Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.04.2018, Az.: 8 ME 13/18

Gelten des Lebensunterhalts als gesichert durch Verfügen des Ausländers über die bezeichneten Mittel für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis; Studium als eine förderungsfähige Ausbildung hinsichtlich Leistungsausschlusses

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.04.2018
Aktenzeichen
8 ME 13/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 16227
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 31.01.2018

Fundstellen

  • AUAS 2018, 143
  • DÖV 2018, 634
  • InfAuslR 2018, 281-284

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Lebensunterhalt gilt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG als gesichert, wenn der Ausländer über die in § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG bezeichneten Mittel verfügt. Dies gilt auch dann, wenn er einer Bedarfsgemeinschaft angehört und der gesamte Bedarf dieser Bedarfsgemeinschaft nicht aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist.

  2. 2.

    Dies gilt für alle zu einem anerkannten höheren Abschluss wie einem Diplom, Zertifikat oder Doktorgrad führenden Studiengänge. Ob das Studium eine dem Grunde nach im Rahmen des BAföG förderungsfähige Ausbildung ist, so dass ein Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II besteht, ist unerheblich.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer - vom 31. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16 AufenthG und eine Abschiebungsandrohung. Er reiste zuletzt 2016 mit einem Visum zu Studienzwecken in das Bundesgebiet ein und nahm Aufenthalt bei seiner Ehefrau und seinen Kindern, die sich hier seit 2013 aufhalten und Asyl begehren. Der Antragsteller ist bei der Universität Hildesheim für ein Promotionsstudium Musikwissenschaft/Geschichte eingeschrieben. Die Beteiligten streiten insbesondere darüber, ob der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfüllt ist und kein Ausschlussgrund eingreift, den visumsrechtlichen Erfordernissen genügt und der Lebensunterhalt gesichert ist. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. März 2017 angeordnet. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den mit ihr dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Unrecht stattgegeben hätte.

1. Der angegriffene Beschluss ist frei von Verfahrensfehlern. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Antragsgegners auf rechtliches Gehör nicht verletzt.

Der Antragsgegner rügt, das Verwaltungsgericht habe Vortrag dazu, dass die Voraussetzungen des § 16 AufenthG nicht vorlägen, weil das Studium nicht Hauptzweck des Aufenthalts sei, dass § 16 Abs. 2 und § 20c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entgegenstünden, der Antragsteller ohne das erforderliche Visum eingereist sei und im Visumverfahren nicht alle erforderlichen Angaben gemacht habe, der Lebensunterhalt nicht gesichert sei und das Absehensermessen nicht zugunsten des Antragstellers auszuüben sei, nicht beschieden.

Das Verwaltungsgericht hat ein Betreiben des Studiums nicht für zweifelhaft gehalten. Damit ist es, wenn auch in knapper Form, auf die Einwände des Antragsgegners bezüglich des Tatbestands des § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und der Bestimmungen in § 16 Abs. 2 AufenthG und § 20c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG eingegangen. Denn die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen anderen Zweck war nicht Gegenstand des Verfahrens, und wenn das (Vollzeit-)Promotionsstudium tatsächlich betrieben wird, wird der Aufenthalt nicht zu anderen, sondern allenfalls zu weiteren Zwecken genutzt. Da das Verwaltungsgericht allein eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG geprüft hat, hatte es auch keine Veranlassung, weitergehend auf das Visumserfordernis einzugehen, denn ein Visum zu diesem Zweck besaß der Antragsteller. Dass die deutsche Botschaft in Teheran angegeben hatte, bei Kenntnis weiterer ihr vom Antragsgegner unterbreiteter Tatsachen hätte sie dieses Visum nicht erteilt, war im Hinblick auf die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass das Studium betrieben werde, unerheblich. Vor diesem Hintergrund liegt selbst dann keine Gehörsverletzung vor, wenn man annimmt, das Verwaltungsgericht habe den Vortrag zum Visumserfordernis übergangen, was sich daraus ergeben könnte, dass es ausgeführt hat, insoweit - hinsichtlich der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen - verneine der Antragsgegner allein die in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vorausgesetzte Sicherung des Lebensunterhalts. Denn aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Möglichkeit einer anderen Entscheidung ausgeschlossen war, auch wenn das Verwaltungsgericht auf das Vorbringen eingegangen wäre. Die Frage der Lebensunterhaltssicherung hat das Verwaltungsgericht umfassend geprüft. Die Ausübung des Absehensermessens war nicht entscheidungserheblich.

2. Die mit der Beschwerde gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ablehnung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16 AufenthG sei rechtswidrig, vorgebrachten Gründe greifen nicht durch.

a. Anspruchsgrundlage ist § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wird einem Ausländer zum Zweck des Vollzeitstudiums an einer staatlichen Hochschule, an einer staatlich anerkannten Hochschule oder an einer vergleichbaren Ausbildungseinrichtung eine Aufenthaltserlaubnis nach der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (ABl. L 132 vom 21.5.2016, S. 21) erteilt, wenn der Ausländer von der Ausbildungseinrichtung zugelassen worden ist.

b. Der Tatbestand der Vorschrift ist erfüllt. Der Antragsteller ist zu einem Promotionsstudium in Vollzeit an der Universität Hildesheim zugelassen worden. Wie sich aus Art. 3 Nr. 3 RL (EU) 2016/801 ergibt, ist das Promotionsstudium ein Studium i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist zu fordern, dass das Studium zu einem von dem Mitgliedstaat anerkannten höheren Abschluss wie einem Diplom, Zertifikat oder Doktorgrad von höheren Bildungseinrichtungen führt. Auch das Oberverwaltungsgericht hat angesichts der Unterstützung durch seinen Betreuer keine Zweifel daran, dass das Studium durchgeführt wird.

Das Erfordernis, dass das Studium den Hauptzweck des Aufenthalts bilden muss, hat nach der Neufassung des § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union zur Arbeitsmigration (vom 12.5.2017, BGBl. I 2017, S. 1106), keine eigenständige Bedeutung mehr. Dieses Erfordernis diente ursprünglich dazu, ein Abend-, Wochenend- und Fernstudium (vgl. Nr. 16.0.4 AVwV-AufenthG vom 26.10.2009) und ggf. auch ein Teilzeitstudium (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 6.4.2006 - 24 ZB 05.2066 -, juris Rn. 4) aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift auszunehmen. Das ist nicht mehr erforderlich, seitdem der in § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG geregelte Anspruch nur Studierenden in Vollzeit zusteht und § 16 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 c) AufenthG bei einem Teilzeitstudium eine Ermessensentscheidung vorsieht. Dass sich darüber hinaus die subjektive Motivation für den Aufenthalt in erster Linie auf das Studium richten müsse, wie es der Antragsgegner vertritt, lässt sich der Vorschrift dagegen nicht entnehmen. Für ein solches Erfordernis bedürfte es eindeutiger Anhaltspunkte. Denn es wiche von dem allgemeinen Grundsatz ab, dass mehrere Aufenthaltszwecke nebeneinander vorliegen können und es grundsätzlich Sache des Ausländers ist, für welchen oder welche der von ihm verfolgten Aufenthaltszwecke er einen Aufenthaltstitel beantragt (vgl. auch Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 30 Rn. 5).

b. Ausschluss- bzw. Ablehnungsgründe greifen nicht ein.

§ 16 Abs. 4 AufenthG findet keine Anwendung, weil Gegenstand der Antragsablehnung kein anderer Aufenthaltszweck als der des § 16 Abs. 1 AufenthG war. Auch insoweit ist entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht die subjektive Motivation des Ausländers maßgeblich, sondern die Frage, für welchen der im AufenthG vorgesehenen Zwecke ein Aufenthaltstitel beantragt und erteilt wird.

Ein Fall des § 16 Abs. 11 i.V.m. § 20 Abs. 6 Nr. 1 bis 3, 6 bis 8 AufenthG liegt nicht vor.

Auch der Ablehnungsgrund des § 20c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG steht nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16, 16b, 17b, 18d, 20 oder 20b abgelehnt werden, wenn Beweise oder konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ausländer den Aufenthalt zu anderen Zwecken nutzen wird als zu jenen, für die er die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis beantragt. Die Vorschrift dient im Einklang mit Erwägungsgrund 41 der RL (EU) 2016/801 der Vorbeugung vor Missbrauch. Dieser liegt in erster Linie vor, wenn der Ausländer seinen Aufenthalt zweckentfremden wird (vgl. Schenk, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 20c Rn. 5). Dabei ist die Prognose maßgeblich, ob der Ausländer den von ihm angegebenen Zweck tatsächlich erfüllen können wird (BT-Drs. 18/11136, S. 54). Darin, dass ein Ausländer - wie der Kläger - neben dem ernsthaft in Vollzeit betriebenen Studium den Aufenthalt auch dazu nutzt, um mit seiner im Bundesgebiet lebenden Familie zusammenzuleben, liegt kein Aufenthalt zu einem anderen Zweck i.S.d. § 20c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG.

Es kann offen bleiben, ob ein Fall des § 20c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vorliegt, wenn das Studium zwar ernsthaft betrieben wird, der Ausländer aber von vornherein den unbedingten Willen gebildet hat, dauerhaft im Bundesgebiet zu bleiben. Nur ein solcher unbedingter Wille könnte überhaupt missbräuchlich sein. Ein - bedingter - Wille, sich dauerhaft im Bundesgebiet aufzuhalten, falls dies auf dem durch § 16 Abs. Abs. 4 und 5 AufenthG vorgezeichneten Weg möglich ist, ist jedenfalls nicht missbräuchlich. Im Fall des Antragstellers sind Beweise oder konkrete Anhaltspunkte i.S.d. § 20c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG für einen unbedingten Bleibewillen nicht vorhanden. Zwar ist der Antragsteller eingereist, nachdem seine Familie hier bereits seit mehreren Jahren ein Asylverfahren durchführt. Andererseits hätte er die tatsächliche Möglichkeit, im Bundesgebiet zu bleiben, auch früher gehabt. Der Antragsgegner hat die Ein- und Wiederausreisen zwischen 2013 und 2016 zusammengestellt. Der Antragsteller hat einen längerfristigen Aufenthalt aber erst aufgenommen, nachdem er die Möglichkeit zu dem Promotionsstudium erhalten hatte. Vor diesem Hintergrund ist ein Schluss auf einen unbedingten Bleibewillen nicht möglich.

Zusätzlich steht einer Ablehnung auf der Grundlage des § 20c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG entgegen, dass der Antragsgegner das durch diese Vorschrift eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat.

c. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen sind erfüllt.

aa. Der Lebensunterhalt ist gesichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Gemäß § 2 Abs. 3 Sätze 5 und 6 AufenthG gilt der Lebensunterhalt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 als gesichert, wenn der Ausländer über monatliche Mittel in Höhe des monatlichen Bedarfs, der nach den §§ 13 und 13a Abs. 1 BAföG bestimmt wird, verfügt. Das Bundesministerium des Innern gibt die Mindestbeträge nach Satz 5 für jedes Kalenderjahr jeweils bis zum 31. August des Vorjahres im Bundesanzeiger bekannt. Für das Jahr 2018 ergibt sich ein Betrag von 720 Euro (vgl. BAnz AT 30.8. 2017 B2).

Dem Antragsteller stehen ausreichende Mittel zur Verfügung, um seinen Lebensunterhalt in dieser Höhe zu sichern. Dass er mit seiner Frau und seinen Kindern eine Bedarfsgemeinschaft bildet, lässt die Sicherung des Lebensunterhalts nicht entfallen.

(1) § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG beansprucht auch dann Geltung, wenn der Ausländer einer Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 SGB II angehört.

Im Falle von Promotionsstudenten ergibt sich bei der Prüfung der Sicherung des Lebensunterhalts zwar eine Diskrepanz zwischen aufenthalts- und sozialrechtlicher Betrachtungsweise. Denn aufenthaltsrechtlich gelten uneingeschränkt § 16 Abs. 1 und § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG auch für Promotionsstudenten, während der bei Studierenden gewöhnlich eingreifende sozialrechtliche Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II für sie nicht gilt. Dies bedeutet, dass nach sozialrechtlichen Maßstäben ein Bedarf der Bedarfsgemeinschaft einen eigenen Bedarf des Promotionsstudenten auch dann nach sich zieht, wenn dessen Lebensunterhalt aufgrund des § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG als gesichert gilt. In dieser Situation setzen sich jedoch die spezielleren aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen und die darin zum Ausdruck kommenden Wertungen durch.

§ 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG legt als Spezialregelung für Aufenthaltserlaubnisse nach § 16 AufenthG fest, wann der Lebensunterhalt als gesichert gilt. Die Bundesrepublik Deutschland hat von der in Art. 7 Abs. 3 RL (EU) 2016/801 eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Referenzbetrag für die nötigen Mittel zur Deckung der Kosten für den Unterhalt ohne Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems anzugeben. Die Bestimmung erleichtert die Prüfung der Sicherung des Lebensunterhalts, erhöht deren Transparenz und vereinfacht damit die Einreise zu Studienzwecken.

Dieser Zweck würde verfehlt, wenn bei Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft die Rechtsfolge des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II zur Anwendung käme, wonach jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig gilt, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist. Aufgrund des Abstellens auf den gesamten Bedarf und dessen Umlegung auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft wäre der Lebensunterhalt auch eines Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG beantragt, nicht gesichert, obwohl er an sich die Voraussetzung des § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG erfüllt.

Diese Folge tritt nicht ein, wenn das Studium, für dessen Durchführung der Aufenthalt begehrt wird, eine im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung ist. In diesem Fall haben Studierende gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Leben sie mit anderen Personen in einer Bedarfsgemeinschaft, so sind die Grundsätze einer gemischten Bedarfsgemeinschaft anwendbar (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.6. 2009 - L 12 KG 5/07 -, juris Rn. 21 f.; Sächsisches LSG, Urt. v. 20.9.2012 - L 7 AS 402/11 -, juris Rn. 27 ff.; SG Berlin, Urt. v. 25.3.2015 - S 205 AS 8970/14 -, juris Rn. 22). Diese Grundsätze haben auch für die Frage der Lebensunterhaltssicherung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG Bedeutung (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.8.2011 - 1 C 4/10 -, NVwZ-RR 2012, 333 [BVerwG 16.08.2011 - BVerwG 1 C 4.10], juris Rn. 17). In einer gemischten Bedarfsgemeinschaft, in der ein Mitglied keine Leistungen nach dem SGB II erhalten kann, ist dessen Einkommen zunächst zur Deckung des eigenen Bedarfs und erst der seinen Bedarf übersteigende Teil zur Deckung des Bedarfs der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen (vgl. BSG, Urt. v. 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 -, FEVS 60, 259, juris Rn. 47). Das führt im Anwendungsbereich des § 16 AufenthG dazu, dass der Lebensunterhalt des Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums begehrt, bereits dann gesichert ist, wenn in seiner Person die Voraussetzung des § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG erfüllt ist, auch wenn der seinen nach dieser Vorschrift bestimmten Bedarf übersteigende Teil seiner Mittel nicht ausreicht, um den bei den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft bestehenden Bedarf zu decken.

Ist das Studium nicht dem Grunde nach förderungsfähig, gelangt man letztlich zu demselben Ergebnis. An sich gilt allerdings § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II in diesem Fall auch für den Studierenden. Die Anwendung dieser Vorschrift bei der aufenthaltsrechtlichen Prüfung der Sicherung des Lebensunterhalts hätte allerdings zur Folge, dass das Ergebnis im Widerspruch zu § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG stünde. Diese Vorschrift bezieht sich einschränkungslos auf Aufenthaltserlaubnisse nach § 16 AufenthG. Sie differenziert nicht nach der Förderungsfähigkeit des angestrebten Studiums, sondern verweist auf die RL (EU) 2016/801. Diese kennt als Unionsrecht die aus dem deutschen Ausbildungsförderungsrecht stammende Unterscheidung nach der Förderungsfähigkeit nicht. Sie stellt vielmehr allein darauf ab, ob das Studium zu einem anerkannten Abschluss wie einem Diplom, Zertifikat oder Doktorgrad von höheren Bildungseinrichtungen führt (Art. 3 Nr. 3 RL (EU) 2016/801). Die damit angelegte aufenthaltsrechtliche Gleichbehandlung förderungsfähiger und nicht förderungsfähiger Studienzwecke hätte keine praktische Wirksamkeit, wenn § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG unangewendet bliebe, wenn zwar ein Studium i.S.d. Art. 3 Nr. 3 RL (EU) 2016/801 vorliegt, dieses aber dem Grund nach nicht förderungsfähig ist. Um diese Folge zu vermeiden, aber darüber hinaus auch bereits aufgrund seiner Eigenschaft als speziellere Norm, setzt sich § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG durch. Der Lebensunterhalt eines Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16 AufenthG begehrt, gilt als gesichert, wenn seine Mittel zur Deckung des Bedarfs i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG in seiner Person ausreichen, und zwar auch dann, wenn bei rein sozialrechtlicher Betrachtung keine gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt, weil § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II einen Leistungsanspruch dieses Ausländers nicht ausschließt.

(2) Die Mittel des Antragstellers übersteigen den erforderlichen Betrag von 720 Euro. Der Antragsteller erhält ein Stipendium in der monatlichen Höhe von 1365 Euro. Aus den vom Verwaltungsgericht ausgeführten Gründen, auf die verwiesen wird, ist von diesem Betrag keine Einkommensteuer abzuziehen. Angesichts der bisherigen Unterstützung seitens der Ausbildungsstätte kann prognostiziert werden, dass die Mittel bis zum Studienabschluss zur Verfügung stehen werden.

Unterhaltspflichten beeinträchtigen die Lebensunterhaltssicherung ebenfalls nicht. Auch wenn wegen der Anwendung des § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG nicht zu prüfen ist, ob die Mittel des Antragstellers nach sozialrechtlichen Vorschriften zur Deckung des Bedarfs seiner Familie einzusetzen sind, ist die Existenz dieser Familie grundsätzlich auch bei der Ermittlung der Höhe der Einnahmen von Bedeutung. Denn auch im Falle des § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG können sich Unterhaltsansprüche grundsätzlich einkommensmindernd auswirken (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 7.4.2009 - 1 C 17/08 -, BVerwGE 133, 329, juris Rn. 33). Jedoch liegt der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt - es ist deutsches Recht anzuwenden, Art. 3, 12 des Haager Protokolls über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht - von 880 Euro (Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.1.2018; Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des Oberlandesgerichts Celle, Stand 1.1.2018) über dem erforderlichen Mindestbetrag von 720 Euro.

Die Anwendung der Absetzbeträge des § 11b Abs. 2, 3 SGB II wäre aufgrund der im Rahmen des § 2 Abs. 3 Satz 5 AufenthG anzuwendenden Systematik des Ausbildungsförderungsrechts (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 2 Rn. 68 (Mai 2017)) systemfremd. Zudem ist der Antragsteller nicht erwerbstätig.

bb. Ein Ausweisungsinteresse besteht nicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 8 a) besteht ein (schwerwiegendes) Ausweisungsinteresse u.a., wenn der Ausländer in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels gemacht hat.

Die Angabe in dem Visumantrag des Antragstellers, vorgesehener Aufenthaltsort sei Hildesheim, war objektiv falsch. Mit seiner Unterschrift hat er den Eintrag als eigene Erklärung gelten lassen. Für die Frage, ob der Antragsteller bezweckt hat, durch die falsche Angabe einen Aufenthaltstitel zu erlangen (vgl. auch Discher, in: GK-AufenthG, § 55 Rn. 302 (Juli 2009)), ist aber auch von Bedeutung, ob der Antragsteller erwarten konnte, die Behörde werde ihrer Prüfung einen anderen als den zutreffenden Sachverhalt zugrundelegen. Das ist nicht der Fall. Im Rahmen des Eilverfahrens ist die Behauptung des Antragstellers überwiegend wahrscheinlich, er habe ein Formular vorgelegt, in dem als vorgesehener Aufenthaltsort eine Anschrift im Landkreis Hildesheim eingetragen war. Eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in Teheran habe im Hinblick auf den Sitz der Universität in der Stadt Hildesheim die angegebene Anschrift durchgestrichen und sie durch "Hildesheim" ersetzt. Die Streichung und der Neueintrag sind mit einem anderen Stift als die übrigen Eintragungen erfolgt. Das Wort "Hildesheim" ist mit einer anderen Handschrift als die übrigen Eintragungen geschrieben. Zudem hätte es, wenn der Antragsteller es darauf angelegt hätte, dass der Antragsgegner nicht mit der Angelegenheit befasst wird, nahe gelegen, keine Streichung vorzunehmen, bei der die ursprüngliche Eintragung sichtbar bleibt, sondern ein neues Formular auszufüllen.

Dass das Feld "Wohnort" bei den Angaben zur Ehegattin und zu Kindern nicht ausgefüllt wurde, macht die Angaben unvollständig. Die Unvollständigkeit war aber offensichtlich. Deswegen kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller damit die Erlangung eines Aufenthaltstitels bezweckt hätte. Die Existenz der Angehörigen hat er angegeben. Es gab keinen Grund für die Annahme, die Behörde werde ohne Kenntnis ihres Wohnortes einen Aufenthaltstitel erteilen, wenn der Wohnort für die Entscheidung Bedeutung haben sollte.

cc. Die visumsrechtlichen Pflichten sind erfüllt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Der Antragsteller ist mit einem Visum u.a. zum Zweck des Studiums eingereist und begehrt nunmehr die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG. Der Besitz eines Visums zu einem weiteren Aufenhaltszweck - hier des Familiennachzugs -, für welchen der Ausländer gar keinen Aufenthaltstitel beantragt, wird von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht gefordert. Die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist ebenfalls erfüllt (s.o. bb.).

dd. Auch die weiteren allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen sind gegeben.