Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.10.2012, Az.: 9 KN 47/10

Rechtfertigung einer unterschiedlichen Gebührenbemessung innerhalb einer einheitlichen Abfallentsorgungseinrichtung bei der Abfuhr des Rest- und Bioabfalls einerseits über Behälter und andererseits über Abfallsäcke; Wirksamkeit eines variable Kosten für die Sperrabfallentsorgung einbeziehenden Grundgebührensatzes

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.10.2012
Aktenzeichen
9 KN 47/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 27069
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:1012.9KN47.10.0A

Fundstellen

  • AbfallR 2013, 46
  • DVBl 2012, 4 (Pressemitteilung)
  • DVBl 2013, 50-56
  • DÖV 2013, 119
  • FStNds 2013, 570-573
  • GK 2013, 79-87
  • Gemeindehaushalt 2013, 69-70
  • KommJur 2013, 5-6 (Pressemitteilung)
  • NVwZ-RR 2013, 386
  • NVwZ-RR 2013, 6
  • NdsVBl 2013, 139-144

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bei der Abfuhr des Rest- und Bioabfalls einerseits über Behälter und andererseits über Abfallsäcke handelt es sich nicht um unterschiedliche Leistungen, die innerhalb einer einheitlichen Abfallentsorgungseinrichtung eine unterschiedliche Gebührenbemessung rechtfertigen.

  2. 2.

    Zur Unwirksamkeit eines Grundgebührensatzes, in dessen Kalkulation auch variable Kosten für die Sperrabfallentsorgung einbezogen wurden (Anschluss an das Senatsurteil vom 27.06.2011 - 9 LB 168/09).

  3. 3.

    Der Umstand, dass die Fixkosten für die Abfallentsorgung einen Anteil von 80,78% der Gesamtkosten ausmachen, begründet allein noch keinen besonderen Ausnahmefall im Sinne des § 12 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 NAbfG, der eine entsprechend hohe Grundgebühr rechtfertigt.

  4. 4.

    Den Anforderungen des Gleichheitssatzes wird es nicht gerecht, wenn einerseits über die Grundgebühr ein sehr hoher Anteil (hier fast 81%) des Gesamtgebührenaufkommens abgedeckt und andererseits im Wesentlichen für alle Privathaushalte unabhängig von ihrer Größe der gleiche Grundgebührensatz festgelegt wird und dieser Grundgebührensatz auch für Gewerbebetriebe und andere Nutzungseinheiten gilt, die auf Grund ihres verstärkten Aufkommens von Abfall deutlich stärker von den Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen profitieren.

Tatbestand

1

Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die Regelung über den Gebührensatz für die Grundgebühr in § 3 Abs. 4 Ziffer 4.1 der Abfallgebührensatzung des Antragsgegners in der seit dem 1. Januar 2010 geltenden Fassung der 8. Änderungssatzung - AGS 2010 -.

2

Der Antragsteller ist Eigentümer eines im Geltungsbereich der angegriffenen Abfallgebührensatzung belegenen Grundstücks und wurde von der Stadt Garbsen im Auftrag des Antragsgegners für das Jahr 2010 zu einer Grundgebühr für die Abfuhr von Abfallsäcken in Höhe von 148,80 EUR herangezogen.

3

Der Antragsgegner ist als Zweckverband für die Abfallbeseitigung in der Region Hannover zuständig. Die Region Hannover besteht aus 21 Städten und Gemeinden und wurde nach dem Gesetz über die Region Hannover vom 5. Juni 2001 (RegHannG) zum 1. November 2001 aus den Gemeinden des Landkreises Hannover und der Landeshauptstadt Hannover gebildet. Zugleich wurden der Landkreis Hannover und der Kommunalverband Großraum Hannover aufgelöst (vgl. § 1 RegHannG). Nach § 1 der Satzung über die Abfallwirtschaft in der Region Hannover (Abfallsatzung - AS -) in der zum 1. April 2010 in Kraft getretenen Fassung betreibt der Antragsgegner die Abfallentsorgung in seinem Gebiet nach Maßgabe dieser Satzung als öffentliche Einrichtung. Die Abfallentsorgung umfasst nach § 3 AS die Abfallverwertung und die Abfallbeseitigung im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sowie das Einsammeln, Befördern, Behandeln, die Lagerung, Ablagerung und alle sonst erforderlichen Maßnahmen. Der Zweckverband entsorgt u.a. alle angefallenen und überlassenen Abfälle aus privaten Haushaltungen. Gemäß § 4 AS sind die bzw. der Eigentümer eines im Gebiet des Antragsgegners liegenden Grundstücks verpflichtet, die auf dem Grundstück anfallenden Abfälle der öffentlichen Abfallentsorgung zu überlassen. Diese Überlassungspflicht besteht für alle Abfälle aus privaten Haushaltungen, soweit diese selbst zu einer Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen (§ 9 Abs. 1 AS), aber auch für Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen wie gewerblichen Siedlungsabfällen (§ 9 Abs. 2 AS). Restabfall wird in § 9 Abs. 3 AS definiert als der Abfall, der nach Trennung der verwertbaren Abfälle, der Problemabfälle und des Sperrabfalls von den Hausabfällen und gewerblichen Siedlungsabfällen verbleibt. Die Entsorgung von Restabfall erfolgt gemäß § 10 Abs. 1 AS über die für das Grundstück der bzw. des Anschlusspflichtigen durch den Zweckverband aufgestellten Abfallbehälter bzw. die bereit gestellten Restabfallsäcke. Der Zweckverband bestimmt gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 AS, ob ein Grundstück an die Sackabfuhr oder an die Behälterabfuhr angeschlossen wird. Dabei sind sowohl für die Sackabfuhr als auch für die Behälterabfuhr unterschiedlich große Säcke bzw. Behälter zugelassen (vgl. § 10 Abs. 2 AS). Nach § 10 Abs. 4 AS bestimmt der Zweckverband nach Anhörung der Grundstückseigentümerin bzw. des Grundstückseigentümers die Art und die Anzahl der Abfallbehälter, deren Standplatz auf dem Grundstück sowie die Häufigkeit der Leerung. Der Zweckverband legt dabei in der Regel eine wöchentliche Abfallmenge von 30 l je Person zugrunde. Auf Antrag kann ein geringeres Behältervolumen, jedoch nicht unter 10 l pro Woche und Person festgesetzt werden, wenn das Abfallaufkommen nachweislich geringer ist. Das Mindestvolumen für gewerbliche Siedlungsabfälle ist in § 10 Abs. 5 AS geregelt. Einzelheiten über die Benutzung der Abfallbehälter bzw. die Benutzung und Bereitstellung der Abfallsäcke ergeben sich aus §§ 12 und 13 AS. Für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Abfallentsorgung einschließlich der damit verbundenen Benutzung der Abfallentsorgungsanlagen, der Wertstoffhöfe und sonstigen Annahmestellen erhebt der Zweckverband zur Deckung seiner Kosten Gebühren nach Maßgabe der Abfallgebührensatzung (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 1 AS). Die Städte und Gemeinden setzen die für die Abfallentsorgung zu erhebenden Benutzungsgebühren im Auftrag des Zweckverbandes fest und ziehen diese für ihn ein (vgl. § 25 Abs. 2 AS).

4

Die Benutzungsgebühren für die Entsorgung des Restabfalls und des Bioabfalls sind für die Behälterabfuhr einerseits und die Sackabfuhr andererseits unterschiedlich ausgestaltet und dadurch auch regional unterschiedlich: Während die Behälterabfuhr im Sinne von §§ 10 bis 12 AS vom Antragsgegner nur im Stadtgebiet Hannover und in einigen Gebieten des ehemaligen Landkreises Hannover betrieben wird, erfolgt in den meisten Umlandgemeinden - wie im Wohnort des Antragstellers - die Entsorgung der Restabfälle und Bioabfälle ausschließlich über die Sackabfuhr im Sinne von §§ 10 und 13 AS. Die Gebühren für die Behälterabfuhr bzw. die Sackabfuhr werden gesondert kalkuliert und dementsprechend werden in § 3 AGS 2010 unterschiedliche Gebührsätze für diese beiden getrennten Bereiche erhoben. Dabei wird für die an die Sackabfuhr angeschlossenen Grundstücke eine Benutzungsgebühr erhoben, die sich aus einer monatlichen Grundgebühr sowie einer (Leistungs-)Gebühr entsprechend dem Volumen der Restabfallsäcke zusammensetzt. Die Abfallsäcke werden nicht vom Antragsgegner, sondern im Einzelhandel erworben, der berechtigt ist, die hierfür anfallende Gebühr entgegenzunehmen (§ 2 Abs. 5 AGS 2010). Demgegenüber erfolgt die Erhebung der Benutzungsgebühr für die an die Behälterabfuhr angeschlossenen Grundstücke nach der Anzahl, der Leerungshäufigkeit sowie dem Volumen der Abfallbehälter ohne die Erhebung einer monatlichen Grundgebühr. Die Entsorgung von vorher vereinbarten Sperrabfallmengen bis zu 5 m3 ist gebührenfrei (§ 7 Abs. 4 AGS 2010 i.V.m. § 19 Abs. 6 AS), für die davon abweichende Sperrabfallabfuhr werden Gebühren nach § 7 AGS 2010 erhoben.

5

Mit Beschluss der Verbandsversammlung des Antragsgegners vom 17. Dezember 2009 wurde die bisherige Abfallgebührensatzung zum 1. Januar 2010 durch die 8. Satzung zur Änderung der Abfallgebührensatzung des Antragsgegners geändert und dabei u.a. die in § 3 Abs. 4 festgelegte Grundgebühr für die Sackabfuhr entsprechend der Beschlussvorlage B II B 212/2009 und der anliegenden Gebührenkalkulation von monatlich 11,25 EUR auf monatlich 12,40 EUR erhöht. Die 8. Änderungssatzung wurde im Gemeinsamen Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover vom 30.12.2009 bekannt gemacht. Die Gebühren für die Behälter- und die Sackabfuhr bemessen sich danach seit dem 1. Januar 2010 wie folgt:

6

§ 3

7

Gebühren für die Entsorgung von Rest- und Bioabfall

8

(1) Für die an die Sackabfuhr angeschlossenen Grundstücke wird die Benutzungsgebühr nach einer

9

1.1 Grundgebühr je Wohnung (Wohnungsgleichwert) und einer

10

1.2 Gebühr je 50 l-Restabfallsack, einer

11

1.3 Gebühr je 35 l-Restabfallsack, einer

12

1.4 Gebühr je 20 l-Restabfallsack und einer

13

1.5 Gebühr je 30 l-Biosack bemessen.

14

Als Wohnung im Sinne dieser Gebührensatzung gilt die Summe aller Räume, die nach ihrer baulichen Anlage oder Zweckbestimmung eine selbstständige, zu Dauerwohnzwecken dienende Einheit bilden.

15

(2) Für die an die Sackabfuhr angeschlossenen Wohnheime und ähnliche Einrichtungen gilt ein Wohnraum, für Campingplätze ein Standplatz, für Kleingärten eine Parzelle und für Bootsstege ein Liegeplatz als Wohnungsgleichwert. Für die an die Sackabfuhr angeschlossenen Wochenendhäuser und ähnlich genutzte Grundstücke, die der Erholung dienen, sowie für Vereinsheime und ähnliche Einrichtungen wird ein Wohnungsgleichwert zugrunde gelegt.

16

Für die an die Sackabfuhr angeschlossenen Liegeplätze ermäßigt sich die Grundgebühr auf 3,15 EUR/Monat. In den übrigen Fällen des Abs. 2 ermäßigt sich die Grundgebühr auf 6,20 EUR/Monat.

17

(3) Für Gewerbebetriebe, freiberufliche Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, die an die Sackabfuhr angeschlossen sind, werden Benutzungsgebühren nach einer

18

3.1 Grundgebühr je Nutzungseinheit (Wohnungsgleichwert) und einer

19

3.2 Gebühr je 50 l-Restabfallsack, einer

20

3.3 Gebühr je 35 l-Restabfallsack, einer

21

3.4 Gebühr je 20 l-Restabfallsack und einer

22

3.5 Gebühr je 30 l-Biosack bemessen.

23

Bei Gewerbebetrieben mit einem überlassungspflichtigen Mindestvolumen (§ 10 Abs. 5 ff. Abfallsatzung) von mehr als 150 l je Woche beträgt die Grundgebühr das Zweifache der Grundgebühr nach Satz 1. Für Gewerbebetriebe und freiberufliche Unternehmen, die ihre Tätigkeit nebenberuflich und ohne Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter innerhalb einer hauptsächlich privat genutzten Wohnung ausüben, ermäßigt sich die Grundgebühr auf Antrag auf 3,15 EUR/Monat. Eine Tätigkeit im Sinne von Satz 2 ist dann nicht nebenberuflich, wenn sie der hauptberuflichen Tätigkeit dient.

24

(4) Die Gebühr bei Sackabfuhr beträgt:

4.1 Grundgebühr je Wohnungsgleichwert - monatliche Gebühr -12,40 EUR,
4.2 je 50 l-Restabfallsack1,25 EUR,
4.3 je 35 l-Restabfallsack0,85 EUR,
4.4 je 20 l-Restabfallsack0,50 EUR,
4.5 je 30 l-Biosack0,39 EUR.
(5) - (15) ...
25

Der Antragsteller hat am 17. März 2010 den Normenkontrollantrag gegen die Neuregelung des Gebührensatzes in § 3 Abs. 4 AGS 2010 des Antragsgegners gestellt. Zur Begründung seines Antrags trägt er vor:

26

Es verstoße gegen die Gleichmäßigkeit der Abgabenerhebung, wenn innerhalb einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung für die Restabfallentsorgung die Gebührenerhebung in zwei unterschiedlichen Systemen erfolge, nämlich einerseits als volumenabhängige Behältergebühr ohne Grundgebühr und andererseits bei der Sackabfuhr mit einer Grundgebühr, die einen sehr hohen Finanzierungsanteil von ca. 80% des Gesamtgebührenaufkommens durch die Sackabfuhr aufweise. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip. Zudem verstoße die Gebührenerhebung bei der Sackabfuhr gegen die Gleichmäßigkeit der Abgabenerhebung, weil bei der Festsetzung der Grundgebühr nicht danach differenziert werde, welche Größe die angeschlossenen Haushalte und Betriebe aufwiesen. Bei einer einheitlichen Grundgebühr müsse die Struktur der angeschlossenen Haushalte identisch sein oder der Anteil der Grundgebühr am gesamten Gebührenaufkommen deutlich unter 50% liegen. Außerdem sei die Gebührenbelastung für den angeschlossenen Haushalt bei der Sackabfuhr höher als bei der Behälterabfuhr. Lege man zugrunde, dass nach einer Verbrauchermitteilung der Region Hannover bei der Behälterabfuhr die 80 l-Tonne bei 14tägiger Entleerung überwiegend gebräuchlich sei und bei der Sackabfuhr der 35 l-Restabfallsack, bedeute dies in den Umlandgemeinden eine Gebührenbelastung durch die Sackabfuhr von monatlich 16,25 EUR, während innerhalb des Stadtgebiets Hannover nur monatliche Gebühren von 10,80 EUR anfielen. Bei Bioabfällen kehre sich dieses Verhältnis um, weil bei der Behälterentleerung durchschnittlich 8,45 EUR monatlich gezahlt werden müssten, während bei der Sackabfuhr ohne weitere Grundgebühr nur 2,34 EUR monatlich anfielen. Diese Unterschiede in der Gebührenerhebung würden von dem Antragsgegner nivelliert, wenn dieser in einer Vergleichsberechnung von einem Vier-Personen-Haushalt ausgehe und dabei die Restabfall- und Bioabfallentsorgung zusammenfasse. Wegen der Einschränkung der Überlassungspflicht von Bioabfällen und der in den Umlandgemeinden praktizierten Eigenkompostierung müsse jedoch im Hinblick auf die Gebührenbelastung der Haushalte zwischen Restabfall- und Bioabfallentsorgung differenziert werden. Da die Gebührenbemessung nicht nach Kosten erfolgen dürfe, sondern leistungsgerecht, müssten für dieselbe Leistung, die in der Entsorgung von Restabfall bzw. Bioabfall bestehe, auch die gleichen Gebühren bezahlt werden und es dürfe nicht nach der Art der Abfuhr eine Gebührendifferenzierung erfolgen. Soweit die Erhebung der Benutzungsgebühren für die Restabfallentsorgung in getrennten Systemen dennoch als zulässig angesehen werde, sei eine einheitliche Grundgebühr für alle an die Sackabfuhr angeschlossenen Haushalte dennoch unzulässig, weil erheblich mehr als 30% der Gesamtkosten über die Grundgebühr abgedeckt würden. Wie sich aus den Unterlagen des Antragsgegners ergebe, übersteige bei der Sackabfuhr der Anteil der Grundgebühr den leistungsabhängigen Anteil durch den Verkauf der Abfallsäcke deutlich, das Verhältnis liege bei 20% für die Sackgebühr und bei 80% für die Grundgebühr. Dieser Anteil bei der Grundgebühr sei ohne eine Differenzierung nach Art und Umfang der Inanspruchnahme zu hoch, zumal auf diese Weise ein Ein-Personen-Haushalt dieselbe Grundgebühr zu entrichten habe wie beispielsweise ein Hotelbetrieb. Zwar könne nach der Senatsrechtsprechung gemäß § 12 Abs. 6 NAbfG in begründeten Fällen der Anteil der Grundgebühr 50% des Gesamtgebührenaufkommens übersteigen, dieser dürfe aber nicht unbegrenzt nach oben geschraubt werden. Somit sei der gesamte Gebührenmaßstab der AGS 2010 unwirksam. Im Übrigen verstoße die angegriffene Gebührensatzung auch gegen die vom Senat in seinem Urteil vom 27. Juni 2011 (9 LB 168/09) entwickelten Grundsätze, weil die Grundgebühr unabhängig vom Umfang der Inanspruchnahme einheitlich erhoben werde und mit der Grundgebühr nicht nur die Fixkosten, sondern auch variable Kosten finanziert würden.

27

Der Antragsteller beantragt,

§ 3 Abs. 4 Ziffer 4.1 der Satzung des Antragsgegners über die Erhebung von Gebühren für die Abfallentsorgung in der Region Hannover (Abfallgebührensatzung) in der zum 1. Januar 2010 in Kraft getretenen Fassung der 8. Änderungssatzung vom 17. Dezember 2009 für unwirksam zu erklären.

28

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

29

Er hält die unterschiedliche Gebührenerhebung für die Behälterabfuhr und die Sackabfuhr für zulässig. Die Gebühren würden getrennt kalkuliert und festgesetzt, sodass auch die Erhebung einer Grundgebühr nur bei der Sackabfuhr nicht zu beanstanden sei. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 4 NAbfG bildeten alle abfallwirtschaftlichen Anlagen des öffentlichen Einrichtungsträgers eine öffentliche Einrichtung, auch wenn sie aus unterschiedlichen Teileinrichtungen bestünde. Die Behälter- und Sackabfuhr seien solche unterschiedlichen Teileinrichtungen. Die unterschiedliche Leistung bestehe darin, dass die Behälter von den Grundstücken geholt und sodann geleert würden, während die Abfallsäcke an die Straße gestellt werden müssten. Auch nach der früheren Gebührensatzung des ehemaligen Landkreises Hannover seien getrennte Gebühren für die Sackabfuhr und die Behälterabfuhr erhoben worden, wobei nur für Erstere eine Grundgebühr festgesetzt worden sei. Diese Praxis sei nie beanstandet und nach der Bildung der Region Hannover beibehalten worden. Der Grundsatz der Leistungsproportionalität gebiete keine einheitliche Abfallgebühr und auch nicht die Einführung einer Grundgebühr für die Behälterabfuhr. Eine Ungleichbehandlung zwischen den von der Sackabfuhr und den von der Behälterabfuhr betroffenen Grundstücken bestehe nicht. Der Antragsteller lasse außer Acht, dass die volumenunabhängigen Fixkosten bei der Behältergebühr in die Leistungsgebühr einbezogen seien, die sich nach Volumen und Abfuhrhäufigkeit richte, während diese Fixkosten bei der Sackabfuhr durch die Grundgebühr abgedeckt würden. Bei einer realistischen Vergleichberechnung seien die Unterschiede zwischen der Sack- und der Behälterabfuhr nicht so groß wie vom Antragsteller dargestellt bzw. ließen eine Sackabfuhr sogar günstiger erscheinen. Die Kritik an der Höhe der Grundgebühr sei nicht berechtigt. Zwar betrage der Anteil der Grundgebühr 80% am Gesamtgebührenaufkommen für die Sackabfuhr, was aber durch § 12 Abs. 6 Satz 3 NAbfG in begründeten Fällen ausdrücklich zugelassen werde. Diese besondere Begründung sei darin zu sehen, dass für die Sackabfuhr systembedingt eine hohe Grundgebühr erhoben werden müsse. Maßgeblich sei auch nach der Senatsrechtsprechung, dass eine Grundgebühr in der festgelegten Höhe gerechtfertigt sei, wenn die verbrauchsunabhängigen Fixkosten für die Sackabfuhr entsprechend hoch seien. Außerdem würden über die Grundgebühr nicht nur das Anfahren des Grundstücks, Einsammeln der Abfallsäcke und die Vorhalteleistungen (Betriebsbereitschaft, Bereitstellen von Fahrzeugen, Abfallbehandlungsanlagen, -deponien) abgesichert, sondern auch Fixkosten der Wertstoffhöfe, Schadstofferfassung, gebührenfreien Sperrmüllentsorgung, Wertstofferfassung und Grüngutannahme. Der Antragsgegner verweist zum Anteil der Fixkosten und der variablen Kosten auf die im Normenkontrollverfahren vorgelegte Gebührenkalkulation. Mit der vorgenommenen Gebührengestaltung werde die Motivation zur Abfalltrennung nicht untergraben, sondern durch den erforderlichen Ankauf von Abfallsäcken deutlich vor Augen geführt.

30

Soweit sich der Antragsteller auf das aktuelle Senatsurteil vom 27. Juni 2011 beziehe, werde eingeräumt, dass die angefochtene Abfallgebührensatzung nicht alle Kriterien erfülle, die der Senat in seiner Entscheidung aufgestellt habe. So würden die Kosten der Sperrmüllabfuhr vollständig durch die Grundgebühr abgedeckt. Eine mengenmäßige Unterteilung der Kosten der Sperrmüllabfuhr sei in der damaligen Gebührenkalkulation nicht vorgenommen worden. Die vom Senat aufgestellte Forderung, dass auch in den Fällen einer Quersubventionierung abfallmengenabhängige Kosten nicht in die Kalkulation der Grundgebühr eingestellt werden dürften, sei so aber auch erst in dieser Entscheidung formuliert worden und die bisherige Praxis sei in der Vergangenheit keiner Kritik ausgesetzt gewesen.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (1 Ordner) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

32

Der Normenkontrollantrag des Antragstellers ist zulässig und begründet. Die angegriffene, zum 1. Januar 2010 in Kraft getretene Regelung über den Gebührensatz für die Grundgebühr bei der Abfuhr von Abfallsäcken in § 3 Abs. 4 Ziffer 4.1 AGS 2010 verstößt gegen höherrangiges Recht und ist daher gemäß § 47 Abs. 5 VwGO für unwirksam zu erklären.

33

Der Grundgebührensatz für die Sackabfuhr ist bereits deshalb unwirksam, weil die Festlegung unterschiedlicher Gebühren für die Entsorgung des Restabfalls im Wege der Behälterabfuhr ohne Grundgebühr einerseits und für die Sackabfuhr mit einer monatlichen Grundgebühr andererseits innerhalb der einheitlichen öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung des Antragsgegners nicht mit Niedersächsischem Landesrecht vereinbar ist (1.). Darüber hinaus verstößt der Grundgebührensatz für die Sackabfuhr aber auch deshalb gegen höherrangiges Recht, weil seine Festlegung nicht auf einer ordnungsgemäßen und nachvollziehbaren Kalkulation beruht (2.), der Anteil der Grundgebühr am gesamten Gebührenaufkommen für die Sackabfuhr die zulässige Höhe gemäß § 12 Abs. 6 Satz 3 NAbfG übersteigt (3.) und die Erhebung einer gleich hohen Grundgebühr für die unterschiedlichen Benutzergruppen in § 3 Abs. 1 bis 3 AGS 2010 gegen § 12 Abs. 6 Satz 1 NAbfG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 NKAG und den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt (4.).

34

1. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Abfallentsorgungsgebühren (Rest- und Bioabfälle) für die Sackabfuhr und die Behälterabfuhr innerhalb der einheitlichen öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung ist mit der Folge unzulässig, dass die Festlegung eines Grundgebührensatzes gemäß § 3 Abs. 4 Ziffer 4.1 AGS 2010 nur für die an die Sackabfuhr angeschlossenen Benutzer unwirksam ist. Bei den beiden unterschiedlichen Abfuhrsystemen handelt es sich rechtlich nicht um unterschiedliche Leistungen, die eine unterschiedliche Gebührenerhebung rechtfertigen würden:

35

Die Bemessung der Benutzungsgebühren für die Abfallentsorgung richtet sich nach § 12 NAbfG i.V.m. § 5 NKAG. Danach erhebt der öffentliche Entsorgungsträger für die Abfallentsorgung Gebühren nach Maßgabe des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes und des § 12 Abs. 2 - 8 NAbfG. Soweit durch Satzung nichts anderes bestimmt ist, bilden gemäß § 12 Abs. 2 Satz 4 NAbfG alle abfallwirtschaftlichen Anlagen des öffentlichen Entsorgungsträgers gebührenrechtlich eine Einrichtung. Die entsorgungspflichtigen Körperschaften können nach pflichtgemäßem Ermessen über die innere Organisation und äußere Handlungsweise der öffentlichen Einrichtung Abfallbeseitigung entscheiden (vgl. den Senatsbeschluss vom 29.10.2003 - 9 LA 269/03 - KStZ 2004, 151 m.w.Nw.). In ihrem Ermessen liegt auch die Entscheidung darüber, was in räumlicher und sachlicher Hinsicht zur Einrichtung zählt. Der Regel entspricht es, dass die abfallrechtlichen Aufgaben mittels einer technisch, wirtschaftlich und rechtlich einheitlichen öffentlichen Einrichtung erfüllt werden. In diesem Sinne betreibt auch der nach der Bildung der Region Hannover für ein weiträumiges Gebiet zuständige Antragsgegner gemäß § 1 Abs. 1 AS eine einheitliche öffentliche Einrichtung. Wie der Antragsgegner die Überlassungspflicht und die Abfuhr innerhalb seiner öffentlichen Einrichtung organisatorisch gestaltet, ist seinem Ermessen überlassen. Er kann sich also - wie geschehen - dagegen entscheiden, alle Grundstücke einheitlich über Abfallbehälter zu entsorgen und innerhalb der Einrichtung unterschiedliche Abfuhrsysteme (Behälter- und Sackabfuhr) beibehalten.

36

Für eine als einheitliche öffentliche Einrichtung betriebene Abfallentsorgungseinrichtung muss aber grundsätzlich auch eine einheitliche Benutzungsgebühr erhoben werden. Wie der Senat schon mehrfach verdeutlicht hat, folgt aus dem Prinzip der Einheit der öffentlichen Einrichtung, dass der Benutzer keinen Anspruch darauf hat, nur mit den Kosten des von ihm tatsächlich in Anspruch genommenen Teils der Einrichtung belastet zu werden. Der dadurch im Interesse einer praktikablen einheitlichen Abgabenerhebung bewirkte Verzicht auf die Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der einzelnen Grundstücke ist von den Grundstückseigentümern grundsätzlich hinzunehmen. An die Stelle der Kosten für den unmittelbar in Anspruch genommenen Teil der Einrichtung tritt eine nur rechnerisch abgrenzbare Teilhabe an der Gesamteinrichtung. Daher verlangen weder das Kostendeckungsprinzip noch das Äquivalenzprinzip oder der allgemeine Gleichheitssatz, die Benutzungsgebühr nach dem Maß der Kostenverursachung durch einzelne Benutzer oder Benutzergruppen zu bemessen. Für die Bestimmung des Gebührenmaßstabes ist grundsätzlich unerheblich, welche Kosten dem Träger der Einrichtung durch den einzelnen Benutzungsfall entstehen. Die Bemessung der Gebühr ist nicht kosten-, sondern leistungsbezogen (vgl. das Urteil vom 26.05.1993 - 9 L 4733/91 - OVGE MüLü 43, 458; ebenso Beschluss vom 29.10.2003 - 9 LA 269/03 - a.a.O.).

37

Bei der unterschiedlich ausgestalteten Überlassung und Abfuhr des Rest- und Bioabfalls einerseits über die Behälterabfuhr und andererseits über Abfallsäcke handelt es sich jedoch nicht um unterschiedliche Leistungen, die innerhalb einer einheitlichen Abfallentsorgungseinrichtung eine unterschiedliche Gebührenbemessung rechtfertigen. Nach § 3 Abs. 1 und 2 AS umfasst die Abfallentsorgung des Antragsgegners die Abfallverwertung und die Abfallbeseitigung im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sowie das Einsammeln, Befördern, Behandeln, die Lagerung, Ablagerung und alle sonst erforderlichen Maßnahmen. Die gebührenpflichtige Leistung des Antragsgegners besteht nach seinem Satzungsrecht also im Hinblick auf die Entsorgung von Restabfällen im Einsammeln, Befördern und Entsorgen des Restabfalls, der in § 9 Abs. 3 AS definiert wird als der Abfall, der nach Trennung der verwertbaren Abfälle, der Problemabfälle und des Sperrabfalls von den Hausabfällen und gewerblichen Siedlungsabfällen verbleibt. Bei der Entsorgung des überlassungspflichtigen Restabfalls einerseits und Bioabfalls andererseits handelt es sich um zwei verschiedene Leistungsbereiche, für die grundsätzlich nach dem Organisationsermessen des Aufgabenträgers eine Einheitsgebühr oder Sondergebühren erhoben werden können. Daneben stellen das Einsammeln, Befördern und die Entsorgung bzw. Verwertung von Sperrabfällen, Altpapier und der sonstigen Abfälle weitere Leistungsbereiche dar, für die Sondergebühren erhoben werden können oder die durch eine Quersubventionierung in den Restabfallgebühren abgebildet werden können (zu den verschiedenen Leistungsbereichen und zur Quersubventionierung vgl. das Senatsurteil vom 26.03.2003 - 9 KN 439/02 - OVGE MüLü 49, 441 = NdsVBl. 2004, 47 = KStZ 2004, 36 und Lichtenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 47. Erg.Lfg. 2012, § 6 Rn. 765a).

38

Demgegenüber stellen die unterschiedlich ausgestaltete Behälter- und Sackabfuhr rechtlich keine eigenständigen Teilleistungsbereiche dar (a. A. VG Hannover, Urteil vom 28. März 2001 - 1 A 2717/98 - und Urteil vom 04.04.2007 - 1 A 4043/04 -). Die erbrachte gebührenpflichtige Leistung durch das Einsammeln, Befördern und Entsorgen des auf den Grundstücken angefallenen Rest- und Bioabfalls ist für alle Benutzer der Abfallentsorgungseinrichtung unabhängig davon gleich, auf welche Weise der Antragsgegner diese Leistung technisch erbringt. Die Unterschiede, die darin bestehen, dass die Abfälle einerseits in festen Behältern gesammelt und vom Grundstück abgeholt werden, andererseits in Restabfallsäcken gesammelt und an die Straße bzw. bestimmte Sammelstellen gebracht werden müssen, sind rechtlich keine unterschiedlichen Leistungen, sondern es handelt sich dabei lediglich um Unterschiede im Rahmen der technischen Durchführung der Leistungsbereiche "Restabfallentsorgung" bzw. "Bioabfallentsorgung". Die verschieden ausgestaltete Art und Weise der Einsammlung und Abfuhr von Rest- und Bioabfällen rechtfertigt daher ebenso wenig eine unterschiedliche Gebührenbemessung wie die unterschiedliche Behandlung der abgefahrenen und zu entsorgenden Abfälle in verschiedenen Entsorgungsanlagen (ähnlich das Senatsurteil vom 26.05.1993 - 9 L 4733/91 - OVGE MüLü 43, 458 zur einheitlichen Gebührenbemessung trotz unterschiedlicher Kosten für die Abfallentsorgung von Inseln im Verhältnis zum Festland; entsprechend der Senatsbeschluss vom 29.10.2003 - 9 LA 269/03 - a.a.O. zur einheitlichen Gebührenbemessung innerhalb einer einheitlichen Niederschlagswasserbeseitigungsanlage).

39

Inwieweit der Antragsgegner die Unterschiede im Abfuhrsystem zum Anlass nehmen könnte, nach dem ihm zustehenden weiten Organisationsermessen zwei rechtlich selbstständige Einrichtungen für die Landeshauptstadt Hannover einerseits und für die Umlandgemeinden andererseits zu schaffen, kann dahinstehen, weil der Antragsgegner hiervon gerade keinen Gebrauch gemacht hat. Im Übrigen hätte der Betrieb getrennter Abfallentsorgungseinrichtungen rechtlich zur Folge, dass innerhalb jeder Einrichtung gesonderte Gebührenmaßstäbe und -sätze festzulegen wären, also insbesondere der gebührenfähige Aufwand für jede Einrichtung getrennt zu ermitteln und die Gebührensätze für die jeweiligen Teilleistungsbereiche jeder Einrichtung, sofern für sie Sondergebühren erhoben werden sollen, eigenständig zu kalkulieren und festzusetzen wären (vgl. Lichtenfeld in Driehaus, a.a.O., § 6 Rn. 703 ff. zu leitungsgebundenen Einrichtungen; zur getrennten Gebührenbemessung und -kalkulation bei unterschiedlichen Einrichtungen auch das Senatsurteil vom 17.07.2012 - 9 LB 187/09 -).

40

2. Der Grundgebührensatz für die Sackabfuhr wäre aber auch dann unwirksam, wenn die Festlegung unterschiedlicher Gebühren für die Sack- und die Behälterabfuhr rechtlich zulässig wäre. Denn die in § 3 Abs. 4 Ziffer 4.1 AGS 2010 festgelegte Grundgebühr für die Sackabfuhr beruht unabhängig von ihrer Unwirksamkeit aus den Gründen zu 1. auch nicht auf einer den Anforderungen des Niedersächsischen Landesrechts entsprechenden, ordnungsgemäßen und nachvollziehbaren Kalkulation.

41

Die Festlegung des (Grund-)Gebührensatzes gemäß § 12 Abs. 6 Satz 3 NAbfG und § 5 Abs. 4 NKAG setzt eine Gebührenkalkulation voraus, die der Ermittlung der zulässigen Gebührensatzobergrenze innerhalb des Kalkulationszeitraums dient (vgl. Urteil des Senats vom 20.01.2000 - 9 K 2148/99 - NdsVBl 2000, 113 = NVwZ-RR 2001, 124). Sie muss die rechtlichen Anforderungen, die das Niedersächsische Abfallgesetz und das Niedersächsische Kommunalabgabengesetz an eine Gebührenkalkulation stellen, erfüllen und fällt formell in die Kompetenz des Kreistags bzw. der Verbandsversammlung eines Zweckverbandes. Auf der ersten Stufe sind für den zu kalkulierenden Zeitraum (§ 12 Abs. 1 NAbfG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 2 NKAG) die voraussichtlich ansatzfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 NKAG, § 12 Abs. 2 bis 5 NAbfG) zu ermitteln. Auf der zweiten Stufe sind die umlagefähigen Kosten nach Maßgabe des in der Satzung vorgesehenen gültigen Gebührenmaßstabs auf alle Benutzer der Einrichtung leistungsgerecht (§ 12 Abs. 6 NAbfG i.V.m. § 5 Abs. 3 NKAG) zu verteilen, wobei der voraussichtliche Umfang der Inanspruchnahme im Kalkulationszeitraum (Maßstabseinheiten) zu schätzen ist (vgl. das Senatsurteil vom 27.06.2011 - 9 LB 168/09 - NVwZ-RR 2011, 914 m. w. Nw.).

42

Die Kalkulation einer Benutzungsgebühr, die - wie hier bezogen auf die Sackabfuhr - neben einer Leistungsgebühr auch eine Grundgebühr umfasst, erfordert jeweils eine gesonderte Gebührenkalkulation für die Grundgebühr einerseits und die Leistungsgebühr andererseits, die erkennen lässt, wie hoch der Anteil der variablen und der invariablen Kosten (sog. Fixkosten) an den veranschlagten Gesamtkosten ist und in welcher Höhe die invariablen Kosten über die Grundgebühr abgedeckt werden sollen. Denn unter einer Grundgebühr ist eine Benutzungsgebühr zu verstehen, die für die Inanspruchnahme der Lieferungs- bzw. Betriebsbereitschaft einer Einrichtung erhoben wird. Mit ihr sollen die durch das Bereitstellen und ständige Vorhalten der Einrichtung entstehenden verbrauchsunabhängigen Betriebskosten (Fixkosten) ganz oder teilweise abgegolten werden. Dazu rechnen etwa die Kosten für das Vorhalten von Fahrzeugen, die Kosten für Abfallbehälter und Mülldeponien, Unterhaltungs- und Instandsetzungskosten, kalkulatorische Kosten (Abschreibungen, Zinsen), Verwaltungskosten und insoweit anteilig Personalkosten. Diese Kosten dürfen ganz oder teilweise bei der Aufwandsermittlung berücksichtigt werden. Nicht hingegen dürfen in die Kalkulation der Grundgebühr abfallmengenabhängige, sogenannte variable Kosten eingestellt werden. Dies gilt auch in den Fällen einer Quersubventionierung nach § 12 Abs. 5 NAbfG. Nach dieser Vorschrift (früher: § 12 Abs. 4 NAbfG) können die Aufwendungen für die Entsorgung getrennt überlassener Abfälle - wie etwa Sperrabfall - einbezogen werden in die Ermittlung der Aufwendungen für die Entsorgung ungetrennt überlassener Abfälle, also der Restabfälle. Nicht darin enthalten ist jedoch die Ermächtigung des Trägers der Abfallentsorgungseinrichtung, variable, also abfallmengenabhängige, Kosten der nicht über einen getrennten Gebührensatz refinanzierten Teilleistungsbereiche in die Kalkulation der Grundgebühr einzustellen. Vielmehr ist hinsichtlich jeden Teilleistungsbereichs der Fixkostenanteil nachvollziehbar zu bestimmen. Nur dieser Teil der Kosten kann dann (ganz oder teilweise) den sog. Fixkosten zugeordnet und über die Grundgebühr als Teil der einheitlichen Abfallgebühr abgerechnet werden (vgl. auch hierzu das Senatsurteil vom 27.06.2011 - 9 LB 168/09 - a.a.O., m. w. Nw.; zur zulässigen Höhe der Grundgebühr bei Quersubventionierung: Urteil vom 26.03.2003 - 9 KN 439/02 - a.a.O.).

43

Diesen rechtlichen Vorgaben trägt die Gebührenkalkulation, die der Beschlussfassung über den Grundgebührensatz für die Sackabfuhr in der 8. Änderungssatzung zur Abfallgebührensatzung des Antragsgegners ab dem 1. Januar 2010 zugrunde lag (Beschlussvorlage B II B 212/2009), keine Rechnung. Ginge man mit dem Antragsgegner davon aus, dass für die Rest- und Bioabfallentsorgung im Wege der Behälterabfuhr und der Sackabfuhr unterschiedliche Gebühren erhoben werden könnten, hätte dies in einem ersten Schritt erfordert, dass in der Gebührenkalkulation die ansatzfähigen Kosten für jeden dieser Bereiche ermittelt und ausgewiesen werden. Sodann wären zur Berechnung der Grundgebühr für die Sackabfuhr zunächst die auf die Sackabfuhr entfallenden Kosten in invariable, abfallmengenunabhängige Vorhaltekosten und in variable, abfallmengenabhängige Kosten aufzuteilen. Soweit - wie nach dem Satzungsrecht des Antragsgegners vorgesehen - in die Gebühren für die Sackabfuhr auch Kosten für andere, quersubventionierte Leistungsbereiche wie die Sperrabfallentsorgung einbezogen werden sollen, wären die Kosten für diese Teilleistungsbereiche ebenfalls getrennt nach variablen Kosten und Fixkosten aufzuschlüsseln. Für die Kalkulation der Grundgebühr wäre sodann der Anteil der Fixkosten, die über die Grundgebühr abgedeckt werden und nicht in die Berechnung der Leistungsgebühr einfließen sollen, zu bestimmen und nachfolgend die Summe der Maßstabseinheiten, auf die die Fixkosten verteilt werden sollen (Wohnungsgleichwerte), anzugeben. In einem abschließenden Rechenschritt müsste sich aus der Division der für die Grundgebühr zu berücksichtigenden Fixkosten durch die ermittelten Maßstabseinheiten (Wohnungsgleichwerte) der festgelegte Grundgebührensatz in Höhe von 12,40 EUR ergeben.

44

An einer derart nachvollziehbaren Grundgebührenkalkulation fehlt es hier schon deshalb, weil die zur Beschlussfassung des erhöhten Grundgebührensatzes vorgelegte Gebührenkalkulation lediglich die unterschiedlichen Kostenanteile für die Sack- und die Behälterabfuhr angibt, bezogen auf die Sackabfuhr aber schon keine Aufteilung nach variablen und invariablen Kosten erkennen lässt. Dieser Mangel konnte auch nicht dadurch behoben werden, dass der Antragsgegner im Normenkontrollverfahren eine Kalkulation vorgelegt hat, aus der sich eine Aufteilung der Gesamtkosten für die Rest- und Bioabfallentsorgung in anteilige Fixkosten und variable Kosten für die Behälterabfuhr und die Sackabfuhr auf der Basis einer Prognose für 2010/2012 ergibt. Denn bei dieser Aufstellung sind lediglich die verschiedenen Kostenarten nach Material- und Personalaufwand, Abschreibungen, Verzinsung, Deponiegebühren etc. aufgeschlüsselt und sodann jeweils die variablen und invariablen Kostenanteile für die Behälter- und die Sackabfuhr in grob gerundeten Prozentsätzen ausgewiesen. Abgesehen davon, dass eine solche Aufstellung über den Anteil der variablen und der invariablen Kosten der Verbandsversammlung bei der Beschlussfassung des Grundgebührensatzes nicht vorlag und diese daher auch nicht entscheiden konnte, zu welchem Anteil die invariablen Kosten über die Grundgebühr abgedeckt werden sollen, lässt die nachgereichte Aufstellung auch nicht die anteiligen Fixkosten für den quersubventionierten Leistungsbereich der Sperrabfallabfuhr erkennen. Denn die Sperrabfälle werden nach §§ 7 und 9 AGS 2010 i.V.m. § 19 Abs. 4 AS bis zu einer Menge von 5 m3 ohne Erhebung einer Zusatzgebühr abgefahren und entsorgt; die hierfür anfallenden Kosten werden über die Restabfallgebühr abgedeckt. Wie der Antragsgegner im Normenkontrollverfahren jedoch eingeräumt hat, fehlt in der Gebührenkalkulation hinsichtlich des Teilleistungsbereichs der Sperrabfälle nicht nur eine Differenzierung der Kosten in variable und invariable Kostenanteile, sondern die Kosten der (gebührenfreien) Sperrabfallabfuhr wurden vollständig über die Grundgebühr abgedeckt. Die daraus folgende Einbeziehung auch der variablen Kostenanteile der Sperrabfallabfuhr in die Ermittlung des Grundgebührensatzes verstößt gegen die vom Senat aufgestellten Grundsätze (vgl. das Senatsurteil vom 27.06.2011 - 9 LB 168/09 - a.a.O.) und hat die Unwirksamkeit des Grundgebührensatzes für die Sackabfuhr zur Folge.

45

3. Der Grundgebührensatz in § 3 Abs. 4 Ziffer 4.1 AGS 2010 verstößt ferner gegen § 12 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 NAbfG, weil der Anteil der Grundgebühr mehr als 50 vom Hundert des gesamten Gebührenaufkommen durch die Sackabfuhr beträgt, ohne dass ein besonders begründeter Ausnahmefall im Sinne der landesgesetzlichen Ermächtigung gegeben ist.

46

Nach § 12 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 NAbfG kann der Anteil der Grundgebühren in begründeten Fällen 50 v. H. des gesamten Gebührenaufkommens übersteigen. Dieser Vorschrift in ihrer am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Fassung und der gleichzeitig in Kraft getretenen Änderung des § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG liegt nach den Gesetzesmaterialien (Niedersächsischer Landtag, Drucks. 14/4007) die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass damit den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern ein hinreichender Spielraum eingeräumt werden soll, um bei Bedarf den Grundgebührenanteil auch über 50 v. H. festsetzen zu können, wenn ihre Fixkosten entsprechend hoch sind. Bei der im Einzelfall vorzunehmenden vergleichenden Betrachtung ist dabei nicht - wie in der Vergangenheit - die konkrete Gebührenbelastung der einzelnen Gebührenpflichtigen in den Blick zu nehmen, sondern - nunmehr - auf das Verhältnis sämtlicher Grundgebühren zum gesamten Gebührenaufkommen des Entsorgungsträgers abzustellen. Der Gesetzgeber ist mit der beschlossenen Gesetzesfassung nicht der ursprünglichen Anregung der SPD-Fraktion gefolgt, in § 12 Abs. 6 Satz 3 NKAG eine Grundgebühr bis zu 75 v. H. zuzulassen. Er hat sich vielmehr der Gegenauffassung angeschlossen, dass diese Obergrenze in ihrer Höhe einerseits nicht nachvollziehbar sei und andererseits bei einer solchen Vorgabe zu befürchten sei, dass sie dann den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern einen Anreiz bieten würde, den Rahmen von 75 v. H. für die Grundgebühr in jedem Fall auszuschöpfen. Mit der beschlossenen Gesetzesfassung verbindet der Gesetzgeber daher die Vorstellung, dass nicht ausgeschlossen werden soll, dass die Grundgebühren 75 v. H. betragen können, wenn dies im Einzelfall erforderlich ist. Es soll aber dem Missverständnis entgegengewirkt werden, ein solch hoher Grundgebührenanteil sei generell zulässig. Dies bedeutet nach der Senatsrechtsprechung, dass der Anteil des Grundgebührenaufkommens im Regelfall nur 50 v. H. betragen soll und nach dem erkennbaren Willen des Landesgesetzgebers lediglich in begründeten Ausnahmefällen einen höheren Anteil ausmachen darf (vgl. hierzu das Senatsurteil vom 07.06.2004 - 9 KN 502/02 - NdsVBl. 2004, 267 = NdsRpfl. 2004, 259 = NordÖR 2004, 310 [OVG Niedersachsen 07.06.2004 - 9 KN 502/02]).

47

Der Antragsgegner hat den Grundgebührensatz in § 3 Abs. 4 Ziffer 4.1 AGS 2010 auf 12,40 EUR monatlich festgelegt, was einem Anteil der Grundgebühr am Gesamtgebührenaufkommen für die Sackabfuhr in Höhe von 80,78 v. H. entspricht. Denn nach der im Normenkontrollverfahren nachgereichten Gebührenkalkulation beträgt das gesamte Gebührenaufkommen für die Sackabfuhr ca. 45,525 Mio EUR, von denen ca. 36,775 Mio EUR über die Grundgebühr abgedeckt werden, mithin ein Anteil von 80,78%. Für die Anwendung des § 12 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 NAbfG ist auch auf diesen Anteil abzustellen und nicht auf den Anteil der Grundgebühr an dem Gesamtgebührenaufkommen für die Rest- und Bioabfallentsorgung insgesamt. Das Gesamtgebührenaufkommen für die Rest- und Bioabfallentsorgung setzt sich nach der Kalkulation des Antragsgegners zusammen aus ca. 78 Mio EUR für die Behälterabfuhr und ca. 45,5 Mio EUR für die Sackabfuhr, insgesamt also 123,5 Mio EUR. Der Anteil der Grundgebühr für die Sackabfuhr am Gesamtgebührenaufkommen beträgt danach nur 29,8%, liegt also unterhalb der im Gesetz genannten Grenze von 50 v. H.. Hierauf kommt es jedoch vorliegend nicht an, weil die von dem Antragsgegner festgelegte Grundgebühr nur für den - zu Unrecht als eigenen Leistungsbereich angesehenen - Bereich der Sackabfuhr erhoben wird. Soll die Grundgebühr auf einen bestimmten Bereich innerhalb der einheitlichen Abfallentsorgungseinrichtung beschränkt werden, ist im Sinne von § 12 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 NAbfG maßgeblich, wie hoch der Anteil der Grundgebühr an dem gesamten Gebührenaufkommen für den betreffenden Bereich ist, hier also für die Sackabfuhr.

48

Es kann dahinstehen, ob ein Anteil der Grundgebühr von 80,78 v. H. am Gesamtgebührenaufkommen für die Sackabfuhr schon deshalb nicht mehr von § 12 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 NAbfG gedeckt ist, weil nach der Intention des Landesgesetzgebers davon auszugehen ist, dass die begründeten Ausnahmefälle auf einen Anteil der Grundgebühren von maximal 75 v. H. am gesamten Gebührenaufkommen beschränkt werden sollten (in diesem Sinne die Senatsurteile vom 27.06.2011 - 9 LB 168/09 - a.a.O. und vom 07.06.2004 - 9 KN 502/02 - a.a.O.). Allerdings hat sich der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung bewusst gegen die Festlegung einer Obergrenze für den Anteil, den die Grundgebühr am Gesamtgebührenaufkommen höchstens haben darf, entschieden (zur Intention des Landesgesetzgebers LT-Drucks. 14/4007, S. 4 und das Senatsurteil vom 07.06.2004 - 9 KN 502/02 - a.a.O.), sodass danach selbst eine hohe anteilige Grundgebühr von 80,78 v.H. am Gesamtgebührenaufkommen nicht grundsätzlich ausgeschlossen wäre. Hierauf kommt es für die Entscheidung des Senats jedoch nicht an. Denn die Erhebung einer Grundgebühr, mit der mehr als 50 v. H. des gesamten Gebührenaufkommens abgedeckt werden soll, ist gemäß § 12 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 NAbfG begründeten Ausnahmefällen vorbehalten (siehe den Wortlaut: "in begründeten Fällen"). Die besonderen Gründe, die die Annahme eines solchen Ausnahmefalls rechtfertigen, müssen im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Grundgebührensatz vorgelegen haben und für den Satzungsgeber maßgeblich gewesen sein. Sie müssen zwar nicht ausdrücklich aus der Beschlussfassung selbst hervorgehen, sondern können auch aus der Grundgebührenkalkulation, der Beschlussvorlage oder aus sonstigen Unterlagen ersichtlich sein, die dem Satzungsgeber im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über den Grundgebührensatz vorlagen. Es muss allerdings im Sinne der gesetzlichen Ermächtigung erkennbar sein, dass dem Satzungsgeber der Ausnahmecharakter eines Grundgebührenanteils von mehr als 50 v. H. bewusst ist und welche besonderen Gründe für die in sein pflichtgemäßes Ermessen gestellte Entscheidung über einen hohen Anteil der Grundgebühr am Gesamtgebührenaufkommen entscheidend sein sollen. Denn Voraussetzung für eine ermessensfehlerfreie Festlegung des (Grund-)Gebührensatzes durch Satzung ist, dass die Kalkulation, die sich der Rat zu Eigen macht, die kalkulatorischen Leitentscheidungen widerspiegelt (vgl. Urteil des Senats vom 22.6.2009 - 9 LC 409/06 - NdsVBl 2009, 310 = NVwZ-RR 2009, 898) und sich dabei an den gesetzlichen und satzungsrechtlichen Vorgaben ausrichtet.

49

Weder der Beschlussfassung der Verbandsversammlung des Antragsgegners über den angegriffenen Grundgebührensatz für die Sackabfuhr noch der beigefügten Gebührenkalkulation selbst oder anderen im Zusammenhang mit der Festlegung des Grundgebührensatzes stehenden Unterlagen ist jedoch etwas über die Gründe dafür zu entnehmen, warum die gesamten Fixkosten für die Sackabfuhr von fast 81% ausschließlich über die Grundgebühr finanziert und nicht auch anteilig in die Ermittlung der Leistungsgebühr einbezogen werden sollten. Der vom Antragsgegner im Normenkontrollverfahren angeführte Umstand, dass für die Sackabfuhr eine hohe Grundgebühr systembedingt erforderlich sei, ist im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über den Grundgebührensatz nicht als Grund für den hohen Grundgebührenanteil erkennbar. Der vom Antragsgegner ferner geltend gemachte Aspekt, dass die Fixkosten für die Sackabfuhr einen Anteil von 80,78% der Gesamtkosten ausmachen, begründet allein noch keinen besonderen Ausnahmefall. Denn ein hoher, die Hälfte der Gesamtkosten der Abfallentsorgung übersteigender Anteil der Fixkosten ist erfahrungsgemäß eher die Regel als die Ausnahme und entbindet den Satzungsgeber nicht davon, sein Ermessen dahingehend auszuüben, in welchem Umfang die ermittelten Fixkosten anteilig auf die Grundgebühr und die Leistungsgebühr verteilt werden sollen. Wie der Gesetzesbegründung zu § 12 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 NAbfG deutlich zu entnehmen ist, sollte mit der Änderung dieser Vorschriften zwar ausreichend Spielraum belassen werden, um bei Bedarf den Grundgebührenanteil auch über 50 v. H. festzusetzen, wenn die Fixkosten entsprechend hoch sind. Zugleich sollte aber dem Missverständnis entgegengewirkt werden, dass ein solch hoher Grundgebührenanteil generell zulässig sei (Niedersächsischer Landtag, Drucks. 14/4007, S. 2 und 4). Das gesetzliche Erfordernis eines Ausnahmefalls schließt es aus, dass ein Einrichtungsträger - wie hier der Antragsgegner - gewissermaßen automatisch und ohne besondere, vom Regelfall abweichende Umstände dem ermittelten hohen Fixkostenanteil auch dessen vollständige Deckung allein durch die Grundgebühr folgen lässt.

50

4. Ein zur Unwirksamkeit der Grundgebühr für die Sackabfuhr in § 3 Abs. 4 Ziffer 4.1 AGS 2010 führender Mangel liegt schließlich zudem darin, dass die Erhebung einer im Wesentlichen gleich hohen Grundgebühr für die in § 3 Abs. 1 - 3 AGS 2010 aufgeführten Benutzergruppen gegen § 12 Abs. 6 Satz 1 NAbfG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 NKAG und gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil bei der Grundgebührenbemessung nicht hinreichend nach Art und Umfang der Inanspruchnahme differenziert wird.

51

Nach § 12 Abs. 6 Satz 1 bis 3 NAbfG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 4 NKAG erfolgt die Bemessung der Abfallgebühren nach Art und Umfang der Inanspruchnahme der Einrichtung (Wirklichkeitsmaßstab) bzw. nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Inanspruchnahme stehen darf. Dieses landesgesetzliche Äquivalenzprinzip gilt nicht nur für die Bemessung der abfallmengenabhängigen Leistungsgebühren, sondern auch für die nach § 12 Abs. 6 Satz 3 NAbfG zulässige Erhebung abfallmengenunabhängiger Grundgebühren. Danach ist die Grundgebühr nach einem Maßstab zu bemessen, der im Wesentlichen an der Vorhalteleistung und an Art und Umfang der aus der Lieferbereitschaft folgenden abrufbaren Arbeitsleistung ausgerichtet sein muss (vgl. Senatsurteil vom 27.06.2011 a.a.O. mit Verweis auf den Beschluss des Senats vom 24.06.1998 - 9 L 2722/96 - KStZ 1999, 172 und Urteil vom 20.01.2000 - 9 L 2396/99 -, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.02.2011 - 2 S 550/09 -, [...]; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.05.1997 - 2 L 196/95 - NordÖR 1998, 43): Hierzu darf die Grundgebühr - bei Beachtung der Verwaltungspraktikabilität und der besonderen örtlichen Verhältnisse - nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis stehen. Bei einem Abfallbeseitigungssystem bildet die Grundgebühr nicht die von der Abfallmenge abhängigen Leistungen, sondern den Vorteil ab, der daraus resultiert, dass die Nutzer angesichts des Vorhaltens sowie Bereitstellens des betriebsfertigen Abfallbeseitigungssystems durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger jederzeit die Möglichkeit haben, sich des anfallenden Abfalls in unschädlicher Weise zu entledigen. Dabei dient die Grundgebühr vor allem dazu, die Erzeuger und Besitzer (verhältnismäßig) geringer Abfallmengen an den unabhängig vom Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme einer Abfallentsorgungseinrichtung entstehenden invariablen Kosten (Fixkosten) angemessen zu beteiligen. Neben dem Prinzip der Leistungsproportionalität sind aber auch die Vorgaben des § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG zu beachten. Danach sollen die Abfallgebühren so gestaltet werden, dass die Vermeidung und Verwertung von Abfällen gefördert werden.

52

Neben diesen landesgesetzlichen Vorgaben kann der Satzungsgeber aufgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet sein, bei der Bemessung der Gebühren nach den unterschiedlichen Benutzergruppen zu differenzieren, wenn diese in deutlich unterschiedlichem Maße von dem Vorhalten sowie Bereitstellen des betriebsfertigen Abfallbeseitigungssystems profitieren. Maßgeblich für die Frage, ob Differenzierungen bei der Bemessung der Grundgebühren für unterschiedliche Benutzergruppen erforderlich sind, ist nach der Senatsrechtsprechung, ob dafür sachliche, am Wert der Vorhalteleistung und Betriebsbereitschaft orientierte Gesichtspunkte gegeben sind. Abzustellen ist insoweit darauf, dass die Höhe der Grundgebühr - verbrauchsunabhängig - an Art und Umfang der aus der Lieferbereitschaft folgenden abrufbaren Arbeitsleistung ausgerichtet sein muss. Sind die für bestimmte Benutzergruppen zu erbringenden Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen im Wesentlichen gleich hoch, kann eine einheitliche Grundgebühr erhoben werden. Profitieren hingegen bestimmte Gruppen von Gebührenpflichtigen auf Grund verstärkten Aufkommens von Abfall deutlich stärker von Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen, ist mit anderen Worten ein wesentlicher Unterschied in der Inanspruchnahme der Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen gegeben, und können die dadurch - etwa durch den Einsatz weiterer Fahrzeuge oder die Einstellung von weiterem Personal - entstehenden Mehrkosten letztlich bestimmten Benutzergruppen zugerechnet werden, ist die Erhebung einer unterschiedlich hohen Grundgebühr rechtlich geboten. In einem solchen Fall widerspricht es den Vorgaben der §§ 12 Abs. 6 Satz 1 NAbfG, 5 Abs. 3 Satz 1 NKAG, wenn die Erzeuger von wenig Abfall gleichermaßen über die Grundgebühr zu den Vorhaltekosten herangezogen werden. Nach der zum Abfallgebührenrecht ergangenen Rechtsprechung des erkennenden Senats, an der dieser unverändert festgehalten hat, ist der vorgehend aufgezeigte Grenzbereich regelmäßig nicht überschritten, wenn über die Grundgebühr nicht mehr als 30% der Gesamtkosten der Abfallbeseitigung abgedeckt werden (vgl. das Senatsurteil vom 27.06.2011 - 9 LB 168/09 - a.a.O. unter Bezugnahme auf die Urteile des Senats vom 20.01.2000 - 9 L 2396/99 - a.a.O., vom 24.06.1998 - 9 L 2722/96 - a.a.O., vom 26.03.2003 - 9 KN 439/02 - a.a.O. vom 07.06.2004 - 9 KN 502/02 - NordÖR 2004, 310 = NdsVBl 2004, 267 zur Rechtmäßigkeit unterschiedlich hoher Grundgebühren bei Anknüpfung an eine der Realität entsprechende unterschiedlich große Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Abfallentsorgung bei unterschiedlich großen Restabfallbehältern). Denn in diesem Fall werden Pauschalierungen, die mit dem undifferenzierten Abstellen auf Wohnungen und Gewerbebetriebe verbunden sind, deshalb hinnehmbar, weil über die Grundgebühr lediglich 30% der Gesamtkosten abgedeckt werden und sich die Pauschalierung daher nur in diesem untergeordneten Teilbereich auswirkt, während im Übrigen eine mengenabhängige Gebührenerhebung stattfindet (vgl. das Senatsurteil vom 24.06.1998 - 9 L 2722/96 - a.a.O.). Dies gilt auch dann, wenn über die Grundgebühr auch Kosten für quersubventionierte Leistungsbereiche abgegolten werden (hierzu das Senatsurteil vom 20.01.2000 - 9 L 2396/99 - a.a.O.).

53

Dem wird es nicht gerecht, wenn der Antragsgegner einerseits über die Grundgebühr einen sehr hohen Anteil (hier fast 81%) der Gesamtkosten über die Sackabfuhr finanziert und andererseits im Wesentlichen für alle Privathaushalte unabhängig von ihrer Größe den gleichen Grundgebührensatz festlegt und dieser Grundgebührensatz auch für Gewerbebetriebe und andere Nutzungseinheiten gilt, die auf Grund ihres verstärkten Aufkommens von Abfall deutlich stärker von den Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen profitieren:

54

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1.1 AGS 2010 wird die Grundgebühr für die Sackabfuhr nach Wohnungsgleichwerten bemessen, wobei jeweils eine Wohnung im Sinne von Satz 2 unabhängig von ihrer Größe oder der Anzahl ihrer Bewohner einem Wohnungsgleichwert entspricht. Ermäßigungen der Grundgebühr sind in § 3 Abs. 2 AGS 2010 für Wohnraum in Wohnheimen o.ä., Campingstellplätze, Kleingartenparzellen und Bootsliegeplätze etc. vorgesehen. Als Abfallvolumen legt der Antragsgegner einen Mindestsatz für Restabfälle aus privaten Haushalten von 10 l Abfallvolumen pro Person und Woche (vgl. § 10 Abs. 4 Satz 3 AS) zugrunde. Diese Mindestabfallmenge ist bereits sehr hoch bemessen und entspricht eher der durchschnittlichen Abfallmenge, die vom Senat und von anderen Einrichtungsträgern als angemessen zugrunde gelegt wird (vgl. hierzu die Senatsurteile vom 02.11.2000 - 9 K 2785/98 - und vom 24.06.1998 - 9 L 2722/96 - OVGE MüLü 47, 471). Ausgehend von dieser durchschnittlichen Abfallmenge zahlt ein an die Sackabfuhr des Antragsgegners angeschlossener Ein-Personen-Haushalt monatlich dieselbe Grundgebühr wie z.B. ein 4-Personen-Haushalt mit - gemäß dem Satzungsrecht des Antragsgegners - vierfacher Abfallmindestmenge. Aufgrund des hohen Anteils der Grundgebühr an der monatlichen Abfallgebühr insgesamt bedeutet dies für den Ein-Personen-Haushalt eine monatliche Gebührenbelastung von 13,40 EUR (Grundgebühr von 12,40 EUR zzgl. Gebühr für 2 Abfallsäcke von je 20 Litern für je 0,50 EUR), von der die mengenunabhängige Grundgebühr einen Anteil von 92,5% ausmacht. Demgegenüber beträgt der Anteil der Grundgebühr an der monatlichen Gebührenbelastung durch die Sackabfuhr bei einem 4-Personen-Haushalt nur 75,6% (monatlich 16,40 EUR bestehend aus 12,40 EUR Grundgebühr zzgl. Restabfallsäcke für ein monatliches Abfallvolumen von 4 x 40 Litern, aufgeteilt in 2 x 50 l- und 3 x 20 l-Restabfallsäcke = 4,-- EUR), ohne dass diese im Verhältnis zur tatsächlichen Inanspruchnahme prozentual deutlich unterschiedliche Beteiligung an den Vorhaltekosten durch erkennbare Unterschiede bei der Inanspruchnahme der Vorhalteleistungen sachlich gerechtfertigt wäre. Vielmehr werden durch die einheitlich hohe Grundgebühr die Erzeuger von wenig Abfall prozentual deutlich höher an den mengenunabhängigen Vorhaltekosten beteiligt.

55

Ein Missverhältnis zwischen der Grundgebührenhöhe und der Inanspruchnahme der Vorhalteleistung besteht aber besonders im Vergleich der Wohnungsgleichwerte für private Haushalte mit den Nutzungseinheiten für Gewerbebetriebe, für die der gleiche monatliche Grundgebührensatz festgelegt ist. Gemäß § 3 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AGS 2010 zahlen die an die Sackabfuhr angeschlossenen Gewerbebetriebe, freiberuflichen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen, die unterhalb eines Abfallmindestvolumens von 150 l je Woche liegen, nur eine Grundgebühr - mithin die gleiche Grundgebühr wie ein Ein-Personen-Haushalt mit 10 l wöchentlichen Abfallvolumen oder ein Vier-Personen-Haushalt mit einem Abfallvolumens von 40 l je Woche. Nur Gewerbebetriebe, die über der Grenze von 150 l je Woche liegen, zahlen das Zweifache der Grundgebühr nach Satz 1. Zu den Gewerbebetrieben, die nur für eine Nutzungseinheit eine monatliche Grundgebühr zu entrichten haben und damit die gleiche Grundgebühr wie ein Ein- oder Vier-Personen-Haushalt, gehören nach § 10 Abs. 5 AS Verwaltungen, Banken oder Versicherungen mit weniger als 38 Beschäftigten, Betriebe des Einzel- oder Großhandels (außer Lebensmittelhandel) mit bis zu 21 Beschäftigten, Beherbergungsbetriebe mit bis zu 37 Betten oder Schulen/Kindergärten unter 100 Kindern. Dem Senat ist weder ersichtlich noch wird vom Antragsgegner vorgetragen, dass der gleich hohe Grundgebührensatz für diese unterschiedlichen Benutzergruppen trotz des deutlich unterschiedlichen Abfallaufkommens gerechtfertigt wäre, weil keine wesentlichen Unterschiede in den Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen bestehen würden.