Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.04.2000, Az.: 9 M 2373/99

Außenbereich; Außenbereichsgrundstück; Erdgasspeicher; Grundstücksfläche; Kanalbaubeitrag; Kommunalabgabe; kommunale Einrichtung; leitungsgebundene Einrichtung; Planfeststellung; Vorteil; öffentliche Einrichtung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.04.2000
Aktenzeichen
9 M 2373/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41970
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 12.01.1999 - AZ: 1 B 31/98

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Im Kanalbaubeitragsrecht ist bei Grundstücken im Außenbereich, für die durch eine Planfeststellung oder einen ähnlichen Verwaltungsakt eine der baulichen Nutzung vergleichbare Nutzung zugelassen ist, nur die Teilfläche des Grundstücks als beitragsfähig anzusehen, die nach der rechtsverbindlichen Fachplanung in einer für das öffentliche Kanalnetz abwasserrelevanten Weise genutzt werden darf (hier: bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan für Erdgas-Untergrundspeicher).

Gründe

1

Die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Der Senat tritt der Beurteilung des Verwaltungsgerichts bei, dass an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Kanalbaubeitragsbescheides in Höhe von 454.036,- DM ernstliche Zweifel bestehen.

2

Die Antragstellerin betreibt auf ihrem im Außenbereich der Gemeinde ... gelegenen Grundstück mit einer betrieblich genutzten Fläche von insgesamt 82.552 m2 nach Maßgabe eines am 17. Dezember 1994 zugelassenen bergrechtlichen Rahmenbetriebsplanes und diesen konkretisierender Sonderbetriebspläne einen Erdgas-Untergrundspeicher. Auf dem Grundstück befinden sich oberirdisch ein Werkstattgebäude mit einer Grundfläche von 431, 25 m2, ein Betriebsgebäude mit einer Grundfläche von 689, 60 m2 sowie zahlreiche technische bauliche Anlagen, die die Ein- und Ausspeisung von Erdgas in die unterirdischen Speicherformationen ermöglichen. Nach Anschluss des Betriebsgrundstücks an die öffentliche Abwasserentsorgung zog die Antragsgegnerin die Antragstellerin hierfür zu einem Abwasserbeitrag von 454.036, -- DM heran, wobei sie als beitragswirksam die tatsächliche Nutzungsfläche von 82.552 m2 in Ansatz brachte. Dabei stützte sie sich auf § 4 Abs. 1 ihrer Abwasserbeseitigungsabgabensatzung vom 28. November 1994. Bei der Ermittlung des nutzungsbezogenen Flächenbeitrags für die Schmutzwasserbeseitigung werden nach dessen Ziff. 1 -- in anderen als Kerngebieten -- für das erste Vollgeschoss 100% und für jedes weitere Vollgeschoss 60% der Grundstücksfläche in Ansatz gebracht. Gemäß Abs. 1 Ziff. 2 lit. h) gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken im Außenbereich (§ 35 BauGB), für die durch Planfeststellung, bergrechtlichen Betriebsplan oder diesen ähnliche Verwaltungsakte eine der baulichen Nutzung vergleichbare Nutzung zugelassen ist (z.B. Abfalldeponie, Untergrundspeicher pp.), die Fläche des Grundstücks, auf die sich die Planfeststellung, der Betriebsplan oder der diesen ähnliche Verwaltungsakt bezieht. In § 4 Abs. 1 Ziff. 3 lit. i) ist ergänzend bestimmt, dass bei diesen Grundstücken bezogen auf die Fläche nach Ziff. 2 lit. h) ein Vollgeschoss angesetzt wird.

3

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass dieser Beitragsmaßstab wegen seiner Unvereinbarkeit mit dem Gebot des § 6 Abs. 5 Satz 1 NKAG, die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen, nichtig ist, weil für die Beitragsbemessung die volle Grundstücksfläche maßgebend sein soll, obgleich die Schmutzwasserbeseitigung unstreitig nicht den durch den Rahmenbetriebsplan zugelassenen Erdgasspeicher, sondern nur einen ganz geringen Teil des Grundstücks betrifft. Dem erstinstanzlichen Gericht ist ferner zuzustimmen, dass sich die angefochtene Beitragserhebung auch nicht teilweise aufrechterhalten lässt, da die Ungültigkeit der nichtigen Regelung zur Unwirksamkeit auch des nach der Satzung kalkulierten und in deren § 5 für die Schmutzwasserbeseitigung festgesetzten Beitragssatzes von 5,50 DM/qm führt.

4

Durch die Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 24.5.1989 -- 9 L 1/89 --, Nds. Rpfl. 1990, 15 = NVwZ 1990, 590 = KStZ 1990, 59) ist geklärt, dass bebauten Grundstücken im Außenbereich durch den Anschluss an die öffentliche Kanalisation ein die Beitragserhebung rechtfertigender Vorteil nur hinsichtlich des Teils des Grundstücks vermittelt wird, der den tatsächlich angeschlossenen Baulichkeiten zuzuordnen ist. Denn während im Innenbereich grundsätzlich das ganze Buchgrundstück zum Bauland gehört und der Vorteil der Anschlussnahmemöglichkeit sich daher auf das gesamte Grundstück bezieht, beschränkt sich der Vorteil leitungsgebundener Einrichtungen für bebaute Grundstücke im Außenbereich von vornherein auf diese Teilfläche, weil das angeschlossene Grundstück kein Bauland ist, d.h. typischer Weise einer Bebauung nicht zugänglich ist. Dieser Grundsatz für die Bestimmung der bevorteilten Fläche eines bebauten, an die öffentliche Kanalisation angeschlossenen Grundstücks im Außenbereich muss auch dann Anwendung finden, wenn für das Außenbereichsgrundstück durch einen bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan (z.B. Erdgasspeicher), durch einen Planfeststellungsbeschluss (z.B. Abfalldeponie, Kiesgrube) oder einen ähnlichen fachplanerischen Verwaltungsakt eine bauliche oder sonstige beitragsrechtlich relevante Nutzung zugelassen worden ist. Der auf der Kommentierung von Klausing (in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: Januar 2000, § 8 RdNr. 1034a) beruhenden Auffassung der Antragsgegnerin, Grundstücke im Außenbereich, bei denen die Nutzung planfestgestellt ist, seien hinsichtlich der Bestimmung der durch den Anschluss an die öffentliche Schmutzwasseranlage bevorteilten Grundstücksfläche wie Grundstücke im Innenbereich zu behandeln, es sei also auf die Gesamtfläche des Grundstücks abzustellen, für die eine Planfeststellung erfolgt ist, folgt der Senat nicht. Zwar ist der Antragsgegnerin dahingehend zuzustimmen, dass sich aus der Zulassung des im Außenbereich verwirklichten Vorhabens durch einen Rahmenbetriebsplan oder einen Planfeststellungsbeschluss für das betroffene Grundstück eine gewisse Baulandqualität ergibt, doch ist diese hier -- anders als im Innenbereich -- im Hinblick auf den die Erhebung eines Kanalbaubeitrags rechtfertigenden Vorteil der Anschlussnahme grundsätzlich von vornherein auf Teilflächen beschränkt, weil im Rahmenbetriebsplan bzw. im Planfeststellungsbeschluss bestimmt ist, wo auf dem Grundstück eine für das öffentliche Kanalnetz abwasserrelevante Nutzung stattfinden darf. So gelangen bei einer planfestgestellten Abfalldeponie mit eigener Sickerwasserbehandlung von den Einlagerungsflächen keine Abwässer in das öffentliche Leitungsnetz, so dass dem weitaus größten Teil der Deponiefläche durch den Anschluss an die Kanalisation kein beitragsrelevanter Vorteil vermittelt wird. Die von der Antragstellerin vorgelegten genehmigten Planunterlagen des Erdgasspeichers ("Gesamtübersicht Unterflursummenplan Teil I bis Teil III und Oberflächenbefestigung") belegen, dass auch hier nur ein ganz geringer Teil der betrieblichen Nutzfläche in einer für den öffentlichen Schmutzwasserkanal relevanten Weise genutzt werden darf. Hiernach -- und nach den unbestrittenen Angaben der Antragstellerin -- sind offenbar nur das Werkstattgebäude und das Betriebsgebäude an die öffentliche Schmutzwasserentsorgung angeschlossen, während im Übrigen kein Abwasser anfällt bzw. anfallendes Abwasser (Lagerstättenwasser und Schmutzwasser) intern entsorgt wird. Dieser Situation wird die Antragsgegnerin Rechnung zu tragen haben, wenn sie die wegen der Nichtigkeit des § 4 Abs. 1 Ziff. 2 lit h) ihrer Abwasserbeseitigungsabgabensatzung entstehende Lücke des Beitragsmaßstabes rückwirkend ändert. Zwar trifft es zu, dass bei Gewerbegrundstücken im Innenbereich hinsichtlich der bevorteilten Grundstücksfläche keine Abzüge für Grundstücksteile vorgenommen werden, auf denen kein Abwasser anfällt. Doch ist dies die Konsequenz daraus, dass -- wie eingangs dargestellt -- auch bei Gewerbegrundstücken im Innenbereich grundsätzlich die gesamte Grundstücksfläche einer abwasserrelevanten Nutzung zugeführt werden darf. Eine solche Nutzung ist beim Grundstück der Antragstellerin indes nur nach Maßgabe der Festsetzungen im Rahmenbetriebsplan und zusätzlich ergangener Sonderbetriebspläne zulässig; bei anderen durch fachplanerische Entscheidung zugelassenen Vorhaben im Außenbereich richtet sich die für das öffentliche Abwasserbeseitigungssystem relevante zulässige Nutzung nach dem Inhalt von Planfeststellungsbeschluss und Planunterlagen. Bei der Wahl eines neuen Maßstabes für die in § 4 Abs. 1 Ziff. 2 lit h) ihrer Abwasserbeseitigungsabgabensatzung aufgeführten Grundstücke ist die Antragsgegnerin deshalb nach § 6 Abs. 5 Satz 1 NKAG rechtlich verpflichtet, als beitragspflichtige Grundstücksfläche nur die Teilfläche jener Grundstücke zu bestimmen, die planungsrechtlich, d.h. hier nach der rechtsverbindlichen Fachplanung (Rahmenbetriebsplan und Sonderbetriebspläne bzw. Planfeststellungsbeschluss), in einer -- bezogen auf das öffentliche Kanalnetz -- abwasserrelevanten Weise genutzt werden darf.