Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.06.2015, Az.: 11 OB 133/15

Amtshaftungsanspruch; Beschlagnahme; ordentlicher Rechtsweg; gemischtes Rechtsverhältnis; Rechtsweg; Rechtswegbeschwerde; Schadenersatzanspruch; Verwahrungsanspruch; öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis; Verwaltungsrechtsweg; Verwertung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.06.2015
Aktenzeichen
11 OB 133/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45285
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 15.05.2015 - AZ: 6 A 222/12

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Von der Sonderzuweisungsregelung des § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 VwGO werden auch die aus einem öffentlich rechtlichen Verwahrungsverhältnis entstehenden Ansprüche auf Rückgabe, Schadenersatz oder Aufwendungsersatz umfasst.

2. Ein Zahlungsanspruch auf Ersatz wegen der Verwertung beschlagnahmter Tiere unter Wert ist daher vor den Zivilgerichten geltend zu machen.

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 6. Kammer - vom 15. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die (weitere) Beschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Zahlung von 15.996,77 EUR nebst Zinsen wegen der aus seiner Sicht unter Wert erfolgten Verwertung beschlagnahmter Rinder.

Durch bestandskräftige Verfügung vom 22. Dezember 2009 stellte der Beklagte am selben Tage gemäß § 16a TierSchG aufgrund tierschutzwidriger Zustände im Wege der Ersatzvornahme 28 Rinder und Kühe aus dem Bestand des Klägers sicher und führte sie einer Verwertung im Wege der Veräußerung an Dritte zu. Diese Verwertung ergab einen Betrag in Höhe von 9.069,56 EUR. Abzüglich der entstandenen Gebühren und sonstigen Kosten kehrte der Beklagte an den Kläger einen Betrag in Höhe von 7.426,90 EUR aus.

Der Kläger hat am 30. Dezember 2012 bei dem Verwaltungsgericht Osnabrück Klage erhoben mit dem Ziel der Auskehrung eines weiteren Betrages in Höhe von 15.996,77 EUR. Zur Begründung hat er ausgeführt, die beschlagnahmten Tiere seien in einem guten gesundheitlichen Zustand gewesen, sodass der Beklagte bei ordnungsgemäßer Amtswaltung einen Verkaufserlös von mindestens 25.228 EUR erzielt hätte. Sein Anspruch stütze sich mithin auf eine Pflichtverletzung des Beklagten aus dem von diesem begründeten öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis.

Das Verwaltungsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit dem angefochtenen Beschluss den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Osnabrück verwiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass nach allen für das Klagebegehren in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sei. Die Zuständigkeit des Landgerichts ergebe sich aus der Höhe des klägerischen Anspruchs.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit zu Recht an das Landgericht Osnabrück verwiesen. Dies folgt aus der gegenüber der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel des § 40 Abs. 1 VwGO spezielleren und mithin abdrängenden Zuweisung an die Zivilgerichte gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 VwGO. Hiernach ist für Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung der ordentliche Rechtsweg gegeben. Im vorliegenden Fall war durch die Sicherstellung der Tiere des Klägers durch den Beklagten ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis begründet worden. Nach Beendigung dieses Verwahrungsverhältnisses durch - wie hier - Verwertung der sichergestellten Sachen wandelt sich der ursprüngliche Herausgabeanspruch des Berechtigten in einen Anspruch auf Herausgabe des Verwertungserlöses abzüglich etwaiger Aufwendungen und Kosten der handelnden Behörde um. Unerheblich in diesem Zusammenhang ist, ob dieser Zahlungsanspruch ein umgewandelter Herausgabeanspruch, ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch oder ein sonstiger Schadenersatzanspruch (etwa in analoger Anwendung der §§ 280 Abs. 1, 688 BGB) ist. Der Sache nach handelt es sich - im Übrigen auch nach Ansicht des Klägers - in allen Alternativen um einen Anspruch aus einer öffentlich-rechtlichen Verwahrung. Die genannte Sonderzuweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 VwGO stellt bewusst nicht auf die genaue dogmatische Einordnung des Anspruchs, sondern auf das dem geltend gemachten Anspruch zugrunde liegende Rechtsverhältnis ab (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 2.2.2010 - 11 OB 452/09 -, juris, Rdnr. 7 m. w. N.). Hierdurch soll eine Verdoppelung des Rechtswegs infolge des Zusammentreffens zwischen Verwahrungs- und Amtshaftungsansprüchen vermieden werden (vgl. hierzu OLG Saarbrücken, Urt. v. 10.7.2012 - 4 U 143/11 -, AbfallR 2012, 247, juris, Rdnr. 50 m. w. N.). Deshalb werden von der Sonderregelung des § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 VwGO auch die aus dem öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis entstehenden Ansprüche auf Rückgabe, Schadenersatz oder Aufwendungsersatz umfasst (VG Neustadt, Beschl. v. 11.11.2013 - 4 K 847/13.NW -, juris, Rdnr. 9 m. w. N.).

Der Beschwerdeeinwand des Klägers, wegen der öffentlich-rechtlichen Natur des Verwahrungsverhältnisses sei unter dem Gesichtspunkt des § 17 Abs. 2 GVG der Verwaltungsrechtsweg gegeben, greift nicht durch. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Bei einem gemischten Rechtsverhältnis, d. h. in dem Fall, in dem ein prozessualer Anspruch bei identischem Lebenssachverhalt auf mehrere materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt werden kann, ist daher das zuerst angerufene Gericht insgesamt zuständig, sofern seine Zuständigkeit nur für zumindest einen Klagegrund gegeben ist. Dabei genügt es, dass die rechtswegbegründende Norm möglicherweise anwendbar ist. Dies gilt nur ausnahmsweise dann nicht, wenn die in Betracht kommende Rechtsgrundlage, für die der Rechtsweg tatsächlich eröffnet ist, bei Zugrundelegung des vorgetragenen Sachverhalts offensichtlich unter keinen Umständen einschlägig sein kann (OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 10.10.2012 - 16 E 1324/11 -, DVBl. 2013, 131, juris, Rdnr. 31 ff., und VG Neustadt, Beschl. v. 11.11.2013 - 4 K 847/13.NW -, juris, Rdnr. 11, jeweils m. w. N.). Eine weitere Ausnahme besteht - neben anderen hier nicht interessierenden Fallgruppen (vgl. zu einigen etwa Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 40, Rdnr. 589, 590 und 595) - aufgrund der Regelung in Art. 34 Satz 3 GG und § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG für Amtshaftungsansprüche, für die von Verfassungs wegen der ordentliche Rechtsweg vorgegeben ist, sodass den Verwaltungsgerichten die Prüfung derartiger Ansprüche verwehrt ist. Gleiches gilt für geltend gemachte Ansprüche, die eine besondere Sachnähe zu einem Amtshaftungsanspruch haben (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 30.4.2002 - BVerwG 4 B 72.01 -, juris). Im vorliegenden Fall ist der Verwaltungsrechtsweg nach keiner der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen gegeben.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus der vom Kläger in seiner Beschwerdeschrift angeführten Rechtsprechung. Im Fall des vom Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts mit Urteil vom 19.8.1993 (- Bf VII 3/93 -, juris) entschiedenen Rechtsstreit ging es um die Heranziehung eines Halters zu den Kosten des im Wege der Ersatzvornahme vorgenommenen Abschleppens eines verbotswidrig geparkten Kraftfahrzeuges, wobei ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis gerade nicht begründet worden war (vgl. hierzu Rdnr. 24 ff. der genannten Entscheidung bei juris). Im Fall der vom Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 13. September 2013 (- 10 K 333.10 -, juris) entschiedenen Sache stützte der dortige Kläger seinen mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch auf Übertragung von zertifizierten Emissionsreduktionseinheiten und Emissionsberechtigungen vorrangig auf einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch als eigenständigen Anspruch des öffentlichen Rechts, für den nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Berlin der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Somit hatte das Verwaltungsgericht als zuerst angerufenes Gericht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG und trotz der Regelung in § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO über alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen einschließlich des hilfsweise geltend gemachten Schadenersatzanspruchs aus öffentlich-rechtlichem Benutzungsverhältnis zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, da die Vorschrift des § 17 b Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach im Fall der Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen Gericht als Teil der Kosten bei dem Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde, behandelt werden, auf die Kosten eines Beschwerdeverfahrens nicht angewandt werden kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.9.2009 - 2 B 69/09 -; Bayerischer VGH, Beschl. v. 5.11.2009 - 10 C 09.2122 - jeweils juris, m. w. N.).

Gründe für die Zulassung der Beschwerde nach § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG sind nicht gegeben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG).