicht sicher sei, ob es den Anforderungen der Lebensmittelsicherheit, insbesondere hinsichtlich der Anbringung von Genusstauglichkeits- bzw. Identitätskennzeichen, entspreche. Die Antragstellerin könne nicht nachweisen, dass von den von ihr hergestellten Produkten kein Gesundheitsrisiko für Verbraucher ausgehe.

Gegen den Bescheid hat die Antragstellerin am 24. April 2013 Klage erhoben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 26. Juni 2013 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die einzelnen Anordnungen im Bescheid vom 19. April 2013 wiederhergestellt bzw. angeordnet. Zur Begründung ist ausgeführt worden: Ein Verstoß der Antragstellerin gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften könne nicht festgestellt werden. Es habe für sie weder Kenntnis noch Grund zu der Annahme bestanden, dass ihre Produkte unsicher sein könnten, so dass sie das Inverkehrbringen hätte unterlassen oder ausgelieferte Produkte vom Markt hätte zurücknehmen müssen. Für eine Gesundheitsschädlichkeit oder Verzehrsungeeignetheit seien keine ausreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Die dem Gericht zugänglich gemachten Erkenntnisse des Antragsgegners trügen nicht den "Generalverdacht", die Tierhälften oder Fleischstücke könnten auf der Schlacht- oder Zerlegestufe unter Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Anforderungen bearbeitet oder behandelt worden sein. Die angenommene ungeklärte Herkunft des Fleisches sei dafür zu vage; weder das Ministerium noch der Antragsgegner legten offen, welche konkreten Ermittlungen die weitreichende Aussage zur Unklarheit der Sicherheit des Gesamtfleischs - außerhalb der Täuschungsproblematik, die sich nicht als einschlägig erwiesen habe - tragen könnten. Eine Kontaktaufnahme des Antragsgegners mit den niederländischen Strafverfolgungsbehörden mit dem Ziel, Aufschluss über die Herkunft des Fleisches zu erlangen, sei nicht ersichtlich. Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, inwieweit aus einer (bloßen) mangelnden Rückverfolgbarkeit die Unsicherheit eines Lebensmittels folge, bedürfe keiner Entscheidung. Die Antragstellerin habe nämlich nicht gegen ihre Pflicht zur Ermöglichung der Rückverfolgbarkeit verstoßen, weil sie ihren Lieferanten und ihre gewerblichen Abnehmer habe benennen können. Aus den genannten Gründen seien Verkehrsverbot und Rücknahmegebot auch nicht im Interesse des Gesundheits- oder Verbraucherschutzes angezeigt. Dem Vortrag der Antragstellerin, es habe keine Verbraucherbeschwerden gegeben, sei der Antragsgegner nicht entgegengetreten.

Dagegen richtet sich die wiederum auf Weisung des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eingelegte Beschwerde des Antragsgegners vom 16. Juli 2013.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat - soweit es um die Ausführungen des Beschwerdeführers zu den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts geht -, führt zu einer vom erstinstanzlichen Beschluss abweichenden Entscheidung. Der Aussetzungsantrag der Antragstellerin gegen das unter Nr. 1 des angegriffenen Bescheides und mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehene Verbot des Inverkehrbringens und das Rücknahmegebot ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts abzulehnen. Gleiches gilt für die darauf bezogene Zwangsgeldandrohung unter Nr. 2 des Bescheides. Auch den Hilfsanträgen auf Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung und Feststellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage muss der Erfolg versagt bleiben.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist hinsichtlich des Hauptbegehrens - Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung - und des ersten Hilfsantrags - Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung - statthaft. Für die mit dem zweiten Hilfsantrag begehrte Feststellung, dass die Klage aufschiebende Wirkung hat, wäre nur im Falle der Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung oder der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verfügung unter Nr. 1 des Bescheides Raum. Nur wenn der hier (jedenfalls) durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung bewirkte Wegfall des Suspensiveffekts "beseitigt" wäre, würde sich die Frage stellen, ob der Wegfall des Suspensiveffekts nicht schon aus der gesetzlichen Regelung des § 39 Abs. 7 LFGB folgt, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Anordnungen, die der Durchführung von Verboten nach Art. 14 Abs. 1, 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 dienen, von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung haben. Sowohl eine Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung als auch eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der von der Antragstellerin erhobenen Klage können indessen nach Auffassung des Senats nicht erfolgen.

1.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung unter Nr. 3 des Bescheides ist nicht schon wegen eines Begründungsmangels aufzuheben. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO begegnet insoweit keinen rechtlichen Bedenken. Deren schriftliche Begründung genügt den sich aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebenden Anforderungen. Erforderlich für das Vorliegen einer hinreichenden schriftlichen Begründung im Sinne dieser Bestimmung ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm angegriffenen Verwaltungsakt verschont zu bleiben (Kopp/Schenke: VwGO, 18. Aufl., § 80 Rdnr. 85 m.w.N.). Dem Begründungserfordernis ist demnach nicht erst dann Genüge getan, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung tatsächlich vorliegt; ausreichend ist vielmehr - wie bei der Begründung eines Verwaltungsakts nach § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG -, dass die Behörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitteilt, die sie im konkreten Einzelfall zu der Annahme des Vorliegens eines besonderen Vollzugsinteresses und damit zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben. Das hat der Antragsgegner in der Begründung der Nr. 3 seiner angegriffenen Verfügung getan. Er vertritt die Auffassung, dass das besondere Interesse an einem wirkungsvollen Verbraucherschutz zum Wohle der Volksgesundheit wegen einer nicht ausschließbaren Gesundheitsbeeinträchtigung durch mangelhafte Produkte der Antragstellerin gegeben sei. Wegen der nicht einschätzbaren Gefahr könne die Dauer eines eventuellen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht abgewartet werden. Damit ist der Antragsgegner dem Begründungserfordernis hinreichend gerecht geworden. Ob die Annahmen des Antragsgegners Zustimmung verdienen, ist eine Frage der in materieller Hinsicht vorzunehmenden Interessenabwägung.

2.

In materieller Hinsicht kann das Gericht im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederherstellen, wenn die im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes hinter das Interesse des Adressaten an einem Aufschub des Vollzugs desselben zurücktritt. Im Rahmen der Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs einen entscheidenden Stellenwert. Ergibt sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich keinen Erfolg haben wird, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts. Erweist sich der Rechtsbehelf bei summarischer Überprüfung demgegenüber als offensichtlich erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse des Adressaten des Verwaltungsakts, von dessen Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Stellen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hingegen bei der allein gebotenen summarischen Überprüfung als offen dar, so ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich, bei der in Rechnung zu stellen ist, welche Gründe bei bestehender Unsicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs einerseits für und andererseits gegen eine Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts sprechen.

Diese Interessenabwägung zu der Anordnung unter Nr. 1 des angegriffenen Bescheides geht zu Lasten der Antragstellerin aus; gleiches gilt hinsichtlich der darauf bezogenen Zwangsgeldandrohung. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stellen sich das Verbot des Inverkehrbringens und das Rücknahmegebot nicht als offensichtlich rechtswidrig dar. Vielmehr spricht Überwiegendes für eine Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Jedenfalls geht aber eine über die Betrachtung der Erfolgs-aussichten hinausgehende Abwägung der widerstreitenden Interessen zu Lasten der Antragstellerin aus:

a) Es spricht Überwiegendes dafür, dass das Verbot des Inverkehrbringens und das Rücknahmegebot auf Art. 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. b) und c) VO (EG) Nr. 882/2004 gestützt werden konnten. Diese Regelung sowie die vom Antragsgegner herangezogene Bestimmung des § 39 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. i.V.m. Satz 2 Nrn. 3 und 4  LFGB (vgl. zum Anwendungsvorrang der unionsrechtlichen Bestimmung: § 39 Abs. 2 Satz 3 LFGB; Zipfel/Rathke: Lebensmittelrecht, Stand: März 2013, § 39 LFGB Rdnrn. 10, 21) lassen Anordnungen zur Beseitigung festgestellter Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen zu. Das Verwaltungsgericht hat zwar umfassend und zutreffend begründet, dass eigene Verstöße der Antragstellerin hinsichtlich des in Rede stehenden Zeitraums vom 1. Januar 2011 bis zum 15. Februar 2013 nicht festgestellt werden können. Damit sind die genannten Bestimmungen aber keineswegs sogleich unanwendbar. Eine Identität des Adressaten und des rechtswidrig handelnden Verhaltensstörers setzen die genannten Bestimmungen nicht voraus, so dass Anordnungen auch wegen fremder Verstöße - hier des niederländischen Zulieferbetriebs - möglich sind. Von solchen durfte der Antragsgegner nach der von niederländischen Behörden verfügten Rücknahme voraussichtlich ausgehen. Zugleich dürfte die Anordnung unter Nr. 1 des Bescheides ihre rechtliche Grundlage auch in § 39 Abs. 2 Satz 1, 4. Alt. i.V.m. Satz 2 Nrn. 3 und 4 LFGB finden, wonach Anordnungen und Maßnahmen zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit ermöglicht werden. Im Einzelnen:

aa) Dass die Antragstellerin entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im maßgeblichen Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 15. Februar 2013, in welchem der niederländische Zulieferer in mehrfacher Hinsicht auffällig geworden ist, selbst gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen verstoßen haben soll, hat der Antragsgegner auch mit seinem Beschwerdevorbringen nicht darzulegen vermocht. Der Senat teilt daher die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass aus der subjektiven Sicht der Antragstellerin kein Grund zu der Annahme bestanden habe, dass ihre Produkte unsicher sein könnten, so dass sie bereits von sich aus aufgrund der Art. 14 Abs. 1, 19 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002 das Inverkehrbringen hätte unterlassen und schon ausgelieferte Erzeugnisse vom Markt hätte zurücknehmen müssen. Der Antragsgegner rekurriert für seine gegenteilige Ansicht in der Beschwerdebegründung wiederum lediglich auf die Unklarheiten, die sich in Bezug auf das Gesamtfleisch des niederländischen Zulieferers ergeben hätten. Damit wird aber keineswegs deutlich, dass die Antragstellerin diese Unklarheiten bereits vor Aufkommen des Pferdefleischskandals und der insgesamt unklaren Herkunft der beim niederländischen Zulieferer angelieferten Schlachttierhälften - also auch der Rinderhälften - hätte erkennen können und müssen. Dies wäre aber, wie sich aus Art. 19 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002 deutlich ergibt, erforderlich gewesen, um entsprechende Verpflichtungen der Antragstellerin auszulösen. Von der Antragstellerin kann nicht aufgrund der späteren behördlichen Erkenntnisse verlangt werden, dass sie von selbst schon früher auf Unregelmäßigkeiten beim Zulieferer hätte reagieren müssen, die sowohl ihr als auch sämtlichen Aufsichtsbehörden zunächst verborgen geblieben waren. Deshalb kann ihr als eigener Verstoß auch nicht ohne weiteres angelastet werden, dass sie auf ihre Erzeugnisse Identitätskennzeichen nach Art. 5 VO (EG) Nr. 853/2004 aufgebracht hat. Das Aufbringen der Identitätskennzeichen impliziert als solches keine "garantieartige" Gewähr des Lebensmittelunternehmers dafür, dass auf allen Vorstufen der Produktionskette in jeder Hinsicht lebensmittelrechtlich ordnungsgemäß verfahren wurde. Auch die Annahme eines individuellen Verstoßes der Antragstellerin gegen ihre Verpflichtungen im Rahmen der Rückverfolgbarkeitsvorgaben aus Art. 18 VO (EG) Nr. 178/2002 scheidet aus den vom Verwaltungsgericht zutreffend skizzierten Gründen aus. In Art. 18 Abs. 2 und 3 VO (EG) Nr. 178/2002 beschränken sich die Verpflichtungen des einzelnen Lebensmittelunternehmers auf die Benennung bzw. Dokumentation seiner unmittelbaren Lieferanten und unmittelbaren Abnehmer. Die Regelungen sollen die tatsächliche Rückverfolgung (seitens der Behörden) erst ermöglichen; es besteht hingegen aus diesen allgemeinen Regelungen nicht die Verpflichtung, dass der Unternehmer selbst die komplette Kette aller Beteiligten auf den Verarbeitungsstufen ("from farm to fork") benennen und dokumentieren kann.

bb) Allerdings durfte der Antragsgegner nach Einschätzung des Senats von lebensmittelrechtlichen Verstößen des niederländischen Zulieferers ausgehen, die den Tatbestand des von ihm herangezogenen § 39 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. LFGB bzw. des vorrangig anwendbaren Art. 54 Satz 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 882/2004 erfüllen. Zugleich dürfte die Anordnung auch auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Satz 1, 4. Alt. LFGB - Schutz vor Gesundheitsgefahren - gestützt werden können.

(1) Der Senat hält es bereits für durchaus naheliegend, dass der Antragsgegner ohne weiteres bereits deshalb sowohl von lebensmittelrechtlichen Verstößen des niederländischen Zulieferers als auch von Gesundheitsgefahren ausgehen konnte, weil dies die zuständigen Behörden in den Niederlanden getan und deswegen eine Rücknahme des Gesamtfleischs vom Markt angeordnet haben. Gegenstand der Schnellwarnungen war gerade auch die Mitteilung eines Verstoßes gegen die betriebsindividuellen Verpflichtungen des niederländischen Zulieferers aus Art. 18 Abs. 2 und 3 VO (EG) Nr. 178/2002. Er war hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar 2011 bis zum 15. Februar 2013 gerade nicht in der Lage, die Herkunft der bei ihm angelieferten Schlachttiere zu dokumentieren bzw. durchgängig seine Lieferanten zu benennen. Auch wurde ein mögliches öffentliches Gesundheitsrisiko wegen dieser unzureichenden Rückverfolgbarkeitsdokumentation angenommen. Als Konsequenz wurde schließlich eine Rücknahme der gesamten Produktion aus dem in Rede stehenden Zeitraum angeordnet. Diese Maßnahme der Niederlande muss mithin auf der dortigen Bejahung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 und der Annahme der Verhältnismäßigkeit der Rücknahme beruhen.

Hätte es sich um eine behördliche Anordnung eines anderen deutschen Bundeslandes gegenüber einem dort ansässigen Zerlegebetrieb gehandelt und wären die bei der Antragstellerin angelieferten Fleischstücke noch nicht weiterverarbeitet worden, läge es auf der Hand, dass die Anlieferungen auf den nachfolgenden Handelsstufen sogleich der Rücknahme unterliegen. Die behördlich angeordnete Rücknahme ersetzt die dem Lebensmittelunternehmer an sich selbst obliegende Einleitung von Maßnahmen, um das Lebensmittel von den belieferten Handelsstufen zurückzuerhalten (vgl. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 178/2002). Eine weitere Prüfung und Anordnung gegenüber den Belieferten ist demnach nur dann erforderlich, wenn diese sich weigern, der vom Lebensmittelunternehmer selbst eingeleiteten oder ersatzweise behördlich angeordneten Rücknahme Folge zu leisten. Dabei wäre im Falle einer von einer anderen deutschen Behörde verfügten - und nicht gerichtlich aufgehobenen oder suspendierten - Rücknahme auch ersichtlich nicht zu verlangen, dass für die Anordnung einer solchen Folgemaßnahme gegenüber den Belieferten wiederum eine "Komplettprüfung" vorgenommen wird, bei der die tatsächlichen Annahmen der vorangegangen behördlichen Maßnahme gegenüber dem Lieferanten nochmals von Grund auf in Frage gestellt werden. Es leuchtet nicht ein, warum dies in Fällen anders sein soll, in denen die Lieferkette eine innereuropäische Grenze des gemeinsamen Binnenmarktes überschritten und das angelieferte Fleisch mittlerweile Eingang in die Verarbeitungserzeugnisse des belieferten Lebensmittelunternehmers gefunden hat. Gegen eine solche Betrachtungsweise spricht schon, dass in § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 LFGB mit einer Rücknahme ausdrücklich bezweckt wird, zu verhindern, dass ein Erzeugnis auch durch andere Wirtschaftsbeteiligte weiter in den Verkehr gebracht wird. Zwar enthält die vorrangig anwendbare Regelung des Art. 54 Abs. 2 Buchst. c) VO (EG) Nr. 882/2004 keine entsprechende Formulierung; nach Auffassung des Senats impliziert dies aber bereits der Begriff der Rücknahme selbst. Der Antragsgegner verwendet in diesem Zusammenhang den aus Sicht des Senats durchaus anschaulichen Begriff der infolge der niederländischen Maßnahme resultierenden "Verstrickung" der vom niederländischen Zulieferer ausgelieferten Fleischstücke und letztlich auch der Erzeugnisse, in denen dieses Fleisch verwendet wurde. Für ein solches Verständnis spricht zudem, dass es sich bei der VO (EG) Nr. 882/2004 um eine auf Art. 95 EGV (jetzt: Art. 114 AEUV) beruhende Maßnahme zur Harmonisierung des Binnenmarktes handelt. Es würde zum einen das generell bei Harmonisierungsmaßnahmen zugrunde liegende hohe Schutzniveau in den Bereichen Gesundheit und Verbraucherschutz (Art. 95 Abs. 3 Satz 1 EGV bzw. Art. 114 Abs. 3 Satz 1 AEUV) und zum anderen das in Art. 1 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002 spezifisch lebensmittelrechtlich festgeschriebene Ziel des hohen Schutzniveaus für die Gesundheit des Menschen und die Verbraucherinteressen geradezu konterkarieren, wenn man annehmen wollte, dass die Wirkungen einer von einem Mitgliedstaat für zum Zwecke des Gesundheits- und Verbraucherschutzes erforderlich gehaltenen und deshalb angeordneten Rücknahme an den Grenzen zu einem anderen Mitgliedstaat "Halt machen" würden. Zwar befindet sich die Bestimmung des Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 in einem Verordnungskapitel, dass mit der Überschrift "Nationale Durchsetzungsmaßnahmen" versehen ist. Dies bedeutet aber nicht, dass sich eine behördlich angeordnete Rücknahme stets lediglich auf inländische Abnehmer erstrecken würde. Hätte nämlich der Lebensmittelunternehmer selbst eine Rücknahme eingeleitet, würde sich diese zwangsläufig ebenfalls auf alle belieferten Abnehmer erstrecken.

Legt man dies zugrunde, wäre die gegenüber der Antragstellerin getroffene Anordnung unter Nr. 1 des angegriffenen Bescheides bereits als "Folgemaßnahme" zu der von den Niederlanden bereits zuvor verfügten Rücknahme des Gesamtfleischs vom Markt als zulässig anzusehen.

(2) Selbst, wenn man dieser Argumentation nicht folgen würde, dürften die tatbestandlichen Voraussetzungen sowohl des vom Antragsgegner herangezogenen § 39 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. LFGB bzw. des vorrangig anwendbaren Art. 54 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 882/2004 als auch des § 39 Abs. 2 Satz 1, 4. Alt. LFGB zu bejahen sein.

Hinsichtlich des Aspekts des festzustellenden Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften dürfte es nicht tatbestandliche Voraussetzung sein, dass dieser vom Anordnungsadressaten selbst begangen worden ist. Die genannten Bestimmungen setzen eine Identität von rechtswidrig handelndem Verhaltensstörer und Anordnungsadressaten nicht voraus. Wäre die Behörde auf die Inanspruchnahme des rechtswidrig handelnden - weil unmittelbar gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften verstoßenden - Verhaltensstörers beschränkt, würden die Anordnungsbefugnisse bei einer Vielzahl von Akteuren in der Lebensmittelproduktionskette letztlich leerlaufen. Maßgeblich kann daher nur sein, ob bei dem ausgewählten Adressaten festgestellte Verstöße wirksam beseitigt werden können, wobei es nicht um eine regelmäßig ohnehin unmögliche Rückgängigmachung i. e. S. geht, sondern um eine Beseitigung der Folgen der Verstöße (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rdnr. 21). Der letztlich in Anspruch genommene Adressat wird durch das "Einstehenmüssen" für festgestellte lebensmittelrechtliche Verstöße eines (Vor-)Lieferanten indessen nicht etwa zum "Nichtstörer" im gefahrenabwehrrechtlichen Sinne, sondern ist wegen seiner Aktivitäten in der weiteren Lieferkette selbst Verhaltensstörer. Mithin reicht auf Tatbestandsebene der - hier wohl unstreitig zu bejahende - Verstoß des niederländischen Zulieferers gegen dessen Verpflichtungen zur Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit gemäß Art. 18 Abs. 2 und 3 VO (EG) Nr. 178/2002 aus.

Zusätzlich dürfte aber auch der Tatbestand des § 39 Abs. 2 Satz 1, 4. Alt. LFGB zu bejahen sein, wonach Anordnungen und Maßnahmen insbesondere auch zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit getroffen werden können. Diese Regelung findet keine unmittelbare Entsprechung in Art. 54 Abs. 1 VO (EG) Nr. 882/2004. Da bei behördlicherseits anzunehmender Gesundheitsschädlichkeit eines Lebensmittels ein objektiver Verstoß gegen das Verbot des Inverkehrbringens nach Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) 178/2002 in Rede steht und damit bereits der Tatbestand des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 882/2004 und des§ 39 Abs. 2 Satz 1, 1. - 3. Alt. LFGB einschlägig ist, ist nach Einschätzung des Senats bei dem "Schutz vor Gefahren für die Gesundheit" die (positive) Feststellung der Gesundheitsschädlichkeit des in Rede stehenden Lebensmittels gerade nicht erforderlich. Die Regelung eröffnet vielmehr weitergehende Handlungsoptionen im Bereich der Risikovorsorge. Diesen Aspekt und die systematischen Zusammenhänge hat das Verwaltungsgericht nicht in Rechnung gestellt, sondern insoweit lediglich auf die Ausführungen zu den fehlenden (eigenen) Verstößen der Antragstellerin gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen und fehlende Verbraucherbeschwerden verwiesen.

Eine "Gefahr" für die Gesundheit muss allerdings auch bei § 39 Abs. 2, 4. Alt. LFGB bejaht werden können. Das dürfte hier nach Einschätzung des Senats aufgrund der unzureichenden Rückverfolgbarkeit der beim niederländischen Zulieferbetrieb zerlegten Rinderschlachttierhälften der Fall sein. Eine "Gefahr" setzt nach Art. 3 Nr. 14 VO (EG) Nr. 178/2002 u.a. ein Agens in einem Lebensmittel oder einen Zustand desselben voraus, der eine Gesundheitsbeeinträchtigung verursachen kann. Bei der Definition des Risikos in Art. 3 Nr. 9 VO (EG) Nr. 178/2002 findet sich der Begriff ebenfalls wieder: Ein "Risiko" ist demnach eine Funktion der Wahrscheinlichkeit einer die Gesundheit beeinträchtigenden Wirkung und der Schwere dieser Wirkung als Folge der Realisierung einer Gefahr. Dies stellt letztlich nichts anderes als eine spezifische lebensmittelrechtliche Ausprägung des allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsatzes dar, dass bei der Gefahrenprognose umso geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden, je höherwertiger das Schutzgut ist; Eintrittswahrscheinlichkeit und Schutzgutwertigkeit stehen in einem entsprechenden funktionalen Zusammenhang. Deshalb sind bei der Gefahrenprognose im Rahmen des § 39 Abs. 2 Satz 1, 4. Alt. LFGB umso geringere Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung zu stellen, je schwerwiegender die zu befürchtende Gesundheitsbeeinträchtigung ist. Der Antragsgegner hat mit seinem Hinweis auf "möglicherweise nicht durchgeführte BSE-Test" bei den im niederländischen Zerlegebetrieb verarbeiteten Rinderschlachttierhälften nach Einschätzung des Senats auf eine äußerst schwerwiegende Beeinträchtigung im Falle der Realisierung dieser Befürchtung abgestellt:

Bei der "Bovinen spongiformen Enzephalopathie" handelt es sich bekanntermaßen um eine durch Prionen hervorgerufene äußerst schwerwiegende Erkrankung, bei der von einer Übertragbarkeit auf den Menschen ausgegangen wird. Bei den Prionen handelt es sich um pathogene Proteinstrukturen, die weitgehend resistent gegen die bei regulären Koch- und Verarbeitungsvorgängen auftretenden Temperaturen und Drücke sind. Der Hinweis der Antragstellerin, die von ihr hergestellten Konserven seien wegen des Erhitzungsprozesses während des Herstellungsprozesses und der nochmals beim Verbraucher erfolgenden Erhitzung ohnehin besonders sicher, verfängt deshalb schon im Ansatz nicht. Erkrankte Rinder zu entdecken, ist zudem faktisch nur bei der Schlachttieruntersuchung post mortem möglich, nicht aber bei späterer Beprobung einzelner Fleischstücke. Im Zuge der "BSE-Krise" wurde diesem Problem auch rechtlich größte Aufmerksamkeit geschenkt, so dass eine BSE-Untersuchung von Rindern ab einem bestimmten Alter der Tiere in der europäischen Union nach der VO (EG) Nr. 999/2001 vorgeschrieben ist. Hintergrund ist, dass nur bei älteren Tieren die Krankheit in ein nachweisbares Stadium gelangt. Stellt man weiterhin in Rechnung, dass nicht etwa nur Jungbullen geschlachtet werden, sondern auch abgemolkene Milchkühe oder erkrankte Tiere, bei denen die Überschreitung des für die BSE-Testung maßgeblichen Lebensalters nicht fernliegend ist, leuchtet ohne weiteres ein, dass es sich für einen nicht redlich arbeitenden Zerlegebetrieb insbesondere lohnen kann, auch solche Tiere, bei denen dann möglicherweise kostensparend auf einen vorgeschriebenen BSE-Test ganz verzichtet worden ist ("Schwarzschlachtungen"), in den Produktionsprozess einzubringen. Diese Befürchtungen werden auch nicht dadurch abgemildert, dass der Zerlegebetrieb seine für die Weiterverarbeiter zurechtgeschnittenen Teilstücke wiederum mit Genusstauglichkeits- oder Identitätskennzeichen versieht und ihnen Herkunftsdokumente beilegt, auf deren inhaltliche Richtigkeit man nicht vertrauen kann. Zwar stimmt der Senat der Überlegung der Antragstellerin zu, dass aus einer mangelnden Rückverfolgbarkeitsdokumentation nicht generell und automatisch auf eine Unsicherheit eines letztlich hergestellten Lebensmittels oder auf eine Gesundheitsgefahr geschlossen werden kann. Auf dem hier in Rede stehenden Rindfleischsektor bei Rindfleischerzeugnissen aus Rindern nicht erwiesener Herkunft und damit nicht nachvollziehbarer BSE-Testung ist dieser Schluss allerdings nicht fernliegend. Welcher Stellenwert der Rückverfolgbarkeit gerade im Rindfleischsektor beigemessen wird, lässt sich zudem aus den umfassenden unionsrechtlichen Bestimmungen zur Rindfleischetikettierung ableiten, die hier offenbar nur deshalb von den Beteiligten nicht diskutiert worden sind, weil die von der Antragstellerin hergestellten Verarbeitungserzeugnisse als solche nicht (mehr) der Etikettierungspflicht unterliegen. Die Verpflichtungen aus VO (EG) Nr. 1760/2000 und Nr. 1825/2000 gehen weit über die allgemeinen Pflichten der Lebensmittelunternehmer aus Art. 18 VO (EG) Nr. 178/2002 hinaus und umfassen auch die Dokumentation der innerbetrieblichen Wege, welche die Rückverfolgung zu einzelnen Rindern oder einer bestimmten Gruppe ermöglichen muss. Auch diese Vorgaben wurden als Reaktion auf die BSE-Krise eingeführt. In Anbetracht der skizzierten Umstände dürfte jedenfalls der Begriff der "Gefahr" in § 39 Abs. 2, Satz 1, 4. Alt. LFGB zu bejahen sein. Zwar ist die Eintrittswahrscheinlichkeit aufgrund der nicht nachvollziehbaren und wohl auch nicht weiter aufklärbaren (wirklichen) Herkunft der verarbeiteten Rinder wohl eher als gering anzusehen; bei einer Realisierung der skizzierten Gefahren geht es allerdings um schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen. In diesem Sinne ist auch das in der betreffenden Schnellwarnung genannte "mögliche Risiko für die öffentliche Gesundheit" zu verstehen.

Ob darüber hinaus auf Seiten des niederländischen Zulieferers sogar noch von einem Verstoß gegen das Inverkehrbringen unsicherer Lebensmittel nach Art. 14 Abs. 1, 2 VO (EG) Nr. 178/2002 anzunehmen ist, weil davon auszugehen ist, dass die von ihm gelieferten Fleischstücke (tatsächlich) gesundheitsschädlich sind, kann auf Tatbestandsseite offenbleiben. Das Maß der erforderlichen Anhaltspunkte dürfte hierfür allerdings höher sein, als bei einem (bloßen) Schutz vor Gefahren für die Gesundheit nach der Regelung des § 39 Abs. 2 Satz 1, 4. Alt. LFGB.

cc) Geht man mit der wohl weit überwiegenden Auffassung davon aus, dass die Anordnung einer Rücknahme i.S.d. Art. 54 Abs. 2 Buchst. c) VO (EG) Nr. 882/2004 bzw. § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 LFGB nicht nur bei einem Verstoß des Lebensmittelunternehmers gegen Art. 19 Abs. 1, 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a) VO (EG) Nr. 178/2002 - also bei einer vom Unternehmer erkannten Gesundheitsschädlichkeit des Lebensmittels - möglich ist (so aber: Meyer/Streinz: LFBG/BasisVO - Kommentar, § 39 LFGB Rdnr. 19 f.; demgegenüber: Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rdnr. 15a m.w.N.), dürften sich sowohl das Verbot des weiteren Inverkehrbringens als auch das Rücknahmegebot hinsichtlich der bereits ausgelieferten Produkte als verhältnismäßig erweisen.

Die Tatbestandsmäßigkeit der genannten Bestimmungen ist nach den obigen Ausführungen in zweifacher Hinsicht zu bejahen (Verstöße des niederländischen Zulieferers gegen Verpflichtungen zur Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit, Schutz vor Gefahren für die Gesundheit), wenn sie nicht ohnehin schon aus der "Verstrickung" infolge der in den Niederlanden erfolgten Rücknahme erfolgt. Legt man die "Verstrickung" zu Grunde, ergibt sich die Verhältnismäßigkeit ohne weiteres aus dem dann anzunehmenden Charakter der Anordnung unter Nr. 1 des Bescheides als bloße "Folgemaßnahme", die der konsequenten Umsetzung einer ohnehin bereits verfügten Rücknahme im Binnenmarkt dient. Auch bei einer Betrachtung als selbständige Maßnahme ergibt sich nichts anderes. Erhöhte Anforderungen an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie sie bei Fehlen einer Gesundheitsgefährdung für Rückrufaktionen statuiert werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 02.03.2010 - 9 S 171/09 -, [...] Rdnr. 49), sind hier nicht einschlägig, da es zum einen nicht um einen Rückruf gegenüber Endverbrauchern geht und zum anderen neben den anzunehmenden lebensmittelrechtlichen Verstößen des Lieferanten der Antragstellerin hinsichtlich seiner Dokumentationspflichten gerade auch Gesundheitsgefahren in Rede stehen. Der Umstand, dass die Antragstellerin selbst keine lebensmittelrechtlichen Verstöße begangen und die Lieferungen aus dem niederländischen Betrieb bereits in ihren Erzeugnissen verarbeitet hat, macht die getroffene Anordnung nicht unverhältnismäßig. Dies folgt aus den doch erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen, die im Falle der Realisierung der Gefahr eintreten würden.

Dass der Antragsgegner nicht zugleich einen Rückruf angeordnet hat, macht die getroffene Anordnung ebenfalls nicht unverhältnismäßig. Zwar mag es objektiv-rechtlich konsistenter sein, bei einem angenommenen Risiko für die Gesundheit der Verbraucher auch einen Rückruf anzuordnen, wenn erkennbar ist, dass die betroffenen Erzeugnisse den Endverbraucher schon erreicht haben. Aus dem Unterlassen dieser die Antragstellerin noch weitaus stärker belastenden Maßnahme kann aber entgegen ihrer Auffassung nicht die Unverhältnismäßigkeit der weniger belastenden Rücknahme abgeleitet werden.

dd) Den von der Antragstellerin geltend gemachten Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, den sie daraus ableitet, dass in mehreren Landkreisen bei gleicher Sachlage keine marktbezogenen Maßnahmen erfolgt seien, vermag der Senat nicht zu erkennen. Abgesehen davon, dass es sich bei den jeweils agierenden Landkreisen um selbständige Hoheitsträger handelt, war die Sachlage keineswegs gleich. Die Antragstellerin verschweigt schon, dass in einigen anderen Fällen Anordnungen von Rücknahmen deshalb nicht nötig waren, weil die betreffenden Unternehmer bereits selbst die wiederum von ihnen belieferten Unternehmen von den Vorgängen in Kenntnis gesetzt und zur Rückgabe der Lieferungen aufgefordert hatten. Unterschiedliche Sachlagen ergeben sich erkennbar auch insoweit, wenn in anderen Fällen wegen bereits abgelaufener Haltbarkeitsdaten davon ausgegangen wurde, dass eine Rücknahme nicht mehr sinnvoll ist. Bei den Konserven der Antragstellerin handelt es sich hingegen um Erzeugnisse, die mit Mindesthaltbarkeitsdaten bis 2015 bzw. 2016 versehen worden sind. Dass diese Konserven bereits abverkauft sein sollen und eine Rücknahme deshalb leerlaufen würde, wird von der Antragstellerin lediglich vermutet, da sie ja eine Kontaktaufnahme mit ihren Kunden gerade vermeiden will.

b) Abgesehen von vorstehenden Erwägungen geht nach Auffassung des Senats auch eine von den Erfolgsaussichten unabhängige Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus. Der Senat hält es bei einer solchen Abwägung im Ergebnis nicht für tragbar, dass deutschen Verbrauchern während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zugemutet werden soll, weiterhin Fleisch (bzw. daraus hergestellte Erzeugnisse) im Handel zu erwerben, das in den Niederlanden als Material der Kategorie 2 der Entsorgung zugeführt worden ist. Bliebe der Bescheid des Antragsgegners - entsprechend der erstinstanzlichen Entscheidung - einstweilen weiterhin nicht vollziehbar, würde das Problem in Deutschland letztlich dadurch faktisch erledigt, dass statt einer Entsorgung ein Abverkauf an Endverbraucher erfolgt. Es drängt sich in Anbetracht dessen geradezu auf, dass es geboten ist, zumindest diesen weiteren Abverkauf vorerst zu unterbinden. Das Risiko der Antragstellerin, dass bis zum Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums (2015/2016) eine abschließende Klärung im Hauptsacheverfahren möglicherweise noch nicht erfolgt sein wird, dürfte ihr demgegenüber zuzumuten sein. Sollte sie - entgegen den obigen Ausführungen - im Hauptsacheverfahren obsiegen, ist durchaus nicht unwahrscheinlich, dass sie die Dosen nochmals in den Handel bringen kann, notfalls mit preislichen Nachlässen. Dass die Antragstellerin, der in dem in Rede stehenden Zeitraum selbst vermutlich keine lebensmittelrechtlichen Verstöße vorgehalten werden können, möglicherweise zivilrechtliche Regressforderungen gegenüber dem niederländischen Zulieferer nicht realisieren kann, rechtfertigt es nicht, die drohenden wirtschaftlichen Einbußen durch einen weiteren Abverkauf an deutsche Endverbraucher abzuwenden bzw. abzumildern.

3.

Hinsichtlich der auf § 70 Nds. SOG gestützten Zwangsgeldandrohung (Nr. 2 des angegriffenen Bescheides) kann zunächst auf die Interessenabwägung zu der Grundverfügung (Nr. 1 des Bescheides) verwiesen werden. Selbständige rechtliche Einwendungen gegen das angedrohte Zwangsmittel nach Grund und Höhe sind nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der sich auch auf die Zwangsgeldandrohung erstreckenden Klage scheidet damit aus. Gleiches gilt für die in dem Bescheid enthaltene Kostenfestsetzung.