Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.04.2000, Az.: 11 L 1040/00
Ausnahme Regelausweisung; besonderer Ausweisungsschutz; zwingend Ausweisung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.04.2000
- Aktenzeichen
- 11 L 1040/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41553
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - AZ: 7 A 2748/99
Rechtsgrundlagen
- § 47 Abs 1 AuslG
- § 47 Abs 3 S 1 AuslG
- § 48 Abs 1 AuslG
- § 48 Abs 1 S 1 AuslG
Gründe
Der Kläger sieht die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig an, ob dann, wenn "kumuliert erhöhter Ausweisungsschutz" nach § 48 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 AuslG vorliege, dies zu einer anderen Bewertung des Regel-Ausnahmeverhältnisses nach § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG führe.
Diese Frage ist schon nach dem Wortlaut der §§ 48 Abs. 1 und 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG zu verneinen. Denn der nach § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG gewährte Ausweisungsschutz wird nicht dann nochmals erhöht, wenn mehrere Ausweisungsschutzgründe vorliegen. Die nach § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG erforderlichen schwerwiegenden Gründe für eine Ausweisung des Ausländers liegen nach Satz 2 dieser Vorschrift in den Fällen des § 47 Abs. 1 AuslG in der Regel unabhängig davon vor, ob der Ausweisungsschutz nach Satz 1 durch einen oder mehrere der dort genannten Gründe erfüllt ist. Ebenso knüpft § 47 Abs.3 Satz 1 AuslG lediglich daran an, dass der Ausländer erhöhten Ausweisungsschutz nach § 48 Abs.1 AuslG genießt.
Der Kläger hält ferner die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob "unter Berücksichtigung der Prüfung der Ausnahme mit Rücksicht auf besondere Umstände der Tat, der besonderen persönlichen Verhältnisse beim Täter, allen spezial- und generalpräventiven Überlegungen sowie aller Umstände, die in eine Ermessensentscheidung nach § 45 AuslG einzubeziehen sind, gegebenenfalls eine Doppelverwertung erfolgen" müsse.
Insoweit genügt der Zulassungsantrag bereits nicht den Darlegungserfordernissen nach § 124 a Abs. 1 VwGO, da die als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Frage nicht hinreichend klar und nachvollziehbar bezeichnet wird, insbesondere ist unklar, was der Kläger mit "Doppelverwertung" meint.
Selbst wenn zugunsten des Klägers angenommen wird, dass er es für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob eine "Doppelverwertung" in dem Sinne notwendig sei, dass die mehrere Fälle (Nr. 2 und Nr. 4) des § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG begründenden persönlichen Verhältnisse des Klägers nochmals bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Ausnahme von der Regel der §§ 48 Abs. 1 Satz 2 und 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG zu berücksichtigen seien, so ergibt sich auch daraus keine grundsätzliche Bedeutung der Sache. Denn diese Frage ist, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf, dahingehend zu beantworten, dass die in § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG genannten Ausweisungsschutzgründe gerade den besonderen Ausweisungsschutz nach dieser Vorschrift bewirken, so dass eine Ausnahme von der genannten Regel nur dann in Betracht kommt, wenn die persönliche Situation des Ausländers über den Normalfall hinaus besonders schützenswert ist (GK-AuslR, Stand: Dezember 1999, § 48 AuslG Rdnrn. 42 u. 39). Das ist hier vom Verwaltungsgericht nach Prüfung der besonderen Umstände des Falles des Klägers verneint worden.
Sofern der Kläger jedoch allgemein die Frage des Prüfungsumfanges bei der Prüfung der Frage, ob eine Ausnahme von der genannten Regel insbesondere beim doppelten Vorliegen von Ausweisungsschutzgründen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG gerechtfertigt ist, für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, so kann auch diese Frage beantwortet werden, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf. Denn bei der Prüfung, ob eine Ausnahme von der genannten Regel vorliegt, sind alle vom Regelfall abweichenden Besonderheiten umfassend zu berücksichtigen, wobei es unerheblich ist, ob ein Fall oder mehrere Fälle des § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG erfüllt sind. Welche Besonderheiten insofern in Betracht kommen, kann nicht allgemein beantwortet werden, sondern ist vielmehr der Klärung im Einzelfall vorbehalten.
Schließlich hält der Kläger "die Abwägungskriterien bei lediglich generalpräventiven Gründen für die Ausweisung im Verhältnis zu besonderen persönlichen und familiären Umständen bei dem Beschwerdeführer" für grundsätzlich klärungsbedürftig. Sofern der Kläger damit ausdrücken will, dass eine Abwägung zwischen den in §§ 48 Abs. 1 Satz 2, 47 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 47 Abs. 1 AuslG zum Ausdruck gekommenen "lediglich generalpräventiven Gründen für die Ausweisung" und den "besonderen persönlichen und familiären Umständen" des Klägers zu erfolgen habe und grundsätzlich klärungsbedürftig sei, welche Kriterien bei einer solchen Abwägungsentscheidung anzulegen seien, so ist diese Frage dahin gehend zu beantworten, dass ein solche Abwägung im Falle des § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG, der im Unterschied zu Satz 2 dieser Vorschrift keine Ermessensentscheidung eröffnet, nicht stattfindet. Da in diesem Falle die Ausweisung "in der Regel" zu erfolgen hat, ist lediglich zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise ein Abweichen hiervon rechtfertigen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass in den Fällen des § 47 Abs. 1 AuslG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung regelmäßig deshalb bestehen, weil das öffentliche Interesse an der Erhaltung von Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers ein deutliches Übergewicht hat (GK-AuslR, a.a.O., § 48 AuslG Rdnr. 36).