Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 04.07.2017, Az.: 1 B 976/17

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
04.07.2017
Aktenzeichen
1 B 976/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 24544
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Umbesetzung von Ausschüssen des Antragsgegners.

Die Antragstellerin ist mit 14 Mitgliedern im Rat der Gemeinde A-Stadt, dem Antragsgegner, vertreten. Zu ihren Mitgliedern gehört auch die Beigeladene.

Im Rahmen seiner Sitzung am 10. November 2016 stellte der Antragsgegner die Benennung der Beigeladenen zur Vertreterin des Beigeordneten für den Verwaltungsausschuss E. fest, beschloss die Benennung der Beigeladenen zum Mitglied des Schulausschusses und nahm ihre Benennung zur Vorsitzenden des Schulausschusses zur Kenntnis.

Am 15. Dezember 2016 fand eine Schulausschusssitzung statt. Die Beigeladene brach die Sitzung in ihrer Funktion als Ausschussvorsitzende mit dem Hinweis darauf ab, dass der Ausschuss nicht beschlussfähig gewesen sei.

In einer Fraktionssitzung der Antragstellerin vom 9. Februar 2017, an welcher zunächst neun und im weiteren Verlauf zehn ihrer Mitglieder teilnahmen, wurde mit sieben Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen beschlossen, die Beigeladene aus dem Schulausschuss abzuberufen. Das Fraktionsmitglied G. sollte stattdessen nachrücken und zugleich den Vorsitz des Ausschusses übernehmen. Zudem wurden die Stellvertreterpositionen im Verwaltungsausschuss mit sieben Ja-Stimmen, zwei Enthaltungen und einer Nein-Stimme neu benannt. Die Beigeladene fand dabei keine Berücksichtigung mehr. An ihre Stelle sollte das Fraktionsmitglied F. treten.

Mit Schreiben vom 9. Februar 2017 informierte die Antragstellerin den Antragsgegner über ihre Beschlüsse zur Umbesetzung der Ausschüsse und bat, die Änderungen bei der nächsten Ratssitzung zur Abstimmung vorzulegen. Mit Beschluss vom 23. Februar 2017 lehnte der Antragsgegner die Umbesetzung mehrheitlich ab.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 22. März 2017 Klage erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung trägt sie vor, dass die Fraktionen jederzeit von ihnen benannte Beigeordnete und ihre Stellvertreter ebenso wie Ausschussmitglieder aus einem Ausschuss abberufen und ersetzen könnten. In diesen Fällen sei der Antragsgegner verpflichtet, die geänderte Besetzung durch Beschluss festzustellen, wodurch der Austausch abgeschlossen werde. Dies gelte auch für die (Um-)Besetzung eines Ausschussvorsitzes. Letztlich könne letzteres jedoch dahinstehen, denn jedenfalls dann, wenn die Vertretung - wie hier - über die Benennung der Ausschussvorsitzenden einen Beschluss gefasst habe, bedürfe es auch zur Abberufung und Ersetzung einer/eines Vorsitzenden als actus contrarius eines Beschlusses der Vertretung. Soweit die Beigeladene auf Fehler bei der Fassung des Fraktionsbeschlusses verweise, werde angemerkt, dass das Verhältnis zwischen der Fraktion und dem Rat von dem Rechtsverhältnis zwischen der Fraktion und ihren Mitgliedern zu unterscheiden sei. Verstöße von Fraktionsbeschlüssen etwa gegen das Mehrheitsprinzip, das Willkürverbot oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz könnten von den betroffenen Mitgliedern allein gegenüber der Fraktion geltend gemacht werden, nicht jedoch im hier relevanten Verhältnis zwischen der Fraktion und dem Rat. Die mehrheitliche Ablehnung der Beschlussvorlage durch den Rat sei demnach rechtswidrig. Auch wenn es rechtlich darauf nicht mehr ankomme, liege entgegen der Auffassung der Beigeladenen zudem weder ein Verstoß gegen das Willkürverbot noch gegen das Mehrheitsprinzip vor. Das Vertrauensverhältnis zu der Beigeladenen sei stark gestört. Die Antragstellerin erläutert dies näher und stellt die Meinungsverschiedenheiten mit der Beigeladenen aus ihrer Sicht dar. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen sei auch ein Anordnungsgrund gegeben. Dieser ergebe sich daraus, dass vor einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Schulausschusssitzungen und Sitzungen des Hauptausschusses anstünden. Ein Zuwarten würde dazu führen, dass das ihr, der Antragstellerin, zustehende Mitbestimmungsrecht bei der Zusammensetzung der Ausschüsse für längere Zeit vereitelt würde.

Die Antragstellerin beantragt,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Feststellung zu treffen, dass - vorbehaltlich des Ergebnisses der gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren - das Ratsmitglied D.

  1. 1.

    als Vertreterin des Beigeordneten E. im Verwaltungsausschuss abberufen ist und durch das Ratsmitglied F. ersetzt wird,

  2. 2.

    als Mitglied des Schulausschusses abberufen ist und durch das Ratsmitglied G. ersetzt wird,

  3. 3.

    als Vorsitzende des Schulausschusses abberufen ist und durch das Ratsmitglied G. ersetzt wird.

Der Antragsgegner stellte keinen Antrag.

Er erklärt, dass es sich vorliegend um einen innerorganschaftlichen Rechtsanspruch der Antragstellerin gegen ihn, den Antragsgegner, handle. Darauf sei seitens der Bürgermeisterin bereits in der Ratssitzung vom H. hingewiesen worden.

Die Beigeladene beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie tritt dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen. Zur Begründung trägt im Wesentlichen vor:

Die Abberufung aus den Ausschüssen hätte eine qualifizierte Mehrheitsentscheidung der Fraktion erfordert. Zudem sei die Umbesetzung faktisch und zumindest mittelbar durch die Bürgermeisterin veranlasst worden. Diese habe gegenüber der Antragstellerin geäußert, dass sie die Zusammenarbeit mit ihr beenden werde, wenn sie keine Maßnahmen gegen sie, die Beigeladene, ergreifen sollte. Das Recht auf Umbesetzung der Ausschüsse stehe jedoch allein den Fraktionen zu. Dabei sei unerheblich, ob die Äußerungen der Bürgermeisterin gegenüber der Antragstellerin kausal für die Beschlussfassung gewesen seien. Ausreichend sei, dass sie die Fraktion oder einzelne ihrer Mitglieder dadurch unter Druck gesetzt und damit in ihrer politischen Willensbildung beeinflusst haben könnte. Dies sei mit dem organisatorischen Gewaltenteilungsgrundsatz unvereinbar und werde durch das NKomVG nicht gedeckt. Ferner diene ihre Abberufung als Stellvertreterin für E. in seiner Funktion als Beigeordneter für den Verwaltungsausschuss - anders als die Antragstellerin behaupte - allein dem Zweck, eine rechtswidrige Praxis der Antragstellerin fortsetzen zu können. Diese habe vereinbart, dass der (formal) zum ständigen Mitglied des Verwaltungsausschusses benannte I. und sein Stellvertreter J. in der Praxis die Plätze tauschen sollten. I. solle dafür in allen Fällen, in denen irgendein von der Antragstellerin benannter Beigeordneter am Verwaltungsausschuss nicht teilnehmen könne, den ersten Zugriff als Vertreter habe, da er stellvertretender Bürgermeister sei und ihm deshalb eigentlich ein ständiger Sitz im Verwaltungsausschuss zustehe. Diese Vereinbarung verstoße gegen Bestimmungen des NKomVG, wonach für die Mitglieder des Verwaltungsausschusses jeweils ein persönlicher Stellvertreter zu bestimmen sei. Soweit die Antragstellerin insoweit darauf verweise, dass die Vereinbarung zudem einer Tradition diene, wonach der Hauptort A-Stadt mit zwei und der nördliche und südliche Ortsteil jeweils mit einem Abgeordneten im Verwaltungsausschuss vertreten sein solle, werde dies durch den Beschluss nicht eingehalten. Es treffe zudem nicht zu, dass die Antragstellerin - wie sie im gerichtlichen Verfahren vorgetragen habe - dies in Zukunft anders handhaben wolle. Sie, die Beigeladene, habe die Schulausschusssitzung vom 15. Dezember 2016 entgegen der Auffassung der Antragstellerin zudem zu Recht mit Hinweis auf ein Fehlen der Beschlussfähigkeit abgebrochen. Soweit die Antragstellerin anführe, dass sie es fehlerhaft versäumt habe, die Antragstellerin über das Problem der "Beschlussfähigkeit des Schulausschusses" bereits vor der Sitzung zu informieren, habe sie dies bereits mehrfach eingeräumt und sich dafür entschuldigt. Dies könne jedoch nicht ihre Abberufung zur Folge haben, zumal sich die Antragstellerin keine Geschäftsordnung geben habe, die einen bestimmten Verhaltenskodex in derartigen Fällen vorgebe. Soweit die Antragstellerin vortrage, dass sie, die Beigeladene, eine Stunde nach Beendigung der Schulausschusssitzung eine nicht mit dem Fraktionsvorstand abgestimmte Erklärung an die Presse abgegeben habe, werde darauf hingewiesen, dass sie dies in ihrer Funktion als Ausschussvorsitzende und Abgeordnete getan habe. Ansonsten habe sie sich zu diesem Thema bewusst zurückgehalten. Soweit die Antragstellerin ferner auf Meinungsverschiedenheiten mit ihr in Zeiten des Wahlkampfes hinweise, hätten diese offenbar ihrer im Anschluss erfolgten Berufung in die Ausschüsse nicht entgegengestanden. Sie könnten demnach auch nicht zur Rechtfertigung ihrer Abberufung herangezogen werden. Anders als die Antragstellerin vortrage, seien die zahlreichen Sondersitzungen zum Thema Schulausschuss und Verwaltungsausschuss auch nicht mit dem Willen geführt worden, eine Einigung zu erzielen. Eine Lösung des Problems sei offensichtlich nicht gewollt. Sie habe im Interesse der Antragstellerin und der K. CDU darauf verzichtet, gegen den rechtswidrigen Fraktionsbeschluss selbst mit einer verwaltungsgerichtlichen Klage vorzugehen. Da die Antragstellerin offenbar kein Problem damit habe, dass sie, die Beigeladene, sie in verschiedenen Angelegenheiten nach außen vertrete und repräsentiere, sei ferner nicht ersichtlich, weshalb ihre weitere Mitwirkung in den beiden Ausschüssen der Antragstellerin schaden solle.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Er ist hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. zulässig und begründet.

Bei der vorliegenden Auseinandersetzung handelt es sich um einen Kommunalverfassungsstreit, in welchem die Organe bzw. Organteile beteiligtenfähig sind, zwischen denen ein Innenrechtsverhältnis geltend gemacht wird (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 15.2.2011 - 10 LB 79/10 -, m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 61 Rn. 11). Dabei werden der Rat der Gemeinde und die Fraktion jeweils von ihren Vorsitzenden vertreten (vgl. Thiele, NKomVG, § 66 Ziff. 5; Nds. OVG, Urteil vom 31.10.2013 - 10 LC 72/12 -; Bay. VGH, Beschluss vom 2.6.1999 - 4 ZB 99.1172 -, ).

Die auf vorläufige Leistung gerichteten Anträge zu 1. und 2. sind statthaft. Die Antragstellerin zielt mit ihren Anträgen auf die Verurteilung des Antragsgegners zum Erlass von Beschlüssen zur Regelung des Innenverhältnisses. Dies entspricht ihrem Rechtsschutzbegehren (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 9.3.2010 - 1 A 2992/09 -; VG Göttingen, Beschluss vom 29.11.2012 - 1 B 191/12 -, Nds. Rechtsprechungsdatenbank).

Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß den §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO hat der Antragsteller sowohl die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) als auch seine materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen. Die Voraussetzungen zum Erlass einer einstweiligen Anordnung - hier in Form einer Regelungsanordnung - sind im Hinblick auf die Anträge zu 1. und 2. erfüllt. Eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache geht damit nicht einher, da die Anordnung jedenfalls notwendig ist, um unzumutbare, anders nicht abwendbare Rechtsnachteile für die Antragstellerin abzuwenden und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht (vgl. hierzu Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2003 - 13 ME 342/03 - NVwZ-RR 2004, 258; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 123 Rn. 14 m.w.N.; VG Göttingen, Beschluss vom 29.11.2012 - 1 B 191/12 -, Nds. Rechtsprechungsdatenbank).

Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Erlass eines Ratsbeschlusses über die Abberufung der Beigeladenen als Stellvertreterin des Beigeordneten E. im Verwaltungsausschuss und ihre Ersetzung durch das Ratsmitglied F. (Antrag zu 1.) glaubhaft gemacht. Dieser Anspruch folgt aus § 75 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 71 Abs. 9 Satz 3, Abs. 5 NKomVG.

Der Antragstellerin kann die Stellvertreter von Beigeordneten des Verwaltungsausschusses abberufen und neubesetzen. § 75 Abs. 1 NKomVG regelt die Besetzung des Verwaltungsausschusses (Hauptausschuss). Unter anderem sind für die danach benannten Mitglieder des Verwaltungsausschusses nach § 75 Abs. 1 Satz 3 NKomVG jeweils eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter zu bestimmen. Nach dem über § 75 Abs. 1 Satz 6 NKomVG entsprechend anwendbaren § 71 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 NKomVG können Fraktionen von ihnen benannte Mitglieder aus dem Verwaltungsausschuss abberufen und durch andere ersetzen. Dies gilt auch für die von ihnen benannten Stellvertreter. Zwar werden sie in § 71 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 NKomVG nicht ausdrücklich genannt. Wenn allerdings die Möglichkeit zur Abberufung und Neubesetzung von Beigeordneten besteht, muss dies erst Recht für ihre Stellvertreter gelten (Menzel, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 75 Rn. 45).

Die Abberufung und Neubesetzung erfordert einen feststellenden Beschluss des Antragsgegners. Über § 75 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 71 Abs. 9 Satz 3 NKomVG ist auch § 71 Abs. 5 NKomVG anwendbar, der einen entsprechenden Beschluss voraussetzt (vgl. Schwind, in: Blum/Häusler/Meyer, 4. Auflage 2017, § 71 Rn. 27; Menzel, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 71 Rn. 138).

Der Antragsgegner ist zum Erlass des Beschlusses verpflichtet, da die Antragstellerin dies beantragt hat. Wie die Erstbenennung (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 71 Abs. 2 Satz 7 NKomVG) ist der Austausch von Beigeordneten des Verwaltungsausschusses und ihren Stellvertretern (vgl. § 75 Ab. 1 Satz 6 i.V.m. § 71 Abs. 9 Satz 3 NKomVG) ein den Fraktionen und Gruppen zustehendes Recht. Der Rat ist an entsprechende Anträge der Fraktionen und Gruppen gebunden (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 15.2.2011 - 10 LB 79/10 -, ; Thiele, NKomVG, 1. Auflage 2011, § 71 Ziff. 11). Er hat keine Möglichkeit, auf die personellen Entscheidungen der Fraktionen und Gruppen einzuwirken (Menzel, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 71 Rn. 135).

Die Einwände der Beigeladenen rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Soweit sie Umstände geltend macht, die allein die Rechtsbeziehung zwischen ihr und der Antragstellerin berühren, muss dies im hier streitigen Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner außer Betracht bleiben. Insoweit hat auch eine Willkürkontrolle durch den Antragsgegner grundsätzlich zu unterbleiben (vgl. dazu Menzel, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 71 Rn. 37; vgl. dagegen Thiele, NKomVG, 1. Auflage 2011, § 71 Ziff. 11; Schwind, in: Blum/Häusler/Meyer, 4. Auflage 2017, § 71 Rn. 26). Fraktionen sind dem Rat gegenüber nicht zur Begründung oder sachlichen Rechtfertigung eines - jederzeit möglichen - personellen Austauschs im Verwaltungsausschuss verpflichtet (vgl. Menzel, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 71 Rn. 135, § 75 Rn. 45; Schwind, in: Blum/Häusler/Meyer, 4. Auflage 2017, § 71 Rn. 26). Dem Antragsgegner fehlt also regelmäßig die notwendige Tatsachenkenntnis, um insoweit einen Willkürverstoß feststellen zu können. Zudem steht es den betroffenen Fraktionsmitgliedern frei, ihrerseits die eigenen Rechte gegenüber der Fraktion gerichtlich geltend zu machen (vgl. Thiele, NKomVG, 1. Auflage 2011, § 57 Ziff. 2 m.w.N.; Wefelmeier, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 57 Rn. 35, 64).

Ob in Fällen offensichtlicher Willkür anderes gilt, kann offen bleiben. Ein solcher Fall liegt hier nämlich nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Beigeladenen vertretene Rechtsauffassung im Hinblick auf die Beschlussfähigkeit des Schulausschusses in der Sitzung vom L. zutrifft. Außer Betracht bleiben kann auch das Verhalten der Beigeladenen während des Wahlkampfes und ihr Vortrag, dass ihre Abberufung aus dem Verwaltungsausschuss allein dem Zweck diene, eine rechtswidrige - unter anderem gegen das in § 75 Abs. 1 Satz 3 und 4 NKomVG enthaltene Prinzip der persönlichen Stellvertretung (vgl. dazu Menzel, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 75 Rn. 54; Schwind, in: Blum/Häusler/Meyer, NKomVG, 4. Auflage 2017, § 75 Rn. 11) verstoßende - Vertretungspraxis fortsetzen zu können. Denn es ist jedenfalls von einer Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen auszugehen, auf die sich die Antragstellerin auch beruft und die einen sachlichen und demnach nicht offensichtlich willkürlichen Grund zur Umbesetzung darstellt. Dem Zweck des Verfahrens zur Ausschussbildung entspricht es, die Stärkeverhältnisse der Fraktionen und Gruppen zu gewährleisten (Thiele, NKomVG, 1. Auflage 2011, § 71 Ziff. 11). Deshalb kann ein Austausch gerechtfertigt sein, wenn aus Sicht der Fraktion nicht mehr sichergestellt scheint, dass das betroffene Mitglied zukünftig in Abstimmung mit der Fraktion im Ausschuss auftreten wird. Dabei kann die Prognose der Fraktion auf Grund der zu Grunde liegenden politischen Dimension nicht durch eine solche des Gerichts ersetzt werden (vgl. jeweils zum Fraktionsausschluss: Nds. OVG, Beschluss vom 14.6.2010 - 10 ME 142/09 -, Nds. Rechtsprechungsdatenbank; OVG Saarland, Beschluss vom 20.4.2012 - 2 B 105/12 - NVwZ-RR 2012, 613; BerlVerfGH, Urteil vom 22.11.2005 - 53/05 -; BbgVerfG, Beschluss vom 16.10.2003 - 4/03 -, ). Bereits der Umstand, dass die Antragstellerin mit Mehrheitsbeschluss die Abberufung der Beigeladenen aus den Ausschüssen gegen ihren Willen einleitete, stellt ein Indiz für die Störung des gegenseitigen Vertrauens dar. Dies wird durch das Vorbringen der Antragstellerin und der Beigeladenen im Verwaltungs- sowie im Gerichtsverfahren bestätigt. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beigeladene die Fraktion anschließend noch auf öffentlichen Veranstaltungen repräsentierte. Eine Differenzierung zwischen der auf Abstimmung der politischen Positionen angewiesenen Ausschussarbeit und der Wahrnehmung repräsentativer Aufgaben ist zulässig.

Unerheblich ist ferner, dass sich die Antragstellerin keine Geschäftsordnung gegeben hat, auf die sie ihre Entscheidung stützen könnte. Materielle Voraussetzungen für eine Abberufung aus einem Ausschuss werden ohnehin nur selten in einer Geschäftsordnung geregelt sein. Dennoch ist eine Abberufung möglich. Zudem ergibt sich die Notwendigkeit zur - hier eingeforderten - Abstimmung der Ausschussarbeit bereits aus dem Sinn der Vereinigung zu einer Fraktion selbst. Dieser besteht nämlich hauptsächlich darin, schon vor den Entscheidungen im Rat und seinen Ausschüssen - insbesondere im Verwaltungsausschuss, welcher die Beschlüsse des Rates vorbereitet (§ 76 Abs. 1 Satz 1 NKomVG) - nach Möglichkeit eine gleichgerichtete und dadurch politisch wirksame Ausübung der den einzelnen Fraktionsmitgliedern zustehenden öffentlich-rechtlichen Kompetenzen zu gewährleisten sowie den Ablauf der Meinungsbildung und Beschlussfassung in einem gewissen Grade zu steuern und damit zu erleichtern (vgl. BVerfG, Urteil vom 10.12.1974 - 2 BvK 1/73 und 2 BvR 902/73 -, ; Nds. OVG, Beschluss vom 17.1.2002 - 10 LA 1407/01 -, Nds. Rechtsprechungsdatenbank).

Auch mit Rücksicht auf den Grundsatz der "organisatorischen Gewaltenteilung", der vor Gefahren schützen soll, die aus dem Zusammentreffen von beruflicher Stellung (Wahrnehmung exekutiver Aufgaben) und Mandatswahrnehmung (Wahrnehmung legislativer Aufgaben) resultieren (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 15.2.2011 - 10 LB 79/10 -, Nds. Rechtsprechungsdatenbank), ergibt sich nichts anderes. Für die Kammer gibt es keine hinreichenden Anhaltpunkte, die die Annahme rechtfertigen würden, dass die Abberufung - wie die Beigeladene vorträgt - "faktisch" durch die Bürgermeisterin herbeigeführt worden wäre, indem letztere der Fraktion in Aussicht gestellt habe, die Zusammenarbeit mit ihr einzustellen, wenn sie keine Maßnahmen gegen die Beigeladene ergreife. Dass die Fraktion die Entscheidung einem eigenen demokratischen Willensbildungsprozess unterworfen hat, zeigt sich vielmehr daran, dass dem Fraktionsbeschluss mehrere mehrstündige Fraktionssitzungen zur Frage der Abberufung vorausgegangen waren.

Offen bleiben kann ferner, ob dem Anspruch der Antragstellerin im hier relevanten Verhältnis zum Antragsgegner entgegengehalten werden kann, dass der Beschluss der Fraktion zur Abberufung der Beigeladenen aus dem Verwaltungsausschuss vom 9. Februar 2017 gegen demokratische Grundsätze verstoße und damit unwirksam sei. Ein solcher Verstoß ist nämlich nicht feststellbar. Die Fraktion konnte die Abberufung der Beigeladenen als Stellvertreterin für den Verwaltungsausschuss und die Neubesetzung mit der einfachen Mehrheit der anwesenden Fraktionsmitglieder beschließen. Die innere Ordnung von Fraktionen und Gruppen muss demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen (§ 57 Abs. 2 Satz 2 NKomVG); insbesondere muss danach das Mehrheitsprinzip zur Geltung kommen (Wefelmeier, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 57 Rn. 34). Jedoch folgt aus dem Mehrheitsprinzip grundsätzlich kein bestimmtes Mehrheitserfordernis (vgl. Sachs, in: ders., GG, 7. Auflage 2014, Art. 20 Rn. 24). Für die Fassung von Fraktionsbeschlüssen ist nach dem Demokratieprinzip deshalb im Grundsatz - vorbehaltlich anderslautender Bestimmungen in der Geschäftsordnung - die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder zur Beschlussfassung ausreichend (vgl. Wefelmeier, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 57 Rn. 47; Koch, in: Ipsen, NKomVG, 1. Auflage 2011, § 57 Rn. 24; OVG Saarland, Beschluss vom 20.4.2012 - 2 B 105/12 -, NVwZ-RR 2012, 613). Auch bei der Abberufung und Neubesetzung von Ausschussmitgliedern und ihren Stellvertretern gilt nichts anderes. Die notwendige demokratische Legitimation wird - wie bei anderen Wahlen und Abstimmungen auch - durch eine einfache Mehrheit ausreichend vermittelt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Bedeutung, welche die Abberufung aus dem Ausschuss für die Ausübung des Abgeordnetenmandats der Beigeladenen hat (vgl. etwa zum Fraktionsausschluss: Wefelmeier, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 57 Rn. 47 m.w.N.; Koch, in: Ipsen, NKomVG, 1. Auflage 2011, § 57 Rn. 24; OVG Saarland, Beschluss vom 20.4.2012 - 2 B 105/12 -, NVwZ-RR 2012, 613). Entgegen der Auffassung der Beigeladenen besteht kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, nach welchem für die Wahl von Personen die Anwendung einer qualifizierten Mehrheit vorauszusetzen wäre (vgl. etwa zur Wahl von Landesverfassungsrichtern mit einfacher Mehrheit: BVerfG, Beschluss vom 23.7.1998 - 1 BvR 2470/94 -, NVwZ 1999, 638). Dies wird auch mit Blick auf die Regelungen des NKomVG für die Wahlen und Abstimmungen des Rates deutlich. Nach § 67 NKomVG erfordert die Wahl von Personen durch den Rat (sog. Wahlbeschluss) zwar die Stimmen der Mehrheit seiner Mitglieder (qualifizierte Mehrheit). Dies gilt allerdings nur, soweit die zu treffende Entscheidung im Gesetz ausdrücklich als "Wahl" bezeichnet ist; die Abgrenzung zum sog. Sachbeschluss, der nach § 66 NKomVG bloß die einfache Mehrheit der anwesenden Ratsmitglieder erfordert, erfolgt demnach nach rein formalen Gesichtspunkten (Schwind, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 67 Rn. 6). Dabei wird die Abgrenzung zwischen der Abstimmung über Sachfragen (Sachbeschluss) und der Wahl von Personen (Wahlbeschluss) im NKomVG nicht konsequent eingehalten. So kommt § 66 NKomVG in einer Reihe von Fällen zur Anwendung, obwohl eine Auswahl unter mehreren Personen zu treffen ist (vgl. dazu Thiele, NKomVG, 1. Auflage 2011, § 67 Rn. 2; Schwind, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 67 Rn. 7 f.).

Soweit das Besetzungsverfahren durch den Antragsgegner auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen ist (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 15.2.2011 - 10 LB 79/10 -, ) - etwa im Hinblick auf die Verteilung der zu vergebenden Ausschusssitze auf die Fraktionen und Gruppen nach § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 71 Abs. 2 Satz 2 NKomVG - bestehen keine Bedenken gegen die von der Antragstellerin beantragte Entscheidung.

Im Hinblick auf die Abberufung der Beigeladenen aus dem Schulausschuss und ihre Ersetzung durch das Ratsmitglied G. (Antrag zu 2.) gelten über § 73 Satz 1 NKomVG, § 110 NSchG die gleichen Maßstäbe. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf entsprechende Feststellung durch Ratsbeschluss ebenfalls glaubhaft gemacht.

Die Antragstellerin kann sich hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. auch auf einen Anordnungsgrund berufen. Vor einer abschließenden Entscheidung in der Hauptsache stehen noch Sitzungen des Verwaltungs- und des Schulausschusses an. Ein Zuwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache würde das Recht der Fraktion, die Zusammensetzung der Ausschüsse mitzubestimmen, in unzumutbarer Weise vereiteln. Es ist ihr auch nicht zuzumuten, ihren auf den Austausch der Stellvertreterposition für den Verwaltungsausschuss gerichteten Antrag bis zum Eintritt des Vertretungsfalls zurückzuhalten. Ein solcher kann sehr kurzfristig eintreten, womit die Gefahr eines endgültigen Rechtsverlustes verbunden wäre.

Soweit die Antragstellerin beantragt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Feststellung zu treffen, dass die Beigeladene als Vorsitzende des Schulausschusses abberufen ist und durch das Ratsmitglied G. ersetzt wird (Antrag zu 3.), ist der Antrag unzulässig. Zudem hat er in der Sache keinen Erfolg.

Der Antragstellerin fehlt das notwendige Rechtsschutzbedürfnis, da der Austausch des Ausschussvorsitzes allein die Neubenennung durch die Fraktion voraussetzt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bedarf weder die Bestellung noch der Austausch eines Ausschussvorsitzes der Feststellung der Vertretung durch Beschluss (vgl. Wenzel, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 71 Rn. 70, 109; Thiele, NKomVG, 1. Auflage 2011, § 71 Rn. 10). Der die Besetzung der Ausschussvorsitze regelnde § 71 Abs. 8 NKomVG verweist nicht auf § 71 Abs. 5 NKomVG und für den Austausch der Vorsitzenden finden sich keine ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen. Die Abberufung aus der Position des Ausschussvorsitzes geht mit der Abberufung als Ausschussmitglied einher (vgl. Thiele, NKomVG, 1. Auflage 2011, § 71 Rn. 10). Die Benennung des neuen Vorsitzenden erfolgt im Rahmen einer Ratssitzung durch die Fraktion oder Gruppe (ebd.).

Auch aus dem Grundsatz des actus contrarius ergibt sich nichts Abweichendes. Zwar erließ der Antragsgegner im Rahmen der Erstbenennung der Beigeladenen zur Vorsitzenden des Schulausschusses einen Beschluss. Es ist jedoch bereits fraglich, ob dieser darauf gerichtet sein sollte, Rechtswirkung zu entfalten (solche kommt Beschlüssen nach § 71 Abs. 5 NKomVG zu, vgl. Schwind, in: Blum/Häusler/Meyer, 4. Auflage 2017, § 71 Rn. 27 und Wenzel, in: Blum et al., NKomVG, 43. Aktualisierung, Stand: 9/2016, § 71 Rn. 70). Während der Antragsgegner in seiner konstituierenden Sitzung am M. nämlich entsprechend dem Wortlaut des § 71 Abs. 5 NKomVG die Zusammensetzung des Verwaltungsausschusses "feststellte" und die Zusammensetzung der restlichen Ausschüsse "beschloss", nahm er die Benennung der Ausschussvorsitze lediglich "zur Kenntnis". Darüber hinaus ist der actus contrarius-Grundsatz nicht ohne Weiteres auf den hiesigen Fall anwendbar. Nach diesem Grundsatz kann jeder Rechtsakt durch dieselbe Person oder dasselbe Organ in der Form und in dem Verfahren geändert oder aufgehoben werden, welche die Rechtsordnung für den Erlass dieses Rechtsaktes vorsieht (Bleckmann, JuS 1988, 174 m.w.N.). Vorliegend sieht die Rechtsordnung - wie dargelegt - jedoch gerade keinen Beschluss zur Benennung der Ausschussvorsitzenden vor.

Aus diesen Gründen steht der Antragstellerin der geltend gemachte Anspruch auch in der Sache nicht zu, weshalb der Antrag zudem unbegründet wäre.