Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.06.2019, Az.: 11 ME 193/19

Aufbewahrung; Besitzstandsregelung; erlaubnispflichtige Waffe; Nachweispflicht; Sicherheitsbehältnis; Waffenbesitzer; Waffenschrank

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.06.2019
Aktenzeichen
11 ME 193/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69729
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 13.05.2019 - AZ: 11 B 1733/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Besitzstandsregelung des § 36 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 WaffG zugunsten des Waffenbesitzers einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe, dessen der Aufbewahrung seiner Waffe dienendes Sicherheitsbehältnis nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ist anwendbar, wenn eine Nutzung des Sicherheitsbehältnisses vor der Änderung der Rechtslage begonnen und danach ununterbrochen fortgesetzt wurde (Weiternutzung).

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 11. Kammer - vom 13. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

Dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren liegt der Bescheid vom 12. März 2019 zugrunde, mit dem die Antragsgegnerin eine dem Antragsteller am 23. Oktober 2018 erteilte Waffenbesitzkarte, in die eine Repetierbüchse eingetragen ist, zurücknahm und die Rücknahme begleitende Anordnungen erließ. Zur Begründung führte sie aus, dass die Waffenbesitzkarte nicht hätte erteilt werden dürfen. Der Antragsteller habe trotz Aufforderung nicht nachgewiesen, dass er seine erlaubnispflichtige Schusswaffe in einem Sicherheitsbehältnis verwahre, das den aktuellen gesetzlichen Anforderungen genüge. Auf eine Besitzstandsregelung könne sich der Antragsteller nicht berufen. Der Antragsteller verstoße daher gegen die gesetzlich geregelte Pflicht, den Nachweis der sicheren Aufbewahrung seiner Schusswaffe zu führen. Da diese Pflichtverletzung gröblich sei, erweise er sich als unzuverlässig. Es liege auch ein wiederholter Verstoß gegen die Nachweispflicht vor, weil der Antragsteller in den Fällen, in denen er nach eigenem Bekunden eine für die Jagd ausgeliehene Waffe vorübergehend aufbewahrt habe, nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Nachweis der zur sicheren Aufbewahrung getroffenen Maßnahmen geführt habe. Gegen den Bescheid hat der Antragsteller Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt.

Die dagegen gerichteten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Die Rücknahme der dem Antragsteller ausgestellten Waffenbesitzkarte und die daran anknüpfenden Nebenentscheidungen werden sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen, so dass die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfällt.

Nach § 45 Abs. 1 WaffG ist eine Erlaubnis zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen. Eine Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Schusswaffen setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG besitzt. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wiederholt oder gröblich unter anderem gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen haben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen begründet, warum der Antragsteller gegen § 36 Abs. 3 Satz 1 WaffG verstoßen hat. Wer unter anderem erlaubnispflichtige Schusswaffen besitzt oder die Erteilung einer Erlaubnis zum Besitz beantragt hat, muss nach dieser Vorschrift der zuständigen Behörde die zur sicheren Aufbewahrung getroffenen oder vorgesehenen Maßnahmen nachweisen. Der Antragsteller ist im Besitz einer jagdlichen Langwaffe, die in der Waffenbesitzkarte eingetragen ist. Hierbei handelt es sich um eine erlaubnispflichtige Schusswaffe, die nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I, S. 2133) - AWaffV -, in Kraft getreten am 6. Juli 2017, ungeladen und in einem Behältnis aufzubewahren ist, das den Widerstandsgrad 0 nach EN 1143-1 aufweist. Einen solchen Waffenschrank besitzt der Antragsteller nicht. Er verfügt lediglich über ein Sicherheitsbehältnis der Sicherheitsstufe A, das nicht den aktuellen Bestimmungen, die bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der Waffenbesitzkarte galten, entspricht. Die Antragsgegnerin wies den Antragsteller hierauf mehrfach hin und forderte ihn auf, die sichere Aufbewahrung in einem Waffenschrank mit dem Widerstandsgrad 0 nachzuweisen. Der Antragsteller hat somit trotz Aufforderung der Behörde den Nachweis der sicheren Aufbewahrung seiner jagdlichen Langwaffe nicht geführt.

Auf eine Besitzstandsregelung kann sich der Antragsteller nicht berufen. Die vom Verwaltungsgericht wörtlich wiedergegebene Vorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 WaffG, die im Zuge der Verschärfung waffenrechtlicher Regelungen mit Gesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl. I, S. 2133) eingeführt wurde, am 6. Juli 2017 in Kraft trat und zugunsten von Besitzern, die über Sicherheitsbehältnisse mit überholten technischen Standards verfügen, eine Besitzstandsregelung vorsieht (vgl. BR-Drs. 61/17, S. 18), greift nicht zugunsten des Antragstellers ein. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts knüpft die Besitzstandswahrung an eine ununterbrochene Weiternutzung eines der alten Rechtslage entsprechenden Aufbewahrungsbehältnisses an. Einen entsprechenden Nachweis der ununterbrochenen Weiternutzung könne der Antragsteller nicht führen. Unerheblich sei, dass der Antragsteller nach seinen Bekundungen in seinem Waffenschrank ein Luftgewehr aufbewahrt habe. Hierbei handele es sich um eine erlaubnisfreie Waffe, für die nicht eine Aufbewahrung in einem Sicherheitsbehältnis der Sicherheitsstufe A vorgeschrieben gewesen sei. Der Vortrag des Antragstellers, er habe nach den Bescheinigungen vom 30. April 2014, 11. Juni 2016 und 31. Oktober 2017/erneuert am 22. April 2018 von einem Bekannten leihweise jeweils für eine Jagd Langwaffen übernommen und diese in dem Waffenschrank verwahrt, begründe nicht den Bestandsschutz. Der leihweise Übergang für jeweils eine Jagd sei mit dem Abschluss der jeweiligen Jagd beendet worden und habe nur einen vorübergehenden Waffenbesitz vermittelt. Jeder neue Leihvorgang habe eine neue Nutzungsaufnahme hinsichtlich des Waffenschrankes ausgelöst. Die Beendigung der Leihe habe zur Nutzungsaufgabe des Waffenschrankes geführt. Diese Ansicht des Verwaltungsgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Antragsteller macht geltend, dass die Bestandsschutzregelung in § 36 Abs. 4 WaffG für alle Waffenbesitzer mit Waffenschränken, die nicht den neuen gesetzlichen Anforderungen entsprächen, gelte, unabhängig davon, ob sie erlaubnispflichtige oder andere Waffen aufbewahrten. Er verweist hierzu auf die Begründung des Gesetzentwurfs zu dieser Vorschrift, nach der den berechtigten Belangen der Besitzer von Sicherheitsbehältnissen, die nicht den neuen Anforderungen entsprächen, durch eine Besitzstandsregelung Rechnung getragen werde (vgl. BR-Drs. 61/17, S. 37). Entgegen der Ansicht des Antragstellers erstreckt sich die Besitzstandsregelung nicht auf die Besitzer von erlaubnisfreien Waffen. Für die Aufbewahrung von erlaubnisfreien Waffen reicht ein abschließbares Behältnis ohne Klassifizierung aus (vgl. § 36 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz - WaffVwV -, zu § 36, dort. Nr. 36.2.1). Für erlaubnisfreie Waffen war daher eine Regelung zur Besitzstandswahrung nicht erforderlich. Dass sich die vom Antragsteller zitierten Fundstellen in den Gesetzesmaterialien nicht auf Besitzer von erlaubnisfreien Waffen beziehen, ergibt sich auch daraus, dass dort ausdrücklich auf Besitzer von Sicherheitsbehältnissen, die nicht den neuen Sicherheitsstandards entsprechen, Bezug genommen wird. Dadurch werden ausdrücklich Waffenbesitzer angesprochen, die bereits in der Vergangenheit aufgrund der Gefährlichkeit von erlaubnispflichtigen Waffen für die Aufbewahrung dieser Waffen das entsprechende Sicherheitsbehältnis vorhalten mussten.

Der Antragsteller trägt auch vergeblich vor, dass es nach der Regelung in § 36 Abs. 4 WaffG nur auf den Besitz und nicht auf eine bestimmte Nutzung, wie eine einzelfallbezogene oder dauernde Nutzung, ankomme. Nach der Regelung in § 36 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 WaffG können die nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen genügenden Sicherheitsbehältnisse unter den näher geregelten Voraussetzungen „vom bisherigen Besitzer weitergenutzt werden“. Es muss danach eine fortdauernde Nutzung gegeben sein. Sie setzt voraus, dass die Nutzung eines der alten Rechtslage entsprechenden Sicherheitsbehältnisses vorliegt, die vor der Änderung der Rechtslage begonnen und danach ununterbrochen fortgesetzt wurde (Gade, in: Gade, Waffengesetz, 2. Aufl. 2018, § 36, Rn. 97). Anderenfalls läge keine Weiternutzung vor. Eine solche ununterbrochene Weiternutzung hat der Antragsteller nicht nachgewiesen. Die Aufbewahrung von jagdlichen Langwaffen, die sich der Antragsteller für einzelne Jagden von einem Bekannten ausgeliehen hat, war vorübergehend und endete jeweils mit dem Abschluss der Jagd. Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass jeder neue Leihvorgang zu einer vorübergehenden, zeitlich begrenzten Nutzung führte.

Der Antragsteller hat gröblich gegen seine Pflicht zum Nachweis der sicheren Aufbewahrung seiner erlaubnispflichtigen Schusswaffe verstoßen. Hinsichtlich des Nachweises besteht eine „Bringschuld“ des Waffenbesitzers, die unabhängig von einem Verlangen der Behörde besteht (Gerlemann, in: Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl., § 36 WaffG, Rn. 10). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Antragsteller nach der Aufforderung der Antragsgegnerin, die Anschaffung eines neuen Waffenschrankes nachzuweisen, gegenüber der Antragsgegnerin zugesagt hat, ein den aktuellen Anforderungen genügendes Sicherheitsbehältnis zu erwerben. Der Antragsteller macht geltend, dass er zu keinem Zeitpunkt eine entsprechende Zusage gemacht habe. Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Antragsteller habe gewusst, dass ihm die Waffenbesitzkarte nur unter der Voraussetzung des Erwerbs eines Sicherheitsbehältnisses mit dem Widerstandsgrad 0 ausgestellt wird. Diese Ansicht wird durch den im Verwaltungsvorgang dokumentierten Ablauf des Erlaubnisverfahrens zur Erteilung der Waffenbesitzkarte gestützt. Der Antragsteller wurde erstmals am Tag der Ausstellung der Waffenbesitzkarte und danach mehrfach darüber informiert, dass er einen Waffenschrank mit dem Widerstandsgrad 0 erwerben muss. Der Antragsteller hat sich folglich vorsätzlich der gesetzlich vorgegebenen Nachweispflicht entzogen. Da die Aufbewahrungsvorschriften zentrale Bestimmungen des Waffenrechts sind, ist der Verstoß auch als gröblich anzusehen.

Es liegt zudem ein wiederholter Verstoß gegen § 36 Abs. 3 Satz 1 WaffG vor. Der Antragsteller hat nicht den Nachweis geführt, dass er die am 30. April 2014 und 11. Juni 2016 vor Änderung der Rechtslage zur Jagd geliehenen Langwaffen sicher verwahrt hat. Nach den nicht angegriffenen Ausführungen in dem Bescheid vom 12. März 2019, Seite 3, hat der Antragsteller bis zu dem im Jahr 2018 gestellten Antrag auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte den Erwerb eines Sicherheitsbehältnisses der Sicherheitsstufe A gegenüber der Antragsgegnerin nicht angezeigt. Der Antragsteller hat daher nicht den Nachweis geführt, dass er am 30. April 2014 und 11. Juni 2016 die geliehenen Waffen sicher verwahrt hat. Während der Leihe und der vorgetragenen Aufbewahrung der Waffen in dem Waffenschrank war der Antragsteller Besitzer der Waffen, weil er die tatsächliche Gewalt über sie ausübte. Den Nachweis hätte der Antragsteller ohne Aufforderung der Antragsgegnerin erbringen müssen.

Das Vorliegen von Gründen, die es rechtfertigen könnten, ausnahmsweise von der Regel, dass der wiederholte und gröbliche Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften zur Unzuverlässigkeit des Waffenbesitzers führt, abzuweichen, hat das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung verneint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nrn. 50.2 und 1.5 Satz 1 Halbsatz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit
(NordÖR 2014, 11).