Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.09.2002, Az.: 1 K 269/01

Verfassungswidrigkeit der Kappungsgrenze des § 9 Abs. 6 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG)

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
30.09.2002
Aktenzeichen
1 K 269/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 14103
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0930.1K269.01.0A

Fundstelle

  • EFG 2003, 286-287

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die durch § 9 Abs. 6 Satz 3 EigZulG bewirkte Beschränkung der Wohnungseigentumsförderung ist mit dem GG vereinbar.

  2. 2.

    § 9 Abs. 6 Satz 3 EigZulG bewirkt keinen unzulässigen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG. Aus Art. 6 Abs. 1 GG lässt sich kein Anspruch auf Besserstellung von Familien mit höherer Kinderzahl gegenüber Familien mit weniger Kindern bzw. kinderlosen Ehepaaren ableiten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Kappungsgrenze des § 9 Abs. 6 Satz 3 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG).

2

Die Kläger sind verheiratet und haben vier Kinder. Sie sind Miteigentümer zu je ae des Gebäudes N-weg in L., für das sie in den Jahren 1992-1999 als Erstobjekt bereits die Steuervergünstigung nach § 10 e Einkommensteuergesetz (EStG) in Anspruch genommen haben. In den Jahren 1999-2000 erfolgte der Ausbau des Spitzbodens des Hauses. Mit einem Aufwand von 67.498,56 DM wurden ein Wohn-/Schlafraum, ein Bad und ein Flur angelegt.

3

Mit Antrag vom 17. November 2000 beantragten die Kläger Eigenheimzulage für den Ausbau. Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 12. Januar 2001 dem Grunde nach Eigenheimzulage, wobei er die Eigenheimzulage für die Jahre 2000-2003 - insoweit antragsgemäß - auf 7.688,00 DM festsetzte. Für das Jahr 2004 belief sich die Festsetzung auf 2.998,- DM und die Jahre 2005-2007 auf 0,00 DM, da die Kappungsgrenze des § 9 Abs. 6 Satz 3 EigZulG von 50 % der Herstellungskosten erreicht wurden.

4

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, dass die Kappung der Eigenheimzulage durch § 9 Abs. 6 Satz 3 EigZulG auf 50 % der Anschaffungskosten verfassungswidrig sei. Die Regelung würde kinderreiche Familien in gleichheitswidriger Weise benachteiligen. Gäbe es die Kappungsgrenze nicht, würde ihnen über 8 Jahre hinweg Eigenheimzulage von insgesamt rund 61.600,00 DM gewährt, es müßte nur eine geringe Summe fremdfinanziert werden. Die Kappungsgrenze bewirke nun, dass ihr Bestreben zur Sparsamkeit bestraft und effektiv nur zwei Kinder berücksichtigt würden. Familien mit höherem Einkommen könnten eine höhere staatliche Förderung in Anspruch nehmen, weil sie in der Lage seien, einen höheren Betrag selbst zu finanzieren.

5

Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Abänderung des Eigenheimzulagebescheides vom 12. Januar 2001 und der Einspruchsentscheidung vom 24. April 2002 den Beklagten zu verpflichten, die Eigenheimzulage für die Jahre 2000-2007 auf jeweils 7.688,00 DM festzusetzen.

6

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Der Beklagte weist darauf hin, dass § 9 Abs. 6 Satz 3 EigZulG geltendes Recht sei, das er anzuwenden habe.

8

Kläger und Beklagter haben in dem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 4. Juni 2002 auf mündliche Verhandlung verzichtet.

9

Im Übrigen wird auf die im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze der Parteien sowie die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

11

Der Beklagte hat den Klägern Eigenheimzulage in zutreffender Höhe gewährt. § 9 Abs. 6 Satz 3 EigZulG ist nicht verfassungswidrig.

12

Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 EigZulG wird bei Ausbauten und Erweiterungen begünstigter Objekte ein Fördergrundbetrag von jährlich 2,5 v.H. der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.500,00 DM gewährt. Hinzu kommt nach § 9 Abs. 5 EigZulG eine Kinderzulage von 1.500,- DM je Kind. Rechnerisch würde sich so für die Kläger eine Eigenheimzulage von jährlich 7.688,00 DM ergeben, die über den Förderzeitraum von 8 Jahren (§ 3 EigZulG) zu gewähren wäre. Im Streitfall kommt jedoch die sogenannte Kappungsgrenze des § 9 Abs. 6 Satz 3 EigZulG zur Anwendung. Danach darf bei Ausbauten und Erweiterungen die Summe des Fördergrundbetrages und der Kinderzulagen 50 v.H. der Bemessungsgrundlage nicht überschreiten. Die den Klägern zustehende Gesamtförderung beschränkt sich demgemäß auf die Hälfte der Herstellungskosten von 67.498,00 DM, d.h. 33.749,00 DM.

13

Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger ist die durch§ 9 Abs. 6 Satz 3 EigZulG bewirkte Beschränkung der Wohnungseigentumsförderung mit dem Grundgesetz vereinbar.

14

§ 9 Abs. 6 Satz 3 EigZulG bewirkt keinen unzulässigen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Nach Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Verboten ist danach eine Benachteiligung, die an den Instituten Ehe und Familie anknüpft. Umgekehrt lässt sich aus Art. 6 Abs. 1 GG jedoch kein Anspruch auf Besserstellung von Familien mit höherer Kinderzahl gegenüber Familien mit weniger Kindern bzw. kinderlosen Ehepaaren ableiten.

15

Im Streitfall erhalten die Kläger nicht etwa weniger Eigenheimzulage, weil sie vier Kinder haben: die Höhe der zu gewährenden Eigenheimzulage wird lediglich eingefroren, sobald 50 v.H. der Bemessungsgrundlage erreicht werden. Eine Familie mit beispielsweise drei oder nur einem Kind würde jedenfalls nicht mehr Eigenheimzulage als die Kläger erhalten. Dass sich eine größere Zahl von Kindern bei gleichzeitig niedriger Bausumme nicht positiv auf die Höhe der Eigenheimzulage auswirkt, stellt keine unzulässige Diskriminierung dar, sondern bedeutet nur das Fehlen einer Besserstellung.

16

Ebensowenig verletzt die Kappungsgrenze den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Zwar könnte man mit den Klägern daran denken, dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin begründet ist, dass eine Familie mit weniger Kindern unter Umständen die gleiche Eigenheimförderung erhält wie eine Familie mit mehr Kindern, d.h. die notwendige Differenzierung zwischen ungleichen Sachverhalten unterblieben ist.

17

Jedoch wird Art. 3 Abs. 1 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstanden als Willkürverbot: Unzulässig ist eine willkürliche Ungleichbehandlung von Gleichem bzw. willkürliche Gleichbehandlung von Ungleichem, ohne dass ein sachlicher Differenzierungsgrund vorliegt. Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Gesetzgeber - gerade im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit, die hier mit dem Eigenheimzulagengesetz als Steuervergünstigung angesprochen ist - grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum ein: Das Bundesverfassungsgericht könne nur die Überschreitungäußerster Grenzen beanstanden und dem Gesetzgeber erst entgegentreten, wenn sich für eine von ihm getroffene Differenzierung in keiner Hinsicht sachlich einleuchtende Gründe aufweisen ließen, so das die Regelung als willkürlich beurteilt werden müsse (Beschluss des Ersten Senats vom 13.06.1979 - 1 BvR 97/78 -, BVerfGE 295(300); Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, Art. 3 Rn. 21 a).

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In der Gesetzesbegründung zum Steuerbereinigungsgesetz 1999, durch das die Kappungsgrenze in das Eigenheimzulagengesetz aufgenommen wurde, heißt es:

"Im Interesse eines effizienten Einsatzes staatlicher Mittel wird die Eigenheimzulage (in konsequenter Fortsetzung der Begrenzung bei Ausbauten und Erweiterungen durch das Jahressteuergesetz 1997) generell auf 50 v.H. der Investitionskosten begrenzt. Dadurch entfällt der Anreiz zu ausschließlich steuermotivierten Gestaltungen weitgehend (BT-Drucksache, 14/1655, S. 18 f.)."

19

Mit dieser Begründung zeigt der Gesetzgeber eine nachvollziehbare und keinesfalls willkürliche Begründung für die Begrenzung der Eigenheimförderung auch für kinderreiche Familien auf. Durch den Eigenbeitrag, den der Zulagenberechtigte bei der Finanzierung der Investitionskosten für einen Ausbau zu tragen hat, wird erreicht, dass nur sinnvolle und erforderliche Baumaßnahmen gefördert werden. Würde die gewährte Eigenheimzulage hingegen 100 % der Aufwendungen erreichen (oder sogar über 100 % hinausgehen), so wäre damit zu rechnen, dass Baumaßnahmen ohne ernsthaften Bedarf deshalb verwirklicht werden, weil die Kosten des Ausbaus oder der Erweiterung faktisch ausschließlich vom Staat getragen werden. Die Vermeidung einer solchen Fehlallokation von Fördermitteln ist ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers.

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Hinzu kommen noch ein weiterer Aspekt: Zweck des Eigenheimzulagengesetzes ist die Förderung des Wohnungsbaus und der Schaffung von Wohnungseigentum, nicht in erster Linie die Familienförderung. Geht man davon aus, dass nur eine begrenzte Summe an staatlichen Mitteln für die Wohnraumförderung zur Verfügung steht, so können, wenn die Förderquote niedriger ist, mit den vorhandenen Mitteln eine größere Zahl von Baumaßnahmen gefördert werden. Auch dieses ist ein beachtliches Motiv für die Beschränkung der Förderungshöhe für die einzelne Baumaßnahme.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).