Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.09.2002, Az.: 1 K 54/01
Bekanntgabe eines Steuerbescheides
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 30.09.2002
- Aktenzeichen
- 1 K 54/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 20615
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0930.1K54.01.0A
Fundstellen
- DStR 2003, XII Heft 39 (Kurzinformation)
- DStRE 2003, 1184-1185 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2003, 278-279
- ZKF 2003, 187
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO kann der Verwaltungsakt auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Für das FA besteht ein Ermessensspielraum, ob es einen Bescheid dem Stpfl. selbst oder dem Bevollmächtigten bekannt gibt. Gleiches gilt, wenn der Bescheid zugestellt wird.
- 2.
Auch wenn kein Empfangsbevollmächtigter bestellt ist, kann ein Bescheid dem Bevollmächtigten zugestellt werden.
- 3.
Einen durch die mehrfache Entgegennahme von Steuerbescheiden erzeugten Rechtsschein der Bevollmächtigung muss sich ein Stpfl. zurechnen lassen.
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob ein Steuerbescheid durch Bekanntgabe an den Steuerberater dem Kläger gegenüber wirksam bekannt gegeben wurde.
Am 13. Mai 1998 reichte der Kläger, vertreten von den Steuerberatern Dr. S. + Partner, beim Beklagten seine Steuererklärung für 1997 ein. Im Mantelbogen wurde diese Steuerberaterkanzlei als Empfangsbevollmächtigter benannt. Mit Schreiben vom 11. Februar 1999 teilten die Steuerberater Dr. S. + Partner mit, dass sie für den Kläger nicht mehr empfangsbevollmächtigt seien. Außerdem benannten sie die Anschrift eines neuen Bevollmächtigten, der Steuerberatersozietät K & G. Hintergrund war der Wechsel des Steuerberaters K von der Kanzlei Dr. S. + Partner zur Sozietät K & G.
Der Beklagte übersandte daraufhin den Einkommensteuerbescheid 1997 unter dem Datum des 10. Mai 1999 an die Steuerberater K & G. Die Veranlagung erfolgte im Wesentlichen antragsgemäß; abweichend von der Erklärung wurden Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 5.000,00 DM geschätzt. Dabei handelte es sich laut Anlage zum Steuerbescheid um den Gewinn aus der Gaststätte "St". Gegen diesen Bescheid legten die Steuerberater "namens und im Auftrag unseres Mandanten" Einspruch ein. Der Einspruch wurde damit begründet, dass der Restaurationsbetrieb zu der "B GmbH" gehöre. Der Beklagte änderte daraufhin mit Bescheid vom 5. Juli 1999, wiederum adressiert an die Sozietät K & G, den Einkommensteuerbescheid 1997, indem er die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nunmehr mit 0,00 DM berücksichtigte.
Aufgrund einer Kontrollmitteilung erfuhr der Beklagte, dass der Kläger im Januar 1997 von seinem Vater ein Grundstück in O.übertragen erhalten hatte. Einkünfte aus diesem Grundstück waren in der Einkommensteuererklärung nicht erklärt worden. Der Beklagte forderte den Kläger über das Büro K & G daraufhin auf, für dieses Grundstück eine Anlage V zur Einkommensteuererklärung nachzureichen. Diese Erklärung reichte die Steuerberatungsgesellschaft K& G am 15. August 2000 ein. Darin wurde der Überschuss der Einnahmenüber die Werbungskosten mit 93.547,00 DM und die Absetzung für Abnutzung mit 232.834,00 DM angegeben.
Der Beklagte folgte dem nicht und berücksichtigte lediglich einen Abschreibungsbetrag von 6.556,00 DM. Der Überschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhöhte sich somit auf 319.825,00 DM. Mit Datum vom 25. September 2000 wurde der Einkommensteuerbescheid 1997 nach § 173 Abgabenordnung (AO) entsprechend geändert. Dieser Bescheid wurde mit Postzustellungsurkunde dem Steuerbüro K & G zugestellt. Die Zustellung erfolgte am 27. September 2000.
Der Einkommensteuerbescheid 1997 vom 10. Mai 1999 wurde von den Steuerberatern K & G am 17. Mai 1999, der erste Änderungsbescheid vom 5. Juli 1999 am 3. August 1999 an den Kläger weitergeleitet.
Am 6. November 2000 legte der Kläger, vertreten durch die Steuerberater K & G, gegen den Einkommensteuerbescheid 1997 Einspruch ein. Begründet wurde dieser damit, dass der Bescheid nicht zutreffend bekannt gegeben worden sei, weil die Steuerberatungsgesellschaft K & G nicht empfangsbevollmächtigt sei. In einem weiteren Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass zusätzliche Zinsaufwendungen in Höhe von 64.306,00 DM zu berücksichtigen seien. Der Beklagte wies den Einspruch als unzulässig zurück.
Im Klageverfahren vertritt der Kläger die Rechtsauffassung, dass keine wirksame Bekanntgabe des geänderten Einkommensteuerbescheides erfolgt sei. Das Büro K & G sei nicht empfangsbevollmächtigt gewesen, so dass die Zustellung an den Berater keine Bekanntgabe an den Kläger bewirkt habe. Gem. § 8 Abs. 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) seien Zustellungen an den Vertreter nur dann zu richten, wenn eine schriftliche Vollmacht vorliege. Diese Vollmacht habe es nicht gegeben. Der Auftrag für die Erstellung und Einreichung de Steuererklärung an deinen Angehörigen der steuerberatenden Berufe beinhalte jedenfalls nicht automatisch die Bestellung zum Empfangsbevollmächtigten. Es sei auch nicht zu einer Heilung des Zustellungsmangels gem. § 9 Abs. 1 VwZG gekommen, weil der Kläger den Bescheid nicht erhalten habe.
Im Übrigen sei im Mantelbogen die Kanzlei Dr. S. + Partner als Empfangsbevollmächtigte eingetragen gewesen. Der Kläger habe diese Vollmacht dem Beklagten gegenüber nicht zurückgenommen. Damit habe sie zum Zeitpunkt des Ergehens des angegriffenen Steuerbescheides am 25. September 2000 immer noch fortbestanden.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteueränderungsbescheid 1997 vom 25. September 2000 und den Einspruchsbescheid vom 11. Januar 2001 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält das Verhalten des Klägers für treuwidrig. Es sei nach Übernahme des Mandats durch das Steuerbüro K& G mehrfach mit diesem Büro korrespondiert worden. So hätten diese Steuerberater Einspruch eingelegt; sowohl der erste Einkommensteuerbescheid 1997 als auch der erste Änderungsbescheid seien an den Berater gesandt worden. Die Bekanntgabe dieser Bescheide sei jeweils widerspruchslos hingenommen worden. Wenn erst bei Bekanntgabe des dritten Bescheides die fehlerhafte Bekanntgabe eingewandt werde, dann stelle dies eine unzulässige Rechtsausübung dar.
Der Kläger hat auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung geäußert, dass für ihn Herr K sein Ansprechpartner und Steuerberater gewesen sei.
Im Übrigen wird auf die Einkommensteuerakte und die im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der geänderte Einkommensteuerbescheid 1997 vom 25. September 2000 ist dem Kläger wirksam am 27. September 2000 bekannt gegeben worden. Der Einspruch vom 6. November 2000 gegen diesen Bescheid ist verspätet nach Eintritt der Bestandskraft beim Beklagten eingegangen. Weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung können nicht berücksichtigt werden.
Gem. § 355 Abs. 1 AO ist der Einspruch gegen einen Steuerbescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegen. Der nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Einkommensteuerbescheid vom 25. September 2000 ist dem Kläger am 27. September 2000 wirksam mit Postzustellungsurkunde bekannt gegeben worden.
Die Bekanntgabe des Bescheides an die Steuerberater K & G wirkt auch für den Kläger. Gem. § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist. Nach Satz 3 kann der Verwaltungsakt auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Es besteht nach dieser Vorschrift für die Finanzbehörde ein Ermessensspielraum, ob sie einen Bescheid dem Steuerpflichtigen selbst oder dem Bevollmächtigten bekannt gibt. Gleiches gilt, wenn der Bescheid zugestellt wird. § 122 Abs. 5 AO bestimmt, dass im Falle der Zustellung des Bescheides die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) anzuwenden sind. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 VwZG können Zustellungen an den allgemein oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Vertreter gerichtet werden. Dass für die Sozietät K & G eine Vollmacht - wenn auch keine Empfangsvollmacht - bestanden hat, für den Kläger tätig zu werden, ist unstreitig und in der mündlichen Verhandlung durch den Kläger bestätigt worden, der äußerte, dass er den Steuerberater K als seinen Berater angesehen habe.
Zutreffend ist zwar, wie der Kläger ausführt, dass die Bevollmächtigung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe nicht automatisch die Bestellung des Bevollmächtigten zum Empfangsbevollmächtigten mit einschließt. Auch wird das Ermessen der Finanzbehörde dann, wenn im Mantelbogen der Steuererklärung ein Empfangsbevollmächtigter benannt wird, dahingehend eingeschränkt, dass der Bescheid dem Empfangsbevollmächtigten bekannt zu geben ist. (BFH Beschluss vom 12. März 1998 IX B 112/97, NV 1998, 941; für Zustellungen ausdrücklich geregelt in § 8 Abs. 1 Satz 2 VwZG). Nicht angängig ist jedoch der Rückschluss, den der Kläger im Streitfall vornimmt: Ist kein Empfangsbevollmächtigter bestellt, so bedeutet das nicht, dass dem Bevollmächtigten ein Bescheid nicht zugestellt werden darf. Eine solche Auslegung der Vorschriften des § 122 Abs. 1 Satz 3 AO und § 8 Abs. 1 Satz 1 VwZG ist mit deren Wortlaut nicht vereinbar. Denn dann hätte die Finanzbehörde entgegen der ausdrücklichen Formulierung im Gesetz keinerlei Ermessen: In dem Falle, dass eine Empfangsvollmacht vorliegt, wäre der Bescheid dem Berater zuzustellen, wenn nicht, müsste der Bescheid dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben werden. Insofern konnte im Streitfall der Beklagte den Änderungsbescheid im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens dem Steuerberater bekannt geben.
Hinzu kommt im Streitfall noch ein anderer Gesichtspunkt: Der Beklagte hat - nachdem ihm vom früheren Empfangsbevollmächtigten die Anschrift der Sozietät K & G mitgeteilt wurde - mehrfach mit dieser Kanzlei korrespondiert und vor der Übersendung des fraglichen Bescheides bereits zwei Mal Bescheide an diesen Bevollmächtigten bekannt gegeben. Diese Bescheide sind, wie der Kläger eingeräumt hat, an ihn weitergeleitet worden. Weiterhin sind Informationen vom Kläger über das Büro K & G an den Beklagten geleitet worden wie beispielsweise die beim Beklagten eingereichte Anlage V zeigt. Gegen diese Praxis sind - bevor sich beim zweiten Änderungsbescheid vom 25. September 2000 die Frage der Bestandskraft stellte - von Seiten des Klägers niemals Einwendungen erhoben worden. Aufgrund der stillschweigenden Billigung der Bekanntgabe der Steuerbescheide an das Büro K & G ist davon auszugehen, dass eine Empfangsbevollmächtigung im Wege einer Duldungsvollmacht begründet worden ist. Der Kläger muss sich den durch die mehrfache Entgegennahme der Bescheide erzeugten Rechtsschein der Bevollmächtigung zurechnen lassen (ebenso BFH Beschluss vom 26. Juni 1997 XI B 174/96, NV 1998, 17). Dies gilt im Streitfall um so mehr, als hier trotz des Wechsels der Steuerberatungsgesellschaft Personenidentität hinsichtlich des für den Kläger tätigen Steuerberaters K vorlag. Es bestand keinerlei Anlass für den Beklagten, anzunehmen, dass das Mandat durch den Wechsel in seinem Umfang beschränkt werden sollte.
Ist der Änderungsbescheid am 27. September 2000 mit Wirkung für den Kläger bekanntgegeben worden, so lief die Einspruchsfrist einen Monat darauf, d.h. am 27. Oktober 2000, ab. Die Erhebung des Einspruchs am 6. November erfolgte verspätet nach Eintritt der Bestandskraft. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht geltend gemacht worden und nach Aktenlage auch nicht ersichtlich. Eine Aufhebung bzw. Änderung des Einkommensteuerbescheides 1997 in der Gestalt vom 25. September 2000 ist somit nicht möglich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).