Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.09.2002, Az.: 3 K 283/02

Schweinemastbetrieb als Gewerbebetrieb

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
24.09.2002
Aktenzeichen
3 K 283/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 14081
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0924.3K283.02.0A

Fundstellen

  • EFG 2003, 454-455
  • INF 2003, 206

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Überschreiten bei einer Schweinemastanlage in einem Zeitraum von mehreren Jahren die erzeugten Vieheinheiten deutlich die zulässigen Vieheinheiten, so handelt es sich um einen Gewerbebetrieb, wenn dem eindeutige Umstrukturierungsmaßnahmen zugrunde liegen.

  2. 2.

    Von einer nachhaltigen Betätigung im Sinne eines Gewerbebetriebes ist bei eindeutigen Umstrukturierungsmaßnahmen bereits bei Einleitung der Maßnahme auszugehen.

Tatbestand

1

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis zum 30. Juni 1998 durch einen Schweinemastbetrieb Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder aber solche aus Gewerbebetrieb erzielt hat.

2

Der Kläger bewirtschaftet seit 1987 einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit einer selbst bewirtschafteten Fläche zwischen 156 und 162 Hektar. Im Eigentum des Klägers standen zudem 4 Schweinemastställe mit einer Gesamtkapazität von 4400 Mastplätzen. Ab Februar 1989 betrieb er die Schweinemast zunächst in seinem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb. Zum 1. Juli 1990 gründete er mit seiner Ehefrau die A. GmbH, an der der Kläger zu 5/7 und seine Ehefrau zu 2/7 beteiligt waren. Bis einschließlich 31.12.1995 verpachtete der Kläger die 4 Schweinemastställe an die A. GmbH. Die GmbH wurde wegen Überschuldung zum 31.12.1995 aufgelöst. Ab dem 1. Januar 1996 betrieb der Kläger sodann die Schweinemastanlage mit den 4 Ställen im Rahmen seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes.

3

Zum 15.06.1998 gründeten der Kläger und seine Ehefrau die B. Schweinemast GbR. Der Kläger verpachtete 2 der 4 Ställe an die GbR und betrieb selbst die Schweinemast in den anderen 2 Ställen.

4

Der Kläger erklärte die Einkünfte aus der Schweinemast in den Jahren 1996 bis 1998 als solche aus Land- und Forstwirtschaft. Bei einer Betriebsprüfung im Juli des Jahres 2000 ermittelte der Betriebsprüfer für die Bewirtschaftung der Schweinemastanlage folgende, unstreitige Werte gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG):

Wirtschaftsjahr 1995/1996 1996/1997 1997/1998 1998/1999
Selbstbewirtschaftete Fläche 156, 89 ha 155, 48 ha 162, 60 ha 158, 27ha
zulässige Vieheinheiten (VE) 475 474 484 628
verkaufte Schweine 4521 9324 8547 5429
erzeugte VE 542 1119 1025 922
5

Danach stellte der Betriebsprüfer fest, dass aufgrund der Kapazitäten der Mastanlage die zulässigen VE - Höchstgrenzen überschritten waren.

6

Aufgrund der Umstrukturierung des Betriebes des Klägers sah er in der Schweinemast ab 1. Januar 1996 einen Gewerbebetrieb. Die Verpachtung der 2 Ställe an die GbR im Juli 1998 sah das Finanzamt als erneuten Strukturwandel vom Gewerbebetrieb zurück zum landwirtschaftlichen Betrieb an. Für die Zeit von Januar 1996 bis einschließlich Juni 1998 ermittelte er für den Betrieb des Klägers Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Das Finanzamt erließ entsprechende Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 1997 und 1998.

7

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

8

Hiergegen richtet sich die Klage.

9

Der Kläger ist der Ansicht, dass ein Strukturwandel seines Betriebes nicht vorliege, da der landwirtschaftliche Betrieb nicht dauerhaft umstrukturiert worden sei. Seit Gründung der B. Schweinemast GbR zum 15.06.1998 hielten sich die im landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers sodann gemästeten Schweine mit 622 VE erneut im Rahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die VE-Grenzen des § 13 EStG seien daher nur für 2 Jahre und 6 Monate überschritten worden. Der Kläger ist daher der Auffassung, dass hier keine nachhaltige gewerbliche Tätigkeit in diesen 2 ae Jahren ausgeübt worden sei.

10

Der Kläger beantragt,

die Gewerbesteuermessbescheide 1997 und 1998 vom 26. Oktober 2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2002 aufzuheben.

11

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.

13

Die gehaltenen Tierbestände hätten die in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i. V. m. § 51 Bewertungsgesetz bestimmten Grenzen nachhaltig überschritten. Nachhaltigkeit sei insbesondere auch dann gegeben, wenn die Tätigkeit auf einen einmaligen Entschluss beruhe, die Durchführung aber mehrere Handlungen erfordere.

14

Im Streitfall beginne der Gewerbebetrieb danach sofort zum 1. Januar 1996 mit erfolgter Umstrukturierung vom Ackerbaubetrieb zum Schweinemastbetrieb. Der Übergang von der Landwirtschaft zum Gewerbebetrieb beruhe nicht auf einen allmählichen, sondern auf einen sofortigen Strukturwandel. Der Kläger habe entschieden, dass er ab 1. Januar 1996 die Bewirtschaftung der Schweinemastanlage selbst übernehme. Damit habe der Kläger seinen bestehenden Betrieb um die Tierhaltung einschneidend erweitert. Allein dieser Beschluss für sich begründe den Tatbestand der Nachhaltigkeit. Die gravierende Änderung der Tierhaltung habe für den Kläger zur Folge, dass die Änderung der Zuordnung der Einkünfte mit sofortiger Wirkung im Zeitpunkt des Strukturwandels des Betriebes erfolge. Er könne sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er durch seine Maßnahmen innerhalb eines 3 Jahreszeitraumes keine dauerhafte Umstrukturierung seines Betriebes vorgenommen habe. Die Folgen des sofortigen Strukturwandels nehme nämlich änderten sich nicht dadurch rückwirkend, dass im Streitfall ein erneuter Strukturwandel in umgekehrter Richtung stattfinde.

15

Beide Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt und auf mündlicher Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

16

Die Klage ist nicht begründet.

17

Die vom Kläger in der Zeit vom Januar 1996 bis einschließlich Juni 1998 betriebene Schweinemast unterliegt als Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Gewerbesteuergesetztes, § 1 Abs. 1 Satz 1 Gewerbesteuerdurchführungsverordnung).

18

Nach § 2 des Gewerbesteuergesetzes ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, die mit der Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Landwirtschaft und Forstwirtschaft und noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Tätigkeit i. S. d. Einkommensteuerrecht anzusehen ist.

19

Unter Landwirtschaft ist die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung und Verwertung von lebenden Pflanzen und Tieren zu verstehen. Nach dem Gesetz (§ 13 Abs. 1 EStG) gehören auch Tierzucht und Tierhaltung zur Landwirtschaft. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Bodenbewirtschaftung die Grundlage für die Tierzucht und Tierhaltung ist. Dies ist der gesetzlichen Regelung zu entnehmen, nach der Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung nur dann zu den Einkünften aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft gehören, wenn die erzeugten und gehaltenen Tiere je Hektar der regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Fläche eine genutzte Fläche eine bestimmte Zahl nicht überschreiten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).

20

Unstreitig überschreiten die vom Kläger gehaltenen Tierbestände in der Zeit von Januar 1996 bis einschließlich Juni 1998 die in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i. V. m. § 51 Bewertungsgesetzes bestimmten Grenzen.

21

Ein Gewerbebetrieb liegt allerdings nur dann vor, wenn eine Tätigkeit auch nachhaltig ausgeübt wird (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Gewerbesteuerdurchführungsverordnung). Eine gewerbliche Tätigkeit liegt danach nur vor, wenn sich eine Tätigkeit, die bisher als Ausübung der Landwirtschaft anzusehen war, nachhaltig im Sinn einer gewerblichen Tätigkeit als einer selbständigen Erwerbsquelle verändert wird. Nachhaltig i. S. d. § 1 Abs. 1 Gewerbesteuerdurchführungsverordnung ist eine Tätigkeit, die auf Wiederholung angelegt ist (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1971 I R 49/70, BStBl. II 1972, 291). Nachhaltigkeit ist insbesondere auch dann gegeben, wenn die Tätigkeit auf einen einmaligen Beschluss beruht, die Durchführung aber mehrere Handlungen erfordert.

22

Die Frage, ob sich die Struktur eines Betriebes verändert hat und wann der Beginn einer solchen Entwicklung eingeleitet wurde, ist danach zu beurteilen, ob die Handlungen des Steuerpflichtigen der Erschaffung eines auf die Erzielung von Einnahmen gerichteten Dauerzustandes dient. Die Strukturänderung eines Betriebes kann sich dabei nach der Rechtsprechung des BFH in 2 Formen vollziehen (hierzu BFH-Urteil vom 04.02.1996 I R 113/74, BStBl. II 1976, 423). In der Regel stellen sich Handlungen, die eine solche Änderung zur Folge haben, als ein Bündel von Einzelmaßnahmen dar, deren erste vor und deren letzte nach der Wandlung des Betriebes liegen können, und die erst in ihrem Zusammenhang erkennen lassen, ob und von welchem Zeitpunkt ab sie zu einer neuen selbständigen Erwerbsquelle führen. Im Falle einer solchen allmählichen Strukturwandels läßt sich bei Beginn der Entwicklung noch nicht erkennen, ob diese zu einer nachhaltigen Änderung des Betriebes führen wird. Von diesen Fällen sind jene zu unterscheiden, wie im Streitfall, bei denen der Übergang zum Gewerbebetrieb auf einem Beschluss des Steuerpflichtigen beruht und die getroffenen Einzelmaßnahmen der Durchführung dieses Entschlusses dienen. So hat in der BFH bei einem allmählichen Strukturwandel für die Beurteilung der Nachhaltigkeit des Übergang von einer landwirtschaftlichen zu einer gewerblichen Betätigung die Verhältnisse von 3 Jahren zu Grunde gelegt (hierzu auch BFH-Urteil vom 5. November 1994 VIII R 254/71, BStBl. II 1975, 118). Bei eindeutigen Umstrukturierungsmaßnahmen allerdings ist bereits bei Einleitung dieser Maßnahme und nicht erst nach ihrem Abschluss von einer nachhaltigen Betätigung auszugehen (BFH-Urteil vom 4. Februar 1976 I R 113/74 AO). Wird zum Beispiel in den Fällen der Neugründung eines Betriebes die Tierbestandsgrenze von Anfang an erheblich überschritten, ist dieser Betrieb sofort als Gewerbebetrieb anzusehen (Seeger in Schmidt, § 13 Rz. 85); lediglich bei einer geringfügigen Überschreitung der Tiergrenze gelte dann noch der 3 Jahreszeitraum. Von einer dauerhaften Umstrukturierung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes allerdings ist nicht nur bei einer Neugründung auszugehen, sondern auch dann, wenn aufgrund entsprechender Investitionen oder Übernahme von Wirtschaftsgütern nun ein Betrieb in einer neuen Form geführt wird.

23

Dieses liegt im Streitfall vor. Der Kläger hat sich entschlossen, zu Beginn des Jahres 1996 die Schweinemast in den zunächst an die GmbH verpachteten 4 Schweinemastställen zu betreiben. Er hat damit die zunächst verpachteten Schweinemastställe in seinen Betrieb übernommen und die bislang von der GmbH betriebene Schweinemast unverändert fortgeführt. Er hat daher ab 1. Januar 1996 nachhaltig eine Schweinemast betrieben, die die Grenzen des § 13 EStG überschritten hat. Es hat entgegen der Ansicht des Klägers nicht im Rahmen eines allmählichen Umstrukturierungsprozesses ein Strukturwandel stattgefunden. Durch Übernahme der Schweinemastställe zum 1. Januar 1996 hat er den sofortigen Wandel seiner land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zum Gewerbebetrieb vorgenommen. Er hat daher ab Januar 1996 nachhaltig Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.

24

Das Finanzamt hat daher zu Recht Gewerbesteuermessbescheide erlassen.

25

Die Klage war mit der Kostenfolge des § 135 FGO abzuweisen.