Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.10.2022, Az.: 1 ME 49/22

Baugenehmigung; Blockinnenbereich; Lärm; Legalisierungswirkung; Standsicherheit; Stellplatzanlage; Vorbelastung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.10.2022
Aktenzeichen
1 ME 49/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59652
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 31.03.2022 - AZ: 2 B 236/21

Fundstellen

  • BauR 2023, 62-64
  • DÖV 2023, 88
  • IBR 2022, 650
  • KommJur 2022, 448-451

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1.
Im Hinblick auf stellplatzbedingten Lärm kommt es bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit eines Blockinnenbereichs auf den Charakter des Blockinnenbereichs insgesamt und nicht auf die - möglicherweise günstige - Lage eines einzelnen Grundstücks an.

2.
Die Legalisierungswirkung der Baugenehmigung beschränkt sich - auch im Hinblick auf die Standsicherheit - auf das zu errichtende Bauwerk als solches (vgl. § 12 Satz 1, § 65 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NBauO). Der Bauherr selbst hat dafür Sorge zu tragen, dass im Zuge der Bauarbeiten die Standsicherheit benachbarter baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke nicht gefährdet werden (vgl. § 12 Satz 2 NBauO).

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer - vom 31. März 2022 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 50.000 EUR festgesetzt; die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts wird dementsprechend geändert.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.

Er ist Eigentümer des Grundstücks Flurstück H., Flur I., Gemarkung J.. Dieses ist straßenseitig mit einem 4-geschossigen Wohn- und Bürohaus (K.) bebaut. Das Gebäude hat eine seitliche Traufhöhe von 15,70 m und unterschreitet mit seiner Ostseite den seitlichen Grenzabstand auf einer Länge von etwa 20 m um bis zu 5,70 m. Auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks, ca. 30 m von der L. entfernt, steht das zweigeschossige Wohnhaus des Antragstellers (M.).

Die Beigeladene ist Eigentümerin des östlich angrenzenden Grundstücks Flurstück N., Flur I., Gemarkung J. (O.), das ca. 21 m tief mit einem zweigeschossigen Mehrfamilienhaus sowie einer Doppelgarage in der Nordostecke bebaut ist.

Die Grundstücke sind Teil eines Straßengevierts, das von den Straßen L. (im Süden), P. (im Osten) und Q. (im Norden) begrenzt wird. Im Westen des Antragstellergrundstücks befinden sich weitere Gebäude auf dem Flurstück R. (S.) und dem Flurstück T. (U.), an die sich wiederum der Campus der TU A-Stadt anschließt. Eine unbebaute, von der Q. erschlossene, ca. 2.000 qm große Fläche gehört zur TU A-Stadt und wird seit Jahren als (Behelfs-)Parkplatz für ca. 50 Kfz genutzt, wobei alle Verkehrsteilnehmer freien Zugang haben.

Die Beigeladene beabsichtigt, auf dem Grundstück L. V. den bisherigen Bestand durch ein viergeschossiges Mehrfamilienhaus mit 7 Wohneinheiten und einem Flachdach mit einer Traufhöhe von 14 m zu ersetzen. Im Untergeschoss ist eine Tiefgarage mit 7 Einstellplätzen geplant, deren nach Norden bzw. Westen ausgerichtete Einfahrten von der L. aus über eine ca. 17 m lange, entlang der Grenze zum Antragstellergrundstück geführte Rampe erreicht werden soll. Ihr ca. 12 %-iges Gefälle übersteigt das natürliche Gefälle des Geländes von Süd nach Nord (ca. 5 %).

Unter dem 15. Juni 2021 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung des Vorhabens bei gleichzeitiger Zulassung einer Abweichung bezüglich des westlichen Grenzabstands auf einer Länge von knapp 13 m um bis zu 3,42 m, wobei der Mindestabstand von 3 m einzuhalten sei. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, der geplante Neubau bewege sich sowohl im Hinblick auf die Gebäudehöhe als auch bezüglich des Grenzabstands in dem von den Nachbargebäuden gesetzten Rahmen. Das westliche Nachbargebäude mit einer Traufhöhe von 15,70 m unterschreite den erforderlichen Grenzabstand auf einer Länge von etwa 20 m um bis zu 5,42 m und damit in größerem Maße.

Der Antragsteller erhob fristgerecht Widerspruch und beantragte nach erfolglosem behördlichem Aussetzungsverfahren beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.

Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, das Bauvorhaben verletze voraussichtlich keine nachbarschützenden Vorschriften. Das Bauvorhaben füge sich seiner Art nach in die nähere Umgebung, die einem allgemeinen Wohngebiet entspreche, ein. Das Maß der baulichen Nutzung unterfalle dagegen nicht dem nachbarschützenden Gebietserhaltungsanspruch. Auch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. Dies gelte insbesondere für die Tiefgarage im rückwärtigen Bereich und die dazugehörige Rampe. Der Blockinnenbereich zwischen L., P., Q. und einem unbenannten Gehweg (im Westen) sei nicht durch eine typische Wohnruhe geprägt, sondern vielmehr durch Parkflächen in den hinteren Grundstücksbereichen sowie durch Parkplätze nördlich und westlich des Antragstellergrundstücks vorbelastet. Im Verhältnis zu den vorhandenen Belästigungen erreichten die von dem Vorhaben, insbesondere von der abknickenden Rampe, ausgehenden Belästigungen keine neue Größenordnung. Dies gelte - unabhängig von der Vorbelastung - auch in Ansehung von Grenzwertüberschreitungen in Form von zwei einzelnen, kurzzeitigen Geräuschspitzen pro Woche, ausgehend von Verkehrsbewegungen in oder aus Richtung von notwendigen Stellplätzen. Auch die von den in die Tiefgarage einfahrenden Fahrzeuge ausgehenden Lichtimmissionen seien wegen der starken Neigung der Rampe sowie der Abschirmung durch eine Grenzmauer und eine Hecke nicht unzumutbar. Der Einwand des Antragstellers, durch die notwendigen Schachtarbeiten bei der Errichtung der Tiefgaragenzufahrt drohten u.a. die Bausubstanz des Vorderhauses (W.) beschädigt zu werden, seien zu unsubstantiiert, um einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zu begründen. Auf eine Unterschreitung des Grenzabstands durch das Bauvorhaben könne sich der Antragsteller wegen seiner eigenen Grenzabstandsverletzung nicht berufen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

1.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Vorhaben bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung keine drittschützenden Normen verletzt. Der über § 34 Abs. 2 BauGB anwendbare § 15 Abs. 1 BauNVO gewährt auch in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet Nachbarschutz lediglich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung. Die Voraussetzungen dafür, dass ausnahmsweise Quantität in Qualität, d.h. die Größe einer baulichen Anlage auf die Art der baulichen Nutzung durchschlägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.3.1995 - 4 C 3.94 -, juris Rn. 17 = NVwZ 1995, 899 = BRS 57 Nr. 175), ist schon mit Blick auf die Dimensionen der benachbarten Gebäude L. X., Y. und Z., aber auch P. AA. und V. fernliegend. Bei einem Vorhaben, das hinsichtlich der Gebäudehöhe, der Gebäudetiefe sowie der überbauten Grundfläche den Rahmen der näheren Umgebung nicht überschreitet und insbesondere bezüglich der Gebäudehöhe im Vergleich zu dem Vorderhaus des Antragstellers mehrere Meter und damit deutlich niedriger als dieses ausfällt, kann von einer „Ausbeutung“ des Grundstücks, wie der Antragsteller meint, schwerlich gesprochen werden; jedenfalls ist diese Art der Ausnutzung auch im Vergleich mit der Umgebungsbebauung rechtlich unproblematisch.

2.

Soweit sich der Antragsteller gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts wendet, dass durch die Tiefgarage samt Zufahrt das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt sei, rechtfertigt sein Vortrag keine andere Bewertung.

Den Ausgangspunkt bilden die folgenden, vom Senat zur Anordnung von Stellplätzen und Garagen abseits von öffentlichen Verkehrsflächen entwickelten Grundsätze: Stellplätze und Garagen sollen grundsätzlich möglichst nah an öffentliche Verkehrsflächen herangebaut werden, um kein Störpotenzial in Ruhezonen hineinzutragen, in denen bislang keine Fahrzeugbewegungen stattfanden. Dementsprechend sollen selbst nach § 47 NBauO erforderliche Garagen und Stellplätze in der Regel nicht im Hintergarten liegen oder in das Blockinnere eines Straßenkarrees vordringen. Das gilt jedoch nur, wenn dieses Karree durch Grünflächen bzw. durch relative Wohnruhe gekennzeichnet ist. Was danach bei Abwägung der konkurrierenden Nutzungsinteressen dem Bauherrn gestattet bzw. seinem Nachbarn zugemutet werden kann, richtet sich zum einen nach der Vorbelastung des geplanten Aufstellungsortes durch vergleichbare Anlagen, daneben und vor allem aber nach den Festsetzungen eines für diesen Bereich geltenden Bebauungsplans Senatsbeschl. v. 19.1.2021 - 1 ME 161/20 -, BauR 2021, 804 = ZfBR 2021, 451 = juris Rn. 9 m.w.N.).

Da die Grundstücke im unbeplanten Innenbereich liegen, kommt es demnach auf die vorhandene Vorbelastung an. Zu betrachten ist - wie die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen haben - der Innenbereich eines von der L., dem P., der Q. und einem unbenannten Gehweg westlich der Gebäude L. AB. und AC. sowie Q. AD. gebildeten Bebauungsblocks. Dass die Antragsgegnerin anscheinend im Jahr 2015 in einem Verfahren bezüglich eines Vorhabens auf dem Grundstück P. AA. die westliche Grenze des für die Beurteilung dieses Vorhabens maßstabsbildenden Bebauungsblocks an den Gebäuden L. Y. und AE. angenommen hat, ist unerheblich. Selbst wenn man - wofür nichts spricht - die Parkfläche zwischen den Gebäuden L. AB. und AC. ausblendete, wären die große Parkfläche der TU A-Stadt nördlich des Antragstellergrundstücks (ca. 2.000 qm) sowie die bis weit (ca. 55 m, d.h. mehr als doppelt so tief wie das Vorhabengrundstück) in den Blockinnenbereich hineinragenden Garagen bzw. Stellplätze auf dem Grundstück P. AB. einzubeziehen. Abgesehen davon, dass insbesondere der sehr große und offenbar regelmäßig genutzte Parkplatz auch für die Annahme eines faktischen Mischgebiets mit der Folge eines geringeren Schutzes der Wohnruhe sprechen könnte, ist der Vortrag des Antragstellers auch unter der Prämisse eines faktischen allgemeinen Wohngebiets nicht geeignet, die Anordnung von Stellplätzen in einer maximal 21 m in den Blockinnenbereich ragenden Tiefgarage, die einen Großteil der durch Stellplätze verursachten Geräusche wie beispielsweise Türenöffnen bzw. -schließen abfängt, auszuschließen. Die Behauptung des Antragstellers, von gleichartigen bzw. deutlich weiter in den Blockinnenbereich ragenden Anlagen aufgrund Abschirmungen durch Gebäude und Bewuchs nicht belästigt zu werden - überzeugt insbesondere im Hinblick auf den nördlich seines Grundstücks - nach seinem Vortrag ca. 2 m höher - gelegenen Großparkplatz auch unter Berücksichtigung der abschirmenden Wirkung eines 2 m hohen blickdichten Zauns sowie des Gebäudes L. AF. schon tatsächlich nicht; hinzu kommt, dass es für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit auf den Charakter des Blockinnenbereichs insgesamt und nicht auf eine möglicherweise günstige Lage eines einzelnen Grundstückseigentümers ankommt. Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht mehr von einem „Behelfsparkplatz“, sondern von einem „öffentlichen Parkplatz“, der unter den Begriff des öffentlichen Verkehrs zu fassen sei, ausgeht und daraus folgert, dass dieser in die Vorbelastung des Blockinnenbereichs nicht einzurechnen sei, ist ihm nicht zu folgen. Tatsächlich handelt es sich um einen Parkplatz auf einem Privatgrundstück in der für die Beurteilung der Vorbelastung maßgeblichen näheren Umgebung.

Bewegt sich damit die Anordnung der notwenigen Einstellplätze im Rahmen dessen, was in der näheren Umgebung vorzufinden ist, sind die von ihnen ausgehenden Immissionen als mit einer Wohnnutzung typischerweise verbunden grundsätzlich hinzunehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die zur Bestimmung der Lärmimmissionen herangezogenen Werte der TA Lärm, die auf den mit notwendigen Stellplätzen zu einer Wohnnutzung verbundenen Lärm ohnehin nicht schematisch anzuwenden sind (vgl. Senatsbeschl. v. 24.2.2022 - 1 ME 186/21 -, BauR 2022, 743 = juris Rn. 8), nicht oder nur geringfügig überschritten werden. So liegt der Fall hier: Mit den Auflagen zur Ausgestaltung der Zufahrt (asphaltierte Fahrbahnoberfläche sowie lärmarm auszuführende und regelmäßig zu wartende Regenrinnen und Rollgitter) zur Tiefgarage werden die Richtwerte nur noch durch vereinzelte Geräuschspitzen in der Nacht überschritten. Selbst wenn man mit dem Antragsteller annehmen wollte, dass die angestellte Prognose die Immissionen etwas unterschätzt, lässt sich auch unter Zugrundelegung seines Vortrags zu vermehrten Ein- und Ausfahrten nicht der Schluss ziehen, dass die Immissionen für den Antragsteller unzumutbar seien. Eine Konstellation, in der die Grenze des Zumutbaren überschritten ist, weil die vom Vorhaben ausgelösten Belästigungen gegenüber dem Vorhandenen eine neue Größenordnung erreichen (vgl. Senatsbeschl. v. 19.11.2021 - 1 ME 76/20 -, BauR 2022, 2020 = juris Rn. 18), ist jedenfalls nicht gegeben. Vielmehr sind gleichartige Geräuschspitzen im gesamten Innenbereich des Bebauungsblocks, der insoweit in den Blick zu nehmen ist, bereits vor Errichtung des Vorhabens vorhanden. Die Ausgestaltung der Stellplatzanlage in Form einer Tiefgarage ist im Vergleich zu einem offenen Stellplatz hinsichtlich der von dieser ausgehenden Emissionen für benachbarte Nutzungen sogar deutlich günstiger. Dass es aus Sicht des Antragstellers ihn noch stärker schonende Alternativen gäbe, ist nicht erheblich.

Weitergehenden Schutz kann der Antragsteller auch nicht mit Blick darauf beanspruchen, dass sein Grundstück auch dem Verkehrslärm der Spielmannstraße ausgesetzt ist. Maßgeblich dafür, was in einem Blockinnenbereich zulässig ist, ist dessen Vorbelastung; das hat das Verwaltungsgericht zutreffend berücksichtigt.

Auch die von den Scheinwerfern der Kfz auf der Zufahrt ausgehenden Lichtimmissionen, soweit sie in Anbetracht des Rampengefälles, infolgedessen die Rampe gerade im hinteren Bereich unterhalb der natürlichen Geländeoberfläche verläuft, überhaupt in nennenswertem Umfang zu dem Wohnhaus des Antragstellers vordringen, sind als mit den notwendigen Stellplätzen typischerweise einhergehende Auswirkungen hinzunehmen. Das gilt auch dann, wenn - wie der Antragsteller vorgetragen hat - eine ihn schützende Mauer im Zuge der Bauarbeiten entfernt werden sollte.

Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller könne sich wegen seiner eigenen Grenzabstandsunterschreitung durch das Gebäude L. X. nicht erfolgreich gegen die von der Antragsgegnerin zugelassene Abweichung hinsichtlich des Grenzabstands zur westlichen Grenze berufen, ist nicht zu beanstanden. Soweit der Antragsteller meint, dass er diese nicht hinnehmen zu habe, weil hier zusätzlich in den verringerten Grenzabstand die Tiefgaragenzufahrt gebaut werde, er aber nur „ein vergleichbares Bauvorhaben“ hinnehmen müsse, ist ihm entgegen zu halten, dass die Zufahrt als solche keinen Grenzabstand einzuhalten hat. Zudem werden rückwärtige Stellplatzanlagen üblicherweise durch Zufahrten an den Grundstücksgrenzen erschlossen. Soweit er darauf verweist, dass sich - historisch bedingt durch den bisher lediglich zweieinhalbstöckigen Bestandsbau auf dem Vorhabengrundstück - an der Ostseite des Gebäudes L. X. schutzwürdige Wohnräume und ein Balkon befinden, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Sind die Stellplätze - wie oben ausgeführt - in der geplanten Form zulässig, ist auch die entsprechende Zuwegung hinzunehmen. Gleiches gilt für neu entstehende Einsichtsmöglichkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 15.7.2022 - 1 MN 132/21 -, juris Rn. 20 f.). Einen Anspruch auf Erhalt des für ihn günstigen status quo, bei dem die hohe Ausnutzung des eigenen Grundstücks im straßenseitigen Bereich durch eine weit hinter dem Zulässigen zurückbleibende Nutzung auf dem Nachbargrundstück begünstigt wird, hat der Antragsteller nicht.

Auch der im Beschwerdeverfahren vertiefte Vortrag zu möglichen Beeinträchtigungen, insbesondere an der Substanz des Gebäudes Spielmannstraße 13, die der Antragsteller während der Errichtung des Vorhabens befürchtet, rechtfertigt keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Baugenehmigung verhält sich regelmäßig nur zu dem fertiggestellten Produkt, d.h. hier zu dem geplanten Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage. Die für das Vorhaben, das der Gebäudeklasse 4 (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Satz 3 NBauO) zuzuordnen ist, gemäß § 65 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 NBauO zu erbringenden Nachweise der Standsicherheit beziehen sich nur auf die zu errichtende bauliche Anlage; dies zeigt auch der Vergleich von § 12 Satz 1 NBauO einerseits und § 12 Satz 2 NBauO andererseits. Entsprechend beschränkt sich die Legalisierungswirkung der Baugenehmigung auf das zu errichtende Bauwerk als solches. So ist es auch hier: Soweit die Prüfung der erforderlichen Standsicherheitsnachweise noch nicht abgeschlossen ist, hat die Antragsgegnerin die Baugenehmigung unter die aufschiebende Bedingung des Prüfungsfortschritts gestellt (S. 2 der Baugenehmigung). Im Übrigen hat sie klargestellt, dass der Bauherr selbst die Verantwortung für eventuelle Schäden durch Baugrundarbeiten trägt, und unter Hinweis auf § 12 NBauO ausgeführt, dass die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke nicht gefährdet werden dürfen (S. 4 der Baugenehmigung). Der Antragsteller hat auch keine Umstände dargelegt, die die Antragsgegnerin verpflichten könnten, in diesem Fall in der Baugenehmigung auch hinsichtlich der Errichtung des Vorhabens Vorgaben zu machen. Die Aussagen in der gutachterlichen Stellungnahme vom 4. Mai 2022 gehen nicht über die Risiken hinaus, die mit einem Bauvorhaben im historisch gewachsenen Bestand einer innerstädtischen Lage üblicherweise verbunden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat orientiert sich im Ausgangspunkt ebenso wie das Verwaltungsgericht an Nr. 7 der seit dem 1. Juni 2021 geltenden Streitwertannahmen (NdsVBl. 2021, 247). Allerdings handelt es sich bei dem Gebäude L. AE. nach eigenen Angaben des Antragstellers um sein 2-geschossiges Einfamilienhaus, sodass dieses nicht mit dem Genehmigungswert einer Wohneinheit in einem Mehrfamilienhaus, sondern mit dem eines Einfamilienhauses in die Streitwertberechnung einzustellen ist. Die Änderung der verwaltungsgerichtlichen Festsetzung folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).