Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.06.2019, Az.: 2 LA 238/18
Bestandskraft; Existenz; Exmatrikulation; Nichtbestehen; Nichtbestehen einer Prüfung; Nichtbestehen endgültiges; Prüfungsbehörde; Prüfungsbescheid; Regelungswirkung; Tatbestandswirkung; Vollziehbarkeit; Wirksamkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.06.2019
- Aktenzeichen
- 2 LA 238/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 69705
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 22.02.2018 - AZ: 4 A 480/16
Rechtsgrundlagen
- § 19 Abs 6 S 2 Nr 2b HSchulG ND
- Art 12 Abs 1 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Exmatrikulation wegen des "endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung" gemäß § 19 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 lit. b NHG setzt nur voraus, dass die Prüfungsbehörde das endgültige Nichtbestehen durch Bescheid wirksam festgestellt hat. Auf die Vollziehbarkeit oder Bestandskraft der Feststellung kommt es nicht an (Bestätigung der ständigen Senatsrechtsprechung, vgl. aus jüngerer Zeit nur Senatsurt. v. 14.11.2018 - 2 LB 50/17 -, juris Rn. 28; Senatsbeschl. v. 13.2.2018 - 2 LB 25/17 -, n.v.; Senatsbeschl. v. 24.5.2019 - 2 ME 360/19 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 4. Kammer (Einzelrichterin) - vom 22. Februar 2018 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Exmatrikulation wegen des endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung.
Die Klägerin studierte seit dem Wintersemester 2003/2004 mit krankheitsbedingten Unterbrechungen Humanmedizin an der Beklagten. Mit Bescheid vom 7. Juli 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die zweite Wiederholung der Erfolgskontrolle der leistungsnachweispflichtigen Lehrveranstaltung „Hals-Nasen-Ohrenheilkunde“ nicht bestanden habe und damit der Erwerb des Leistungsnachweises ausgeschlossen sei. Gegen die Entscheidung hat die Klägerin zwischenzeitlich erfolgreich Klage erhoben (4 A 425/17); das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 9. April 2019 ist rechtskräftig.
Mit Bescheiden vom 11. Januar 2017 stellte die Beklagte zudem fest, dass die Klägerin die Erfolgskontrollen in den Lehrveranstaltungen in den Fächern Innere Medizin sowie Psychiatrie und Psychotherapie endgültig nicht bestanden habe. Klagen vor dem Verwaltungsgericht hatten keinen Erfolg; die Berufungszulassungsverfahren sind noch anhängig (2 LA 518/19 und 2 LA 519/19).
Nach Anhörung exmatrikulierte die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 19. September 2016. Der Bescheid ist Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens, in dem die Klägerin im Wesentlichen Einwände gegen die Feststellung des Nichtbestehens erhoben hat und der Auffassung ist, dass die Exmatrikulation erst erfolgen dürfe, wenn die Entscheidung über das Nichtbestehen bestandskräftig sei. Das Verwaltungsgericht ist dieser Argumentation in dem angegriffenen Urteil vom 22. Februar 2018 nicht gefolgt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die Exmatrikulation erfolge nach der gesetzlichen Regelung schon dann, wenn das Nichtbestehen einer erforderlichen Prüfung durch Bescheid festgestellt sei. Auf die Bestandskraft des Bescheides komme es nicht an. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Berufungszulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nicht erst vor, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg, sondern bereits dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 21.9.2018 - 2 LA 1750/17 -, juris Rn. 7 m.w.N.). Das ist der Klägerin nicht gelungen. Zu Recht und mit überzeugender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO in vollem Umfang Bezug nimmt, ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Exmatrikulation der Klägerin rechtmäßig ist. Die dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.
Rechtsgrundlage für die Exmatrikulation ist § 19 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 lit. b NHG. Danach hat die Exmatrikulation zu erfolgen, wenn die oder der Studierende eine Prüfung endgültig nicht bestanden hat und sie oder er in keinem weiteren Studiengang eingeschrieben ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist eine Prüfung bereits dann endgültig nicht bestanden, wenn dies die Prüfungsbehörde durch Bescheid festgestellt hat. § 19 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 lit. b NHG knüpft damit allein an die Existenz des Prüfungsbescheides an und setzt weder dessen Rechtmäßigkeit und noch dessen Bestandskraft voraus (vgl. aus jüngerer Zeit nur Senatsurt. v. 14.11.2018 - 2 LB 50/17 -, juris Rn. 28; Senatsbeschl. v. 13.2.2018 - 2 LB 25/17 -, n.v.; Senatsbeschl. v. 24.5.2019 - 2 ME 360/19 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der Vorschrift tritt der Senat bei.
Soweit die Klägerin demgegenüber meint, es hätte einer ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers bedurft, wenn er einen nicht bestandskräftigen Prüfungsbescheid zur Grundlage weiterer belastender Rechtsfolgen machen wolle, überzeugt das nicht. Wortlaut und Systematik der Vorschrift ergeben ein klares Bild. Das Auslegungsergebnis widerspricht auch nicht § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach Rechtsbehelfe gegen einen Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung entfalten. Dies ist sowohl bezüglich des Prüfungsbescheides als auch bezüglich des Exmatrikulationsbescheides der Fall, soweit nicht die sofortige Vollziehung angeordnet wird. Davon zu trennen ist aber die Frage, ob § 19 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 lit. b NHG allein an die die Wirksamkeit voraussetzende Existenz des Prüfungsbescheides oder aber an die Vollziehbarkeit anknüpft, es mithin auf die Tatbestands- oder aber die Regelungswirkung des Verwaltungsaktes ankommt (vgl. zu dieser im Verwaltungsrecht geläufigen Unterscheidung nur Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 43 Rn. 25). Diese Frage hat der Gesetzgeber mit der Regelung in § 19 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 lit. a und b NHG einerseits sowie § 19 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 lit. c NHG andererseits in differenzierender und zugleich hinreichend bestimmter Weise beantwortet und sich in Bezug auf das endgültige Nichtbestehen mit der Existenz des Prüfungsbescheides begnügt. Dies ist weder „beispiellos“, noch handelt es sich um eine Durchbrechung allgemeiner verwaltungsrechtlicher Grundsätze oder gar um eine „hier nicht angezeigte richterliche Rechtsfortbildung“.
Tatsächlich zutreffend ist der Einwand der Klägerin, diese gesetzgeberische Entscheidung könne für den Studierenden zu erheblichen Härten führen, weil - unter anderem - der Anspruch auf Ausbildungsförderung sowie der Anspruch auf Teilnahme an weiteren Prüfungen entfielen. Den Interessen der Studierenden steht allerdings das nicht geringer zu gewichtende öffentliche Interesse gegenüber, dass ein (zunächst) erfolglos gebliebener Studierender nicht bis zum Abschluss eines unter Umständen langjährigen Prüfungsrechtsstreits zu Lasten anderer Studienbewerber die Ausbildungs- und Prüfungskapazität einer Hochschule in Anspruch nimmt. Auch diese Interessen werden von Art. 12 Abs. 1 GG geschützt und sind geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten der sofortigen Exmatrikulation zu tragen.
Tatsächlich zutreffend ist auch der weitere Einwand der Klägerin, im Fall eines Obsiegens im Prüfungsrechtsstreit führe der aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs bestehende Anspruch auf erneute Immatrikulation nicht dazu, dass alle Nachteile der Exmatrikulation beseitigt wären. Zumindest der Zeitverlust, der eintritt, weil das Studium zwischenzeitlich nicht fortgesetzt werden kann, ist unvermeidlich. Ebenso unvermeidlich wäre allerdings die weitere Blockade eines Studienplatzes und damit die Beeinträchtigung der Rechte der Studienbewerber, wenn der Gesetzgeber die Exmatrikulation an die Vollziehbarkeit oder Bestandskraft der Prüfungsentscheidung binden würde. Es ist daher auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Interessen der Studienbewerber - und damit eine effiziente Nutzung knapper staatlicher Ressourcen - den Interessen der (zunächst) gescheiterten Studierenden übergeordnet hat.
Soweit die Klägerin schließlich meint, die im Erfolgsfall erneute Immatrikulation führe zu Schwierigkeiten in Bezug auf das Hochschulkapazitätsrecht, wenn Studienplätze anderweitig vergeben würden, geht dies ebenfalls fehl. Im äußersten Fall führt die erneute Zulassung im Wege der Folgenbeseitigung zu einer Überbelegung. Die Praxis der Hochschulen zeigt seit vielen Jahren, dass sie diese aus wenigen Einzelfällen resultierenden Überbelegungen bewältigen können. Plätze „auf Vorrat“ werden - anders als die Klägerin meint - nicht vorgehalten.
Ohne Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist schließlich die Tatsache, dass das Verwaltungsgericht die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens in Bezug auf die Lehrveranstaltung „Hals-Nasen-Ohrenheilkunde“ mit Urteil vom 9. April 2019 aufgehoben hat. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Rechtmäßigkeit des Exmatrikulationsbescheides anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der (letzten) Verwaltungsentscheidung - hier dem 19. September 2016 - zu beurteilen ist. Spätere Änderungen lassen die Rechtmäßigkeit unberührt. Einem unmittelbaren Anspruch auf erneute Immatrikulation, der gegebenenfalls zur Erledigung dieses Verfahrens führen könnte, steht entgegen, dass das endgültige Nichtbestehen der Klägerin in zwei weiteren Fächern weiterhin wirksam festgestellt ist.
Im Ergebnis - die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen - richtet sich die Kritik der Klägerin an den Gesetzgeber. Ihm steht es frei, die Frage der Exmatrikulation nach endgültig nicht bestandener Prüfung abweichend zu regeln und die jeweiligen Vor- und Nachteile anders als bislang zu gewichten. Verpflichtet - das allein ist für die hier zu treffende Entscheidung maßgeblich - ist er dazu nach höherrangigem Recht nicht.
2. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das ist nur der Fall, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts geklärt werden muss. Daran fehlt es hier. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Senats - wie oben ausgeführt - seit längerem geklärt. Neue Gesichtspunkte, die eine erneute Klärung in einem Hauptsacheverfahren erfordern könnten, zeigt die Klägerin nicht auf.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 63 Abs. 3 Satz 3 GKG).