Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.06.2019, Az.: 1 LB 160/17

Amtshaftung; Einfügen; großartiger Einzelhandel; Fortsetzungsfeststellungsinteresse; nähere Umgebung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.06.2019
Aktenzeichen
1 LB 160/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69842
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 24.10.2016 - AZ: 2 A 44/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines beabsichtigten Amtshaftungsprozesses im Rahmen der Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage.

Zu den Anforderungen an das Einfügen eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung eines faktischen Mischgebietes bzw. eines nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilenden Gebietes.

Zu den Anforderungen an die Anlage von 72 Stellplätzen im rückwärtigen Grundstücksbereich.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der jeweils vollstreckbaren Kostenforderung abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich mit der Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Versagung eines Bauvorbescheides für die Errichtung eines großflächigen Einzelhandelsmarktes. Die Beteiligten streiten über das Feststellungsinteresse der Klägerin, die Zumutbarkeit der vorgesehenen Stellplätze für die Nachbarn und die Frage, ob sich ein großflächiger Einzelhandel in die Eigenart der näheren Umgebung eingefügt hätte.

Die als Baugrundstück vorgesehenen Grundstücke (Flurstücke 28/10, 28/16, 28/17, 24/3 (Teilfläche) sowie 28/5 (Teilfläche) der Flur 11, Gemarkung D-Stadt) liegen im Stadtgebiet der beigeladenen Gemeinde an der in Form eines Kreisverkehrs gestalteten Südostecke eines unbeplanten Dreiecks, das von der H. straße im Süden, der I. straße im Nordosten und der J. straße im Nordwesten begrenzt wird. Das rund 7.400 m² große, aus mehreren Flurstücken bestehende Vorhabengrundstück war und ist im Nordosten mit einem Sozialkaufhaus bestanden, dessen Kundenparkplatz an der Südostecke des vorgenannten Straßendreiecks lag. Den überwiegenden, westlichen Teil des Vorhabengrundstücks bildet eine mit Gras und Bäumen bewachsene Freifläche. Die nordwestlich an das Sozialkaufhaus anschließenden Gebäude südwestlich der I. straße sind gewerblich genutzt; unter anderem wird knapp 100 m weiter nördlich eine Kfz-Werkstatt betrieben. Die meisten der Gebäude in diesem Straßenabschnitt weisen Stellplätze im seitlichen/hinteren Grundstücksbereich auf; deren Zahl beläuft sich teils auf ca. 20-30. Auf der gegenüberliegenden Seite der I. straße dominiert ebenfalls die gewerbliche Nutzung, u.a. wird nordöstlich des Sozialkaufhauses ein Getränkemarkt betrieben. Vom Vorhabengrundstück aus gesehen „hinter“ dieser Bebauung liegt an der nordöstlichen Parallelstraße der I. straße, der K. straße, ca. 90 m östlich des Vorhabengrundstücks das Gebäude der Grundschule D-Stadt mit ca. 2.000 m². Ca. 60 m nordwestlich der Einmündung der J. straße mündet die I. straße ihrerseits in die Straße L. / M. allee (B 75), die Haupteinkaufsstraße der Beigeladenen. Hier steht an der Ostseite der I. straße bzw. Südseite der B 75, knapp 300 m Luftlinie vom Vorhabengrundstück entfernt, der EDEKA-Markt „Kaufhaus N.“ mit einer Verkaufsfläche von ca. 2.000 m². Die Stellplatzanlage dieses Betriebes liegt an dessen Nordostseite und grenzt an die nordöstliche Parallelstraße der I. straße, die K. straße. Im Süden ist die Stellplatzanlage über eine geöffnete Durchfahrt mit der rückwärtigen Stellplatzanlage eines der nordöstlich der I. straße gelegenen Geschäftsgebäude verbunden; die Zufahrt von der I. straße zu dieser liegt ca. 175 m nördlich des Sozialkaufhauses. Westlich der Einmündung der I. straße in die B 75 liegt ein Restaurant/Hotel, an das sich weiter in westlicher Richtung ein Drogeriemarkt und in zweiter Reihe ein Aldi-Discountmarkt mit ca. 800 m² Verkaufsfläche anschließen. Der von der J. straße bzw. H. straße aus erschlossene Westen des Dreiecks H. straße/I. straße/J. straße ist von einer Mischung aus Wohngebäuden und Gärten bzw. bewachsenen Freiflächen geprägt. Das Grundstück J. straße 3 weist neben einem mittigen Hauptgebäude zwei gut 60 m in den Blockinnenbereich weisende, einen Innenhof umschließende Seitenflügel auf und wurde bis zu einem unbestimmten Zeitpunkt für einen Weinhandel genutzt. Hinter diesem Innenhof liegt eine weitläufige Gartenfläche. Südlich an diese schließen sich zwei in zweiter Reihe errichtete Wohngebäude (J. straße 5a und 9a) an. Südlich der H. straße findet sich ausschließlich Wohnbebauung. Im südlichen Verlauf der I. straße liegt westlich von dieser ebenfalls zunächst Wohnbebauung; knapp 190 m südlich des o.a. Kreisverkehrs folgt ein Penny-Markt.

Über ein wirksames explizites Einzelhandels- bzw. Zentrenkonzept verfügten die Beigeladene und die Samtgemeinde D-Stadt bis 2016 nicht. Im Jahr 2001 beschloss der Rat der Gemeinde ein allgemeines Entwicklungskonzept. 2011 beschloss er, dieses in Bezug auf die Einzelhandelsentwicklung fortzuschreiben. Unter dem 16.1.2012 erstellte das Ingenieurbüro O. ein Gutachten, das eine Fortschreibung für nicht erforderlich hielt. Auf einer groben Übersichtskarte ist dort das Vorhabengrundstück dem „Ortskern“ zugeschlagen. Für die Samtgemeinde erstellte die P. Handelsberatung im Oktober 2016 ein Einzelhandels- und Zentrenkonzept. Das Vorhabengrundstück ist dort nur mit seinem östlichen, unmittelbar an die I. straße angrenzenden Drittel bis Viertel als Teil des zentralen Versorgungsbereichs der Beigeladenen dargestellt.

Die Klägerin hatte Ende 2012 für die als Baugrundstück vorgesehenen Grundstücke vier Kaufverträge (GA Bl. 288 ff.) mit den jeweiligen Eigentümern abgeschlossen. Diese standen unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Klägerin eine bestandskräftige Baugenehmigung zur Errichtung eines Einzelhandelsprojekts nach § 11 Abs. 3 BauNVO mit einer Verkaufsfläche von 2.300 m² ohne Sortimentsbeschränkung erteilt werde; trete diese Bedingung nicht bis zum 30.6.2015 ein, würden die Verträge endgültig unwirksam. Der Klägerin wurde jeweils die Option eingeräumt, durch Erklärung bis zum 30.6.2015 auf den Eintritt der Bedingung zu verzichten.

Am 20.12.2013 reichte die Klägerin Bauvorlagen für einen Combi-Markt mit Backshop und Blumenladen mit einer Grundfläche von rund 2.600 m² und einer Gesamtverkaufsfläche von rund 1936 m² ein. Das Gebäude sollte an der Südseite des Baugrundstücks entlang der H. straße errichtet werden und von Nordosten zugänglich sein. Im Norden des Baugrundstücks war die Anlage des Großteils von insgesamt 100 Stellplätzen vorgesehen. Ein beigefügtes Schallgutachten enthält die Aussage, dass - sofern nächtlicher Lieferverkehr nicht stattfinde - die Immissionsrichtwerte für Mischgebiete durch das Vorhaben um 6 dB(A) unterschritten würden. Zu den Bauvorlagen stellte die Klägerin folgende Bauvoranfrage:

„Ist die Errichtung des geplanten Einzelhandelsbetriebes (inklusive Backshop und Blumenverkauf) nebst 100 Stellplätzen bauplanungsrechtlich (hilfsweise beschränkt auf die Prüfung der zulässigen Nutzungsart der Einzelhandelsbetriebe) zulässig?“

Die Beigeladene versagte am 2.1.2014 ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben. Der Beklagte lehnte die Bauvoranfrage mit Bescheid vom 5.6.2014 ab; das Vorhaben füge sich als großflächiger Einzelhandelsbetrieb seiner Art, aber auch dem Maß der baulichen Nutzung nach nicht in die Eigenart der als faktisches Mischgebiet einzustufenden näheren Umgebung ein. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 2.2.2015 zurück.

Am 6.3.2015 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht zunächst Verpflichtungsklage auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheides erhoben. Mit Schriftsatz vom 20.1.2016 hat sie erklärt, die von ihr abgeschlossenen Kaufverträge für das
Vorhabengrundstück seien mangels Eintritts der aufschiebenden Bedingung unwirksam geworden. Einer Verlängerung der für deren Eintritt vereinbarten Frist hätten zwei Eigentümer nicht zugestimmt. Da sie mithin endgültig nicht mehr über das Vorhabengrundstück verfüge, fehle dem Verpflichtungsantrag das Sachbescheidungsinteresse. Daher beantrage sie nun die Feststellung, dass der Beklagte bis unmittelbar vor dem 30.6.2015 zur Erteilung des beantragten Bauvorbescheids verpflichtet gewesen sei, da sie einen Amtshaftungsanspruch gegenüber dem Beklagten geltend zu machen gedenke. Ihr entgehe ein Jahresgewinn von geschätzt netto 215.000,- €.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, das Vorhaben sei bereits deshalb bauplanungsrechtlich unzulässig, weil die beabsichtigte Anordnung der Stellplätze das Gebot der Rücksichtnahme verletze. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats seien Stellplätze der Nachbarschaft umso eher unzumutbar, je größer ihre Zahl sei. Sie seien nach Möglichkeit zur Straße hin zu orientieren. Das Maß der der Nachbarschaft abzuverlangenden Rücksichtnahme richte sich dabei sowohl nach planerischen Festsetzungen als auch Vorbelastungen durch bereits angelegte Stellplätze und Garagen. Diesen Grundsätzen sei hier nicht genügt. Zwar seien die rückwärtigen Bereiche der benachbarten Grundstücke nicht völlig frei von Stellplätzen; diese seien jedoch weder nach Quantität noch nach Qualität mit der geplanten Stellplatzanlage vergleichbar; es handele sich um einen oder wenige Stellplätze je Baugrundstück, während die Klägerin 72 der 100 Stellplätze rückwärtig anlegen wolle. Die Stellplatzanlage schließe sich unmittelbar an die rückwärtigen Ruhezonen der Einfamilienhausgrundstücke J. straße 5a und 9a an. Ferner werde im rückwärtigen Bereich des Vorhabengrundstücks nicht nur PKW-, sondern auch Lieferverkehr stattfinden. Ob der Fortsetzungsfeststellungsantrag zulässig sei und sich der eigentliche Einzelhandelsbetrieb nach Art und Maß in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, könne angesichts dessen dahinstehen.

Ihre mit Senatsbeschluss vom 10.10.2017 - 1 LA 188/16 - zugelassene Berufung begründet die Klägerin, teils durch Bezugnahme auf zuvor erfolgten Vortrag, wie folgt: Die Fortführung des Rechtsstreits mit einem Fortsetzungsfeststellungsantrag sei zulässig. Die Ernsthaftigkeit ihrer Absicht, Amtshaftungsansprüche geltend zu machen, zeige sich daran, dass die Fortführung des Rechtsstreits ihr erhebliche Kosten verursachten. Ein Amtshaftungsprozess sei nicht offenkundig aussichtslos. Wäre ihr der beantragte Bauvorbescheid erteilt worden, hätte sie auf den Eintritt der Bedingung einer bestandskräftigen Baugenehmigung verzichtet. In der Sache sei ihr Vorhaben zulässig; die Stellplatzanordnung sei unbedenklich, da das Grundstück in einem auch gewerblich geprägten Bereich mit zahlreichen bereits vorhandenen rückwärtigen Stellplätzen liege. Der Art nach füge sich ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb ein, da sowohl das Kaufhaus N. als auch der Aldi-Markt zur maßstabsbildenden näheren Umgebung zählten; dass diese zur B 75 ausgerichtet seien, ändere daran nichts. Sie lösten erheblichen Zufahrtsverkehr auch auf der I. straße aus, prägten also die angrenzenden Grundstücke mit. Auch ohne diese Betriebe sei die nähere Umgebung kein faktisches Mischgebiet, da der vorhandene Kfz-Betrieb nicht mischgebietsverträglich sei. Selbst wenn ein faktisches Mischgebiet vorliege, füge sich ihr Vorhaben ein. § 11 Abs. 3 BauNVO komme nach Maßgabe eines Urteils des OVG Münster vom 2.12.2013 (- 2 A 1510/12 -, NVwZ-RR 2014, 453) ausnahmsweise nicht zum Tragen, da das Vorhabengrundstück zum zentralen Versorgungsbereich der Beigeladenen gehöre und sie mit einer Auswirkungsanalyse die Unbedenklichkeit des Vorhabens nachgewiesen habe. Dem Maß der baulichen Nutzung nach füge sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da mit der östlich gelegenen Turnhalle der Grundschule D-Stadt ein vergleichbar großes Gebäude vorhanden sei; dieses sei in der Umgebung auch kein Fremdkörper.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Lüneburg festzustellen, dass der Beklagte bis unmittelbar vor dem 30. Juni 2015 verpflichtet war, den beantragten Bauvorbescheid zur Errichtung eines Einzelhandelsbetriebes auf dem Grundstück I. straße 24, D-Stadt zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Fortsetzungsfeststellungsklage für unzulässig. Es sei bereits keine Hauptsacheerledigung eingetreten, da die Klägerin auch als Nichteigentümerin ihre Bauvoranfrage weiterverfolgen dürfe. Der Klägerin fehle das nötige Fortsetzungsfeststellungsinteresse, da Amtshaftungsansprüche offensichtlich ausgeschlossen seien. Das ergebe sich aus § 839 Abs. 3 BGB, da die Klägerin es versäumt habe, die rechtzeitige Erteilung des Bauvorbescheides im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu erzwingen. Im Übrigen hätte die Wirksamkeit der Kaufverträge nicht die Erteilung eines Bauvorbescheides, sondern einer Baugenehmigung erfordert; dass die Klägerin bei Erteilung des Bauvorbescheides auf den Eintritt der Bedingung verzichtet hätte, werde mit Nichtwissen bestritten. Die Kaufverträge seien ohnedies unwirksam gewesen, da die Klägerin nicht dargelegt habe, dass die weitere Bedingung einer Bescheinigung der Bebaubarkeit der Restgrundstücke bis zum 28.2.2013 eingetreten sei. Der Beklagte könne Amtshaftungsansprüchen den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegenhalten, weil die Beigeladene, hätte er ihr die Ersetzung des Einvernehmens angekündigt, eine Veränderungssperre erlassen hätte. Die Klägerin habe ferner eine weitere Bauvoranfrage gestellt, so dass fraglich sei, ob sie das Vorhaben bei Erteilung des Bauvorbescheides überhaupt errichtet hätte. Schließlich fehle das Fortsetzungsfestsetzungsinteresse deshalb, weil das Verfahren zum Erledigungszeitpunkt noch nicht wesentlich gefördert worden sei.

Die Klage sei jedenfalls unbegründet. Eine erhebliche Vorbelastung der rückwärtigen Grundstücksbereiche mit Stellplätzen bestehe nicht. Das Vorhaben füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein; das Kaufhaus N. und der Aldi-Markt gehörten nicht zu dieser. Mit dem vom OVG Münster am 2.12.2013 entschiedenen Fall sei der vorliegende nicht vergleichbar, so dass § 11 Abs. 3 BauNVO hier zur Anwendung komme. Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung füge sich das Vorhaben nicht ein; die Turnhalle gehöre nicht mehr zur maßstabsbildenden Umgebung und sei jedenfalls in dieser ein Fremdkörper.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert. Im gerichtlichen Verfahren hat sie gegenüber dem Beklagten erklärt, sie hätte für den Fall, dass dieser ihr die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens angedroht hätte, eine Veränderungssperre zur Sicherung ihres u.a. für das Vorhabengrundstück in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 39 „J. straße/I. straße“ erlassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind; insbesondere wird hinsichtlich der Einzelheiten der näheren Umgebung, wie sie sich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung darstellte, auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.

Hinsichtlich des ursprünglichen Verpflichtungsantrags ist Erledigung der Hauptsache eingetreten, da die Klägerin keinen Zugriff mehr auf die Baugrundstücke hat. Alle Kaufverträge sind wegen Nichteintritts der aufschiebenden Bedingungen – Rechtskraft einer Baugenehmigung bis zum 30.6.2015 – endgültig erloschen. Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin ein Erwerb der Grundstücke weiterhin möglich wäre, bestehen nicht. Für die Erteilung des Bauvorbescheids fehlt der Klägerin mithin das Sachbescheidungsinteresse.

Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der Beklagte bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses am 30.6.2015 verpflichtet war, ihr den begehrten Bauvorbescheid nach Maßgabe der unbedingt gestellten Frage zu erteilen; dies mit Blick auf ihre erklärte Absicht, gegen den Beklagten Amtshaftungsansprüche geltend zu machen. Die Rechtsprechung erkennt in solchen Fällen ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse an, wenn ein entsprechender Prozess bereits anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten (dazu BVerwG, Urt. v. 9.10.1959 - 5 C 165.57 u.a. -, BVerwGE 9, 196 = juris Rn. 19; Beschl. v. 3.3.2005 - 2 B 109.04 -, juris Rn. 7) und nicht offensichtlich aussichtslos ist. Dass die Klägerin die alsbaldige Erhebung einer Amtshaftungsklage nach einem Obsiegen im vorliegenden Prozess tatsächlich beabsichtigt, ist mit Blick auf den von ihr hierfür getriebenen Aufwand plausibel. Offensichtlich aussichtslos ist eine solche Klage ebenfalls nicht. Bei der Prüfung dieser Voraussetzung geht es nicht darum, dass die Erfolgsaussichten des Haftungsprozesses schlechthin geprüft werden und somit der von den Zivilgerichten zu führende Prozess auch in den von der Feststellung der Rechtswidrigkeit unabhängigen Teilen gleichsam vorweggenommen würde. Vielmehr müssen an das Vorliegen der Offensichtlichkeit strenge Anforderungen gestellt werden. Die Prüfung eines berechtigten Interesses gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO verlangt auch keine Schlüssigkeitsprüfung des beabsichtigten zivilrechtlichen Anspruchs im Hinblick auf alle anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale. Von offensichtlicher Aussichtslosigkeit kann nur gesprochen werden, wenn ohne eine ins einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadens- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann (BVerwG, Urt. v. 28.8.1987 - 4 C 31.86 -, NJW 1988, 826 = BRS 53 Nr. 110 = juris Rn. 14 mwN).

Das ist hier nicht der Fall. Zwar bestehen gewisse Bedenken hinsichtlich der Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden bzw. dem erforderlichen Schutzzweckzusammenhang, da letztlich nicht die Versagung des Bauvorbescheids selbst, sondern die Reaktion der Klägerin auf diese das Scheitern der Kaufverträge bewirkt hat. Im Sinne der Klägerin ließe sich immerhin wie folgt argumentieren: Die Klägerin hatte mit der zeitlich begrenzten Vertragsbereitschaft der Verkäufer eine wirtschaftliche Chance, die zu nutzen allerdings nur bei Bestehen eines gewissen Maßes an Planungssicherheit sinnvoll war. Das Bauvoranfrageverfahren dient gerade dazu, Bauherren sachlich begrenzte Planungssicherheit in angemessener Zeit (zur Amtspflicht, zügig und richtig zu entscheiden BGH, Urt. v. 23.9.1993 - III ZR 54/92 -, NVwZ 1994, 405 = BRS 68 Nr. 84 = juris Rn. 11) zu verschaffen. Dann könnte sein Zweck auch sein, den Antragstellern gerade die Wahrnehmung derartiger Chancen zu ermöglichen. Zweifelhaft ist zwar, ob das Interesse, bei einem Kaufangebot „rechtzeitig zugreifen“ zu können, noch den vom BGH (Urt. v. 25.10.2007 - III ZR 62/07 -, juris Rn. 10; v. 10.3.1994 - III ZR 9/93 -, BGHZ 125, 258 = juris Rn. 29) geforderten „inneren sachlichen Bezug zu den Amtspflichten der Bauaufsichtsbehörde“ aufweist. Auch ist es nicht vollständig nachvollziehbar, dass die Klägerin einerseits offenkundig so überzeugt von der Bebaubarkeit der Grundstücke war, dass sie ihr Anliegen durch mehrere Instanzen verfolgte, andererseits aber (trotz möglicher Gewinne i.H.v. angeblich ca. 215.000,- €/a netto bei einem Gesamtkaufpreis von 160.000 + 319.000 + 581.560 +29.000 = ca. 1 Mio. €) nicht bereit gewesen sein will, das Risiko einzugehen, die Grundstücke bei Scheitern ihrer Pläne ggf. weiterveräußern zu müssen. Schlechthin ausgeschlossen ist es indes nicht, dass sich ein Zivilgericht über diese Zweifel hinwegsetzen könnte.

Eine offenkundige Aussichtslosigkeit eines Amtshaftungsprozesses der Klägerin ergibt sich auch nicht aus dem vom Beklagten erstinstanzlich bemühten Gedanken des rechtmäßigen Alternativverhaltens mit Blick auf die von der Beigeladenen mit Schreiben vom 14.7.2016 abgegebene Erklärung, sie hätte, hätte ihr der Beklagte die Ersetzung des verweigerten Einvernehmens angedroht, „wohl“ eine Veränderungssperre zur Sicherung der am 13.3.2015 (erneut) bekannt gemachten, 1987 beschlossenen Aufstellung eines Bebauungsplans Nr. 39 „J. straße/I. straße“ für u.a. das Vorhabengrundstück erlassen. Ob dem so ist, ist im Amtshaftungsprozess zu klären (BVerwG, Beschl. v. 2.10.1998 - 4 B 72.98 -, NVwZ 1999, 523 = juris Rn. 8).

Eine Möglichkeit der Klägerin zur Abwendung des Schadens durch Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz dürfte nicht bestanden haben. Das Ziel, bis zum 30.6.2015 Planungssicherheit zu erhalten, konnte sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO nicht erreichen. Unabhängig davon, ob man überhaupt die Verpflichtung zur vorläufigen Erteilung eines Bauvorbescheides im Wege der einstweiligen Anordnung für zulässig hält – die Berufung des Beklagten auf eine insoweit in der Literatur vertretene Mindermeinung zur Begründung der Behauptung, ein Erfolg im Amtshaftungsprozess sei offenkundig ausgeschlossen, ist freilich schon gewagt –, wäre der Klägerin mit einer solchen vorläufigen, im Hauptsacheverfahren revidierbaren Regelung gerade nicht gedient. Eine Verpflichtungsklage hat sie erhoben. Entgegen der Auffassung des Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren (GA Bl. 76) war ihr nicht abzuverlangen, bereits nach Eingang des Anhörungsschreibens vom 17.2.2014 eine Untätigkeitsklage zu erheben. Sie durfte von dem ihr eingeräumten Recht Gebrauch machen, zu versuchen, die Beklagte auch im Verwaltungsverfahren argumentativ von der von ihr als richtig erachteten Rechtsauffassung zu überzeugen.

Ein Amtshaftungsprozess wäre nicht deshalb offenkundig aussichtslos, weil die dreijährige Verjährungsfrist für Amtshaftungsansprüche (§§ 195, 199 BGB) hier bereits abgelaufen wäre. Denn der BGH geht davon aus, dass die Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage gegen den Verwaltungsakt, dessen Rechtswidrigkeit den Amtshaftungsanspruch begründen soll, die Verjährung unterbricht (Urt. v. 11.7.1985 - III ZR 62/84 -, BGHZ 95, 238).

Dass das Verfahren beim Eintritt des erledigenden Ereignisses am 30.6.2015 noch nicht wesentlich gefördert war, steht dem Feststellungsinteresse nicht entgegen (BVerwG, Urt. v. 27.3.1998 - 4 C 14.96 -, BVerwGE 106, 295 = juris Rn. 17).

Unzulässig ist die Klage jedoch, soweit sich der Fortsetzungsfeststellungsantrag auch auf die Rechtswidrigkeit der Versagung des hilfsweise begehrten, auf die Nutzungsart der Einzelhandelsbetriebe beschränkten Bauvorbescheides bezieht. Denn der Vertreter der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, diese hätte nur bei Erteilung des hauptsächlich begehrten umfassenden Bauvorbescheides auf den Eintritt der Bedingung verzichtet; die Erteilung des beschränkten Bauvorbescheides hätte den Schadenseintritt mithin nicht verhindert, ihre Versagung kann daher – wenn die Versagung des umfassenden Bauvorbescheides rechtmäßig war – keine Amtshaftungsansprüche auslösen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Die Ablehnung der Bauvoranfrage war rechtmäßig. Das Vorhaben fügt sich weder nach der Art noch dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Ob es sich nach der zu überbauenden Grundstücksfläche einfügt, ob die Erschließung gesichert ist und ob von ihm schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sind (§ 34 Abs. 3 BauGB), kann angesichts dessen dahinstehen.

1.

Als großflächiger Einzelhandelsbetrieb fügt sich das Vorhaben der Art der baulichen Nutzung nach nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein.

a)

Der Senat kann dahinstehen lassen, wie weit der Kreis der für die Art der baulichen Nutzung hier maßstabbildenden näheren Umgebung im Einzelnen zu ziehen ist; das Kaufhaus N., der Aldi-Markt südlich der B 75 und der Penny-Markt im südlichen Verlauf der I. straße gehören jedenfalls nicht dazu.

Die für die Art der baulichen Nutzung maßstabbildende nähere Umgebung reicht so weit, wie sich die Ausführung des Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG, Beschl. v. 20.8.1998 - 4 B 79.98 -, BauR 1999, 32 = juris Rn. 7; Urt. v. 26.5.1978 - IV C 9.77 -, BVerwGE 55, 369 = juris Rn. 33). Auswirkungen in diesem Sinne sind indes nicht sämtliche Fernwirkungen eines Vorhabens; diese können mitunter weit in den Außenbereich oder sogar in Nachbargemeinden ausstrahlen. Maßgeblich können vielmehr nur solche Auswirkungen sein, die die Verkehrsauffassung der unmittelbaren Nähe eines bestimmten Vorhabens zuschreibt. Die Tatsache, dass die das Kaufhaus N. aufsuchenden Kunden Mehrverkehr auf der I. straße auslösen, macht diese etwa nicht in ganzer Länge zu seiner näheren Umgebung; Gleiches gilt für das Vorhaben. Erst recht hat außer Betracht zu bleiben, wo das Vorhaben oder die anderen in Rede stehenden Einzelhandelsbetriebe zu Kaufkraftabflüssen führen.

Gemessen hieran vermag der Senat die Überzeugung einer wechselseitigen Prägung zwischen dem Kaufhaus N. und dem Vorhaben nach dem in der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck nicht zu gewinnen. Gegen eine solche spricht weniger eine trennende Wirkung der nördlich des Kreisverkehrs beidseits relativ homogen von einer Mischung aus Wohnen und – überwiegend – Gewerbe in Form von Einzelhandel und Dienstleistungen gesäumten I. straße. Entscheidend ist vielmehr der Umstand, dass beide Standorte mit knapp 300 m erheblich voneinander entfernt liegen, in Zusammenschau mit dem Umstand, dass das Kaufhaus N. erkennbar nicht auf die I. straße, sondern auf die B 75 ausgerichtet ist. Zwar weist es der I. straße einige Schaufenster zu; die hiervon ausgehende Prägung der I. straßenbebauung reicht jedoch nicht bis zum Vorhabengrundstück nach Süden. Einen Eingang zur I. straße weist das Gebäude nicht auf. Zwar öffnet sich einer der beiden Eingänge an der B 75 nach Westen; von der I. straße ist dieser jedoch so weit entfernt, dass er erkennbar auf Passanten der B 75 ausgerichtet ist. Auch die Stellplatzanlage ist zur B 75, wenn nicht gar zur K. straße ausgerichtet. Die einzige Zufahrt von der I. straße verläuft über den Kundenparkplatz eines anderen Geschäftsgebäudes und ist nicht als Zufahrt zum Kaufhaus N. ausgeschildert. Eine derart „diskrete“ Zufahrtsmöglichkeit vermag keine prägende Wirkung des Kaufhauses für die gesamte I. straße bis zum Vorhabengrundstück zu entfalten. Erst recht besteht keine wechselseitige Prägung zwischen dem Aldi-Markt im westlichen Verlauf der B 75 und dem Vorhaben.

Auch der Penny-Markt an der Westseite der I. straße südlich des Kreisverkehrs weist keine Wechselbeziehung zum Vorhaben auf, die es rechtfertigen könnte, beide noch derselben näheren Umgebung zuzurechnen. Dabei ist neben der bloßen Entfernung zwischen beiden von knapp 190 m zu berücksichtigen, dass zwischen ihnen an der Westseite der I. straße ein weitläufiges Gebiet mit ausschließlich Wohnbebauung liegt; dieses entfaltet zwischen beiden Standorten eine trennende Wirkung, die auch nicht durch die andersartige – teils gewerbliche – Nutzung an der Ostseite der I. straße in diesem Abschnitt aufgehoben wird.

b)

Prägt mithin kein anderer großflächiger Einzelhandelsbetrieb die Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabens, so kann dahinstehen, ob diese sich als nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO zu beurteilendes faktisches Mischgebiet oder – wenn der vorhandene Kfz-Reparaturbetrieb als nicht mehr mischgebietstypisch und auch nicht als Fremdkörper anzusehen wäre – als diffuse Gemengelage von Wohnen und Gewerbe, für deren Bewertung § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblich wäre, darstellt.

Im ersteren Fall wäre das Vorhaben nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO unzulässig, da es ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb ist, der sich nach Art, Lage und Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung sowie auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken kann. Ausreichend ist mithin die bloße Möglichkeit nicht nur unwesentlicher Auswirkungen. Diese wird zudem nach § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO bei Vorhaben über 1.200 m² Geschossfläche widerleglich vermutet. Je mehr diese Grenze überschritten wird, desto größeres Gewicht hat die Vermutungsregelung (BVerwG, Urt. v. 24.11.2005 - 4 C 10.04 -, juris Rn. 26). Das Vorhaben soll mehr als das Doppelte der genannten Geschossfläche aufweisen. Die Argumentation der Klägerin, die Vermutungsregelung sei in Anlehnung an die Erwägungen des OVG Münster in seinem Beschluss vom 2.12.2013 (- 2 A 1510/12 -, NVwZ-RR 2014, 453 = juris Rn. 55 ff.) gleichwohl widerlegt, da das Vorhaben im zentralen Versorgungsbereich der Beigeladenen errichtet werden solle und nach der von ihr vorgelegten Marktanalyse keine schädlichen Auswirkungen auf andere zentrale Versorgungsbereiche habe, überzeugt nicht. Dass das Vorhaben zur Gänze im zentralen Versorgungsbereich der Beigeladenen läge, ist nicht offenkundig. Die - zudem nicht förmlich vom Rat beschlossene - Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts der Samtgemeinde D-Stadt von 2012 (BA 001 Bl. 13) umreißt das wohl als zentralen Versorgungsbereich gesehene Ortszentrum auf S. 6 nicht grundstücksscharf. Das im Internet abrufbare Einzelhandelskonzept der Samtgemeinde D-Stadt vom Oktober 2016 weist auf S. 51, Abb. 18 nur den zur
I. straße orientierten Teil des Vorhabengrundstücks als Teil des zentralen Versorgungsbereichs aus. Selbst wenn angenommen würde, dass das Vorhaben den zentralen Versorgungsbereich „Ortszentrum“ der Beigeladenen nicht schwächen würde, wäre indes noch zu berücksichtigen, dass das Vorhaben auch nach der von der Klägerin eingereichten Marktanalyse zu Umsatzrückgängen von 13-14% am Standort Zinnhütte am Südende der I. straße führte; in der Einzelhandelskonzeptsfortschreibung 2012 wird dieser auf S. 20, 22 ebenfalls als zentraler Versorgungsbereich bewertet. Selbst in der Innenstadt des Mittelzentrums Q. soll es noch zu Umsatzrückgängen von 5-6% kommen. Nach Tabelle 3 der Marktanalyse sollen fast 40% der Umsätze außerhalb des D-Stadt Siedlungsbereichs erwirtschaftet werden, was auch die für großflächigen Einzelhandel typischen Verkehrsströme (zu deren Relevanz § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO) zur Folge hätte. Unabhängig davon, ob sich diese – noch – ohne bauliche Änderungen an bestehenden Verkehrsanlagen bewältigen ließen, wären damit mehr als unerhebliche Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung oder Ordnung jedenfalls möglich. Hinzu kommt, dass der Vorhabenstandort bislang zu großen Teilen unversiegelt und begrünt ist, was auch die in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO als Indiz für Auswirkungen iSd Satzes 1 genannten Auswirkungen auf den Naturhaushalt möglich macht.

Nichts anderes ergäbe sich, wenn man das Gebiet mit Blick auf den Störgrad des nördlich des Vorhabens vorhandenen Kfz-Betriebs nicht mehr als faktisches Mischgebiet, sondern als diffuses, nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilendes Gebiet einstufte. Auch in einem solchen sind nicht schlechthin alle Nutzungen zulässig. Großflächige Einzelhandelsbetriebe sind dies nur, wenn sie im Gebiet entweder bereits vorhanden sind, oder aus anderen Gründen keine städtebaulichen Spannungen auslösen können (BVerwG, Urt. v. 22.5.1987 - 4 C 6.85, 7.85 -, BRS 47 Nr. 67 = BauR 1987, 431 = juris Rn. 11 ff.). Für eine solche Ausnahme ist hier, namentlich mit Blick auf den ungeachtet der Frage seiner Zumutbarkeit erheblichen vorhabenbedingten Stellplatzverkehr und die weiteren vorstehend erörterten Gesichtspunkte nichts ersichtlich.

c)

Offenlassen kann der Senat, inwieweit gewerbliche Nutzungen überhaupt auf dem gesamten Vorhabengrundstück zulässig sind bzw. im Erledigungszeitpunkt zulässig waren. Auch insoweit bestehen indes erhebliche Zweifel. Jenseits einer Bautiefe von ca. 60 m von der I. straße aus gesehen waren im Süden des Dreiecks J. straße-H. straße-I. straße bei der Ortsbesichtigung praktisch keine Auswirkungen einer gewerblichen Nutzung mehr erkennbar. Es ist daher durchaus vorstellbar, dass das Vorhabengrundstück nur mit seiner östlichen Hälfte einem faktischen Mischgebiet bzw. diffusen Gebiet mit gewerblicher Mitprägung, mit seiner westlichen Hälfte indes einem faktischen reinen oder allgemeinen Wohngebiet angehört.

2.

Das Vorhaben, das Gegenstand der Bauvoranfrage ist, fügt sich jedoch auch deshalb seiner Art nach nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, weil es nach Zahl und Anordnung der Stellplätze das Gebot der Rücksichtnahme verletzt; ist diese nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. der BauNVO zu bewerten, ergibt sich dies aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, ist es nach § 34 Abs. 1 BauGB zu bewerten, unmittelbar aus dem Erfordernis des „Einfügens“. In jedem Fall genügt ein Vorhaben nur dann dem Gebot der Rücksichtnahme, wenn Stellplätze so angeordnet werden, dass bestehende rückwärtige Ruhezonen nach Möglichkeit als solche erhalten bleiben. Die insoweit maßgeblichen Grundsätze der Senatsrechtsprechung haben das Verwaltungsgericht auf S. 5 f. des angegriffenen Urteils und der Senat auf S. 4 f. des Zulassungsbeschlusses zusammengefasst; darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 130b Satz 2 VwGO Bezug genommen.

Gemessen an diesen Grundsätzen sind Zahl und Lage der für das Vorhaben vorgesehenen Stellplätze der Nachbarschaft, insbesondere den Eigentümern der Wohnhäuser J. straße 5a und 9a, unzumutbar. Nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck sind die Gartenbereiche dieser Grundstücke tatsächlich von weitgehender Wohnruhe geprägt. Die Stellplätze, die die seitlichen und teils rückwärtigen Bereiche der an der I. straße gelegenen Grundstücke einnehmen, sind selbst vom Gartenbereich des in der mündlichen Verhandlung aufgesuchten Grundstücks J. straße 3 aus durch dichten Bewuchs getrennt und nicht wahrnehmbar; Vergleichbares muss dann auch für die südlich gelegenen Grundstücke J. straße 5a und 9a gelten. Der nördlich des Gartens J. straße 3 gelegene rückwärtige Stellplatzbereich der Kfz-Werkstatt wirkt angesichts der erheblichen Breite des genannten Gartens bereits auf das Grundstück J. straße 5a kaum ein, erst recht nicht auf das Grundstück J. straße 9a. Selbst wenn im Erledigungszeitpunkt auf dem Grundstück J. straße 3 noch eine gewerbliche Nutzung (Weinhandel) mit Stellplatzverkehr im Innenhof zwischen den beiden rückwärtigen Gebäudeflügeln betrieben worden sein sollte, und man die Kfz-Folgen des gegenüber betriebenen kleinen Elektrofachgeschäftes in Blick nimmt, wäre diese nach dem bei der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck auf den Grundstücken J. straße 5a und 9a nicht erheblich störend wahrnehmbar gewesen. Das Grundstück J. straße 7 weist zwar eine Stellplatzanlage mit 12 Plätzen auf; diese liegt jedoch straßennah und wird durch das Wohnhaus von den Hinterliegergrundstücken abgeschirmt. Das Gebäude H. straße 14 weist im rückwärtigen Grundstücksbereich nach dem Luftbild bei Google Maps lediglich vereinzelte Stellplätze auf. Der westliche Teil des Vorhabengrundstücks selbst ist zwar nicht gärtnerisch genutzt. Nach dem anlässlich der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck wird er aber weit stärker durch die angrenzenden Wohngrundstücke als durch die gewerbliche Nutzung an der I. straße geprägt; Anlass, mit einem Vordringen dieser gewerblichen Nutzung auch in diesen Bereich zu rechnen, hatten die Nachbarn daher nicht.

Demgegenüber hätte die Verwirklichung des Vorhabens die Anlage von 72 Einstellplätzen auf einem unmittelbar an die östliche Grenze des Grundstücks J. straße 9a angrenzenden Grundstück und an der Südostecke des Grundstücks J. straße 5a bedeutet; da sie einem Lebensmitteleinzelhandelsmarkt zugeordnet wären, wären sie zudem - anders als etwa die Stellplätze eines Wohnhauses oder die Parkflächen eines Kfz-Betriebes - in regelmäßig kurzen Intervallen angefahren worden. Selbst wenn bisher Stellplatzverkehr auf den rückwärtigen Parkplätzen der an der I. straße gelegenen Gebäude auf den Hinterliegergrundstücken wahrnehmbar gewesen sein sollte, wäre durch einen solchen Zu- und Abgangsverkehr eine neue Größenordnung der Belastung erreicht worden (dazu Senatsbeschl. v. 6.5.2019 - 1 ME 37/19 -, juris Rn. 7). Die damit verbundene Unruhe wäre selbst dann nicht hinnehmbar gewesen, wenn die maßgeblichen Lärmwerte eingehalten würden.

3.

Auch nach dem Maß der baulichen Nutzung fügt sich das Vorhaben nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die insoweit maßgeblichen Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 8.12.2016 - 4 C 7.15 -, ZfBR 2017, 263 = BauR 2017, 709 = juris Rn. 17, 20 wie folgt zusammengefasst:

„In die Eigenart der näheren Umgebung fügt sich ein Vorhaben ein, das sich innerhalb des aus seiner näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, es sei denn, es lässt die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <386>). Allerdings kann sich im Ausnahmefall auch ein Vorhaben, das sich nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, noch in seine nähere Umgebung einfügen; Voraussetzung hierfür ist, dass es weder selbst noch infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1994 - 4 C 13.93 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 172 S. 22). Diese Grundsätze gelten nicht nur für eine Überschreitung des vorgegebenen Rahmens hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, sondern auch für ein Überschreiten des Maßes der baulichen Nutzung (BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 - 4 C 17.91 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 158 S. 102). Bedeutsam für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung sind nach der Rechtsprechung des Senats solche Maße, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen. Ihre absolute Größe nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur Freifläche, prägen das Bild der maßgeblichen Umgebung und bieten sich deshalb vorrangig als Bezugsgrößen zur Ermittlung des Maßes der baulichen Nutzung an (BVerwG, Urteil vom 23. März 1994 - 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277 <278 f.> und Beschluss vom 3. April 2014 - 4 B 12.14 - ZfBR 2014, 493 Rn. 3).

Gemessen hieran hätte sich das Vorhaben allenfalls dann innerhalb des aus seiner näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens gehalten, wenn das Gebäude der Grundschule D-Stadt oder das des Kaufhauses N. noch Teil der maßstabbildenden näheren Umgebung wären; nur diese erreichen mit Grundflächen von schätzungsweise 2.000 m² bzw. 5.000 m² und vergleichbaren Gebäudehöhen annähernd die Größenordnung des Vorhabens. Beide gehören der näheren Umgebung jedoch nicht mehr an. Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ist insoweit ausschlaggebend eine wechselseitige Prägung von Vorhaben und Vergleichsobjekt; der Umgriff der maßstabbildenden näheren Umgebung ist dabei allerdings tendenziell enger zu ziehen als hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung (BVerwG, Urt. v. 19.9.1969 - IV C 18.67 -, NJW 1970, 263 = DVBl. 1970, 62 = juris Rn. 18). Offenkundig scheidet damit das Kaufhaus N. infolge seiner beträchtlichen Entfernung vom Vorhabenstandort und seiner in weiten Teilen von der I. straße zurückgesetzten, zur B 75 und K. straße hin orientierten Anlage als maßstabbildend aus der Betrachtung aus. Aber auch das Gebäude der Grundschule D-Stadt wirkt sich nach dem Eindruck, den der Senat bei der Ortsbesichtigung gewonnen hat, nicht mehr prägend auf das Vorhabengrundstück aus. Es ist zwar infolge seiner Größe von einigen Stellen dieses Grundstücks aus noch in Teilen sichtbar, jedoch lediglich als eine Art „Hintergrundbild“, das bereits mit der Bebauung längs der Ostseite der I. straße keine klare Einheit mehr bildet; zur Bereitschaft des Betrachters, vergleichbar dimensionierte Gebäude auch auf deren Westseite anzunehmen, trägt es nichts bei. Der Ausnahmefall eines Gebäudes, das trotz Überschreitens des aus seiner näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens nicht geeignet wäre, in seiner Nachbarschaft bodenrechtliche Spannungen hervorzurufen oder zu verschärfen, lag nicht vor. Das Gebäude hätte seine Umgebung klar dominiert und deren Charakter erheblich verändert; zudem wäre eine Vorbildwirkung für eine fortschreitende Umformung der Bebauung längs der I. straße, evtl. aber auch an der J. straße hin zu größeren Gebäudekörpern nicht auszuschließen gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auf § 162 Abs. 3 VwGO (notwendige Beiladung).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.