Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.04.2000, Az.: 1 K 5239/98

Abwägung; Bebauungsplan; Erschließung; Normenkontrollantrag; Normenkontrolle; Normenkontrollverfahren

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.04.2000
Aktenzeichen
1 K 5239/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 42091
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Gemeinde verletzt das Abwägungsgebot, wenn sie im Rahmen der vergleichenden Prüfung von Alternativen zur Erschließung eines Baugebiets die Vorzugswürdigkeit einer Zufahrtsvariante gegenüber der festgesetzten Lösung verkennt.
2. Die Gemeinde verkürzt die Lösungssuche in abwägungsfehlerhafter Weise, wenn sie eine Zufahrtsvariante nur deshalb nicht weiter verfolgt, weil ein von dem Bebauungsplan betroffener Grundstückseigentümer nicht bereit ist, Flächen für die Erschließung des Baugebiets abzugeben, obwohl er von dem Plan profitiert, in dem bisherige Außenbereichsflächen zu Bauland aufgewertet werden.

Tatbestand:

1

Die Antragsteller begehren die Feststellung der Nichtigkeit des Bebauungsplanes W-701 der Antragsgegnerin. Sie befürchten unzumutbare Verkehrsimmissionen durch eine in Nachbarschaft zu ihrem Grundstück festgesetzte Erschließungsstraße.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer des mit einem Winkelbungalow bebauten Grundstücks Sweg ..., das im Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplanes liegt. Die Gartenterrasse des Grundstücks befindet sich - vom Sweg abgewandt - im südwestlichen Teil des winkelförmig angeordneten Gebäudekörpers.

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Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 19. Dezember 1994 eine Abrundungssatzung Nr. 5 nach § 34 BauGB, deren Geltungsbereich mit Ausnahme der unmittelbar südlich des S-weges gelegenen Flurstücke mit dem Plangebiet des Bebauungsplanes deckungsgleich war. Wie in dem hier angegriffenen Bebauungsplan war die Erschließung vom Sweg her vorgesehen.

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Auf die Normenkontrolle der Antragsteller (6 K 3319/95) setzte der 6. Senat des Gerichts mit Beschluss vom 7. Juni 1995 (6 M 3320/95) die Satzung der Antragsgegnerin bis zur Entscheidung über die Normenkontrolle außer Vollzug. Zur Begründung führte der 6. Senat aus: Die Abwägung sei fehlerhaft, weil die Antragsgegnerin bei der Trassenwahl für eine neue Straße vom Sweg nach Westen trotz entsprechender Bedenken der Antragsteller nicht ermittelt habe, wie sich eine Zufahrt zwischen den Häusern Sweg ... und ... auf die dortigen Wohnbereiche auswirken könnte, obwohl dort keine schutzwürdigen Bäume wie zwischen den Häusern Sweg ... und ... sowie ... und ... gefährdet seien.

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Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 17. Juni 1997, den Bebauungsplan aufzustellen. Die Antragsteller machten im Auslegungsverfahren unter dem 26. Januar 1998 Anregungen und Bedenken geltend.

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Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 19. Mai 1998 den Bebauungsplan W- 701 als Satzung und wies zugleich die Anregungen und Bedenken der Anlieger, zu denen auch die Antragsteller gehörten, zurück. Daneben beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Aufhebung der Satzung Nr. 5. Nach Bekanntmachung des Bebauungsplanes am 3. Juli 1998 haben die Beteiligten die Normenkontrolle 6 K 3319/95 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 24. Juli 1998 eingestellt.

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Das Plangebiet des Bebauungsplans wird im Norden durch den Sommerweg und im Osten durch den Sweg begrenzt. Am Sweg sind die Grundstücke im Plangebiet bis zur westlichen Grenze des Bebauungsplans, die dort auf das unbebaute Flurstück ... und südlich davon auf das Flurstück ... stößt, mit Wohnhäusern bebaut. Auch die Grundstücke am Sweg im Plangebiet sind mit einer Ausnahme mit Wohngebäuden bebaut. Lediglich am südlichen Rand des Bebauungsplanes ist ein Flurstück unbebaut. Der Geltungsbereich erfasst daneben bisher unbebaute Flächen südlich der vorhandenen Wohnhäuser am Sweg und westlich der Wohnbebauung am Sweg. Als Art der Nutzung wird im Plangebiet reines Wohngebiet festgesetzt. Zur verkehrsmäßigen Erschließung der Hinterliegergrundstücke in zweiter und dritter Reihe am Sweg werden entlang der westlichen Plangrenze und zwischen den Grundstücken Sweg ... und dem Eckgrundstück Sweg ... Geh-, Fahr- und Leitungsrechte festgesetzt, im letzteren Fall in einer Breite von 3 m und einer Länge von 50 m. Für die Erschließung der bisher unbebauten Flächen westlich der Grundstücke Sweg ... wird eine öffentliche Verkehrsfläche (Erschließungsstraße) festgesetzt. Die Stichstraße verläuft auf dem südlich des Flurstücks der Antragsteller gelegenen Grundstück Sweg ... vom Sweg in Richtung Westen. Nach rund 60 m knickt sie nach Süden ab und endet in einem Wendehammer. In der westlichen Verlängerung der Stichstraße wird bis zur westlichen Plangebietsgrenze ein Fuß- und Radweg festgesetzt. Zwischen der südlichen Grenze des Grundstücks der Antragsteller und der Erschließungsstraße wird eine 2 bis 5 m breite Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft festgesetzt.

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In der Begründung zu dem Bebauungsplan wird zur Erschließung ausgeführt: Der geplanten Zufahrt zwischen den Grundstücken Sweg ... sei der Vorzug gegenüber den beiden anderen geprüften Varianten zu geben. Eine Erschließung über eine Zuwegung zwischen den Grundstücken Sweg ... gefährde zwei alte Eichen mit einem Stammdurchmesser von jeweils 60 bis 70 cm, deren Kronendurchmesser von 12 m im Fahrbahnbereich liege. Hinsichtlich der denkbaren Variante einer Zufahrt zwischen den Grundstücken Sweg ... sei - bezogen auf den Gartenbereich des Grundstückes Sweg ... - gegenüber den Gartenflächen der Antragsteller kein erheblicher Unterschied zu erkennen. Das Grundstück der Antragsteller verfüge bereits über eine optische Grüntrennung zur geplanten Erschließung durch eine vorhandene Buchenhecke. Diese Grüntrennung werde durch die Festsetzung von Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft zusätzlich verdichtet und gesichert. Die für eine Anlegung der Zufahrt benötigten Flächen des Grundstücks Sweg ... stelle dessen Eigentümer nicht zur Verfügung. Aufgrund der Eigentumsverhältnisse sei auch nicht die Festsetzung einer Fläche als optische Grüntrennung möglich. Eine Zufahrt zwischen den Gebäuden Sweg ... sei auch aus wasserwirtschaftlichen Gründen, insbesondere wegen der Höhen- bzw. Gefälleverhältnisse und des vorhandenen Kanalsystems im Sweg zu favorisieren.

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Der Normenkontrollantrag hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

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.... Der Bebauungsplan verletzt das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 6 BauGB. Nach dieser Vorschrift sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und die privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Abwägung ergeben sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 (-IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301, 309). Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine sachgerechte Abwägung muss überhaupt stattfinden. In diese muss eingestellt werden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Dabei darf die Bedeutung der betroffenen privaten Belange nicht verkannt und muss der Ausgleich zwischen den von der Planung betroffenen öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen werden, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Diesen Anforderungen genügt der angegriffene Bebauungsplan nicht.

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Ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot kann darin liegen, dass die planende Gemeinde eine von der Sache her naheliegende alternative Erschließungslösung verworfen hat, durch die die mit der Planung angestrebten Ziele unter geringeren Opfern an entgegenstehenden öffentlichen und privaten Belangen hätten verwirklicht werden können (vgl. zur Planfeststellung: BVerwG, Urt. vom 22.3.1985 - 4 C 15.83 -, BRS 44, Nr. 2 = BVerwGE 71, 163). Verkennt die Gemeinde infolge einer Fehlgewichtung der (objektiv) betroffenen öffentlichen und privaten Belange die Vorzugswürdigkeit eines anderen Standorts, handelt sie rechtswidrig; dabei wird nicht vorausgesetzt, dass sich der Gemeinde ein anderer Standort als "offensichtlich" besser geeignet aufdrängen musste (vgl. zur Planfeststellung: BVerwG, Urt. v. 5.12.1986 - 4 C 13.85 -, BVerwGE 75, 214, 237). Nach diesen Maßstäben hat die Antragsgegnerin von den beiden sich ernsthaft als Alternativlösungen für eine Zufahrt zu dem neuen Baugebiet westlich des S-wegs anbietenden Varianten zwischen den Grundstücken Sweg ... und von Norden her zwischen dem Grundstück Sweg ... und Sweg ... (in Verlängerung des festgesetzten Geh-, Fahr- und Leitungsrechts) nur die erstgenannte Trasse in die Abwägung überhaupt einbezogen. In der vergleichenden Prüfung der festgesetzten Erschließung zwischen dem Grundstück der Antragsteller und dem Grundstück ... einerseits und der als Alternativtrasse in den Blick genommenen Zufahrtsvariante S-weg 70 und 74 verkennt die Antragsgegnerin die Vorzugswürdigkeit des letztgenannten Standorts, weil sie die von den beiden Alternativen berührten öffentlichen und privaten Belange nicht mit der ihnen jeweils objektiv zukommenden Bedeutung in die Abwägung einstellt. Diese Fehlgewichtung schlägt auf das Abwägungsergebnis durch.

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Die von der Antragsgegnerin erkannten privaten Belange der Antragsteller bestehen darin, von den Verkehrsimmissionen, die durch die an ihrem Grundstück vorbei führende Erschließungsstraße ausgelöst werden, verschont zu bleiben. Ihr mit einem Winkelbungalow bebautes Grundstück grenzt an die Zufahrtsstraße an, lediglich getrennt durch einen 2 m bis 5 m breiten Streifen, der als Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft in dem Bebauungsplan festgesetzt wird. Der Wohnbereich ihres Hauses, der Wintergarten und auch der Gartenbereich sind nach Südwesten zu der zukünftigen Erschließungsstraße ausgerichtet. Der Gartenbereich bietet lediglich Sichtschutz gegenüber der festgesetzten Trasse durch Bäume, Hecken und Rhododendron-Pflanzungen auf dem Grundstück der Antragsteller. Den Lärmimmissionen durch Zu- und Abfahrtsverkehr ist der Wohn- und Gartenbereich der Antragsteller ungeschützt ausgesetzt. Das Interesse der Antragsteller daran, die bisher bestehende Wohnsituation beizubehalten, wird durch die Planung der Antragsgegnerin in unzumutbarer Weise zurückgesetzt.

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Im Rahmen der vergleichenden Prüfung zwischen der festgesetzten Erschließungslösung und der Zufahrtsvariante zwischen den Grundstücken ... kommt den von der Antragsgegnerin für ihre Planung angeführten Belange nicht das von ihr beigemessene Gewicht zu. Der von der Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung zugunsten einer Erschließung entlang des Grundstücks der Antragsteller bezeichnete Belang, der Eigentümer des Grundstücks ... sei nicht bereit, den für die Anlegung der Straße an dieser Stelle benötigten Grundstücksstreifen von 6 m an der südlichen Grundstücksgrenze zu verkaufen, ist nicht tragfähig. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragsteller sind die Wohngrundstücke S ... im Eigentum einer Familie, also auch die rückwärtigen Flächen der beiden Flurstücke 320/49 und 380/49, die in erheblichem Umfang als Bauflächen festgesetzt werden. Das Eigentum dieser Familie erstreckt sich nach den Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung auch auf das südlich gelegene Flurstück 871/49, das ebenfalls als reines Wohngebiet festgesetzt wird. Der Eigentümer des Grundstücks S und seine Familie profitieren also in erheblicher Weise von den Festsetzungen des Bebauungsplans, in dem bisherige Außenbereichsflächen zu Bauland aufgewertet werden. Weder das private Interesse dieser von der Planung begünstigten Anlieger noch das öffentliche Interesse an der Ausweisung von Wohnbauflächen rechtfertigen es in einem solchen Fall, dass die Antragsgegnerin die Prüfung einer Zufahrtsalternative zwischen den Grundstücken S allein wegen der Weigerung des Eigentümers des Grundstücks S, Flächen für eine Erschließung abzugeben, nicht weiter verfolgt. Die Rücksicht auf die mangelnde Verkaufsbereitschaft eines Planbetroffenen ist kein Planungsgrundsatz. Es fehlt der städtebauliche Bezug, der jeder Bauleitplanung zugrunde liegen muss. Dem Planbetroffenen, der aus den Festsetzungen des Bebauungsplans Vorteile zieht, ist es jedenfalls im Grundsatz zumutbar, im Vergleich zu anderen Planbetroffenen höhere Lasten zu übernehmen. Mit ihrer Erwägung, der von den Festsetzungen des Bebauungsplans profitierende Eigentümer des Grundstücks S weigere sich, Flächen für eine Erschließung zur Verfügung zu stellen, verkürzt die Antragsgegnerin die weitere Lösungssuche in abwägungsfehlerhafter Weise.

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Auch die weitere Begründung der Antragsgegnerin, aus entwässerungstechnischer Sicht sei der festgesetzten Lösung ebenfalls der Vorzug zu geben, unterliegt Abwägungsmängeln. Zu diesem Gesichtspunkt wird in der Begründung zu dem Bebauungsplan unter Ziffer 3.4 (Erschließung) ausgeführt, dass wegen der Höhen- bzw. Gefälleverhältnisse und wegen des vorhandenen Kanalsystems im S der Anschluss der Entwässerungskanäle nur innerhalb der Trasse zwischen den Grundstücken S verlegt werden könne. Bei Erstellung des Regenwasserkanals und des Schmutzwasserkanals in Höhe der Gebäude S lägen wegen des Kanalgefälles die Sohlen höher, so dass eine nicht mehr vertretbare Baugeländeaufhöhung erforderlich sei. Bei Festsetzung der Zufahrt zwischen den Gebäuden S könnte zudem auf eine weitere Erschließung für die schweren Spülfahrzeuge zur Reinigung des Regenwasserkanals verzichtet werden. Diese Begründung rechtfertigt gegenüber den widerstreitenden Belangen der Antragsteller nicht die Bevorzugung der festgesetzten Variante.

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Entwässerungstechnische Hindernisse stehen einer Herstellung der beiden erforderlichen Entwässerungskanäle im Straßengrund einer Zufahrt zwischen den Grundstücken S nicht entgegen. Die Antragsgegnerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass eine solche Lösung ohne zusätzliche, kostenaufwendige und reparaturanfällige Vorrichtungen, wie z.B. Hebeanlagen, umgesetzt werden könnte. Nach der ergänzenden Antragserwiderung der Antragsgegnerin vom 9. März 2000 muss das Baugebiet westlich des S allerdings im Vergleich zu einer Erschließungslösung, die an dem Grundstück der Antragsteller vorbei führt, für den Schmutzwasserkanal um 0,26 m und für den Regenwasserkanal um 0,17 m aufgehöht werden, weil das Gelände im Plangebiet von Nordwesten nach Südosten ansteigt und der S-weg am Einmündungsbereich der festgesetzten Straßenzufahrt tiefer liegt (Terrain = 6,00 m) als auf Höhe der Grundstücke S (Terrain = 6,32 m). Diese Erschwernis hat die Antragsgegnerin jedoch fehlerhaft gewichtet.

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Sie hat verkannt, dass selbst bei Verwirklichung der im Bebauungsplan festgesetzten Erschließung zwischen den Grundstücken S im gesamten Baugebiet erhebliche Erdarbeiten notwendig sind, um die erforderliche Höhe für den Anschluss an das Kanalsystem im S zu erhalten. Nach der Erläuterung in der ergänzenden Antragserwiderung vom 9. März 2000 muss das Baugelände schon jetzt um rd. 0,80 m aufgefüllt werden, damit das bestehende Gefälle zu dem vorhandenen Kanal im S auf Höhe der Grundstücke ... und ... überwunden werden kann. Die Antragsgegnerin geht davon aus, dass bei der Alternativlösung das Erdreich um weitere 0,20 m im Mittel aufzuhöhen ist. Im Vergleich der nach den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bewegenden Erdmassen fällt die weitere Erhöhung der Geländeoberfläche um 20 cm weder aus arbeitstechnischen noch aus finanziellen Gründen ins Gewicht. Zusätzliche neue Arbeitsgänge fallen nicht an, weil auch für die festgesetzte Erschließung Erdmassen in erheblichem Umfang heran transportiert und verteilt werden müssen. Die Aufwendungen für den zusätzlich benötigten Boden und damit die Mehrkosten insgesamt hat die Antragsgegnerin im Termin zur mündlichen Verhandlung mit 20.000,- DM (20,- DM pro qm) beziffert. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin wird durch einen solchen Mehrbetrag nicht die Schwelle zur Unzumutbarkeit überschritten. Schon nach dem eigenen planerischen Konzept der Antragsgegnerin sind Aufwendungen von 80.000,- DM allein für die Geländeerhöhung erforderlich, einmal unterstellt, die Preisangaben für den zu beschaffenden Boden sind realistisch. Die weiteren Kosten fallen demgegenüber nicht erheblich ins Gewicht. Der Mehrbetrag, der von der Antragsgegnerin zu tragen ist, wird gering sein, weil die öffentlichen Verkehrsflächen nur einen Bruchteil der Erhöhungsfläche ausmachen. Der größere Teil des Mehrbetrags wird auf die Eigentümer der Bauflächen entfallen. Wie bereits ausgeführt, profitieren diese wegen der Umwandlung der Außenbereichsflächen in Bauland in erheblichem Maße von den Festsetzungen des Bebauungsplans, so dass die durch die weitere Erhöhung der Flächen anfallenden Mehrkosten hinnehmbar erscheinen.

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Auch die weitere Erwägung der Antragsgegnerin in der Begründung zu dem Bebauungsplan, wegen des Einsatzes von Spülfahrzeugen zur Reinigung des Regenwasserkanals sei eine getrennte Herstellung von beiden Kanalsystemen zu vermeiden, rechtfertigt nicht die Festsetzung der Zufahrt auf Höhe der Grundstücke ... und .... Eine Zusammenlegung beider Kanäle und die Gewährleistung einer gemeinsamen Unterhaltung auf einer Erschließungsstraße wird durch die Alternativtrasse zwischen den Grundstücken ... nicht in Frage gestellt. Danach bestehen zwischen der festgesetzten Erschließung und der Zufahrtsvariante aus entwässerungstechnischen Gründen keine ins Gewicht fallenden Unterschiede.

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Auch im Verhältnis der Antragsteller als Eigentümer des Grundstücks S zu dem Eigentümer des Grundstücks S, an dessen nördlicher Grenze die alternative Erschließung verliefe, wird die Abwägung der Antragsgegnerin nicht dem objektiven Gewicht der berührten Interessen gerecht. Wie bereits dargestellt, ist der Wohn- und Gartenbereich der Antragsteller nach Südwesten zu der festgesetzten Erschließungsstraße ausgerichtet, während die Terrasse des Wohngrundstücks S nach Südwesten orientiert, von der Erschließungsalternative abgewandt und durch den nach Westen heraus gebauten Winkel des Wohngebäudes vor Lärmeinwirkungen geschützt ist. Die von der Antragsgegnerin zugunsten der von ihr festgesetzten Lösung angeführte optische Grüntrennung auf dem Grundstück der Antragsteller bietet für diese gegenüber dem Eigentümer des Grundstücks S keinen Vorteil. Dieser benötigt eine optische Grüntrennung nicht, weil seine Terrasse wegen des Winkels des Wohnhauses von der Zufahrtsalternative nicht eingesehen werden kann. Außerdem hat er im rückwärtigen Bereich teilweise eine Hecke zu dem Nachbargrundstück S angelegt. Der von der Antragsgegnerin südlich des Grundstücks der Antragsteller festgesetzte Schutzstreifen für naturschutzrechtliche Maßnahmen bietet diesen keinen Vorteil, weil die optische Grüntrennung bereits besteht, andererseits aber etwaige Anpflanzungen nicht geeignet sind, Lärmeinwirkungen abzuwehren.

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Schließlich besteht die Gefahr, dass die im Grenzbereich des Grundstücks der Antragsteller zu dem Nachbargrundstück ... stehenden Buchen bei Anlage der Erschließungsstraße nicht unwesentlich in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Nach den Feststellungen des Senats im Rahmen der Augenscheinseinnahme im Termin zur mündlichen Verhandlung stehen dort mehrere ältere Bäume, deren Kronenbereiche in den als Zufahrt in Aussicht genommenen Grundstücksstreifen hineinragen. Solche schützenswerte Bäume stehen im Zufahrtsbereich der Grundstücke ... nicht. Hinzu kommt, dass dort bereits eine Zufahrt zum rückwärtigen Gelände besteht, die für eine Erschließungsstraße lediglich etwas verbreitert werden müsste.

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Aufgrund dieser dargestellten Fehlgewichtung gelangt die Antragsgegnerin zu einem Abwägungsergebnis, das den berührten Belangen nicht gerecht wird. Sie setzt die Interessen der Antragsteller an der Beibehaltung ihrer Wohnruhe zugunsten von Belangen zurück, denen nicht das ihnen von der Antragsgegnerin beigemessene Gewicht zukommt. Im Rahmen der gebotenen Bilanzierung der gegenläufigen Belange ist das Abwägungsergebnis unverhältnismäßig. Die Weigerung des Eigentümers des Grundstücks ..., Grundstücksflächen abzugeben, rechtfertigt nicht die Ausblendung dieser Lösungsvariante. Aus entwässerungstechnischen Gründen bestehen zwischen den beiden Alternativen keine ins Gewicht fallenden Unterschiede. Bei Abwägung der weiteren beteiligten Interessen, namentlich auch der Belange des Eigentümers des Grundstücks S, erscheint die Variante einer Zufahrt zwischen den Grundstücken S gegenüber der festgesetzten Lösung vorzugswürdig, so dass den Antragstellern mit der Festsetzung ein unzumutbares Opfer abverlangt wird. Da die Mängel das "Grundgerüst" der Abwägung betreffen, scheidet eine Nachbesserung nach § 215 a BauGB aus (BVerwG, Beschl. v. 10.11.1998 - 4 BN 45.98 -, NVwZ 1999, 420).

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Die Antragsgegnerin hat daneben auch abwägungsfehlerhaft die weitere Alternativtrasse vom Norden her zwischen den Grundstücken S und S nicht in den Blick genommen. Diese Variante ist nicht von vornherein ungeeignet. Nach den von dem Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung festgestellten örtlichen Verhältnissen ist nicht ausgeschlossen, dass das Flurstück ..., für das ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht festgesetzt wird, benachbarte Flächen und in Verlängerung des Flurstücks ... Teile des Flurstücks ... bzw. das Flurstück ... als Erschließungsstraße auch für die weiter südlich gelegenen Baugrundstücke in Betracht kommen. Die von der Antragsgegnerin angeführte Weigerung der Grundstückseigentümer, für eine solche Erschließungsvariante Flächen zur Verfügung zu stellen, ist nicht ein im Rahmen der Bauleitplanung berücksichtigungsfähiger Belang. Die Eigentümer der Flächen, die für die Anlage einer Erschließungsstraße in Betracht kommen, profitieren von den Festsetzungen des Bebauungsplans, weil die bisher unbebauten Flächen durch den Bebauungsplan zu Bauland aufgewertet werden. Die Eigentümerin des Grundstücks S ist zugleich Eigentümerin des sich südlich anschließenden unbebauten Flurstücks ... und Miteigentümerin des bebauten Eckgrundstücks S (Flurstück ...). Die weiteren Eigentümer des Grundstücks S sind ebenfalls Eigentümer des südlich davon gelegenen unbebauten Flurstücks 978/49. Der rückwärtige Bereich des Flurstücks ... steht im Eigentum des Eigentümers des Wohngrundstücks S. Für diese Eigentümer gilt das oben zu dem Eigentümer des Grundstücks S Gesagte. Sie profitieren von den Festsetzungen des Bebauungsplans, so dass ihnen eher als den Antragstellern ein "Sonderopfer" zuzumuten ist.

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Entwässerungstechnische Gründe stehen einer Erschließungslösung von Norden her über den Sweg nicht entgegen. Die Antragsgegnerin hat eingeräumt, dass das Gefälle vom Sweg her ausreicht, um die Grundstücke des neuen Baugebiets durch einen Regenwasser- und Schmutzwasserkanal an das vorhandene Kanalsystem im Sweg anzuschließen. Bei dieser Sachlage hätte die Antragsgegnerin nicht von vornherein diese Variante bei ihrer Abwägung ausblenden dürfen. Zweifelhaft ist, ob sie auch auf der Ebene des Abwägungsergebnisses vorzugswürdig wäre. Dagegen könnte sprechen, dass im Einmündungsbereich zum Sommerweg ein aus naturschutzrechtlichen Gründen erhaltenswerter Baum, eine ältere Eiche, steht. Einer abschließenden Bewertung bedarf es hier aber aus den vorstehenden Gründen nicht.