Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.09.2002, Az.: 3 K 477/01

Einkommensteuer-Bbefreiung bei zusätzlichen und in der Summe positiven Einkünften

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
23.09.2002
Aktenzeichen
3 K 477/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 14077
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0923.3K477.01.0A

Fundstelle

  • EFG 2003, 597

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG entfällt, wenn bei dem betreffenden Arbeitnehmer zu den Einkünften aus der geringfügigen Beschäftigung andere Einkünfte hinzukommen, deren Summe positiv ist.

  2. 2.

    Nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Vorschrift kommt es weder darauf an, zu welcher Einkunftsart diese anderen Einkünfte gehören, noch darauf, ob sie innerhalb des VZ zeitlich vor, während oder nach dem Bezug der Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung erzielt werden.

Tatbestand

1

Zwischen den Parteien ist streitig, ob Einkünfte der Klägerin aus einer geringfügigen Beschäftigung gemäß § 3 Nr. 39 EStG steuerfrei zu belassen sind, oder aber ob sie mit ihren anderen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Besteuerung zu unterwerfen sind.

2

Die Kläger sind verheiratet. Der Kläger hat im Streitjahr 2000 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt.

3

Die Klägerin hat in den Zeiträumen vom 07.01. bis 21.01.2000, vom 18.02. bis 25.02.2000 und vom 21.03. bis 06.04.2000 in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis bei der Firma A. gestanden; aus dieser Beschäftigung bezog sie ein Entgelt in Höhe von 510 DM. Die Klägerin war sodann vom 11.04. bis 31.07.2000 in einem festen Arbeitsverhältnis bei der Firma B. beschäftigt und bezog Arbeitslohn in Höhe von 7.188 DM.

4

Das Finanzamt (FA) unterwarf bei der Einkommensteuerveranlagung den Arbeitslohn aus der geringfügigen Beschäftigung aufgrund der weiteren positiven Einkünfte der Klägerin nachträglich der Besteuerung.

5

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage.

6

Die Klägerin habe zunächst eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt, erst im Anschluss daran Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG bezogen. Der Gesetzgeber habe mit dem Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse und der Steuerbefreiung nach§ 3 Nr. 39 EStG insbesondere auch für verheiratete oder alleinstehende Frauen den Neuzugang oder Wiederzugang zu einer Berufstätigkeit fördern und erleichtern wollen. Nach § 3 Nr. 39 EStG sei das Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung u.a. dann steuerfrei, wenn die Summe der anderen Einkünfte des Arbeitnehmers nicht positiv ist. Gemeint könne danach nach dem Willen des Gesetzgebers allerdings nur gemeint sein, dass zeitgleich keine weiteren positiven Einkünfte erzielt werden dürfen. Jede andere Auslegung der gesetzlichen Vorschrift würde dem Willen des Gesetzgebers zuwider laufen. Die vor Aufnahme der nichtselbständigen Tätigkeit erzielten Einkünfte aus der geringfügigen Beschäftigung seien daher steuerfrei zu belassen.

7

Die Kläger beantragen,

einen Betrag in Höhe von 510 DM aus einer geringfügigen Beschäftigung steuerfrei belassen wird.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Nach der Gesetzesbegründung zu § 3 Nr. 39 EStG solle zwar die begrenzte Steuerfreiheit der Einnahmen aus geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen insbesondere auf den Neu- oder Wiedereinstieg in eine Berufstätigkeit fördern und erleichtern. Die Einkommensteuer allerdings sei eine Jahressteuer und die Grundlagen für ihre Festsetzung seien jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln. Die Förderung des Arbeitslohnes für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis durch die materielle Steuerfreiheit setze daher voraus, dass der Arbeitnehmer im Kalenderjahr keine anderen in der Summe positiven Einkünfte beziehe. Dabei sei es unerheblich, ob die geringfügig Beschäftigten die zusätzlichen Einkünfte daneben, zuvor oder im Anschluss an die geringfügige Beschäftigung erzielen.

10

Beider Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erteilt und auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist nicht begründet.

12

Nach § 3 Nr. 39 EStG ist das Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des§ 8 Abs. 1 Nr. 1 des vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) steuerfrei, wenn u.a. die Summe der anderen Einkünfte des Arbeitnehmers nicht positiv ist. Daraus folgt, dass die Steuerbefreiung entfällt, wenn bei dem betreffenden Arbeitnehmer zu den Einkünften aus der geringfügigen Beschäftigung andere Einkünfte hinzukommen, deren Summe positiv ist.

13

Dabei kommt es nach dem unmissverständlichen Wortlaut - so der BFH in seinem Beschluss vom 26. März 2002 (VI B 1/02, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2002, 361) - weder darauf an, zu welcher Einkunftsart diese anderen Einkünfte gehören, noch darauf, ob sie innerhalb des Veranlagungszeitraumes zeitlich vor, während oder nach dem Bezug der Einkünfte aus geringfügigen Beschäftigung erzielt werden. Insbesondere sehe das Gesetz keine Ausnahme für solche Einkünfte vor, die im Anschluss an eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV vom bisherigen Arbeitgeber für eine nicht begünstigte Beschäftigung zugewendet würden. Ziel der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse sei, die "Erosion der Finanzgrundlagen der beitragsfinanzierten Sozialversicherung entgegen zu wirken" und "Frauen, die vor allem in diesen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, eine Option auf eine verbesserte Alterssicherung zu geben" (Bundestagsdrucksache 14/280, S. 10). Außerdem sollte die begrenzte Steuerfreistellung geringfügige Beschäftigungsverhältnisse insbesondere auch für verheiratete und alleinstehende Frauen den Neu- und Wiederzugang in eine Berufstätigkeit fördern und erleichtern. Dabei wurde bereits im allgemeinen Teil der Begründung, was die "begrenzte" Steuerbefreiung betrifft, neben anderen Voraussetzungen auf das Erfordernis hingewiesen, dass "der Arbeitnehmer keine anderen Einkünfte erzielt" (Bundestagsdrucksache 14/280, S. 11). Dieses wurde zudem im Besonderen Teil wie folgt konkretisiert :"Die Berücksichtigung der anderen Einkünfte des Arbeitnehmers für die Frage der Steuerfreiheit dient der Gleichstellung der Bezieher von Arbeitslohn mit den Beziehern von Einkünften aus anderen Einkunftsquellen. Als andere Einkünfte sind solche im Sinne des § 2 Abs. 1 zu verstehen" (Bundestagsdrucksache 14/280, S. 17).

14

Daraus ergibt sich nach der Begründung in dem BFH-Beschluss, dem sich das erkennende Gericht anschließt, unmissverständlich, dass die Steuerfreiheit für solche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die innerhalb der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV bleiben, nicht nur dann entfällt, wenn Einkünfte aus anderen Einkunftsarten hinzukommen, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer andere Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hat, vorausgesetzt, die Summe der anderen Einkünfte ist, wie im Streitfall, positiv. Maßgebendes Kriterium ist somit nicht eine bestimmte Einkunftsart oder ein bestimmter Zuflusszeitraum, sondern die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers im Veranlagungszeitraum, die daran bemessen wird, ob andere Einkünfte als solche, die im Rahmen des§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV bleiben, einen positiven Betrag ergeben.

15

Der Einbeziehung des strittigen Arbeitslohnes aus dem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis in die Einkommensteuerveranlagung steht zudem nicht entgegen, dass er aufgrund der vorgelegten Bescheinigung im Lohnsteuerabzugsverfahren zu Recht nicht erfasst worden ist. Nach Art. 10 Nr. 9 des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse wurde § 46 Abs. 2a EStG eingeführt, der eine Pflichtveranlagung vorsieht, wenn, wie im Streitfall, für den Steuerpflichtigen eine Bescheinigung nach§ 39a Abs. 6 EStG ausgestellt worden und die Summe seiner anderen Einkünfte positiv ist. In diesem Falle wird, wie im Streitfall, die Steuer auf die zunächst als steuerfrei behandelten Einkünfte im Wege der Veranlagung nachgefordert.

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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 FGO abzuweisen.