Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.04.2000, Az.: 9 M 4297/99

Beitrag; Erschließung; Erschließungsanlage; Erschließungsbeitrag; Erschließungsvertrag; Halbteilungsgrundsatz; Stichweg

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.04.2000
Aktenzeichen
9 M 4297/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 42025
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 09.08.1999 - AZ: 4 B 3039/99

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Wird die Teilstrecke einer Anbaustraße auf der Grundlage eines Erschließungsvertrages ausgebaut, so kann dies die getrennte Abrechnung dieser Teilstrecke rechtfertigen.
2. Bei einer einseitig ausbaubaren Straße können - bei sonst angemessener Fahrbahnbreite - die Ausbaukosten für eine straßenbegleitende Grünanlage nur teilweise beitragsfähig sein (zum sog. Halbteilungsgrundatz).

Gründe

1

Die Antragsteller wenden sich gegen die Erschließungsbeitragsbescheide der Antragsgegnerin in Höhe von 40.406,44 DM bzw. 25.021,39 DM. Ihre beiden Grundstücke sind nach der Abrechnung der Antragsgegnerin die beiden einzigen beitragspflichtigen Grundstücke; südlich der Erschließungsanlage grenzen landwirtschaftlich genutzte Grundstücke im Außenbereich (§ 35 BauGB) an. Die Erschließung eines nördlich abzweigenden Stichweges mit einer Länge von ca. 73 m wird - mit anderen Erschließungsanlagen - in einem Erschließungsvertrag der Antragsgegnerin mit einer Wohn-Bau GmbH geregelt. Die ohne den abzweigenden Stichweg abgerechnete Straße wird von diesem Erschließungsvertrag nicht erfasst.

2

Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller im Wesentlichen mit der Begründung angeordnet, dass es sich bei dem Stichweg im Verhältnis zur abgerechneten Straße um eine unselbständige Erschließungsanlage handeln dürfte. Beide Straßen müssten zusammen abgerechnet werden. Der Senat hat gegen diese Beschlüsse nach Verbindung der Sachen die Beschwerde wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit zugelassen.

3

Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts haben bei der im Rahmen des § 80 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen summarischen Prüfung im Wesentlichen keinen Bestand. Nach dem derzeitigen Sachstand steht der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller zu 1. eine Erschließungsbeitragsforderung in Höhe von 37.072,56 DM und gegen den Antragsteller zu 2. in Höhe von 22.955,33 DM zu. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Beitragsforderungen (beim Antragsteller zu 1) weitere 3.333,88 DM, beim Antragsteller zu 2. weitere 2.066,06 DM) ist dagegen die aufschiebende Wirkung anzuordnen.

4

Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung folgen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsforderungen der Antragsgegnerin zunächst daraus, dass die Antragsgegnerin den Erschließungsaufwand für die abgerechnete Straße auf die beiden Antragsteller verteilt hat. Zutreffend hat die Antragsgegnerin allein die abgerechnete Teilstrecke dieser Straße als eine der Abrechnung zugängliche Erschließungsanlage i.S.d. §§ 127 ff. BauGB angesehen, und zwar ohne den nördlich abzweigenden und in einen Wendehammer auslaufenden Stichweg. Schließen nämlich zwei Straßenzüge aneinander, bei denen das erschließungsrechtliche Schicksal der einen Straße durch einen Erschließungsvertrag geregelt und bei denen das der anderen Straße den Regeln der §§ 127 ff. BauGB unterworfen ist, so liegt an ihrer Schnittstelle sogleich die Grenze der zugrunde zu legenden rechtlichen Vorgaben. Diese Erwägung greift grundsätzlich auch dann, wenn die Schnittstelle im Verlauf einer Erschließungsanlage liegt, die bei der sonst gebotenen natürlichen Betrachtungsweise als eine einheitliche - und damit auch einheitlich abzurechnende - Erschließungsanlage erscheint (vgl. dazu im Einzelnen OVG Münster, Urt. v. 24.11.1998 - 3 A 706/91 -, NWVBl 1999, 262). Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die abgerechnete Straße und der nördlich abzweigende (unselbständige) Stichweg als eine Erschließungsanlage anzusehen und daher der gesamte Aufwand für beide Straßenzüge auf die durch diese Erschließungsanlage bevorteilten Grundstücke (neu) zu verteilen ist, ist vor diesem Hintergrund nicht zu folgen. Dafür, dass hier von einer willkürlich von der Antragsgegnerin vorgenommenen Differenzierung auszugehen ist, liegen keine Anhaltspunkte vor. Dies gilt auch für die Einbeziehung des "Wendehammers" im Einmündungsbereich zu dem Stichweg. Der Wendehammer ist bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise des unbefangenen Beobachters Teil der abgerechneten Straße. Dass die Widmung der Straße auf eine Länge von 86 m erweitert worden ist, widerspricht nicht dieser Bewertung, sondern bestätigt sie nur. Vor diesem rechtlichen Hintergrund begegnen der - alleinigen - Heranziehung der Antragsteller für die Erschließung der abgerechneten Straße keine rechtlichen Bedenken. Insbesondere schlägt ihre Erwägung nicht durch, dass sämtliche Erschließungsanlagen innerhalb des Plangebietes des Bebauungsplanes Nr. 414 und damit auch die abgerechnete Straße, einheitlich abzurechnen seien.

5

Ernstliche Zweifel bestehen aber bei summarischer Prüfung hinsichtlich der Höhe der Beitragsforderungen der Antragsgegnerin. Der Senat hat im Zulassungsverfahren den Gesichtspunkt der Teilung der Ausbaukosten vor dem Hintergrund angesprochen, dass südlich der abgerechneten Straße landwirtschaftlich genutzte Grundstücke liegen und dieser Bereich nicht vom Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 414 erfasst wird. Die Rechtsprechung hat in derartigen Fällen einer einseitigen Bebaubarkeit den Gedanken entwickelt, dass die Kosten außer Betracht bleiben müssen, die gewissermaßen "der anderen Straßenseite zustehen" (BVerwG, Urt. v. 26.5.1989 - 8 C 6.88 - DVBl. 1989, 1205 = BVerwGE 82, 102). Die Antragsgegnerin hat dazu im Beschwerdeverfahren einen Ausbauplan vorgelegt, der einen Ausbau der im Bebauungsplan Nr. 414 mit einer Breite von ca. 9 m festgesetzten Straße in Form einer Mischfläche vorsieht. Nach den Angaben der Antragsteller ist die tatsächlich ausgebaute Breite der Straße insgesamt 9,40 m. Der verkehrsberuhigt ausgebaute befahrbare Teil der Straße ist dabei aber nicht in voller Breite ausgebaut worden, sondern geht bis auf eine Breite von 3 m zurück. Angesichts dieser Breite der Fahrbahn verbietet sich eine Halbierung der Kosten hinsichtlich dieser Teileinrichtung ohne Weiteres, da eine weitere Verengung der Fahrbahn aus verkehrstechnischer Sicht nicht hinnehmbar wäre. Die abgerechnete Straße ist allerdings in erheblichen Teilen als Grünfläche hergestellt worden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Kosten für die Bepflanzung (5.104,61 DM) und die für die Erdarbeiten (6.460,36 DM) nicht anteilig "der anderen Straßenseite zustehen" bzw. die für diese Teileinrichtung aufgewendeten Kosten sich nicht auf das beschränken, was zur Erschließung der anbaubaren Straßenseite "schlechthin unentbehrlich" ist (vgl. zu diesem letztgenannten Begriff BVerwG, Urt. v. 26.5.1989, aaO, unter Hinweis auf Urt. v. 29.4.1977 - IV C 1.75 -, DVBl. 1978, 298 = BVerwGE 52, 364). Bedenken gegen die Abrechnungsfähigkeit dieser Kosten bestehen zwar zunächst nicht insoweit, als es sich um die Kosten für die Anlegung des nördlichen Teils des an die Fahrbahn anschließenden Grünstreifens handelt. Dieser Streifen ist lediglich 1,90 m breit. Der Aufwand für die dort angepflanzten Stieleichen und Büsche einschließlich der Erdarbeiten gehören zu den Kosten, die eine Gemeinde - auch unter angemessener Berücksichtigung der Tatsache der nur einseitigen Erschließung - für geboten halten darf. Ernstliche Zweifel bestehen aber hinsichtlich der Kosten für die südliche Seite des Grünstreifens. Dieser Bereich ist teilweise 4,50 m, teilweise 2,50 m breit. Der Grünstreifen ist zusätzlich mit vier Stieleichen bepflanzt. Insoweit liegen handfeste Anhaltspunkte dafür vor, dass die dafür aufgewandten Kosten der nicht bebaubaren Straßenseite zuzuordnen sind. Diese Kosten sind nach den vorliegenden Abrechnungsunterlagen nicht spezifizierbar. Der Senat nimmt insoweit eine Kostenschätzung vor, die er mit etwa der Hälfte der für die Bepflanzung und die Erdarbeiten angesetzten Kosten, also mit 6,000,-DM, bemisst. Daraus folgt eine reduzierte Beitragsforderung der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller zu 1. in Höhe von 37.072,56 DM und gegen den Antragsteller zu 2. in Höhe von 22.955,33 DM.