Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.09.2002, Az.: 3 K 106/02
Wirksame Bekanntgabe von Einkommensteuer-Bescheiden bei Ehegatten, von denen einer verstorben ist
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 24.09.2002
- Aktenzeichen
- 3 K 106/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 14080
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0924.3K106.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 155 Abs. 3 S. 1 AO
- § 157 Abs. 1 S. 2 AO
Fundstelle
- EFG 2003, 664-665
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Betroffener eines Steuerbescheides ist derjenige, der die Steuer schuldet. Dabei genügt es, wenn der Steuerschuldner durch Auslegung des Steuerbescheides ermittelt werden kann.
- 2.
Ein zusammengefasster Bescheid gegenüber Ehegatten kann auch nach dem Todes eines der Ehegatten gegenüber dem überlebenden Ehegatten und dem Erben des verstorbenen Ehegatten erlassen werden.
- 3.
Ist einer der Ehegatten bei Bekanntgabe des Bescheides bereits verstorben, so ist die gegenüber dem Verstorbenen erfolgte Steuerfestsetzung unwirksam. Die gegenüber dem noch lebenden Ehegatten ergangene Steuerfestsetzung bleibt wirksam.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 wirksam bekannt gegeben worden sind, oder aber ob die Einkommensteuerbescheide nichtig sind.
Die Ehefrau des Klägers, Frau A. C., ist am 16.03.2001 verstorben. In den Einkommensteuererklärungen 1999 und 2000 wurde im Mantelbogen darauf hingewiesen. Gleichwohl adressierte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 an A. und B. C..
Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger ist der Rechtsansicht, dass ihm die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 (beide datierend vom 04.03.2002) nicht wirksam bekannt gegeben worden seien. Gemäß AEAO zu § 122 4.1.2 hätten die Einkommensteuerbescheide an den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger/Steuerschuldner gerichtet werden müssen und nicht an A. und B. C.. Nach dem dem Finanzamt vorgelegten Erbschein sei zudem auch bekannt gewesen, dass der Kläger Alleinerbe seiner verstorbenen Ehefrau geworden sei.
Es sei Nichtigkeitsfeststellungsklage geboten.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 vom 04.03.2002 nichtig sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 seien entgegen der Auffassung des Klägers nicht nichtig. Für die Streitjahre sei für den Kläger und seine inzwischen verstorbene Ehefrau zu einer Zusammenveranlagung durchgeführt worden. Es handele sich daher bei den angefochtenen Bescheiden um sogenannte zusammengefasste Bescheide, die gegenüber dem Kläger wirksam bekannt geworden seien. Gegen die verstorbene Ehefrau dagegen seien sie unwirksam. Diese Unwirksamkeit ziehe jedoch nicht die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der gesamten Bescheide nach sich.
Das Finanzamt teilte dem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 10. April 2002 mit, dass die angefochtenen Bescheide unwirksam seien, soweit sie an die verstorbene Ehefrau des Klägers gerichtet gewesen seien; die Bekanntgabe an den Kläger als Schuldner hingegen sei wirksam.
Beide Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt und auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Nichtigkeitsfeststellungsklage ist gem. § 41 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, da ein berechtigtes Interesse daran besteht, ob dem Kläger gegenüber die Einkommensteuerbescheide wirksam bekannt gegeben worden sind (hierzu auch BFH-Urteil v. 01. Dezember 1988 V R 125/83, BFH/NV 1989, 523). Die Feststellungsklage ist dabei ohne außergerichtliches Vorverfahren (§ 44 FGO) und ohne Einhaltung einer Frist (§ 47 FGO) zulässig (hierzu insbesondere auch Graeber, FGO,§ 41 Rz. 3, 35).
Die Klage ist allerdings nicht begründet. Die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 sind dem Kläger wirksam bekannt gegeben worden.
Nach § 119 Abs. 1 Abgabenordnung muss ein Steuerbescheid denjenigen erkennen lassen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Betroffener eines Steuerbescheides ist dabei, wer die Steuer schuldet. Der Steuerschuldner ist gem. § 157 Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung im Steuerbescheid anzugeben. Dabei genügt es, wenn der Steuerschuldner durch Auslegung des Steuerbescheides ermittelt werden kann. Steuerschuldner war im Streitfall der Kläger, einmal als Steuerpflichtiger selbst und zugleich als Alleinerbe der mit ihm zusammenveranlagten inzwischen verstorbenen Ehefrau. Der Kläger und seine Ehefrau waren zu Beginn der Veranlagungszeiträume beide unbeschränkt steuerpflichtig und lebten nicht dauernd getrennt. Es bestand daher die Möglichkeit, zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung zu wählen. Die Ausübung dieses Wahlrechts ist auch nach dem Tode der Ehefrau noch möglich. Die Folge der Zusammenveranlagung ist dann allerdings aber unter anderem, dass die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet und den Ehegatten gemeinsam zugerechnet werden (§ 26 b Einkommensteuergesetz). Da die Ehegatten in einem solchen Fall gem. § 44 Abs. 1 Abgabenordung Gesamtschuldner der Steuerschuld sind, kann die Steuerschuld ihnen gegenüber in einem zusammengefassten Bescheid (§ 155 Abs. 3 Satz 1 Abgabenordnung) geltend gemacht werden. Ein zusammengefasster Bescheid kann auch nach dem Tod eines der Ehegatten gegenüber dem überlebenden Ehegatten und dem Erben des verstorbenen Ehegatten erlassen werden (BFH-Urteil v. 29. Juli 1998 II R 64/95, BFH/NV 1998, 1455). Ein zusammengefasster Einkommensteuerbescheid, der gegenüber zusammen zu veranlagenden Ehegatten erlassen werden konnte, enthält dabei mehrere Steuerfestsetzungen, die nur der äußeren Form nach zusammengefasst sind und ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können. Ist einer der Ehegatten bei Bekanntgabe des Bescheides bereits verstorben, dann ist die gegenüber dem verstorbenen Ehegatten erfolgte Steuerfestsetzung unwirksam. Die gegenüber dem noch lebenden Ehegatten ergangene Steuerfestsetzung bleibt in solchen Fällen indes regelmäßig wirksam (BHF-Urteil v. 29. Juli 1998 II R 64/95 a.a.O.). Dies ergibt sich nach der Rechtsprechung des BFH aus dem nunmehr in § 125 Abs. 4 Abgabenordnung enthaltene Rechtsgedanken, wonach bei Teilnichtigkeit eines Verwaltungsaktes der Verwaltungsakt im Ganzen (nur dann) nichtig ist, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Dieser Rechtsgedanke ist auch auf selbständige, in einem zusammengefassten Bescheid (wie im Streitfall) verbundene Verwaltungsakte anwendbar. Danach ist der wirksame Teil eines zusammengefassten Einkommensteuerbescheides nur dann nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Bescheid ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Dies allerdings ist bei Einkommensteuerbescheiden gegenüber zusammenveranlagten Ehegatten regelmäßig nicht der Fall. Die an "A. und B. C." gerichteten Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 sind daher insoweit wirksam, als sie eine wirksame Steuerfestsetzung gegenüber Herrn B. C. enthalten. War, wie im Streitfall, bei Erlass eines Zusammenveranlagungsbescheides einer der beiden Ehegatten bereits verstorben, so genügt die Adressierung an den noch überlebenden Ehegatten den Bestimmtheitsanforderungen der §§ 119 Abs. 1, 157 Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung, ohne das es der Angabe des oder der anderen Gesamtschuldner im Bescheid bedarf (BFH-Urteil v. 24. April 1986 IV R 82/84, BStBl 2 1986, 545).
Das Finanzamt hat zudem durch nachträgliche Klarstellung mit Schreiben vom 10. April 2002 deutlich gemacht, dass nur der Kläger durch die Einkommensteuerbescheide betroffen sein soll. Damit ist dem Erfordernis des § 155 Abs. 1 Satz 2 i.V.m.§ 122 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung, wonach der Bescheid demjenigen bekannt zu geben ist, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, genüge getan. Die Einkommensteuerbescheide sind dem Kläger daher wirksam bekannt gegeben worden.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 135 FGO abzuweisen.