Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.10.2022, Az.: 14 PA 249/22
Baukindergeld; Beschwerdeausschluss
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.10.2022
- Aktenzeichen
- 14 PA 249/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59650
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 25.04.2022 - AZ: 2 A 54/22
Fundstelle
- FA 2022, 337
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. § 146 Abs. 2 VwGO ist auch bei der Teilablehnung von Prozesskostenhilfe aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen anwendbar.
2. Das Baukindergeld ist belastungsmindernd bei der Berechnung von Wohngeld zu berücksichtigen.
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 2. Kammer - vom 25. April 2022 wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des erstinstanzlichen Klageverfahrens hat keinen Erfolg.
Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrages hinsichtlich der Aufrechnungserklärung des Beklagten mangels nachgewiesener wirtschaftlicher und persönlicher Bedürftigkeit bezieht, ist der Antrag unstatthaft (1.). Im Übrigen ist er unbegründet (2.).
1. Nach § 146 Abs. 2 VwGO können Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht mit der Beschwerde angefochten werden, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint hat. Im Umkehrschluss bleibt die Beschwerde zulässig, wenn das Gericht zumindest auch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache verneint (vgl. BT-Drs. 17/11472, 48 f.; NdsOVG, Beschl. v. 5.9.2017 - 13 PA 235/17 -, juris Rn. 2; Kaufmann, in BeckOK, VwGO, Posser/Wolff, 62. Ed. Stand 01.01.2020, § 146 Rn. 2). Das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich der Frage der Rechtmäßigkeit der Aufrechnung des Beklagten den Prozesskostenhilfeantrag zu diesem Teil ausschließlich mangels nachgewiesener wirtschaftlicher Bedürftigkeit abgelehnt und nicht zusätzlich die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtverfolgung in der Hauptsache verneint; im Gegenteil, es hat in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 2. Juni 2022 ausgeführt, dass die Erfolgsaussichten der Klage für diesen Teil zwar gegeben seien, es allerdings an der Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Bedürftigkeit fehle.
Der Anwendung des § 146 Abs. 2 VwGO steht nicht entgegen, dass es sich vorliegend um eine Teilablehnung von Prozesskostenhilfe aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen handelt. Was für die umfassende Ablehnung von Prozesskostenhilfe mangels wirtschaftlicher Bedürftigkeit gilt, muss auch für die teilweise Ablehnung der Prozesskostenhilfe aus diesem Grund gelten, denn nur so kann dem Willen des Gesetzgebers, dass die Oberverwaltungsgerichte im Beschwerdeverfahren allein die Erfolgsaussichten der Hauptsache prüfen sollen, Geltung verschafft werden (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 4.12.2020 - 5 D 16/20 -, juris, Rn. 28). Dass eine differenzierte Betrachtung der Streitgegenstände - hier: Aufrechnung der Beklagten und Anspruch auf höhere Wohngeldleistung - grundsätzlich möglich ist, ergibt sich daraus, dass Prozesskostenhilfe auch nur teilweise gewährt wird, wenn die Erfolgsaussichten der Hauptsache nur zu einem Teil gegeben sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 166 Rn. 12; OVG NRW, Beschl. v. 16.4.2012 - 18 E 871/11 -, juris Rn. 25). Zudem sind die hier betroffenen Streitgegenstände auch ohne weiteres voneinander abgrenzbar.
2. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
Die Klage hat hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Bewilligung von höheren Wohngeldleistungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2021 bis 31. November 2022 keine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Hinreichende Aussicht auf Erfolg bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe zu versagen ist, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerfG, Beschl. v. 13.3.1990 - 2 BvR 94/88 -, juris Rn. 26).
Letzteres ist hier der Fall. Die Klage hat keine hinreichende Erfolgschance. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf seinen Beschluss vom 28. März 2022 im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (2 B 55/22) - schlüssig und nachvollziehbar begründet, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Bewilligung von höheren Wohngeldleistungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2021 bis 31. November 2022 nicht zusteht, weil das Baukindergeld belastungsmindernd bei der Berechnung des Wohngeldes berücksichtigt wird.
Der hiergegen von der Klägerin mit der Beschwerde erhobene Einwand, das Baukindergeld dürfe bei der Wohngeldberechnung nicht belastungsmindernd berücksichtigt werden, greift nicht durch. Die Wohngeld-Lastenberechnung des Beklagten für den Zeitraum vom 1. Dezember 2021 bis 31. November 2022 in den Bescheiden Nr. 1 und 2 vom 7. Februar 2022 entspricht aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen den Regelungen der §§ 10 und 11 WoGG, insbesondere hat die Belastung, die sich aus § 10 WoGG ergibt, zu dem Anteil außer Betracht zu bleiben, der durch das Baukindergeld als Leistung aus öffentlichen Haushalten zur Senkung der Belastung gedeckt ist (§ 11 Abs. 2 Nr. 4 WoGG; vgl. Zimmermann, in Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkomm. SRB, 2. Aufl. 2018, § 11 WoGG Rn. 5).
Bei dem Baukindergeld handelt es sich um eine staatliche Förderung des Ersterwerbs von selbstgenutztem Wohneigentum für Familien mit Kindern mit dem Ziel der Wohneigentumsbildung). Es dient der Sicherung von Wohnraum und somit der Senkung der Belastung nach § 11 Abs. 2 Nr. 4 WoGG. Sie ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - vergleichbar mit der bis Ende 2005 geltenden Eigenheimzulage, die ebenfalls zur Erleichterung der Eigentumsbildung im Immobiliensektor für Familien mit Kindern diente und bei der Wohngeldberechnung belastungsmindernd Berücksichtigung fand (vgl. BayVGH, Beschl. v. 24.7.2006 - 9 CE 06.1458 -, Rn. 24).
Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe keinen Zugriff auf das Baukindergeld, da sie dieses als Voraussetzung für die Vergabe des Kredits in einen Bausparvertrag einzahle, der wiederum an die finanzierende Bank abgetreten worden sei, und nach Ablauf von zehn Jahren der Restkredit mit dem angesparten Geld im Bausparvertrag getilgt werde, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Wie die Klägerin das Baukindergeld für die Finanzierung ihres Eigenheims einsetzt, ist für dessen Berücksichtigung bei der Berechnung der Wohngeldleistungen irrelevant. Andernfalls käme es zu einer Ungleichbehandlung zwischen denjenigen, die - wie die Klägerin - durch Einzahlung des Baukindergeldes in einen Bausparvertrag und Abtretung der Ansprüche hieraus keinen unmittelbaren Zugriff auf das Baukindergeld haben und denjenigen, die auf das Baukindergeld jederzeit zurückgreifen können. Denn Erstere könnten die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 4 WoGG dann umgehen, was nicht sachgerecht wäre.
Dem weiteren Vorbringen der Klägerin, dass der monatliche Abschlag höher wäre, wenn das Baukindergeld monatlich berücksichtigt würde und das Wohngeld dann in gleicher Höhe hätte berücksichtigt werden müssen, ist bereits nicht zu entnehmen, was sie damit genau geltend machen will. Wenn man dieses Vorbringen so verstünde, dass die monatliche Rate gegenüber der Bank höher wäre, wenn das Baukindergeld monatlich berücksichtigt und nicht in einem Bausparvertrag angespart würde, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch in diesem Fall stünde ihr das Baukindergeld zur Verfügung. Ob sie dies monatlich selbst anspart und damit die dann höhere Kreditrate abbezahlt oder eine geringere Tilgungsrate hat, aber dafür das Baukindergeld in einen Bausparvertrag einzahlt, macht keinen Unterschied.
Andere Gründe, die zu einer anderen Lastenberechnung und damit einem höheren Wohngeldanspruch der Klägerin in dem Zeitraum vom 1. Dezember 2021 bis 31. November 2022 führen könnten, sind von der Klägerin mit der Beschwerde nicht vorgebracht worden und auch sonst nicht ersichtlich.
Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben. Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).