Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.06.2019, Az.: 1 LA 126/18

landwirtschaftlicher Betrieb; Splittersiedlung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.06.2019
Aktenzeichen
1 LA 126/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69719
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 01.08.2018 - AZ: 2 A 76/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zum Erfordernis der langfristigen Lebensfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB

2. Bei der Frage, ob ein Vorhaben die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt, sind Vorgängergebäude allenfalls in die Beurteilung einzubeziehen, wenn mit ihrem Ersatz im für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorhabens maßgeblichen Zeitpunkt noch zu rechnen war.

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 2. Kammer (Einzelrichter) - vom 1. August 2018 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 7.391,17 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für einen Pferdestall im Außenbereich. In der Sache streiten die Beteiligten im Wesentlichen um die Frage, ob die Tätigkeit der Klägerin eine für eine Privilegierung hinreichende Gewinnerzielungsmöglichkeit bietet.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hofgrundstücks im Außenbereich sowie von Grünlandflächen mit einer Größe zwischen 3 und 4 ha und Waldflächen mit einer Größe von ursprünglich zwischen 8 und 10 ha. Sie betreibt dort eine Pensionspferdehaltung und nach eigenen, vom Beklagten in Zweifel gezogenen Angaben eine Pferdezucht. Daneben erzielt sie u.a. Einnahmen aus dem Verkauf von Holz, dem Angebot von Reitunterricht und Geländereiten, aus dem Verkauf von Geschenkartikeln und aus einer Beratungs- und Buchhaltungstätigkeit für den niederländischen Zuchtverband der Pony-Rasse „O’Britain“. Auf dem Hofgrundstück wurde 2005 ohne Baugenehmigung ein 231 m² großes Wirtschaftsgebäude errichtet, das die Klägerin wohl seit 2011 als Pferdestall für Ponys mit 13 Boxen nutzt. Ihren Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für das Gebäude mit dieser Nutzung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 5.5.2015 ab und setzte für das Genehmigungsverfahren Kosten fest.

Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Höhe der Verwaltungs- und Widerspruchsgebühr geringfügig reduziert, die Klage im Übrigen aber mit im Wesentlichen folgender Begründung abgelehnt: Das Vorhaben sei im Außenbereich nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert. Zwar könnten der Pensionsbetrieb und die Pferdezucht im Ansatz als landwirtschaftlich eingestuft werden, da sie auf überwiegend eigener Futtergrundlage erfolgen könnten. Indes fehlt der land- und forstwirtschaftlichen Betätigung der Klägerin die für eine Privilegierung erforderliche Nachhaltigkeit. Diese sei in einer Gesamtschau vieler Indizien zu ermitteln; gerade bei kleineren Nebenerwerbsbetrieben wie dem der Klägerin komme indes dem Nachweis einer Gewinnerzielungsmöglichkeit eine hohe Bedeutung zu. Diesen habe die Klägerin nicht erbracht. Die von ihr vorgelegte Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für das Wirtschaftsjahr 2015/2016 ergebe nach Abzug der weder land- noch forstwirtschaftlicher Tätigkeit zuzuordnenden Einnahmen und Ausgaben (Handel mit Geschenkartikeln, Geländereiten, Zuchtberatung/Buchhaltung, Erlöse aus dem Verkauf einer Kutsche) einen Gewinn von 602,76 €. Dieser Betrag reiche nicht aus, um die für ihre eigene Arbeitskraft fiktiv zu berücksichtigenden Lohnkosten von 4.653,75 € zu decken, geschweige denn die für einen langfristigen Betriebserhalt nötige Eigenkapitalbildung zu gewährleisten. Auch die Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 2014/2015 zeige kein anders Bild; hier betrage der der land- und forstwirtschaftlichen Betätigung zurechenbare Gewinn 3.523,98 € bei gleichen fiktiven Lohnkosten. Die vorgelegte Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 2013/14 sei nicht hinreichend aussagekräftig, da dort nicht zwischen land-/forstwirtschaftlichen und sonstigen Einnahmen getrennt werden könne. Eine Einschätzung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vom 15.5.2012, die auf der Grundlage einer überschlägigen Betriebsplanung von einem gerade ausreichenden Nachweis einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Betätigung ausgehe, sei damit widerlegt. Gegenüber dieser Wirtschaftlichkeitsbetrachtung träten die Indizien für einen dauerhaft lebensfähigen Betrieb – die Dauer der Tätigkeit seit 2011, das Vorhandensein der erforderlichen land- und forstwirtschaftlichen Maschinen und der Umstand, dass die Klägerin vorliegend nicht die Genehmigung einer mit erhöhtem Missbrauchsverdacht behafteten Wohnnutzung im Außenbereich anstrebe – zurück. Der Betrieb sei klein mit geringer Tierzahl, Erweiterungsabsichten seien nicht erkennbar. Als nicht privilegiertes Vorhaben sei der Stallbau unzulässig, da er die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lasse.

Der gegen dieses Urteil gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat ihr Zulassungsvorbringen nicht, wie dies eigentlich erforderlich wäre, einem der Zulassungstatbestände des § 124 Abs. 2 VwGO zugeordnet. Selbst wenn man bei wohlwollender Auslegung davon ausginge, dass sie sich auf den Zulassungstatbestand ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) berufen wollte, wäre ihr Antrag unbegründet.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn es dem Rechtsmittelführer gelingt, wenigstens einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils mit plausiblen Gegenargumenten derart in Frage zu stellen, dass sich hierdurch etwas am Entscheidungsergebnis ändern könnte. Ein Überwiegen der Erfolgsaussichten ist dabei nicht erforderlich, es genügt, wenn diese offen sind. Daran fehlt es hier.

Es ist der Klägerin nicht gelungen, die Annahme des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen, die auf die land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeitsfelder ihres Betriebs entfallenden Einnahmen reichten nach Abzug der korrespondierenden Ausgaben nicht aus, um ihre eigene in den Betrieb eingebrachte Arbeitskraft auch nur mit dem fiktiven Mindestlohn zu honorieren. Konkrete Fehler in den entsprechenden Berechnungen des Verwaltungsgerichts für die von ihr selbst vorgelegten Gewinnermittlungen für die Wirtschaftsjahre 2015/16 und 2014/15 zeigt sie nicht auf. Der pauschale Hinweis, die Berechnung des Verwaltungsgerichts sei für sie, ihren Steuerberater und ihren Prozessbevollmächtigten nicht nachvollziehbar, genügt nicht, die schlüssige Methodik des Verwaltungsgerichts, aus der Gewinnermittlung die nicht einer land-/forstwirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. § 201 BauGB zuzurechnenden Einnahmen und die diesen Einnahmen korrespondierenden Ausgaben herauszurechnen, in Frage zu stellen. Die Gegenrechnung der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 2015/16, als Gewinn die Einnahmenpositionen 8190 (abzüglich Kutschenverkauf) 8400, 8402 und 8402 zugrundezulegen, überzeugt schon deshalb nicht, weil damit Einnahmen und Gewinn ohne Berücksichtigung der Ausgaben gleichgesetzt würden.

Die von der Klägerin erstmals im Zulassungsverfahren vorgelegte Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 2016/17 bestätigt die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Betrieb der Klägerin sei nicht dauerhaft lebensfähig, eher, als dass sie sie erschütterte. Der darin ermittelte Gewinn von 20.931,01 € beruht im Wesentlichen auf der Berücksichtigung von „Erlösen aus Anlagenverkäufen“ i.H.v. 52.067,50 €, die aus der Veräußerung eines Teils der zum Betrieb gehörenden Waldflächen stammen und die unter Abzug der korrespondierenden Ausgabenposition 13 („Buchwert Anlagenabgänge“) i.H.v. 17.661,00 € mit 34.406,50 € in die Gewinnermittlung einfließen. Die Einkünfte aus dieser Position sind nicht der land- oder forstwirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin zuzurechnen und kein Beleg für die dauerhafte Lebensfähigkeit ihres Betriebes. Zieht man sie vom ermittelten Gewinn ab, so hatte die Klägerin im Wirtschaftsjahr 2016/17 erhebliche Verluste zu verzeichnen, selbst wenn man die vom Verwaltungsgericht unberücksichtigt gelassenen Einnahmen aus Reitbetrieb, Beratungs-/Buchhaltungstätigkeit und Geschenkartikelhandel in die Betrachtung einbezöge.

Die Erklärungen des Steuerberaters der Klägerin vom 27.3.2018 (GA Bl. 215) und 11.9.2018 (GA Bl. 293) enthalten ebenfalls keine Aussagen, die die Einschätzung des Verwaltungsgerichts in Frage stellten. Im Wesentlichen beschränken sie sich auf den sinngemäßen Hinweis, die vom Verfasser erstellten Gewinnermittlungen wiesen durchweg ein positives Ergebnis aus. Dem ist das vom Verwaltungsgericht und vorstehend Ausgeführte entgegenzuhalten. Soweit der Steuerberater der Klägerin bescheinigt, ihr Betrieb genüge den Anforderungen des § 13 EStG und des Bewertungsgesetzes an einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, ist dies für die Bewertung als privilegierter Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht hinreichend. Soweit der Steuerberater weiter angibt, der Betrieb verfüge „über stille Reserven bereits heute weit im 6-stelligen Eurobereich mit steigender Tendenz“, wird nicht ansatzweise deutlich, inwieweit dies die Möglichkeit der Klägerin, aus ihrer Tätigkeit laufend Einnahmen zu erzielen, steigern könnte. Soweit es sich dabei um eine Differenz zwischen Buch- und Marktwert ihrer Flächen, Gebäude und ihres Inventars handeln sollte, wäre diese nur bei Auflösung des Betriebes zu realisieren. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens, deren Unterlassung die Klägerin möglicherweise unter dem Blickwinkel des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensfehler) rügt, erübrigte sich angesichts dessen.

Die Ausführungen auf S. 6 oben und unten benennen Indizien für eine Dauerhaftigkeit des Betriebes, die das Verwaltungsgericht – wie auch die Klägerin einräumt – gesehen hat. Dass es sie hinter das gewichtige Indiz der fehlenden Möglichkeit, aus dem Betrieb ein der eingebrachten Arbeitskraft entsprechendes Einkommen zu erzielen, zurückgestellt hat, ist nicht zu beanstanden. Der Vortrag der Klägerin, sie beabsichtige, mit den Einnahmen aus dem Verkauf von Teilen ihrer forstwirtschaftlichen Flächen „zusätzliche Stallungen innerhalb der Scheune“ zu schaffen und so ihren Betrieb zu vergrößern, sie habe hiervon lediglich mit Blick auf den anhängigen Rechtsstreit bislang Abstand genommen, ist derart unsubstantiiert, dass ihn das Verwaltungsgericht zu Recht unberücksichtigt gelassen und angenommen hat, eine Erweiterung des Betriebes (auf ein lebensfähiges Maß) sei nicht absehbar. Dabei kann dahinstehen, ob mit der „Scheune“ der – bereits voll ausgenutzte – vorhandene Stall oder das weitere auf dem Luftbild erkennbare Nebengebäude gemeint ist. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, wie zusätzliche Stallplätze in dem geringen Umfang, der sich in den vorhandenen Gebäuden unterbringen ließe, die Einnahmen der Klägerin sprunghaft erhöhen könnten. Der Umstand, dass die Klägerin, wie sie weiter vorträgt, neben den Einnahmen aus dem Betrieb lediglich über weitere Einkünfte i.H.v. 570 € verfüge, ist ebenfalls kein Indiz für eine Dauerhaftigkeit des Betriebes.

Die Ausführungen auf S. 7 Mitte der Zulassungsantragsbegründung sind nicht geeignet, die Annahme des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen, die Errichtung des Stallgebäudes lasse die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten. Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage ist der Zeitpunkt unmittelbar vor der Verwirklichung des Vorhabens; allenfalls Vorgängergebäude, mit deren Ersatz zu diesem Zeitpunkt noch zu rechnen war, wären in die Betrachtung einzubeziehen gewesen. Für einen solchen Fall gibt das Zulassungsantragsvorbringen nichts her. Die Tatsache, dass zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit an der Stelle des Vorhabens einmal ein anderes Nebengebäude gestanden haben mag, ändert nichts daran, dass die Errichtung den zuvor erreichten Stand der Unversehrtheit des Außenbereichs (wieder) verschlechterte. Von einer Unterordnung des Stalls unter die vorhandene Bebauung kann auch unter Berücksichtigung seiner Holzbauweise keine Rede sein; dieser übertrifft die Grundfläche aller sonst auf der Hofstelle vorhandenen Bestandsbauten deutlich.

Die von der Klägerin abschließend angestellte Folgenbetrachtung kann einen Anspruch auf Genehmigung des Vorhabens nicht begründen, sondern allenfalls bei der Entscheidung über die Befristung einer etwaigen Beseitigungsanordnung berücksichtigt werden.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG; die Differenz zum erstinstanzlichen Streitwert ergibt sich aus dem (geringfügigen) Obsiegen der Klägerin in erster Instanz hinsichtlich der Gebühr für Genehmigungs- und Widerspruchsverfahren; insoweit ist das ursprüngliche Klagebegehren nicht mehr Gegenstand des Zulassungsverfahrens.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).