Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.09.2002, Az.: 5 K 127/00

Anwendungsbereich der Grundsätze des "erfolglosen Unternehmers" im Umsatzsteuerrecht bei Verpachtung eines Restaurants und Hotels von Ehemann an Ehefrau

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
05.09.2002
Aktenzeichen
5 K 127/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 20670
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0905.5K127.00.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 11.12.2003 - AZ: V R 48/02

Fundstellen

  • EFG 2003, 966-967
  • SteuerBriefe 2003, 1353-1354
  • UStB 2003, 263 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer Lieferungen oder sonstige Leistungen für sein Unternehmen bezogen hat.

  2. 2.

    Der Leistungsbezug für das Unternehmen wird durch die Zuordnungsentscheidung des Unternehmers bestimmt. Dabei ist entscheidend, ob der Stpfl. im Zeitpunkt des Leistungsbezuges die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen.

  3. 3.

    Bestand im Zeitpunkt des Leistungsbezuges nicht die Absicht, diesen unternehmerisch zu nutzen, scheidet der Vorsteuerabzug aus.

  4. 4.

    Die Grundsätze des "erfolglosen Unternehmers" sind nicht anwendbar, wenn der Leistungsbezug einem Dritten zunächst unentgeltlich überlassen und erst später unternehmerisch zur Erzielung von Entgelten genutzt werden soll.

Tatbestand

1

Der Kläger ist als selbständiger Architekt unternehmerisch tätig. Daneben ist er Eigentümer mehrerer Immobilienobjekte, aus deren Vermietung er Vermietungsumsätze erzielt. Im Kalenderjahr 1995 baute er das von ihm erworbene Grundstück...zu einem Restaurant/Cafe und Hotel um. Mit einer als Pachtvertrag bezeichneten Vereinbarung vom 25. Oktober 1995 verpachtete er den Umbau unter dem Namen "W-Hotel" an seine Ehefrau. Das Pachtverhältnis begann gemäß § 2 des Vertrages am 1. November 1995. Die Vereinbarung über den Pachtzins in § 3 der Vereinbarung lautete wie folgt:

"Ab 1. Januar 1999 ist ein Pachtzins an den Verpächter zu zahlen. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Pachtobjekt unentgeltlich an den Verpächter verpachtet. Sollte in dieser Zeit ein Gewinn erwirtschaftet werden, ist dieser rückwirkend als Pacht zu entrichten.

Als Pachtzins wird eine Umsatzpacht vereinbart. Dieser beträgt jährlich insgesamt 10 v.H. des Nettoumsatzes zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer von z.Zt. 15 v.H. des Umsatzes ohne Umsatzsteuer (sog. Nettoumsatz).

Der Pachtzins ist ab 01.01.1999 monatlich mit DM 2.500,- (Netto) als Abschlagszahlung an den Verpächter abzuführen. "

2

Mit einer "Anlage zum Pachtvertrag vom 25.10.1995" verpachtete der Kläger in einem anderen Gebäude drei Hotelzimmer an seine Ehefrau zur Nutzung für das "W-Hotel". Diese Vereinbarung wurde von den Vertragsparteien am 1. Oktober 1996 geschlossen und sollte am selben Tag in Kraft treten. Auch die Pacht von 500,00 DM pro Zimmer zuzüglich Umsatzsteuer sollte ab 1. Oktober 1996 gezahlt werden. Mit einer weiteren Anlage zum Pachtvertrag verpachtete der Kläger insgesamt fünf Zimmer, einschließlich der bereits mit der Anlage vom 1. Oktober 1996 verpachteten drei Zimmer, in dem anderen Gebäude an seine Ehefrau zur Nutzung für das "W-Hotel" ebenfalls zu einem monatlichen Mietzins von 500,00 DM pro Zimmer zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Diese Vereinbarung wurde am 1. Januar 1998 geschlossen und sollte auch am selben Tag in Kraft treten. Hinsichtlich der Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf den zur Gerichtsakte gelangten Pachtvertrag einschließlich der Anlagen hierzu Bezug genommen.

3

Mit Schreiben vom 15. Oktober 1998 teilte der Kläger der Pächterin mit, dass der Erweiterungsbau am 1. August 1998 fertiggestellt worden sei und der neue Pachtzins nunmehr 7.500,00 DM für das Haupthaus und 2.500,00 DM für die Zimmer im Nebengebäude zuzüglich insgesamt 1.600,00 DM Umsatzsteuer betrage. Das Schreiben enthält außerdem einen Hinweis auf die Regelung in § 3 des Pachtvertrages vom 25. Oktober 1995, wonach ein Pachtzins erst ab 1. Januar 1999 zu zahlen ist, im Fall einer Erwirtschaftung von Gewinnen diese aber rückwirkend als Pachtzins abzuführen sind.

4

Mit Schreiben vom 7. Dezember 1998 teilte der Kläger der Pächterin mit, dass der Erweiterungsbau am 1. September 1998 fertiggestellt sei und eine Pachtzahlung für die Monate September bis Dezember in Höhe von 4.000,00 DM zu entrichten sei. Wie der Kläger diesen Betrag ermittelt hat, lässt sich weder aus Schreiben selbst noch aus sonstigen Unterlagen herleiten.

5

Mit Schreiben vom 15. Dezember 1998 wies der Kläger die Pächterin auf die Verpflichtung zur Pachtzahlung ab 1. Januar 1999 hin und machte einen Pachtzins in Anlehnung an den im Schreiben vom 15. Oktober 1998 ermittelten Pachtzins geltend.

6

Mit Schreiben vom 1. Januar 1999 teilte der Kläger der Pächterin den neuen Pachtzins mit, den er mit 12.500,00 DM für das Haupthaus und 2.500,00 DM für die Zimmer im Nebengebäude zuzüglich 2.400,00 DM Umsatzsteuer berechnete.

7

Mit Schreiben vom 1. März 1999 ging der Kläger demgegenüber wieder von einem Pachtzins in Höhe von 10.000,00 DM für das Haupthaus und 2.500,00 DM für die Zimmer im Nebengebäude aus. Die Schreiben sind jeweils nur vom Kläger, nicht aber von der Pächterin unterzeichnet.

8

Mit seiner Umsatzsteuererklärung für die Streitjahre 1995 bis 1997 machte der Kläger u.a. die Vorsteuern aus der Errichtung des "W-Hotels", d.h. aus der Errichtung des Haupthauses in der S-Straße geltend. Der Beklagte ließ diese Vorsteuern im Anschluss an eine beim Kläger durchgeführte steuerliche Außenprüfung nicht zum Abzug zu.

9

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Zu deren Begründung trägt der Kläger vor, der Vorsteuerabzug dürfe ihm nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des EuGH und des BFH zum sog. "erfolglosen Unternehmer" nicht versagt werden. Die Unternehmertätigkeit beginne bereits mit den ersten nach außen erkennbaren Tätigkeiten. Selbst wenn eine Umsatztätigkeit überhaupt nicht ausgeübt werde, entstehe der Vorsteuererstattungsanspruch, wenn die Vorbereitungsmaßnahmen hierauf gerichtet gewesen seien. Dann aber könne ihm, dem Kläger, der Vorsteueranspruch nicht versagt werden, da er tatsächlich Ausgangsumsätze ausgeführt habe. Ein Pachtentgelt sei auch nicht erst ab 1. Januar 1999 sondern hinsichtlich des Nebengebäudes bereits früher gezahlt worden. Schließlich könne auch im Hinblick auf das Haupthaus in der S-Straße nicht von einer unentgeltlichen Überlassung ausgegangen werden. Die vertragliche Regelung sehe für den Fall einer Gewinnerwirtschaftung ausdrücklich eine Pflicht zur Pachtzinszahlung vor. Diese sei tatsächlich auch bereits vor dem 1. Januar 1999 erfolgt.

10

Der Kläger beantragt,

weitere Vorsteuern in Höhe von

  • ...DM für 1995,
  • ...DM für 1996,
  • ...DM für 1997 zum Abzug zuzulassen.

11

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Zur Begründung seines Antrags verweist er im Wesentlichen auf die Ausführungen im Einspruchsbescheid vom 14. März 2000.

13

Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Steuerakten zu Steuer-Nr. .... sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Gründe

14

Die Klage ist unbegründet.

15

Es bestehen schon Zweifel, ob der Kläger überhaupt ein Verpachtungsunternehmen betrieben hat, für das er zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungen beziehen konnte. Es stellt sich nämlich die Frage, ob der vereinbarte Pachtvertrag tatsächlich durchgeführt ist. Hieran bestehen Zweifel angesichts der Schreiben des Klägers an seine Ehefrau vom 15. Oktober 1998, 7. Dezember 1998, 15. Dezember 1998, 1. Januar 1999 und 1. März 1999. Diese Schreiben erwecken den Eindruck, dass die Pächterin gar keinen Einfluss auf die Höhe des Pachtzinses gehabt hat, sondern dass dieser einseitig vom Kläger festgelegt worden ist. Das aber wäre ein Indiz dafür, dass tatsächlich kein Pachtverhältnis durchgeführt sondern nach Außen nur dessen Anschein erweckt werden sollte, weil sich kein Pächter auf ein einseitiges Pachtzinsdiktat einlassen würde, das im Übrigen auch im Widerspruch zu den vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau steht.

16

Der Senat hat die Frage aber letztlich dahingestellt bleiben lassen können, weil der Vorsteuerabzug auch im Falle einer tatsächlichen Durchführung der vertraglichen Vereinbarungen nicht zum Abzug zuzulassen ist. Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug scheidet vorliegend aus, weil der Kläger die Leistungsbezüge im Zusammenhang mit der Errichtung des "W-Hotels" nicht für sein Unternehmen bezogen hat. Das aber ist gemäß § 15 Abs. 1 UStG eine der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs.

17

Der Leistungsbezug für das Unternehmen wird durch die Zuordnungsentscheidung des Unternehmers bestimmt. Dabei ist entscheidend, ob der Steuerpflichtige im Zeitpunkt des Leistungsbezuges die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat eine zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen (Urteil des EuGH vom 8. Juni 2000, Rs. C-400/98, UR 2000, 329). Vorliegend ist die Absicht der erstmaligen Nutzung des "W-Hotels" auf eine unentgeltliche Überlassung und damit auf eine nichtunternehmerische Nutzung gerichtet gewesen. Die Unternehmereigenschaft setzt gemäß § 2 Abs. 1 UStG u.a. eine auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete Tätigkeit voraus. Daraus folgt, dass eine Tätigkeit, die nicht auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist, auch nicht als unternehmerisch beurteilt werden kann. Daran ändert auch der Hinweis des Klägers, man habe Anlaufverluste vermeiden wollen, nichts. Diese Überlegung ergibt aus der Sicht des Unternehmens des Klägers keinen Sinn, sondern lässt sich nur vor dem Hintergrund der engen persönlichen Beziehung des Klägers zur Pächterin, seiner Ehefrau, erklären. Eine unternehmerische Motivation der unentgeltlichen Überlassung kann damit nicht erklärt werden.

18

Die Regelung in § 3 des Pachtvertrages, wonach etwaige vor dem 1. Januar 1999 erwirtschafteten Gewinne als Pachtzins an den Verpächter abzuführen sind, stellt keine gleichsam aufschiebend bedingte Entgeltsvereinbarung dar. Wie sich aus dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, sind sich die Vertragsparteien darüber im Klaren gewesen, dass tatsächlich in einer zeitlich nicht konkret zu kalkulierenden Anlaufphase nicht mit Gewinnen zu rechnen gewesen ist. Damit hat Einvernehmen darüber bestanden, dass die Nutzungsüberlassung für einen unbestimmten, allerdings bis 1. Januar 1999 befristeten Zeitraum unentgeltlich erfolgen sollte.

19

Die Vereinbarungen über das Nebengebäude und die in diesem Zusammenhang schon vorher geflossenen Zahlungen sind insoweit ohne Bedeutung, weil sie im Zeitpunkt des Leistungsbezuges noch nicht vorgelegen haben. Der Leistungsbezug ist zum weitaus größten Teil 1995 erfolgt, die erste Verpachtung dreier Zimmer ist aber erst mit Vertrag vom 1. Oktober 1996 vereinbart worden. Darüber hinaus hat die Verpachtung dreier Zimmer in einem anderen Objekt keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Unentgeltlichkeit der Überlassung des Haupthauses.

20

Auch die bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs bestehende Absicht, das Gebäude S-Straße zwar zunächst nichtunternehmerisch, später jedoch unternehmerisch nutzen zu wollen, führt nicht zur Anerkennung der geltend gemachten Vorsteuern. Entscheidend für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ist zwar nicht mehr, wie nach überkommener deutscher Rechtsauffassung, die tatsächliche erstmalige Verwendung, wohl aber die Absicht der erstmaligen Verwendung. Diese ist aus den o.g. Gründen auf einen nichtunternehmerische Nutzung der Leistungsbezüge gerichtet gewesen. Die Situation entspricht von der Verwendungsabsicht her der der Einlage in das Unternehmen, weil zunächst die Zuführung des Leistungsbezugs in den nichtunternehmerischen Bereich und aus diesem die spätere Überführung in den unternehmerischen Bereich geplant gewesen ist. Da die Einlage eines Wirtschaftsguts aus dem Privatbereich in den unternehmerischen Bereich nicht zum Vorsteuerabzug führt, kann auch die gleichsam von vornherein geplante Einlage nicht zum Vorsteuerabzug führen. Darauf, dass das "W-Hotel" in späteren Jahren einmal zur Erzielung von Verpachtungsumsätzen genutzt werden sollte, kommt es deshalb nicht an. Hierin unterscheidet sich der Fall von den von der Rechtsprechung zum "erfolglosen Unternehmer" entschiedenen Fällen, in denen eine erstmalige unternehmerische Nutzung beabsichtigt, aber letzten Endes fehlgeschlagen ist.

21

Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ergibt sich auch nicht, wie der Kläger meint, aus § 15 Abs. 3 Nr. 2 UStG. Danach ist vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen die Steuer für die Leistungsbezüge, die der Unternehmer zur Ausführung unentgeltlicher Lieferungen und sonstiger Leistungen verwendet, die steuerfrei wären, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt würden. Diese Bestimmung greift vorliegend schon deshalb nicht, weil die unentgeltlichen Leistungen zu unternehmerischen Zwecken ausgeführt werden müssen (BFH Urteil vom 4. März 1993 V R 73/87, BStBl II 1993, 525, 526). Hieran fehlt es aus den o.g. Gründen. Außerdem lässt die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht den Umkehrschluss zu, unentgeltliche Leistungen, die steuerpflichtig wären, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt würden, seien zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze (BFH Urteile vom 4. März 1993 V R 73/87, BStBl II 1993, 525; vom 4. März 1993 V R 68/89, BStBl II 1993, 527; ebenso Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 643).

22

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

23

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.