Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.09.2002, Az.: 15 K 864/98

Privater Nutzungsanteil für das betriebliche Kraftfahrzeug; Anwendung der 1-Prozent-Regelung; Abgrenzung zwischen privat und betrieblich veranlassten Fahrten; Inhaltliche Anforderungen, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind; Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr.4 Satz 2 Einkommensteuerrecht (EStG)

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
24.09.2002
Aktenzeichen
15 K 864/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 14079
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0924.15K864.98.0A

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein Fahrtenbuch muss zumindest Aufzeichnungen für jede einzelne Fahrt hinsichtlich des Kilometerstandes am Anfang und Ende mit einer Kurzbezeichnung des Fahrtziels und - bei Umwegen - der Fahrtroute enthalten. Eine Zusammenfassung mehrerer an einem Tag durchgeführter Fahrten ist nicht ausreichend.

  2. 2.

    Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr.4 Satz 2 EStG bestehen nicht.

Tatbestand

1

Die Kläger wurden im Streitjahr XXX als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Sachverständiger und Gutachter für XXX Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. In seiner Einnahmeüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz - EStG - erfasste der Kläger Fahrzeugkosten in Höhe von XXX DM, ohne einen Privatanteil für die Kfz Nutzung zu ermitteln. Zum Nachweise der beruflich veranlassten Fahrten legte der Kläger ein Fahrtenbuch vor. In dem Fahrtenbuch ist das Datum, der Kilometerstand zu Fahrtbeginn und zu Fahrtende erfasst. Außerdem werden die dienstlich gefahrenen Kilometern aufgeführt. In der Rubrik Reiseziel werden die einzelnen Orte angegeben. Unter Reisezweck sind teilweise Aktenzeichen eingetragen oder der Grund für die Reise (z.B. Vortrag) angegeben. Soweit der Kläger an einem Tag mehrere Fahrten durchgeführt hat, sind die Kilometerstände tageweise festgehalten.

2

In dem nach § 164 Abs.2 Abgabenordnung - AO - geänderten Einkommensteuerbescheid vom 21. September 1998 ermittelte das Finanzamt in den Anteil für Privatfahrten nach der so genannten 1% Regelung auf Grund nachfolgender - betragsmäßig zwischen den Beteiligten unstreitigen - Berechnung:

Anschaffungskosten67.454,12 DM
Umsatzsteuer 14 v.H. 9.443,57 DM
Bruttolistenpreis 76.897,69 DM
private Nutzung9.227,00 DM
3

Die Kläger haben Einspruch erhoben und zu dessen Begründung vorgetragen, dass der Kläger ein Fahrtenbuch geführt habe, aus denen sich der Umfang der beruflich veranlassten Fahrten und der Privatfahrten ergebe. Das Fahrtenbuch enthalte alle notwendigen Angaben zu Datum und Kilometerstand zu Beginn und zum Ende jeder einzelnen auswärtigen Tätigkeit, Reiseziel und Reiseroute, Reiseziel und aufgesuchte Geschäftspartner und die jeweiligen Abfahrt und Ankunftszeiten.

4

Im Einspruchsverfahren erteilte das Finanzamt einen nach § 175 AO geänderten Einkommensteuerbescheid und wies den Einspruch der Kläger mit Einspruchsbescheid vom 25. November 1998 als unbegründet zurück. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass das von dem Kläger vorgelegte Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß geführt worden sei. Entgegen den Erfordernissen der Lohnsteuerrichtlinien sei es insbesondere nicht zeitnah geführt, sondern nachträglich erstellt worden. Im Übrigen sei das Fahrtenbuch inhaltlich zu beanstanden, da die Reiseroute nicht angegeben sei, der Zweck der jeweiligen Reisen nur unzureichend und die einzelnen beruflich veranlassten Fahrten nicht gesondert aufgeführt, sondern tageweise zusammengefasst worden seien. Die Aufzeichnungen, anhand derer der Kläger das Fahrtenbuch nachträglich erstellt habe, wiesen die gleichen Mängel wie das Fahrtenbuch auf; die Aufzeichnungen könnten deshalb auch nicht als ordnungsgemäßes Fahrtenbuch angesehen werden.

5

Mit der Klage wenden sich die Kläger weiterhin gegen den Ansatz eines privaten PKW-Nutzungsanteils. Die Eintragungen in dem Fahrtenbuch hätten vom Finanzamt ohne großen Aufwand inhaltlich überprüft werden können. Die Kläger hätten angeboten, Parkscheine und Tankbelege zur Überprüfung der Eintragungen vorzulegen. Die Überprüfung aller Eintragungen im Fahrtenbuch wäre innerhalb kürzester Zeit möglich gewesen. Richtig sei, dass die beruflich veranlassten Fahrten tageweise zusammengefasst worden seien. Richtig sei auch, dass das Fahrtenbuch nachträglich erstellt geworden sei. Dies sei deshalb geschehen, weil der Kläger zunächst die sich aus der 1% Regelung ergebenden Konsequenzen nicht überblickt habe. Die Eintragungen seien jedoch gleichwohl inhaltliche richtig, da sie nach den umfangreichen Aufzeichnungen des Klägers über seine berufliche Tätigkeit angefertigt worden seien. Der Vortrag des Finanzamts, auch die so genannten Grundaufzeichnungen seien lückenhaft, treffe nicht zu. Dies könne vom Finanzamt auch nicht beurteilt werden, da sich die Sachbearbeiter geweigert hätten, diese Aufzeichnungen einzusehen.

6

Die Kläger beantragen,

den geänderten Einkommensteuerbescheid XXX vom XX. XX X in Gestalt des Änderungsbescheides vom XX. XX X unter Aufhebung des Einspruchsbescheid des vom XX. XX X die Einkommensteuer XXX auf XXX DM herabzusetzen.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Das Finanzamt hält an seiner im Vorverfahren vertretenen Auffassung fest.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist nicht begründet.

10

Das Finanzamt hat in dem angefochtenen Bescheid zu Recht einen privaten Nutzungsanteil für das betriebliche Kraftfahrzeug angesetzt und diesen nach der Ein-Prozent-Regelung des § 6 Abs.1 Nr,4 Satz 2 ermittelt. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeuges für jeden Kalendermonat mit 1% des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer als Privatentnahme gewinnerhöhend anzusetzen. Abweichend davon kann die private Nutzung mit dem auf die Privatfahrten entfallenden Aufwand angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstandenen Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen wird. Das von dem Kläger geführte Fahrtenbuch ist nicht geeignet, die Abgrenzung zwischen privat und betrieblich veranlassten Fahrten abweichend von der gesetzlichen Pauschalierung der privaten Nutzung vorzunehmen. Der Senat kann dabei dahinstehen lassen, ob das Fahrtenbuch bereits deshalb nicht ordnungsgemäß ist, weil die Eintragungen nicht immer bei Beginn oder Ende einer Fahrt, sondern nachträglich - häufig am Wochenende - vorgenommen wurden (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Februar 2000 IV B 83/99, BStBl II 2000,298). Denn die Eintragungen des Klägers genügen den inhaltlichen Anforderungen nicht, die an ein ordnungsgemäßes Tagebuch zu stellen sind. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger einen Sachverhalt vortragen, der den Rahmen des allgemein Üblichen verlässt. Der Vortrag, ein Kraftfahrzeug werde nur betrieblich, aber niemals für private Zwecke genutzt, steht der allgemeinen Lebenserfahrung entgegen, wonach ansonsten betrieblich genutzte Fahrzeuge auch privat genutzt werden. Dabei mag der Umfang der privat durchgeführten Fahrten von den Umständen des Einzelfalls abhängen, insbesondere auch davon, ob ein zweites Kraftfahrzeug für private Fahrten zur Verfügung steht. Aber auch in diesem Fall ist es völlig ungewöhnlich, wenn die beruflichen und privaten Fahrten ausschließlich mit den einen oder anderen Kraftfahrzeug durchgeführt werden. Dieser außergewöhnliche Sachvortrag erhöht die Anforderungen der Kläger an seinen Nachweis. In diesem Fall bedarf es lückenloser Nachweise der einzelnen Fahrten und ihrer Veranlassung. Welche Anforderungen an ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch zu stellen sind, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht endgültig entschieden, sondern vom Bundesfinanzhof in mehreren Entscheidungen offen gelassen worden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Februar 2000, III R 59/98, BFH/NV 2000, 910). Die Finanzverwaltung (BMF - Schreiben vom 12. Mai 1997 IV B 2 S 2177/97, BStBl I 1997, 562) sieht ein Fahrtenbuch dann als ordnungsgemäß geführt an, wenn es mindestens folgende Angaben enthält: Datum und Kilometerstand zu Beginn und Ende jeder einzelnen betrieblich/beruflich veranlasste Fahrt, Reiseziel, Reisezweck und aufgesuchte Geschäftspartner. Wird ein Umweg gefahren, ist dieser aufzuzeichnen. Auf einzelne dieser Angaben kann bei besonderen in dem zitierten BMF Schreiben im Einzelnen aufgeführten Berufsgruppen verzichtet werden, soweit wegen der im Einzelfall die betriebliche/berufliche Veranlassung der Fahrten und der Umfang der Privatfahrten ausreichend dargelegt sind und Überprüfungsmöglichkeiten nicht beeinträchtigt werden Der Senat schließt sich der Verwaltungsauffassung insoweit an, als ein Fahrtenbuch zumindest Aufzeichnungen für jede einzelne Fahrt hinsichtlich des Kilometerstandes am Anfang und Ende mit einer Kurzbezeichnung des Fahrtziels und - bei Umwegen - der Fahrtroute enthalten muss. Eine Zusammenfassung mehrerer an einem Tag durchgeführter Fahrten ist nicht ausreichend. Denn ein Fahrtenbuch ist eine private Aufzeichnung, die inhaltlich richtig oder falsch sein kann. Ihren Beweiswert bezieht sie aus der Tatsache, dass durch sie die Angaben des Steuerpflichtigen einerÜberprüfung zugänglich gemacht werden; etwa in der Weise, dass die Angaben des Steuerpflichtigen mit anderen Belegen für das Kraftfahrzeug oder anderer Unterlagen, z.B. über Reisekosten abgeglichen werden können. Ein solcher Abgleich ist praktisch nicht möglich, wenn die Fahrten tageweise zusammengefasst werden, weil dann beispielsweise eine zwischen beruflich veranlassten Fahrten durchgeführte Privatfahrt nicht erkennbar ist. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr.4 Satz 2 EStG bestehen, wie der BFH in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, nicht (vgl. zuletzt BFH-Beschluss vom 11.März 2002 XI B 54/01, BFH/NV 2002,1024).

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.