Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.03.2024, Az.: 1 KN 142/22

Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan wegen möglicher Beeinträchtigungen ihres benachbarten Wohnhauses durch das im Plan festgesetzte Gewerbe- und Industriegebiet

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.03.2024
Aktenzeichen
1 KN 142/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 18952
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0307.1KN142.22.00

Amtlicher Leitsatz

Eine Gliederung mehrerer Gewerbegebiete im Verhältnis zueinander nach § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO setzt voraus, diese Gebiete textlich oder zeichnerisch konkret zu bezeichnen. Der pauschale Hinweis, im Gemeindegebiet oder einem Teil davon gebe es mehrere unbeschränkte Gewerbegebiete, genügt nicht.

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin am 28. Juni 2021 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 131 "Sannum - Gewerbegebiet Sannumer Straße Nord" ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller je zur Hälfte; ihre eigenen Kosten tragen sie jeweils selbst.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. 131 "Sannum - Gewerbegebiet Sannumer Straße Nord" der Antragsgegnerin, da sie Beeinträchtigungen ihres benachbarten Wohnhauses durch das im Plan festgesetzte Gewerbe- und Industriegebiet fürchten.

Das ca. 6,82 ha große, bislang landwirtschaftlich genutzte Plangebiet liegt im Norden des Ortsteils L. der Antragsgegnerin. Seine Ostgrenze bildet die in nördlicher Richtung aus der Ortslage herausführende Sannumer Straße. Nördlich und westlich schließen sich landwirtschaftliche Flächen an, südlich das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück C-Straße ... und südlich von diesem ein ausgenutztes Gewerbegebiet. Östlich der Sannumer Straße, dem Plangebiet gegenüber, liegen Grün- und Ackerflächen sowie straßennah in erheblichem Abstand zueinander zwei Wohngrundstücke; an dem südlichen, C-Straße ..., haben die Antragsteller hälftiges Miteigentum sowie Sondereigentum an der nach Westen, zur Straße gelegenen Wohneinheit.

Die Beigeladene ist Großhändlerin für biologisch erzeugte Produkte mit Liefergebiet im nordwestdeutschen Raum. Ihr Betriebsstandort liegt bisher ca. 1,3 km westlich des Plangebiets, nordwestlich des Ortskerns von L.. Da dort eine Erweiterung des wachsenden Betriebes nicht möglich ist, möchte die Antragsgegnerin der Beigeladenen eine Entwicklungsperspektive in räumlicher Nähe zum Altstandort eröffnen; dem dient die streitgegenständliche Planung. Das Planaufstellungsverfahren verlief wie folgt:

Am 6. Juni 2019 fasste der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss. Die frühzeitige Bürger- und Behördenbeteiligung fand im Juni/Juli 2020 statt. Vom 15. März bis zum 15. April 2021 fand die Öffentlichkeitsbeteiligung, parallel dazu die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange statt. In dem Planentwurf, der Gegenstand dieser Beteiligungsverfahren war, lautete die textliche Festsetzung Nr. 4.2:

"Die in der Planzeichnung mit der Ziffer (II) gekennzeichnete Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB) ist zu einem Laubmischwald mit einer von innen nach außen abgestuften Waldrandstruktur zu entwickeln. Hierfür sind Buchen (Fagus sylvatica) und Stiel-Eichen (Quercus robur) in Gruppen als gemischter Hauptbestand (ca. 6.000 Pflanzen/ha, Buche 70-80%, Stieleiche 20-30%, leichte Heister, 2 x verpflanzt) in Kultur zu bringen, wobei alle im Nordosten vorhandenen einheimischen Laubgehölze zu erhalten sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 25b BauGB).

In einem mindestens 5 m breiten Streifen entlang der Bestandsränder sind Sträucher oder Gehölze in kleinen Gruppen von 3-6 Stück einer Art im Verband und reihenübergreifend in einem gleichmäßigen Abstand zu pflanzen. [...]"

Am 28. Juni 2021 entschied der Rat der Antragsgegnerin über die eingegangenen Stellungnahmen und fasste den Satzungsbeschluss. Nach Ausfertigung des Plans durch den Bürgermeister am 29. Juni 2021 machte die Antragsgegnerin den Satzungsbeschluss in der Nordwest-Zeitung vom 17. Dezember 2021 öffentlich bekannt.

Im Großteil des Plangebiets werden Baugebiete festgesetzt, ein Industriegebiet im Norden und ein kleineres Gewerbegebiet im Süden. Die in Industrie- bzw. Gewerbegebieten nach der BauNVO ausnahmsweise zulässigen Nutzungen sind ausgeschlossen, ebenso Anlagen zum Halten und zur Schlachtung von Tieren sowie Störfallbetriebe. Sowohl das Industrie-, als auch das Gewerbegebiet sind mit Lärmemissionskontingenten belegt, 65 dB(A) tags/60 dB(A) nachts im Industriegebiet und 61 dB(A) tags/46 dB(A) nachts im Gewerbegebiet. Diese Kontingente sind für das Industriegebiet um Zusatzkontingente von 0 bis 9 dB(A) für Emissionen in bestimmten Richtungssektoren ergänzt. Die Grundflächenzahl beträgt 0,8, die maximale Anlagenhöhe 11 m. Am Südrand des Gebiets ist eine Fläche für ein Regenrückhaltebecken vorgesehen. Entlang der Nord- und Westgrenze (Maßnahmenfläche I) sowie in einem im Norden des Plangebiets gelegenen Dreieck (Maßnahmenfläche II), dessen Nordosten bisher ebenso wie die nördlich angrenzende Verkehrsfläche ein Gehölz aufwies, sind Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft festgesetzt. Zur Maßnahmenfläche II regelt die textliche Festsetzung Nr. 4.2 in ihrer Endfassung:

"Die in der Planzeichnung mit der Ziffer (II) gekennzeichnete Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB) ist zu einem mehrschichtigen Laubmischwald mit einer von innen nach außen abgestuften Waldrandstruktur zu entwickeln.

Hierbei sind die Stieleiche (Quercus robur) als führende Baumart sowie Rotbuche (Fagus sylvatica), Hainbuche (Carpinus betulus) und Birke (Betula pendula) als Begleitbaumarten zu verwenden. Die Bäume sind als leichte Heister (2 x verpflanzt) in Gruppen als gemischter Hauptbestand (ca. 5.000 Pflanzen/ha, Stieleiche 70-90%, bis 20% Rotbuche und bis 10% sonstige Laubhölzer) in Kultur zu bringen, wobei alle im Nordosten vorhandenen einheimischen Laubgehölze zu erhalten sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 25b BauGB).

Die Waldränder sind aus klein- bis mittelwüchsigen und großwüchsigen Sträuchern oder Gehölzen in kleinen Gruppen von 3-6 Stück einer Art im Verband und reihenübergreifend in einem gleichmäßigen Abstand anzupflanzen. Dabei sind der südliche Waldrand in einer Breite von mind. 20 m und der nördliche Waldrand in einer Breite von mind. 5 m anzulegen. [...]"

Die Erschließung soll über eine als Straßenverkehrsfläche festgesetzte Straße erfolgen, die an der Nordspitze des Plangebiets von der Sannumer Straße abzweigt, entlang der Nord- und Westgrenze des Plangebiets verläuft und an der Südwestecke des Industriegebiets in einem Wendehammer endet. Der an das eigentliche Plangebiet angrenzende Abschnitt der Sannumer Straße ist in den Plan einbezogen und ebenfalls als Straßenverkehrsfläche festgesetzt. Die Baugrenzen beider Baugebiete halten 20 m Abstand zur Sannumer Straße, 5 m zur Maßnahmenfläche II und 3 m zur Erschließungsstraße sowie zum Regenrückhaltebecken.

Die Antragsteller haben am 15. Dezember 2022 den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung tragen sie vor, sie seien antragsbefugt, da sie als Plannachbarn abwägungserheblichem Lärm ausgesetzt seien. Ihr Antrag sei auch begründet, denn der Bebauungsplan sei unwirksam. Wesentliche Unterlagen hätten nicht öffentlich ausgelegen, der Planentwurf sei ohne erneute Öffentlichkeitsbeteiligung wesentlich geändert worden. Es habe vorzugswürdige Standortalternativen gegeben. Das Zentrale-Orte-Prinzip als Ziel der Raumordnung werde verletzt. Der Bebauungsplan und der ihm zugrundeliegende Flächennutzungsplan seien mangels Einbeziehung des Antragstellergrundstücks abwägungsfehlerhaft zugeschnitten. Die Lärmkontingentierung sowie weitere Festsetzungen hielten sich nicht im Rahmen der einschlägigen Rechtsgrundlage. Die Planung verletze straßenrechtliche Vorgaben. Vor Planaufstellung hätte ein Landschaftsplan erstellt werden müssen. Die Umweltbelange - Fauna, Schadstoffeinwirkungen auf benachbarte Schutzgebiete, Auswirkungen der Niederschlagswasserableitung - seien nicht hinreichend ermittelt, Waldbelange als Grundsätze der Raumordnung seien unzureichend abgewogen, die Festsetzung eines Lärmschutzwalls sei fehlerhaft abgelehnt worden. Lärmschutzbelange der Anwohner seien falsch ermittelt und gewichtet worden. Die im Plangebiet vorhandenen Plaggeneschböden seien in der Eingriffs-/Ausgleichsbilanzierung zu gering veranschlagt worden. Die Planung beachte nicht hinreichend den Klimaschutz. Einwendungen der Antragsteller aus dem Verfahren der frühzeitigen Bürgerbeteiligung, auf die diese im Rahmen der öffentlichen Auslegung Bezug genommen hätten, seien vom Rat nicht abgewogen worden.

Die Antragsteller beantragen,

den vom Rat der Antragsgegnerin am 28. Juni 2021 als Satzung beschlossenen und am 17. Dezember 2021 bekanntgemachten Bebauungsplan Nr. 131 "Sannum - Gewerbegebiet Sannumer Straße Nord" für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hält den angegriffenen Bebauungsplan für formell und materiell rechtmäßig. Die nicht ausgelegten Dokumente seien keine wesentlichen umweltbezogenen Stellungnahmen. Die Öffentlichkeitsbeteiligung sei ordnungsgemäß bekanntgemacht worden. Einer Neuauslegung habe es nicht bedurft. Die von den Antragstellern benannten Alternativstandorte seien aufgrund ihrer Entfernung vom Altstandort der Beigeladenen für die Planung ungeeignet gewesen. Das Zentrale-Orte-Prinzip sei hier nicht einschlägig. Umweltbelange seien hinreichend ermittelt. Die Einbeziehung des Antragstellergrundstücks in den Flächennutzungsplan sei nicht erforderlich gewesen. Die textlichen Festsetzungen hätten eine Rechtsgrundlage; insbesondere die Emissionskontingentierung sei in zulässiger Weise durch Gliederung im Verhältnis zu einem weiteren Industriegebiet erfolgt. Die straßenrechtlichen Bedenken der Antragsteller seien rechtlich nicht tragfähig. Eine etwaige fehlerhafte Behandlung von Grundsätzen der Raumordnung in der Abwägung sei nach § 214 Abs. 3 BauGB unbeachtlich. Die Lärmproblematik sei fehlerfrei abgewogen worden. Warum die Bewertung des Bodens in der Eingriffs-/Ausgleichsbilanzierung fehlerhaft sein solle, sei nicht ersichtlich. Klimaschutzbelange seien berücksichtigt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

I.

Der zulässige Normenkontrollantrag ist begründet. Der angegriffene Bebauungsplan leidet unter mehreren Fehlern, die jeweils zu seiner Unwirksamkeit führen.

1.

Der Bebauungsplan leidet unter einem Bekanntmachungsmangel, weil weder die Planurkunde noch die Begründung noch der Bekanntmachungstext in der Nordwest-Zeitung vom 17. Dezember 2021 einen Hinweis auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die DIN-Norm 45691 enthält. Verweist eine Festsetzung aber auf eine solche Vorschrift und ergibt sich erst aus dieser Vorschrift, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, muss der Plangeber sicherstellen, dass die Planbetroffenen sich auch vom Inhalt der DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis verschaffen können (BVerwG, Beschl. v. 18.8.2016 - 4 BN 24.16 -, BRS 84 Nr. 27 = NVwZ 2017, 166 = juris Rn. 7; Senatsurt. v. 4.12.2014 - 1 KN 106/12 -, BauR 2015, 613 = BRS 82 Nr. 52 = juris Rn. 33 ff.). Diesem Gebot kann die planende Gemeinde dadurch nachkommen, dass sie die Vorschrift zur Einsichtnahme bereithält und darauf in der Planurkunde oder in der Bekanntmachung desselben hinweist. Das fehlt und führt zur Fehlerhaftigkeit der Bekanntmachung und damit zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt.

2.

Die Antragsgegnerin hätte den Planentwurf nach § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634) erneut auslegen bzw. eine erneute Beteiligung der Träger öffentlicher Belange durchführen müssen, da er nach Durchführung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung geändert wurde. Zwar ist das Beteiligungsverfahren nicht um seiner selbst willen zu betreiben. Hat eine nach öffentlicher Auslegung vorgenommene Ergänzung einer Festsetzung lediglich klarstellende Bedeutung, so besteht kein Anlass zu einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung oder einer erneuten Beteiligung von Behörden und Trägern öffentlicher Belange, denn inhaltlich ändert sich am Planentwurf nichts. Entsprechendes gilt, wenn der Entwurf nach der Auslegung in Punkten geändert wird, zu denen die betroffenen Bürger, Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange zuvor bereits Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, oder die Änderungen auf einem ausdrücklichen Vorschlag eines Betroffenen beruhen und Dritte hierdurch nicht abwägungsrelevant berührt werden (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 3.1.2020 - 4 BN 25.19 -, ZfBR 2020, 676 = BRS 88 Nr. 25 = juris Rn. 7 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind aber jedenfalls für die nach der letzten Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung vorgenommenen Änderungen der textlichen Festsetzung Nr. 4.2 nicht erfüllt. Die Veränderung der Baummischung von einem dominierenden Buchen- zu einem dominierenden Eichenanteil und die Verringerung der Pflanzdichte von 6.000 auf 5.000 Pflanzen/ha werfen die Frage nach der Effektivität der Maßnahme und der Qualität des hierdurch entstehenden Lebensraums auf. Anlass war zwar eine mit plausiblen Argumenten untermauerte Stellungnahme der Niedersächsischen Landesforsten vom 16. März 2021. Der ursprüngliche Mix wurde allerdings in einem privaten Forstgutachten vom Januar 2021 vorgeschlagen. Angesichts dessen hätte Anlass bestanden, zumindest der Unteren Naturschutzbehörde und Umweltverbänden, letztlich aber auch der gesamten Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Der Verbreiterung des südlichen Waldrands von 5 m auf 20 m liegt zwar ebenfalls eine Forderung der Niedersächsischen Landesforsten, nämlich die nach einem größeren Waldabstand, zugrunde. Der Umstand, dass der Abstand zwischen Waldinnerem und Industriegebiet damit aber faktisch durch eine Verkleinerung des Waldinneren bewerkstelligt wurde, hätte ebenfalls Anlass zu einer erneuten Beteiligung - in diesem Fall auch der Landesforsten - geben müssen.

Der Verfahrensfehler ist gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich; namentlich wurde er fristgemäß - erstmals von den Antragstellern im Parallelverfahren 1 KN 185/21 mit der Antragsgegnerin umgehend übersandtem Schriftsatz vom 3. März 2022 - geltend gemacht.

3.

Für die Festsetzung eines Lärmkontingents im Gewerbegebiet fehlt eine Rechtsgrundlage. Als solche kommt lediglich § 1 Abs. 4 BauNVO in Betracht, wonach für die in den §§ 4 bis 9 BauNVO bezeichneten Baugebiete im Bebauungsplan Festsetzungen getroffen werden können, die das Baugebiet u.a. nach den besonderen Eigenschaften der Betriebe und Anlagen gliedern. Zu den Eigenschaften einer Anlage gehört auch ihre Lärmerzeugung je qm Betriebsfläche, die durch Lärmemissionskontingente geregelt wird. Eine Gliederung im Sinne der Norm setzt allerdings die Bildung verschiedener Zonen mit unterschiedlich hohen Emissionskontingenten voraus; dem Erfordernis der Gliederung würde es nicht gerecht, wenn für das gesamte Baugebiet ein einheitliches Emissionskontingent festgesetzt wird (BVerwG, Urt. v. 7.12.2017 - 4 CN 7.16 -, BVerwGE 161, 53 = juris Rn. 15; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, Stand. d. Bearb.: Februar 2022, § 1 Rn. 62b).

Eine solche Gliederung ist für das festgesetzte Industriegebiet trotz Festsetzung nur einer kontingentierten Fläche im Plangebiet selbst dadurch gelungen, dass die Antragsgegnerin von der in § 1 Abs. 4 Satz 2, 2. Hs. BauNVO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, mehrere Industriegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander zu gliedern. Hierfür genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 7.12.2017 - 4 CN 7.16 -, BVerwGE 161, 53 = juris Rn. 18; ebenso Senatsurt. v. 15.11.2018 - 1 KN 29/17 -, NVwZ-RR 2019, 631 = juris Rn. 37) die Dokumentation eines entsprechenden Willens in der Planbegründung. Dieser kommt hier auf S. 12-13 der Planbegründung in dem Verweis zum Ausdruck, in der Gemeinde sei im Bebauungsplan Nr. 61 "Ahlhorn - Sandabbauflächen Kalksandsteinwerk Gräper" ein unbeschränktes Industriegebiet vorhanden, auf das für die Neuansiedlung störungsintensiver Betriebe verwiesen werde.

Ein vergleichbarer konkreter Hinweis auf ein unbeschränktes oder auch nur mit einem anderen Lärmemissionskontingent belegtes Gewerbegebiet, der das Fehlen mehrerer unterschiedlich kontingentierter Teilflächen im Plangebiet selbst kompensieren könnte, fehlt dagegen. Der in Bezug genommene Bebauungsplan Nr. 61 setzt keine Gewerbegebiete fest. Eine Gliederung eines Gewerbegebiets durch Bezugnahme auf ein Industriegebiet ist nicht möglich. Die Gliederung nach § 1 Abs. 4 BauGB kann, auch als externe Gliederung, gebiets-, aber nicht gebietstypübergreifend erfolgen, da in Gewerbegebieten einerseits und Industriegebieten andererseits ein unterschiedlicher Nutzungskatalog gilt. Die Angabe, im Ortsteil Ahlhorn seien "mehrere in verschiedenen Bebauungsplänen festgesetzte Gewerbegebiete, für die keine Emissionsbeschränkungen festgesetzt" seien, vorhanden, genügt den Anforderungen an eine externe Gliederung nicht. Diese setzt zumindest voraus, die Gewerbegebiete, die im Verhältnis zueinander gegliedert werden sollen, textlich oder zeichnerisch konkret zu bezeichnen.

Der Umstand, dass die Festsetzung eines Lärmkontingents für das Gewerbegebiet keine Rechtsgrundlage hat, ist auch nicht deshalb unschädlich, weil das festgesetzte Kontingent faktisch ohnehin keine Beschränkung des Nutzungsspektrums des Gebiets darstellte, also rein deklaratorisch wäre. Denn jedenfalls ein Nachtlärmpegel von mehr als 46 dB(A) kann von Gewerbebetrieben, deren Störungsniveau in einem unbeschränkten Gewerbegebiet sonst unbedenklich wäre, durchaus erreicht werden.

II.

Vorsorglich für den Fall, dass die Antragsgegnerin eine Heilung der vorstehenden Mängel beabsichtigt, weist der Senat darauf hin, dass einige weitere Rügen der Antragsteller begründet sein könnten:

1.

Der Senat hat gewisse Zweifel, ob die Planbegründung den Anforderungen des § 1a Abs. 2 BauGB gerecht wird. Nach dieser Norm sind landwirtschaftlich oder als Wald genutzte Flächen nur im notwendigen Umfang unter Beachtung des Vorrangs der Innenentwicklung umzunutzen; die Notwendigkeit ihrer Inanspruchnahme - anstelle einer Inanspruchnahme anderer Flächen - soll begründet werden. Aus dieser Anforderung ergab sich für die Antragsgegnerin insbesondere das Erfordernis, zu begründen, weshalb die Umsiedlungsabsichten der Beigeladenen die Überplanung bislang überwiegend landwirtschaftlich genutzten Außenbereichs erforderte, obgleich im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin weitläufige und noch nicht vollständig vergebene Gewerbeflächen im Gewerbe- und Industriegebiet Ahlhorn vorhanden waren. Die in der Planbegründung angeführte Erwägung, die Beigeladene sei auf einen Standort angewiesen, der in der Nähe des bisherigen Betriebssitzes liege, da eine vollständige Umsiedlung erst mittel- bis langfristig möglich und vorgesehen sei und da eine größere räumliche Entfernung zwischen den Betriebsteilen zusätzliche Verkehre / Kosten (auch für die Beschäftigten) induzieren würde, überzeugt nur eingeschränkt. Ausweislich eines Presseberichts in der Nordwest-Zeitung vom 1. Februar 2020 über eine Informationsveranstaltung am 30. Januar 2020 soll ein nennenswerter Pendelverkehr zwischen Alt- und Neustandort auch in der Übergangsphase bis zur vollständigen Umsiedlung des Betriebs nicht stattfinden. Ob der Wunsch der Antragsgegnerin, in allen Ortsteilen ausreichend Arbeitsplätze vorzuhalten, das Bestreben der Beigeladenen, mit ihrer Standortwahl - etwa aus Imagegründen - an ihre langjährige Ortsansässigkeit anzuknüpfen, oder deren in der mündlichen Verhandlung geäußertes Anliegen, ihr Betriebsgelände als "grünes", in die Natur eingebettetes Gewerbegebiet zu gestalten, was in einem großen Gewerbepark unmöglich sei, die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Fläche rechtfertigen könnte, kann an dieser Stelle offen bleiben, da die Antragsgegnerin sich auf diese Erwägungen ausweislich der Planbegründung nicht gestützt hat. Die Einlassung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, ihr Vorhaben führe zu einer ökologischen Aufwertung des Plangebiets, da dieses bisher als Intensivacker genutzt werde, sie aber eine naturnahe Gestaltung beabsichtige, ist in diesem Zusammenhang nur von begrenzter Bedeutung; die Bodenschutzklausel zielt nicht nur auf ökologische Aspekte des Flächenverbrauchs, sondern auch auf den Erhalt der Produktionsfunktion von Landwirtschafts- und Waldflächen ab.

2.

Der Senat lässt offen, ob die Rüge der Antragsteller, für die textliche Festsetzung Nr. 3 mit dem Wortlaut

"Innerhalb des Plangebietes dürfen für Heizungs-, Lüftungs- und Kälteanlagen ausschließlich nicht fossile Energieträger (aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung) genutzt werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 23b BauGB)"

gebe es keine Rechtsgrundlage, bei Wegfall der Festsetzung werde auch die Abwägung der vom Plan betroffenen Klimaschutzbelange erschüttert, begründet ist. Die in der Antragserwiderung vertretene Auffassung der Antragsgegnerin, die Festsetzung lasse sich jedenfalls auf § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB stützen, überzeugt jedenfalls nicht. Diese Norm erlaubt es, zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG die Verwendung bestimmter luftverunreinigender Stoffe zu beschränken. Das Verbot fossiler Energieträger hat jedoch den Klimaschutz, nicht den Immissionsschutz zum Ziel; immissionsschutzrechtlich sind moderne Öl- und Gasheizungen in der Regel unbedenklich.

Offen lässt der Senat demgegenüber, ob nicht die von der Antragsgegnerin in der Planbegründung angegebene Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 23b BauGB (Festsetzungsmöglichkeit für "Gebiete, in denen bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen") die Festsetzung trägt. Dies widerspricht zwar der ganz h.M. in der Kommentarliteratur, wonach bei der Anlagenerrichtung zu treffende "Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung" keine Pflicht zur Nutzung erneuerbarer Energien umfassen dürfen (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand d. Bearb.: August 2023, § 9 Rn. 197b a.E., 197c; Gierke, in: Brügelmann, BauGB, Stand d. Bearb.: Oktober 2020, § 9 Rn. 961 m.w.N.; Gaentzsch, in: BerlKomBauGB, Stand d. Bearb.: Juni 2012, § 9 Rn. 60b; Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 9 Rn. 137 m.w.N.). Nach dieser Auffassung darf mit anderen Worten zwar der Einbau einer Wärmepumpe oder einer Photovoltaikanlage vorgegeben werden, nicht aber, dass der Bauherr nicht parallel eine Ölheizung einbaut und nutzt bzw. die Photovoltaikanlagen unangeschlossen lässt und seinen Strom von einem Drittanbieter bezieht. Begründet wird dies teilweise mit der fehlenden bodenrechtlichen Relevanz der Nutzung, teilweise mit dem Wortlaut der Festsetzungsmöglichkeit. Der Senat hat allerdings Zweifel, ob nicht auch das Verbot von Heizungen/Kühlanlagen mit fossiler Brennstoffnutzung als "technische Maßnahme für die Nutzung" zu betrachten sein könnte und ob nicht auch die durch ein Verbot vermittelte Vorgabe einer klimaneutralen Grundstücksnutzung den für eine bauplanungsrechtliche Regelung erforderlichen bodenrechtlichen Bezug aufweist. Die Antragsgegnerin wird selbst zu entscheiden haben, ob ihr diese Zweifel des Senats hinreichende Rechtssicherheit geben oder ob sie im ohnehin erforderlichen ergänzenden Verfahren ihr Regelungsziel mit einer auch von der herrschenden Meinung akzeptierten Festsetzungstechnik wird erreichen wollen. Dass bei Nichtigkeit der Festsetzung das Abwägungsgefüge des Bebauungsplans mit Blick auf das explizit verfolgte Ziel, das Klima zu schützen, in Gefahr geraten könnte, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.

3.

Bedenken begegnen auch die Erwägungen, aus denen heraus die Antragsgegnerin die Anlage eines Lärmschutzwalls entlang der Kreisstraße abgelehnt hat. Ausweislich der Abwägungstabelle (Punkt 3.1.7 Buchst. b) ist die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dieser Lärmschutzmaßnahme stehe § 24 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 NStrG entgegen. § 24 Abs. 6 NStrG entbinde von der Anwendung dieser Norm nicht, da er eine Mitwirkung der Straßenbaubehörde voraussetze; dies sei als Zustimmungsvorbehalt zu verstehen, und die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStbV) habe in Stellungnahmen vom 14. Juli 2020 und 15. April 2021 das bestehende Bauverbot bekräftigt, so dass sie keine Möglichkeit für die Festsetzung eines Lärmschutzwalls habe. Das überzeugt schon deshalb nicht, weil - wie die Antragstellerin zu Recht anführt - die NLStbV in ihren Stellungnahmen nur allgemein das Anbauverbot geltend macht. Zur konkreten Möglichkeit der Festsetzung eines Lärmschutzwalls ist diese aber nicht angehört worden und konnte sie deshalb auch nicht Stellung nehmen. Ob § 24 Abs. 6 NStrG, wie in der Abwägungstabelle angenommen, tatsächlich als Zustimmungsvorbehalt und nicht lediglich als Benehmensregelung anzusehen ist (für letzteres spricht sich in anderem Kontext die Antragsgegnerin selbst aus, vgl. S. 21 f. der Antragserwiderung vom 10.3.2023 m.w.N.; a.A. zur vergleichbaren Vorschrift des § 9 Abs. 7 FStrG allerdings OVG MV, Urt. v. 10.2.2015 - 3 K 2/13 -, juris Rn. 81 m.w.N.; HessVGH, Beschl. v. 22.7.1999 - 4 N 1598/93 -, juris Rn. 42), muss angesichts dessen nicht entschieden werden.

4.

Die weiteren Einwände wären hingegen voraussichtlich ohne Erfolg geblieben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten sind nicht aus Billigkeitsgründen i.S.d. § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, da die Beigeladene in der Sache auf der Seite der unterlegenen Antragsgegnerin steht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 analog, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.