Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.06.2015, Az.: 7 LA 98/14
Berufsfreiheit; Gefahrgut; Gefahrgutschulung; Gesetzesvorbehalt; Lehrkraft; Luftverkehr; Qualifikationsnachweis; Schulungsanforderungen; Übergangszeit; Verwaltungsvorschrift
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 02.06.2015
- Aktenzeichen
- 7 LA 98/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 45274
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 08.10.2014 - AZ: 2 A 11/14
Rechtsgrundlagen
- § 3 GefahrgutG
- NfL II 36/05
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Zu der Frage, ob die vom Luftfahrt Bundesamt in den Nachrichten für Luftfahrer (NfL) II 36/05 veröffentlichten und ergänzend kommentierten Schulungsanforderungen für die Beförderung von gefährlichen Gütern den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts genügen.
2. Sie sind jedenfalls zur Ausfüllung einer Regelungslücke für eine Übergangszeit hinzunehmen, da nur auf diese Weise die sonst eintretende Funktionsunfähigkeit notwendiger Verwaltungstätigkeit vermieden werden kann und der hier in Rede stehende Eingriff Erfordernis eines Nachweises umfassender Kenntnisse auf dem Gebiet der Gefahrgutbeförderung u.a. im Luftverkehr der Sache nach zu billigen ist.
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer - vom 08. Oktober 2014 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig zuzulassen, mit dem dieses seine Klage auf Verpflichtung des Luftfahrt-Bundesamtes abgewiesen hat, ihn zu einem Qualifikationsnachweis für Lehrkräfte im Bereich der Gefahrgutschulungen für die Personalkategorie 6 zuzulassen, hat keinen Erfolg. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zwar zulässig (dazu unter 1.), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg (dazu unter 2.).
1.
Nach § 124a Abs. 4 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Es ist mithin in der Begründung des Zulassungsantrags anzugeben, aus welchem der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO die Zulassung der Berufung beantragt wird, und es muss darüber hinaus im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründet werden, weshalb der benannte Zulassungsgrund erfüllt ist. Im Falle der Geltendmachung mehrerer Zulassungsgründe müssen diese grundsätzlich jeweils selbständig dargelegt werden. Es obliegt nicht dem Oberverwaltungsgericht, sondern gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dem Rechtsbehelfsführer, einzelne Zulassungsgründe ausdrücklich oder konkludent zu bezeichnen und ihnen dann jeweils diejenigen Elemente seiner Kritik an der erstinstanzlichen Entscheidung klar zuzuordnen, mit denen er das Vorliegen des jeweiligen Zulassungsgrundes darlegen möchte (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 04.09.2012 - 7 LA 17/11 -, n. v., und vom 28.10.2008 - 6 AD 2/08 -, NVwZ-RR 2009, 360 [OVG Niedersachsen 28.10.2008 - 6 AD 2/08]).
Diese Anforderungen sind angesichts des vor dem Oberverwaltungsgericht herrschenden Vertretungszwangs (§ 67 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VwGO), der Dauer der Antragsbegründungsfrist von zwei Monaten (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) und der beschränkten Anzahl von nur fünf Zulassungsgründen (§ 124 Abs. 2 VwGO) ohne unzumutbare Erschwernisse erfüllbar. Sie sind sachlich gerechtfertigt, weil sie der mit der Einführung der Zulassungsberufung bezweckten Entlastung der Rechtsmittelinstanz dienen (vgl. Beschluss des Senats vom 04.09.2012, a.a.O.). Sie ergeben sich zudem zwanglos aus dem Wesen der dem Rechtsbehelfsführer durch § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO aufgegebenen Darlegung. Die fünf Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO haben nämlich unterschiedliche, teilweise recht komplexe Voraussetzungen. Ist beabsichtigt, mehrere von ihnen darzulegen, drängt es sich schon im Interesse eines nachvollziehbaren Aufbaus der Antragsbegründung auf, diese nach einzelnen Zulassungsgründen zu gliedern. Der Kundige wird deshalb in der Regel ohnehin einleitend angeben, welchen der einzelnen Zulassungsgründe er jeweils geltend machen möchte, um hieran anknüpfend umso gezielter darzustellen, warum die speziellen Voraussetzungen gerade dieses Zulassungsgrundes vorliegen. Es kann zur Unzulässigkeit eines Zulassungsantrags in seiner Gesamtheit führen, wenn es ein Zulassungsantragsteller nicht nur unterlässt, den jeweils geltend gemachten Zulassungsgrund ausdrücklich zu bezeichnen, sondern er darüber hinaus in seiner Antragsbegründung Darlegungen miteinander vermengt, die verschiedenen Zulassungsgründen zuzuordnen sind (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 04.09.2012 und 28.10.2008, a.a.O.).
Die Ausführungen des Klägers in seiner Antragsbegründungsschrift genügen diesen Anforderungen gerade noch. Der Kläger führt in seiner Antragsbegründungsschrift eingangs unter Ziffer 1) aus, dass die Berufung zuzulassen sei, da ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestünden, die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung sei und ein entscheidender Verfahrensmangel vorliege. Sodann unterlässt er es jedoch, nach den einzelnen Zulassungsgründen zu gliedern, sondern vermengt unter den Ziffern 2) bis 6) Darlegungen miteinander, die verschiedenen Zulassungsgründen zuzuordnen sind. Unter den Ziffern 2) und 3) versucht der Kläger mit dem Stichwort „materielle Prozessleitungspflicht“ offenbar im Kern das Vorliegen eines Verfahrensmangels darzulegen, macht aber unter Ziffer 3) zugleich Ausführungen zu seiner materiellen Rechtsauffassung, womit zugleich der Zulassungsgrund des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils tangiert wird. Unter Ziffer 4) macht der Kläger zunächst geltend, dass die Entscheidung auf dem von ihm geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen könne, und führt sodann aus, dass die Sache damit auch von grundsätzlicher Bedeutung sei. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die fehlerhafte Auffassung des Vorrangs der Verwaltungspraxis vor den zwingenden Freiheitsbestimmungen des Grundgesetzes zeige, dass die Angelegenheit grundsätzliche Bedeutung habe und dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestünden. Die Darlegungen unter den Ziffern 5) und 6) ordnet der Kläger keinem Zulassungsgrund ausdrücklich zu, will aber insoweit - unter Verweis auf die seiner Ansicht nach rechtsfehlerhafte Auffassung des Verwaltungsgerichts - offenbar ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend machen. Obwohl der Kläger es damit unterlässt, den einzelnen - von ihm eingangs unter Ziffer 1) aufgeführten - Zulassungsgründen diejenigen Elemente seiner Kritik an der erstinstanzlichen Entscheidung klar zuzuordnen, mit denen er das Vorliegen des jeweiligen Zulassungsgrundes darlegen möchte, stellt der Senat zugunsten des Klägers seine Bedenken an einer Zulässigkeit des Zulassungsantrages zurück, da jedenfalls in Grundzügen erkennbar ist, welche Darlegungen sich auf die einzelnen Zulassungsgründe beziehen sollen.
2.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt aber selbst dann erfolglos, wenn man zu seinen Gunsten Bedenken an der Zulässigkeit des Zulassungsantrags zurückstellt. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), liegen nicht vor oder sind vom Kläger bereits nicht ausreichend dargelegt worden.
a)
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts gewichtige Gründe sprechen, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein die Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 -, NVwZ 2011, 546, und vom 21.12.2009 - 1 BvR 812/09 -, NJW 2010, 1062). Für die Zulassung der Berufung genügt es aber nicht, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil des Verwaltungsgerichts gestützt ist. Vielmehr müssen zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung begründet sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542). Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substanziell mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 04.01.2012 - 5 LA 85/10 -, juris).
Das Verwaltungsgericht hat die auf Zulassung zu einem Qualifikationsnachweis für Lehrkräfte im Bereich der Gefahrgutschulungen für die Personalkategorie 6 gerichtete Klage des Klägers abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe die für eine Zulassung erforderlichen umfassenden Kenntnisse nicht nachgewiesen. Den vom Luftfahrt-Bundesamt in den Nachrichten für Luftfahrer (NfL) II 36/05 veröffentlichten und ergänzend kommentierten Schulungsanforderungen fehle es zwar an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage, sie seien aber im Hinblick auf die Untätigkeit des dazu berufenen Verordnungsgebers zur Vermeidung eines rechtlosen Zustandes vorübergehend weiter anzuwenden. Im Einzelnen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die vom Rat der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) genehmigten und veröffentlichten „Technischen Anweisungen für die sichere Beförderung gefährlicher Güter im Luftverkehr“ (ICAO T. I. - Doc. 9284-AN/905 -) zwar in Part 1 Chapter 4.3 Anforderungen an Lehrkräfte enthielten. Sie böten jedoch keine ausreichende Grundlage für die vom Luftfahrt-Bundesamt in den NfL II 36/05 veröffentlichten Schulungsanforderungen. Die Anforderungen des Luftfahrt-Bundesamtes gingen über die Vorgaben der ICAO T. I. hinaus und enthielten Berufszugangsschranken, die aus rechtsstaatlichen Gründen einer Regelung durch Gesetz oder Verordnung bedürften. Die „Schulungsanforderungen“ besäßen lediglich den Rechtscharakter einer Verwaltungsvorschrift. Regelungen in Verwaltungsvorschriften seien zulässig, wenn sie die im Gesetz oder in der Verordnung enthaltenen wesentlichen Vorgaben näher ausfüllten. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Zwar sei mit § 3 Abs. 1 Nr. 13 Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG) eine Ermächtigungsgrundlage vorhanden, die an die Lehrkräfte zu stellenden Anforderungen durch Verordnung zu regeln. Der Verordnungsgeber sei seiner Aufgabe bisher aber nur für die Bereiche Land, See und Schiene nachgekommen, nicht aber für den Bereich des Luftverkehrs. Dieses Defizit könne im Hinblick auf die im Luftverkehr möglichen Gefahren für hohe Rechtsgüter nicht dazu führen, dass wegen des Schweigens des Verordnungsgebers die als Verwaltungsvorschrift bekanntgemachte Regelung unwirksam wäre, mit der Folge, dass mangels rechtsstaatlicher Schranken allein aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Berufswahlfreiheit der Zugang zur Tätigkeit als Lehrkraft für Gefahrgutschulungen im Bereich des Luftverkehrs unbeschränkt zulässig würde oder mangels Rechtsgrundlage die Lehrtätigkeit bis zum Erlass einer Verordnung nicht mehr ausgeübt werden könnte. Vielmehr sei bis zum Erlass einer rechtskonformen Verordnung die seit dem Jahr 1998 bestehende Regelung des Luftfahrt-Bundesamtes in ihrer derzeitigen Fassung übergangsweise weiter anzuwenden. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass eine Verwaltungsvorschrift zur Ausfüllung einer Regelungslücke für eine Übergangszeit hinzunehmen sei, wenn nur auf diese Weise die sonst eintretende Funktionsunfähigkeit notwendiger Verwaltungstätigkeit vermieden werden könne, und wenn der in Rede stehende Eingriff - ungeachtet seines formellen Gesetzesmangels - der Sache nach zu billigen sei. Dies sei hier der Fall.
Aus dem hiergegen gerichteten Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Kläger sieht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts darin begründet, dass dieses die „Schulungsanforderungen“ mit einer „gesetzlichen Grundlage“ gleichgestellt habe. Dies sei eine Einladung an den Gesetz- und Verordnungsgeber, durch bewusste oder unbewusste Untätigkeit/Schweigen die Verfassungsgarantie der Art. 20, 28 Grundgesetz (GG) leer laufen zu lassen. Der Kern der Rechtsstaatsgarantie gemäß Art. 20, 28 GG finde im Urteil keine Erwähnung. Fehlerhaft vertrete das Verwaltungsgericht die Auffassung des Vorrangs der Verwaltungspraxis vor den zwingenden Freiheitsbestimmungen des Grundgesetzes. Aus dem Umstand, dass eine gesetzliche Grundlage nicht gegeben sei, folge eine Gesetzesfreiheit, d.h. ein Verstoß gegen eine gesetzliche Normierung sei nicht möglich. Das Verwaltungsgericht gebe aber einer seit mindestens 16 Jahren bestehenden, nicht auf einem Gesetz basierenden Verwaltungspraxis den Vorzug gegenüber der Verwirklichung der Freiheitsrechte im Grundrechtskatalog des Grundgesetzes. Es erwäge nicht, ob das 16-jährige Schweigen ein gewolltes Schweigen sei.
Nach diesen Darlegungen des Klägers sind keine Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet. Das Verwaltungsgericht ist zunächst - vom Kläger nicht gerügt - davon ausgegangen, dass die vom Luftfahrt-Bundesamt in den NfL II 36/05 veröffentlichten und ergänzend kommentierten Schulungsanforderungen nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehaltes genügen. Die von dem Verwaltungsgericht daran anknüpfende Feststellung, die Schulungsanforderungen seien gleichwohl im Hinblick auf die Untätigkeit des dazu berufenen Verordnungsgebers zur Vermeidung eines rechtlosen Zustandes vorübergehend weiter anzuwenden, begegnet auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens keinen durchgreifenden Bedenken. Deshalb kann auch dahinstehen, ob der Kläger auf der Grundlage seiner Gedankenführung das Verpflichtungsbegehren hätte darauf ausrichten müssen, die Beklagte zu verpflichten, ihn ohne Erfüllung der in den NfL II 36/05 unter Punkt 3 c) genannten Anforderungen als Lehrkraft für die Schulungen für die Personalkategorie 6 anzuerkennen (ggf. ob der Kläger richtigerweise ein Feststellungsbegehren hätte anbringen müssen).
Nach Punkt 3 c) der NfL II 36/05 „Beförderung von gefährlichen Gütern, Schulungsanforderungen an die betroffenen Personenkreise“ müssen Personen, welche Schulungen für die Personalkategorie 6 abhalten möchten, umfassende Kenntnisse auf dem Gebiet der Gefahrgutbeförderung u.a. im Luftverkehr nachweisen können und vor erstmaliger Durchführung bei der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde einen Qualifikationsnachweis in schriftlicher Form absolvieren, der spätestens vor Ablauf von fünf Jahren wiederholt werden muss. Das Luftfahrt-Bundesamt hat hierzu eine Kommentierung erlassen und diese auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Danach werden „umfassende Kenntnisse“ als gegeben gesehen, wenn der Nachweis über eine mindestens 12-wöchige Tätigkeit in den logistischen Abläufen des Luftverkehrs (Annahme, Kontrolle, Abfertigung, Verladung) erbracht werden kann.
Aus den Prinzipien des Rechtsstaats und der Demokratie sowie aus dem Zweck des Gesetzesvorbehalts in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, dass behördliche Maßnahmen, die in das Grundrecht der Berufsfreiheit eingreifen und sich als Zuteilung (oder Verweigerung) von bedeutsamen Berufschancen auswirken können, vom Gesetzgeber selbst zumindest in den Grundzügen geregelt werden müssen. Je empfindlicher die freie berufliche Betätigung des einzelnen und das Interesse der Allgemeinheit an der Art und Weise der Tätigkeit berührt werden, umso deutlicher muss das zulässige Maß des Eingriffs durch die gesetzliche Ermächtigung bestimmt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.05.1972 - 1 BvR 518/62, 1 BvR 308/64 -, BVerfGE 33, 125; BVerwG, Urteil vom 12.12.1972 - I C 30.69 -, BVerwGE 41, 261; Urteil vom 03.11.1976 - VII C 60.74 -, BVerwGE 51, 235). Das Verwaltungsgericht hat ausführlich - und von den Beteiligten nicht gerügt - dargelegt, dass diese Anforderungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt werden. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen Feststellungen zu zweifeln.
Jedoch ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass Verwaltungsvorschriften zur Ausfüllung einer Regelungslücke für eine Übergangszeit hinzunehmen sind, wenn nur auf diese Weise die sonst eintretende Funktionsunfähigkeit notwendiger Verwaltungstätigkeit vermieden werden kann, und wenn der in Rede stehende Einzeleingriff - ungeachtet seines formellen Gesetzesmangels - der Sache nach zu billigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.11.1976, a.a.O.; Urteil vom 27.11.1981 - 7 C 57.79 -, BVerwGE 64, 238; Urteil vom 12.09.2013 - 5 C 33.12 -, BVerwGE 148, 1; BVerfG, Urteil vom 14.03.1972 - 2 BvR 41/71 -, BVerfGE 33, 1), d.h. die jeweilige Regelung nicht aus anderen Gründen gegen höherrangiges Recht verstößt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.06.2008 - 2 C 2.07 -, BVerwGE 131, 234). In derartigen Fällen haben normkonkretisierende und normergänzende Verwaltungsvorschriften unmittelbare rechtliche Außenwirkung, weil sie zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Verwaltung die Funktion des „Übergangsrechts“ übernehmen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 02.02.2001 - 3 L 29/96 -, NVwZ 2002, 114, m. w. N.).
Im vorliegenden Fall ist die Anwendung der in den NfL II 36/05 niedergelegten und ergänzend kommentierten Schulungsanforderungen für die Beförderungen von gefährlichen Gütern zur Vermeidung einer sonst eintretenden Funktionsunfähigkeit notwendiger Verwaltungstätigkeit vorübergehend hinzunehmen. Solange das Gesetz selbst keine Kriterien für den Zugang zur Tätigkeit als Lehrkraft für Gefahrgutschulungen im Bereich des Luftverkehrs nennt, ist es für die Beklagte im Interesse ordnungsgemäßer Verwaltung unerlässlich, ein eigenes Zulassungssystem zu finden und danach zu verfahren. Denn wäre der Zugang zur Tätigkeit als Lehrkraft für entsprechende Gefahrgutschulungen unbeschränkt zulässig, wäre eine Gefährdung der Luftverkehrssicherheit - und in der Folge für besonders bedeutsame Rechtsgüter - durch unter Umständen nicht ausreichend qualifizierte Lehrkräfte zu besorgen. Dies gilt umso mehr, als Lehrkräfte der Personalkategorie 6 berechtigt sind, auch alle anderen Personalkategorien zu schulen, und ihre Zulassung daher eine Breitenwirkung entfaltet.
Dass in dem sensiblen Bereich der Luftverkehrssicherheit eine Zulassungsschranke für die Tätigkeit als Lehrkraft für Gefahrgutschulungen zwingend erforderlich ist, zeigt die Verordnung (EG) Nr. 859/2008 der Kommission vom 20. August 2008. Diese enthält Regelungen in Bezug auf gemeinsame technische Vorschriften und Verwaltungsverfahren für den gewerblichen Luftverkehr mit Flächenflugzeugen. Sie enthält in Anhang III Abschnitt R Regelungen zur Beförderung gefährlicher Güter im Luftverkehr. Nach OPS 1.1220 a) hat der Luftfahrtunternehmer gemäß den Gefahrgutvorschriften Schulungsprogramme für das Personal einzurichten und auf dem neuesten Stand zu halten. Diese bedürfen der Genehmigung durch die Luftfahrtbehörde. Der Begriff „Gefahrgutvorschriften“ wird in OPS 1.1150 a) Nr. 15 legaldefiniert. Danach versteht man unter „Gefahrgutvorschriften“ die vom Rat der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation genehmigte und veröffentlichte aktuell geltende Fassung der „Technischen Anweisungen für die sichere Beförderung gefährlicher Güter im Luftverkehr“ (ICAO-Dokument 9284-AN/905), einschließlich der zugehörigen Ergänzungen und Anhänge. Part 1 Chapter 4.3 der ICAO T. I., welche nicht in deutscher Sprache erhältlich sind, enthält seinerseits Regelungen für “Instructor Qualifications”. Unter 4.3.1 heißt es: „Unless otherwise provided for by the appropriate national authority, instructors of initial and recurrent dangerous goods training programmes must have adequate instructional skills and have successfully completed a dangerous goods training programme in the applicable category, or Category 6, prior to delivering such a dangerous goods training programme.”
Eine vergleichbare Forderung ergibt sich aus der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 der Kommission vom 05. Oktober 2012 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf den Flugbetrieb. Anhang V Teilabschnitt G regelt die Beförderung gefährlicher Güter. Um eine Genehmigung für die Beförderung gefährlicher Güter zu erhalten, ist der Betreiber nach SPA.DG.105 gemäß den Gefahrgutvorschriften gehalten, ein Schulungsprogramm für das beteiligte Personal zu erstellen und aufrechtzuerhalten und gegenüber der zuständigen Behörde nachzuweisen, dass das gesamte Personal eine angemessene Schulung erhalten hat. Der Begriff „Gefahrgutvorschriften“ wird in Anhang I Nr. 46 legaldefiniert. Es wird auf die ICAO T. I. und damit auch auf die dortigen Anforderungen an „Instructor Qualifications“ verwiesen.
Sowohl die Verordnung (EG) Nr. 859/2008 als auch die Verordnung (EU) Nr. 965/2012 machen mit ihrem Verweis auf die ICAO T. I. und die dort an Lehrkräfte für Gefahrgutschulungen gestellten Anforderungen deutlich, dass der Zugang zur Tätigkeit als Lehrkraft für Gefahrgutschulungen im Bereich des Luftverkehrs nicht unbeschränkt zulässig sein soll, sondern dass im Interesse der Luftverkehrssicherheit eine Zulassungsschranke erforderlich ist.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Zeitraum, in dem übergangsweise zur Verhinderung eines Vakuums die weitere Anwendung der Verwaltungsvorschriften - hier: der in den NfL II 36/05 niedergelegten und ergänzend kommentierten Schulungsanforderungen - hingenommen werden kann, noch nicht abgelaufen. Zwar weist der Kläger mit seiner Antragsbegründung zu Recht darauf hin, dass die Verwaltungspraxis der Beklagten seit mindestens 16 Jahren ohne gesetzliche Grundlage ausgeübt wird, während in diesem Zeitraum für die Bereiche Land, See und Schiene die Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB) erlassen wurde. Allerdings wurde dieses Regelungsdefizit - soweit ersichtlich - bislang nicht gerichtlich beanstandet. Ein Untätigbleiben des Gesetzgebers ist in einer solchen Konstellation erst dann zu beanstanden, wenn bereits eine Überprüfung durch ein oberstes Bundesgericht die Feststellung einer mit dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts unvereinbaren Rechtslage ergeben hat. Die verwaltungsgerichtliche Beanstandung eines Regelungsdefizits und die gerichtliche Bestimmung eines Übergangszeitraums kann sich aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in der Regel nur auf die im jeweiligen Verfahren beanstandete Normierungslücke beziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.09.2013, a.a.O.).
Schließlich ist der hier in Rede stehende Eingriff - ungeachtet seines formellen Gesetzesmangels - der Sache nach zu billigen. Das in den NfL II 36/05 niedergelegte und ergänzend kommentierte Erfordernis eines Nachweises „umfassender Kenntnisse auf dem Gebiet der Gefahrgutbeförderungen u.a. im Luftverkehr“ für die Zulassung zur Tätigkeit als Lehrkraft für Gefahrgutschulungen im Bereich des Luftverkehrs kann im Hinblick auf eine übergangsweise Fortgeltung auch inhaltlich nicht beanstandet werden. Diese Zulassungsvoraussetzung ist geeignet, notwendig und angemessen, um das Ziel zu erreichen, zur Gewährleistung der Luftverkehrssicherheit nur hinreichend qualifiziertes Personal zu einer Lehrtätigkeit für die Personalkategorie 6 zuzulassen. Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem Urteil vom 08. Oktober 2014 - Seiten 11 bis 13 - Bezug und macht sich diese zu Eigen. Die diesbezüglichen Ausführungen werden von dem Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung im Übrigen auch nicht angegriffen.
b)
Die Berufung kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache, wenn sie eine grundsätzliche, fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Das ist nur dann zu bejahen, wenn die Klärung der Frage durch die im erstrebten Berufungsverfahren zu erwartende Entscheidung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Fortentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Beschluss des Senats vom 19.10.2012 - 7 LA 146/11 -, NVwZ-RR 2013, 28). An der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn sie sich unschwer aus dem Gesetz oder auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantworten lässt (vgl. Beschluss des Senats vom 18.03.2013 - 7 LA 181/11 -, juris). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren (vgl. Beschluss des Senats vom 19.10.2012, a.a.O.) sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (vgl. Beschluss des Senats vom 18.03.2013, a.a.O.).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der hiesigen Rechtssache bereits nicht ausreichend dargelegt. Es fehlt schon an der Formulierung einer hinreichend konkreten, fallübergreifenden Rechts- oder Tatsachenfrage. Zwar macht der Kläger geltend, dass die Gleichsetzung der „Schulungsanforderungen“ mit „gesetzlichen Grundlagen“ eine unbekannte Vielzahl von weiteren Antragstellern in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Bereich des Gefahrguttransportes per Luftfracht treffe. Auch über diesen Bereich hinaus sei die erfolgte Gleichsetzung geradezu eine Einladung an den Gesetz- und Verordnungsgeber, durch bewusste oder unbewusste Untätigkeit/Schweigen die Verfassungsgarantie der Art. 20, 28 GG leer laufen zu lassen. Die fehlerhafte Auffassung des Vorrangs der Verwaltungspraxis vor den zwingenden Freiheitsbestimmungen des Grundgesetzes zeige, dass die Angelegenheit grundsätzliche Bedeutung habe. Damit formuliert der Kläger jedoch bereits keine - hinreichend konkrete - Frage. Im Übrigen ist die Frage der Möglichkeit der Anwendbarkeit von Vorschriften, die nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts genügen, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. dazu die obigen Ausführungen unter 2. a)).
c)
Die Berufung kann schließlich auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zugelassen werden. Ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel in der Form eines Gehörsverstoßes, auf dem die Entscheidung beruhen kann, liegt nicht vor.
Der Grundsatz rechtlichen Gehörs gebietet es, dass das Gericht seine Entscheidung nicht auf Gründe stützt, die weder im Verwaltungsverfahren noch im Prozess erörtert wurden und mit deren Erheblichkeit für die Entscheidung nach dem bisherigen Prozessverlauf auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht rechnen musste (Verbot von Überraschungsentscheidungen). Diese Gewährleistung verlangt jedoch grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 05.11.1986 - 1 BvR 706/85 -, NJW 1987, 1192, und vom 27.11.2008 - 2 BvR 1012/08 -, juris).
Der Kläger rügt, dass das Verwaltungsgericht die Beteiligten nicht rechtzeitig auf seine Rechtsauffassung hingewiesen habe, wonach es den in den NfL II 36/05 veröffentlichten Schulungsanforderungen zwar an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage fehle, diese aber im Hinblick auf die Untätigkeit des dazu berufenen Verordnungsgebers zur Vermeidung eines rechtlosen Zustands vorübergehend weiter anzuwenden seien. Die materielle Prozessleitungspflicht hätte es geboten, auf die beabsichtigte Gleichstellung der „Schulungsanforderungen“ mit einer „gesetzlichen Grundlage“ hinzuweisen. Im Falle eines entsprechenden Hinweises hätte er auf die Rechtsfehlerhaftigkeit dieser Rechtsanschauung hinweisen können mit der Folge einer Überarbeitung dieses Gesichtspunktes durch das Gericht.
Damit hat der Kläger einen Gehörsverstoß nicht geltend gemacht bzw. liegt ein solcher nicht vor. Der Kläger musste nach dem Prozessverlauf damit rechnen, dass das Verwaltungsgericht sich bei seiner Entscheidung mit der Frage auseinandersetzt, ob die in den NfL II 36/05 veröffentlichten und ergänzend kommentierten Schulungsanforderungen auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage beruhen. Die Frage der ausreichenden Rechtsgrundlage war Gegenstand der Schriftsätze der Beteiligten (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 20. Februar 2014, Schriftsätze des Klägers vom 08. April und 04. Juni 2014). Daran knüpft unmittelbar die Frage an, welche Konsequenzen aus dem Fehlen einer gesetzlichen Grundlage folgen. Auch diese Frage war bereits Gegenstand des Verfahrens (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 20. Februar 2014), so dass es dem Kläger unbenommen war, zu der Thematik umfassend vorzutragen. Es bestand jedoch keine Pflicht des Verwaltungsgerichts, vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in Verbindung mit Ziffer 26.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).