Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.10.2022, Az.: 14 OB 313/22

gerichtskostenfreies Verfahren; Zum Umfang der gerichtskostenfreien Jugendhilfe

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.10.2022
Aktenzeichen
14 OB 313/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 67501
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2022:1017.14OB313.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
VwGO § 188 S. 2
VG Stade - 17.08.2022 - AZ: 4 A 1420/20

Amtlicher Leitsatz

Die Klage einer gemeinnützigen Trägerin einer Kindertagesstätte auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 9 Abs. 4 Sätze 1 und 2 des Niedersächsischen Gesetzes über Kindertagesstätten und Kindertagesstätten (NKiTaG) für den Einsatz einer Person, die nicht pädagogische Fachkraft oder pädagogische Assistenzkraft i.S.d. § 9 Abs. 1 und 2 NKiTaG ist, fällt unter die im Sinne des § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO gerichtskostenfreie Jugendhilfe.

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Rücknahmeerklärung des Klägers bewirkt den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und das Gericht entscheidet über die Kosten (§ 126 Abs. 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2 VwGO.

Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO gerichtskostenfrei. Nach § 188 Satz 2 Halbsatz 1 i.V.m. Satz 1 VwGO werden Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung nicht erhoben. Das vorliegende Verfahren betrifft das Sachgebiet der Jugendhilfe im Sinne des § 188 Satz 1 VwGO. Unter Jugendhilfe fallen Maßnahmen im Rahmen der allgemeinen öffentlichen Fürsorge zugunsten Kinder und Jugendlicher. Umfasst sind alle Streitigkeiten nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch und den ergänzenden Landesgesetzen, soweit sie dem Bereich der Fürsorge im weitesten Sinne zugeordnet werden können (Clausing/Kimmel, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 42. Lfg. Februar 2022, § 188 Rn. 11; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 188 Rn. 5). Nach dem Sinn und Zweck des § 188 VwGO ist das unabhängig davon, ob es sich um die Gewährung oder Rückforderung von Jugendhilfe, um die Förderung von Kindern in Kindergärten, Horten und anderen Einrichtungen, um eine Förderung von Verbänden und Trägern, um eine Pflegeerlaubnis, eine Kostenerstattung, um Teilnahmebeiträge, eine Heranziehung zu den Kosten, eine Überleitung oder einen sonstigen Streit aus dem Jugendhilferecht handelt (BayVGH, Beschl. v. 14.06.2006 - 12 C 06.881 -, juris Rn. 3; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 188 Rn. 5). Der Wortlaut des Gesetzes ist insoweit eindeutig, so dass auch Angelegenheiten mit lediglich "mittelbarem" Bezug zu fürsorgerischen Maßnahmen wie etwa die Anerkennung und Förderung von Trägern der Jugendhilfe, insbesondere die Zuschussgewährung für Kindertageseinrichtungen, Jugendhilfestreitigkeiten sind (OVG RP, Urt. v. 17.1.2017 - 7 A 10057/16, juris Rn. 52; Clausing/Kimmel, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 42. EL Februar 2022, § 188 Rn. 11; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 188 Rn. 5). Eine Ausnahme hat der Gesetzgeber lediglich für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern normiert (vgl. § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Nach diesen Maßstäben fällt auch die dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegende Klage einer gemeinnützigen Trägerin einer Kindertagesstätte auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 9 Abs. 4 Sätze 1 und 2 des Niedersächsischen Gesetzes über Kindertagesstätten und Kindertagesstätten (NKiTaG) für den Einsatz einer Person, die nicht pädagogische Fachkraft oder pädagogische Assistenzkraft i.S.d. § 9 Abs. 1 und 2 NKiTaG ist, unter die im Sinne des § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO gerichtskostenfreie Jugendhilfe. Auch wenn der Entscheidung tatsächlich primär Fragen der fachlichen und persönlichen Eignung des Personals zu Grunde liegen, geht hierdurch die Sachnähe der zu Grunde liegenden Streitigkeit zum Sozialrecht im Sinne des § 188 VwGO nicht verloren. Es geht letztlich um die Frage, wer in einer Kindertagesstätte für die Betreuung der Kinder und damit für Aufgaben im Bereich der Jugendhilfe eingesetzt werden darf. Zugleich ist die Entscheidung darüber die Grundlage für Personalkostenzuschüsse an den Träger. Streitigkeiten darüber sind nach der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts gerichtskostenfrei (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.5.1998 - 4 L 4439/97 -, juris Rn. 34).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).