Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.09.2002, Az.: 16 K 4/02

Rückforderung von Kindergeld; Vorbereitung auf die Promotion als Berufsausbildung; Entfallen des Unterhaltsbedarfs

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
26.09.2002
Aktenzeichen
16 K 4/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 21493
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0926.16K4.02.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 16.03.2004 - AZ: VIII R 65/03

Redaktioneller Leitsatz

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der im Jahr 2000 geltenden Fassung besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, nur, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird und die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, nicht mehr als 13.500,00 DM im Kalenderjahr betragen (Jahresgrenzbetrag).

Redaktioneller Leitsatz

Zur Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG gehört auch die Vorbereitung auf die Promotion.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rückforderung von Kindergeld.

2

Die Tochter Enke der Klägerin wurde am 19.12.1974 geboren. Bis Juli 2000 absolvierte diese ein Pharmaziestudium, in dessen Rahmen sie sich in der Zeit vom 01.07.1999 bis 30.06.2000 in einer praktischen Ausbildung zur Apothekerin befand. Ab 01.01.2000 erhielt sie hierfür eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.428,00 DM brutto. Mit der Erteilung der Approbation als Apothekerin mit Wirkung vom 11.07.2000 beendete sie ihre Ausbildung. Anschließend war sie seit dem 01.09.2000 als wissenschaftliche Angestellte bei der Medizinischen Hochschule Hannover beschäftigt. Der Arbeitsvertrag war bis zum 30.09.2001 befristet, wurde aber zunächst für die Dauer eines weiteren Jahres bis zum 30.09.2002 verlängert. Nach § 1 des Arbeitsvertrages war ihr neben ihrer Arbeitsverpflichtung die Gelegenheit zur Promotion eingeräumt worden, die sie in der Folgezeit auch betrieb. Ihre Vergütung richtete sich nach der Vergütungsgruppe II a BAT. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 50 v.H. der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag verwiesen.

3

Der Beklagte war bei der Gewährung des Kindergeldes zunächst davon ausgegangen, dass den Einnahmen der Tochter Enke in der Zeit vom 01.01. bis 30.06.2000 in Höhe von 8.568 DM (1.428,00 DM x 6 Monate) Werbungskosten aufgrund von Fahrtkosten in Höhe von 2.730 DM (130 Tage x 30 km x 0,70 DM) gegenüberstünden, so dass kindergeldunschädliche eigene Einkünfte der Tochter in Höhe von 5.838,00 DM (8.568,00 DM - 2.730 DM) verblieben. Nachdem er Kenntnis von den Einnahmen aus dem ab 01.09.2000 bestehenden Beschäftigungsverhältnis erlangt hatte, hob er die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind Enke mit Bescheid vom 29.11.2001 ab Januar 2000 gem. § 175 Abs.1 Nr.2 Abgabenordnung - AO - auf und forderte das überzahlte Kindergeld nach § 37 Abs. 2 AO zurück. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.

4

Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Aufhebungsbescheid für die Kindergeldzahlung Januar bis Juni 2000 sei rechtswidrig. Sie sei nicht verpflichtet, das für diesen Zeitraum für ihre Tochter Enke erhaltene Kindergeld an den Beklagten zurückzuzahlen. Entgegen dessen Darstellung hätten die eigenen Einkünfte und Bezüge der Tochter Enke den für das Kalenderjahr 2000 angegebenen Grenzbetrag in Höhe von 13.500,00 DM nicht überschritten. Enke habe sich nicht im gesamten Streitjahr 2000 in Ausbildung befunden. Das Studium der Pharmazie und die Ausbildung ihrer Tochter zur Apothekerin sei mit der Erteilung der Approbation als Apothekerin mit Wirkung vom 11.07.2000 beendet gewesen. Eine weitere Berufsausbildung habe ihre Tochter nicht angestrebt. Die Promotion habe sie lediglich aus persönlichen Statusgründen betrieben. Das ab Beendigung der Ausbildung erzielte Einkommen dürfe daher kindergeldrechtlich nicht bei der Ermittlung des Einkommens der Tochter berücksichtigt werden. Die Entscheidung des BFH vom 09.06.1999 (BStBl II 1999, 708 [BFH 09.06.1999 - VI R 92/98]) sei nicht anwendbar, da ihr ein wesentlich anderer Sachverhalt zu Grunde liege.

5

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 29.11.2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 06.12.2001 bezüglich der Anordnung der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Tochter Enke für den Zeitraum Januar 2000 bis einschließlich Juni 2000 aufzuheben.

6

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Der Beklagte weist unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung darauf hin, dass es sich bei der Vorbereitung auf die Promotion regelmäßig um eine Berufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Nr. 2 a EStG handle, wenn diese im Anschluss an das erfolgreich abgeschlossene Studium ernsthaft und nachhaltig durchgeführt werde. Dies sei bei der Tochter der Klägerin der Fall gewesen, so dass diese sich im gesamten Streitjahr in Ausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Nr. 2 a EStG befunden habe und die von der Tochter Enke in dieser Zeit erzielten eigenen Einkünfte zu berücksichtigen seien.

8

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

9

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte und dem Gericht vorgelegten Kindergeldakten (Bd. I und II) verwiesen.

Gründe

10

Die Klage ist unbegründet.

11

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der im Jahr 2000 geltenden Fassung besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, nur, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird und die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, nicht mehr als 13.500,00 DM im Kalenderjahr betragen (Jahresgrenzbetrag).

12

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Klägerin hat im Streitjahr keinen Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter Enke, da diese sich im gesamten Streitjahr in Berufsausbildung befunden hat und die in dieser Zeit von der Tochter erzielten eigenen Einkünfte und Bezüge die für das Streitjahr maßgebliche Einkommensgrenze in Höhe von 13.500,00 DM überschreiten. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Juni 1999 (Az. VI R 92/98, BStBl II 1999, 708 ff.) gehört zur Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG auch die Vorbereitung auf die Promotion. In seiner ausführlichen Begründung - der sich der Senat anschließt - weist der BFH darauf hin, dass durch die Verweisung in § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG auf § 32 Abs. 4 EStG der Gesetzgeber klargestellt habe, dass der steuerliche Begriff der Berufsausbildung seit der Systemumstellung auf den 01.01.1996 (Jahressteuergesetz 1996, Bundesgesetzblatt I 1995, 1250) auch im Kindergeldrecht anzuwenden sei. Im Rahmen der danach gebotenen einheitlichen steuerrechtlichen Auslegung gehöre zur Berufsausbildung auch die Vorbereitung auf eine Promotion, jedenfalls dann, wenn sie im Anschluss an das Studium ernsthaft und nachhaltig durchgeführt werde (vgl. Ziffer 2 der Urteilsgründe). Diese, im Prinzip für die Kindergeldberechtigten günstige Entscheidung, gilt konsequenter Weise auch hinsichtlich der Anrechnung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes. Eine andere Beurteilung käme allenfalls in Betracht, wenn das Kind während der Vorbereitung auf die Promotion einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachginge und damit ein Unterhaltsbedarf entfiele (vgl. BFH-Urteil vom 24. Mai 2000, BStBl II 2000, 473). Diese Voraussetzung ist im Streitfall jedoch nicht gegeben, da die regelmäßige Arbeitszeit der Tochter nach dem Arbeitsvertrag mit der Medizinischen Hochschule nur 50 v. H. der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten beträgt.

13

Da die eigenen Einkünfte und Bezüge der Tochter Enke unstreitig über der für das Streitjahr geltenden Einkommensgrenze gelegen haben, ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 06.12.2001 und das Urteil des BFH vom 09.06.1999 verwiesen. Der Senat sieht deshalb gemäß § 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.