Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.03.2024, Az.: 10 LC 107/23

Klage einer Gemeinde gegen den Landkreis wegen der Höhe der für das Haushaltsjahr festgesetzten Kreisumlage; Hebesätze für die Kreisumlage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.03.2024
Aktenzeichen
10 LC 107/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 12539
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0305.10LC107.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 15.05.2023 - AZ: 1 A 2686/21

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 1. Kammer - vom 15. Mai 2023 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, eine dem beklagten Landkreis angehörige Samtgemeinde, wendet sich gegen die Höhe der durch den Beklagten für das Haushaltsjahr 2019 festgesetzten Kreisumlage.

Der Kreistag des Beklagten beschloss am 6. Dezember 2018 die Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2019 und setzte die Hebesätze für die Kreisumlage für dieses Haushaltsjahr in § 5 der Haushaltssatzung auf 55,8% der Umlagegrundlagen nach dem Niedersächsischen Finanzausgleichgesetz (NFAG) fest.

Mit Wirkung zum 1. Januar 2019 bot der Beklagte als örtlicher Träger der Jugendhilfe den ihm angehörenden Gemeinden eine "Vereinbarung zur Wahrnehmung der Aufgaben der Kindertagesbetreuung" (Kita-Vertrag) an, wonach die unterzeichnende Gemeinde nach § 13 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs und zur Niedersächsischen Kinder- und Jugendkommission (Nds. AG SGB VIII) Aufgaben des Beklagten als Träger der öffentlichen Jugendhilfe wahrnimmt. Dies betrifft Aufgaben im Bereich der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Tagespflege nach §§ 22 bis 24 SGB VIII i. V. m. dem Niedersächsischen Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (KitaG a. F.) sowie die Gewährung von Hilfen bei Jugenderholungsmaßnahmen für Kinder von einkommensschwachen Eltern nach § 90 SGB VIII. Im Bereich der Tageseinrichtungen für Kinder umfasst die Aufgabenwahrnehmung insbesondere den Betrieb eigener Tageseinrichtungen, die Förderung von Einrichtungen freier Träger sowie die Gewährung wirtschaftlicher Jugendhilfe durch Übernahme von Elternbeiträgen (vgl. § 2 Kita-Vertrag). Für die Übernahme der nach der gesetzlichen Regelung vom Beklagten wahrzunehmenden Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe gewährt dieser den Gemeinden auf der Grundlage der Vereinbarung einen Zuschuss, der sich aus den vom Land gewährten Finanzhilfen für Personalkosten berechnet. Hinzu kommt ein Pauschalbetrag für die Durchführung der wirtschaftlichen Jugendhilfe für die unter Dreijährigen sowie die Durchführung der Betreuung von Kindern der Altersgruppe vom vollendeten sechsten bis zum vollendeten vierzehnten Lebensjahr. Die darüberhinausgehenden Kosten werden von den Gemeinden als Eigenanteil getragen.

Die Klägerin sowie die ihr angehörenden Gemeinden (die Stadt Gronau - Klägerin im Verfahren 10 LC 108/23 -, der Flecken Eime - Kläger im Verfahren 10 LC 109/23 - sowie der Flecken Duingen - Kläger im Verfahren 10 LC 110/23 -) unterzeichneten diesen Vertrag für das Jahr 2019 anders als alle übrigen kreisangehörigen Gemeinden nicht.

Der Beklagte setzte zunächst mit Bescheid vom 10. April 2019 die von der Klägerin zu entrichtende Kreisumlage für das Jahr 2019 unter Bezugnahme auf die sich aus dem Bescheid des Landesamtes für Statistik Niedersachsen vom 3. April 2019 ergebenden Umlagegrundlagen unter Zugrundelegung eines Hebesatzes von 55,8% auf 2.932.579 EUR fest.

Parallel dazu hörte der Beklagte die kreisangehörigen Gemeinden mit Schreiben vom 5. April 2019 zur Beschlussvorlage 559/XVIII an, die eine Nachtragshaushaltssatzung mit Veränderung des Kreisumlagehebesatzes vorsah. Zum Hintergrund führte er aus, dass einzelne Kommunen beabsichtigten, die neue Vereinbarung über die Wahrnehmung der Aufgaben der Kindertagesbetreuung (Kita-Vertrag) nicht abzuschließen. In der Folge sei er als Aufgabenträger ab dem 1. Januar 2019 verpflichtet, die notwendigen Angebote in den betroffenen Gemeinden sicherzustellen und die Kosten hierfür in voller Höhe zu tragen. Dies würde den Kreishaushalt in beträchtlichem Umfang über die bisher veranschlagten Mittel hinaus belasten. Somit sei es geboten, zur Haushaltssicherung entsprechende Erträge aus der Kreisumlage zu generieren. Hierfür solle von der Möglichkeit einer sog. gespaltenen Kreisumlage Gebrauch gemacht werden, bei der im Kreisgebiet unterschiedliche Hebesätze festgesetzt würden. Für Kommunen, die eine Vereinbarung mit dem Landkreis abschlössen, bleibe es beim bisherigen Kreisumlagehebesatz vom 55,8%. Für die anderen Kommunen müsse eine Refinanzierung des Mehraufwandes für den Landkreis über eine Anhebung der Kreisumlage erfolgen.

Hierzu nahm die Klägerin mit Schreiben vom 3. Mai 2019 für sich und die ihr angehörenden Gemeinden dahingehend Stellung, dass Zweifel bestünden, ob der Beklagte bei der Festsetzung der Kreisumlage den Finanzbedarf der Gemeinden hinreichend berücksichtigt habe. Dem Kita-Vertrag habe die Samtgemeinde nicht zugestimmt, da die Gesamtkosten höher seien als die Zuweisungen des Beklagten und diese sogar geringer seien als im Vorjahr. Sie könne auch nicht vom eingerichteten Härtefonds profitieren.

In seiner Sitzung vom 15. Mai 2019 beschloss der Kreistag des Beklagten die 1. Nachtragshaushaltssatzung 2019 nebst Änderung des § 5 der Haushaltssatzung, wonach für Gemeinden, die den Kita-Vertrag in der vom Kreistag am 6. Dezember 2018 beschlossenen Fassung nicht bis zum 1. Juni 2019 abgeschlossen haben oder aber im Haushaltsjahr 2019 kündigen, die Hebesätze für die Kreisumlage in 2019 auf 65% der Umlagegrundlagen nach dem NFAG festgesetzt werden. Für die übrigen Gemeinden blieb der Hebesatz unverändert.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2019 genehmigte das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport die genehmigungspflichtigen Bestandteile der vom Kreistag des Beklagten in seiner Sitzung am 6. Dezember 2018 beschlossenen Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2019 in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 15. Mai 2019 (1. Nachtragshaushaltssatzung 2019), darunter die Hebesätze für die Kreisumlage. Diesbezüglich führte das Innenministerium aus, dass soweit § 5 der 1. Nachtragshaushaltssatzung 2019 die Festsetzung eines erhöhten Kreisumlagehebesatzes an das Nichtbestehen einer Vereinbarung knüpfe, die sprachliche Umsetzung formalen Bedenken begegne, da § 15 Abs. 4 NFAG für die Berücksichtigung bei der Kreisumlage das Bestehen einer Vereinbarung voraussetze. Da die inhaltliche materielle Wirkung der Satzungsregelung der gesetzlich zulässigen Gestaltung entspreche, halte man sie dennoch für vertretbar, erwarte künftig jedoch eine rechtskonforme Formulierung.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2019 hob der Beklagte den Bescheid vom 10. April 2019 auf und setzte gegenüber der Klägerin die Kreisumlage auf Basis des Hebesatzes von 65%, der für nicht dem Kita-Vertrag beigetretene Kommunen gelte, in einer Gesamthöhe von 3.416.087 EUR fest.

Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 8. November 2019 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2021 zurückwies.

Daraufhin hat die Klägerin am 18. März 2021 Klage erhoben und im Wesentlichen vorgetragen, der Beklagte habe das Prinzip der Nachrangigkeit missachtet. Die Kreisumlage diene der Deckung eines finanziellen Fehlbedarfs und dürfe nicht zur Rücklagenbildung eingesetzt werden. Eine Kreisumlage, die zu einem haushaltsplanmäßigen Überschuss führe und bereits den Bedarf für Folgejahre berücksichtige, verstoße gegen das im Haushaltsrecht geltende Prinzip der Jährlichkeit. Soweit der Beklagte darauf hinweise, dass die kreisangehörigen Kommunen im Anhörungsverfahren gezwungen seien, Alternativen zum Entwurf des Kreishaushaltes aufzuzeigen, sei es nicht Sache der Kommunen, die Haushaltsaufstellung zu übernehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse die Kreisverwaltung den gemeindlichen Bedarf ermitteln und dem Kreistag zumindest ein bezifferter Bedarfsansatz für jede kreisangehörige Gemeinde vorliegen. Dabei gehe es insbesondere um die Ermittlung des zukünftigen Bedarfs. Die Zahlen des Statistischen Landesamtes zur Steuerkraftberechnung, zu Schlüsselzuweisungen sowie zur Kreisumlageberechnung berücksichtigten nicht die Finanzbedarfe der kreisangehörigen Kommunen. Der Beklagte habe den Kreistagsmitgliedern auch nicht die für die Abwägung der finanziellen Belange herangezogenen Dokumente zur Verfügung gestellt. Soweit der Beklagte feststelle, dass für den Kreis ohne Reklamation durch die Gemeinde keine Pflicht bestehe, sich damit auseinanderzusetzen, dass im Einzelfall die finanzielle Mindestausstattung verletzt sei, so stehe dem entgegen, dass die Samtgemeinde zur Haushaltssituation der Klägerin vorgetragen habe.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klage zurückgenommen, soweit ein Kreisumlagebetrag von 2.932.579 EUR festgesetzt worden ist.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2019 und den Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2021 aufzuheben, soweit darin eine Kreisumlage für das Jahr 2019 von mehr als 2.932.579 EUR festgesetzt worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist dem Begehren entgegengetreten und hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Einführung einer sog. gespaltenen Kreisumlage im Nachtragshaushalt 2019 nicht zu beanstanden sei. Es sei nicht entscheidend, ob alle kreisangehörigen Gemeinden eine Kreisaufgabe erledigten (nämlich die des örtlichen Jugendamtes) und nur eine Gemeinde ausschere oder umgekehrt alle Gemeinden eine Aufgabe nicht wahrnähmen und nur eine Gemeinde diese Aufgabe vom Landkreis übernehme. In beiden Fällen sei die Einführung einer gespaltenen Kreisumlage die angemessene Reaktion. Mit dem sog. Kita-Vertrag übernähmen die Kommunen in ihrem Bereich alle Aufgaben des örtlichen Jugendamtes und der Beklagte verpflichte sich, die hierfür entstehenden Kosten nach bestimmten Berechnungskriterien teilweise zu übernehmen. Die Klägerin habe das Vertragsangebot nicht angenommen, sodass die gesetzliche Zuständigkeitsregelung eintrete, wonach er Aufgaben- und Kostenträger in vollem Umfang sei. Da eine kurzfristige Übernahme der Aufgaben zur Kindertagesbetreuung durch ihn nicht möglich gewesen sei, seien diese von der Klägerin zunächst weitergeführt und ihm in voller Höhe in Rechnung gestellt worden. Um hierdurch entstehende Mehrbelastungen im Vergleich zu den anderen Vertragspartnern zu kompensieren, sei von der Möglichkeit einer sog. gespaltenen Kreisumlage Gebrauch gemacht worden. Durch den höheren Hebesatz sollten nur die Mehraufwendungen abgedeckt werden, die rechnerisch als Eigenanteil bei Abschluss des Kita-Vertrags bei der Klägerin verblieben wären. Die Klägerin habe daher zunächst alle Zahlungen aus dem Kita-Vertrag sowie ihre ungedeckten Restkosten in Höhe von 2.111.771 EUR erhalten. Durch die erhöhte Kreisumlage seien dem Beklagten lediglich 1.810.085 EUR zugeflossen.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil das Verfahren eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2019 und dessen Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2021 aufgehoben, soweit der Beklagte gegenüber der Klägerin eine Kreisumlage für das Jahr 2019 in Höhe von mehr als 2.932.579 EUR festgesetzt hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe den erhöhten Kreisumlagesatz von 65% der Umlagegrundlagen in der 1. Nachtragshaushaltssatzung 2019 in unzulässiger Weise an den Nichtabschluss des Kita-Vertrages geknüpft. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 4 NFAG in der bis zum 31. Oktober 2021 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.) könne der Landkreis die finanziellen Folgen von Vereinbarungen zwischen dem Landkreis und einer oder mehreren Gemeinden, durch die von der allgemeinen Verteilung der Aufgaben zwischen dem Landkreis und den Gemeinden abgewichen werde, bei der Kreisumlage der betroffenen Gemeinde oder Gemeinden berücksichtigen. Dabei könne zunächst dahinstehen, ob bei der allgemeinen Verteilung der Aufgaben auf die gesetzliche Ausgangslage oder auf die örtlichen Verhältnisse abzustellen sei. Stelle man auf ersteres ab, so sei davon auszugehen, dass der Beklagte als örtlicher Träger der Kinder- und Jugendhilfe die ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben selbst wahrnehme. Von dieser Normallage werde sodann durch den Kita-Vertrag abgewichen. Betrachte man hingegen die übliche Aufgabenverteilung im Gebiet des Beklagten, so übernähmen die Gemeinden auf vertraglicher Grundlage Teile der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe vom Beklagten. Mit dem neuen Kita-Vertrag solle der Rahmen dieser örtlichen Übung neu verhandelt und sodann fortgesetzt werden. Wenngleich gewichtige Argumente dafür sprächen, dass mit der allgemeinen Aufgabenverteilung im Sinne des § 15 Abs. 4 NFAG a. F. nicht der grundsätzlich gesetzliche Aufgabenzuschnitt, sondern die in einem Kreis konkret übliche Aufgabenverteilung gemeint sei, brauche die Frage hier letztlich nicht entschieden zu werden, denn die Klägerin habe überhaupt keine Vereinbarung mit dem Beklagten abgeschlossen. Sie habe weder eine Vereinbarung - den Kita-Vertrag - unterzeichnet, die von der gesetzlichen Ausgangslage abweiche noch habe sie eine Vereinbarung unterschrieben, durch die von der durch den Kita-Vertrag geschaffenen ortsüblichen Verteilung abgewichen werde. In Ermangelung einer Vereinbarung könnten somit auch keine finanziellen Folgen bei der Kreisumlage der Klägerin berücksichtigt werden. Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift könnten aus Vereinbarungen resultierende finanzielle Folgen bei der Kreisumlage der betroffenen Gemeinde oder Gemeinden berücksichtigt werden. Von einer Vereinbarung unmittelbar betroffen sei zunächst die unterzeichnende Gemeinde selbst. Der Gesetzgeber sehe also lediglich eine Mehr- oder Minderbelastung der Gemeinden vor, mit denen der Landkreis eine Vereinbarung geschlossen habe. Die Regelung sehe die Möglichkeit von Sondersätzen bei Sondervereinbarungen vor. Eine Anknüpfung einer abweichenden Kreisumlagehöhe an das Nichtvorliegen einer Vereinbarung sei nach dem Gesetzeswortlaut gerade nicht vorgesehen. Diese Auslegung entspreche auch der Sichtweise des Landesgesetzgebers. Im Gesetzentwurf der Landesregierung zur Gesetzesänderung des § 15 Abs. 4 NFAG werde ausgeführt, dass bei einer engen Auslegung der bisher geltenden Fassung nur die Kreisumlage derjenigen Kommunen angepasst werden dürfe, mit denen eine Vereinbarung unterzeichnet worden sei. Diesem Verständnis folgend habe der Landesgesetzgeber § 15 Abs. 4 NFAG a. F. geändert und die Worte "der betroffenen Gemeinde oder Gemeinden" gestrichen. Laut der Begründung des Entwurfs könne in der Folge eine Anpassung der Kreisumlage auch bei derjenigen Kommune erfolgen, mit der - abweichend von der üblichen Aufgabenwahrnehmung innerhalb des Landkreises - keine Vereinbarung unterzeichnet worden sei.

Die dagegen fristgerecht eingelegte und vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung hat der Beklagte wie folgt begründet: Er habe die Unterschiede erfassen können durch den hier von ihm gewählten, für alle gültigen Hebesatz von 55,8% und einen Hebesatz für Nichtdelegationsgemeinden von 65% oder durch einen Hebesatz von 65% für alle und für Delegationsgemeinden von 55,8%, auch wenn fast alle kreisangehörigen Gemeinden Delegationsgemeinden seien. Die vom Verwaltungsgericht allein am Wortlaut orientierte einengende Auslegung des § 15 Abs. 4 NFAG a. F. sei schon nach dem Gesetzestext nicht zwingend und widerspreche sowohl der Entstehungsgeschichte der Norm als auch der Systematik. Die Betreuung in Kindertagesstätten sei bis 2019 von allen kreisangehörigen Gemeinden erledigt worden. Diese Verteilung sei von der gesetzlichen Zuständigkeit abgewichen, die diese Aufgabe der Jugendhilfe seit 1994 den Landkreisen als Träger der örtlichen Jugendhilfe zuweise. 2019 hätten die Klägerin und ihre Mitgliedsgemeinden die Jugendhilfevereinbarung gekündigt und die Aufgabe der Kindergartenbetreuung an den Landkreis zurückgegeben, woraufhin er von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, eine erhöhte Kreisumlage festzusetzen, die diejenigen Gemeinden treffen sollte, die die Kreisaufgaben nicht mehr im Rahmen der Delegation wahrnehmen wollten. Zwischen der Klägerin und ihm bestehe insoweit anders als hinsichtlich der überwiegenden Zahl der Städte und Gemeinden im Kreisgebiet keine Vereinbarung. Dies schließe die Anwendung des § 15 Abs. 4 NFAG a. F. aber nach dem Wortlaut der Norm nicht aus. Zwar könne er die finanziellen Folgen nur bei der Kreisumlage der betroffenen Gemeinde oder Gemeinden berücksichtigen. Von den Vereinbarungen zum Kita-Vertrag im Kreisgebiet seien allerdings nicht nur diejenigen Gemeinden betroffen, die eine Vereinbarung unterzeichnet hätten. Die Gemeinden übernähmen in fortdauernder Rechtstradition im Rahmen der Wahrnehmung aller Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft i.S.v. Art. 28 Abs. 2 GG die Kindertagesbetreuung und erhielten hierfür eine finanzielle Beteiligung des Landkreises. Gemeinden, die die Vereinbarung nicht unterzeichnet hätten, wichen daher insoweit von der allgemeinen Verteilung der Aufgaben zwischen dem Landkreis und den Gemeinden ab und seien ebenfalls "betroffen" im Sinne des § 15 Abs. 4 NFAG a. F., weil sie eben anders als die anderen Gemeinden des Kreisgebiets die Aufgabe nicht wahrnähmen. Deshalb sei auch bei Nichtabschluss einer Vereinbarung nach dem Wortlaut von § 15 Abs. 4 NFAG a. F. eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Aufgaben im Wege einer Mehrbelastung bei der Kreisumlage zulässig. Auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergebe sich der gesetzgeberische Wille einer weit gefassten Vorschrift. Sowohl nach dem Positionspapier der drei kommunalen Spitzenverbände vom 31. Mai 2018 als auch nach der Verwaltungspraxis in Niedersachsen stehe § 15 Abs. 4 NFAG a. F. der Mehrbelastung einer Gemeinde ohne abgeschlossenen Kita-Vertrag nicht entgegen. Zwar seien mit dem Gesetz vom 13. Oktober 2021 die Worte "der betroffenen Gemeinde oder Gemeinden" gestrichen worden. Der Gesetzesbegründung lasse sich aber entnehmen, dass dies im Ergebnis nur eine rechtliche Klarstellung gewesen sein dürfte. Der Gesetzgeber habe lediglich zur Kenntnis genommen, dass die alte Formulierung zu Rechtsunsicherheit geführt habe, die er habe beseitigen wollen, ohne allerdings für die Vergangenheit eine Streitfrage zu beantworten und dahingehend Position zu beziehen, dass eine Anpassung der Kreisumlage nicht an das Nicht-Vorliegen einer Vereinbarung anknüpfen dürfe. Das Normverständnis im Sinne des weiteren Verständnisses sei auch vor dieser gesetzgeberischen Klarstellung als das vom Gesetzgeber Gewollte in der Rechtspraxis insbesondere des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport zu Grunde gelegt worden. Anderenfalls hätte das Innenministerium seine Kreisumlage nämlich nicht genehmigen dürfen. Insgesamt stütze sowohl der ursprüngliche gesetzgeberische Wille als auch die einvernehmlich bis hin zur obersten Kommunalaufsichtsbehörde in Niedersachsen geübte Verwaltungspraxis seine Kreisumlagefestsetzung im Wege einer Mehrbelastung bei nicht abgeschlossener Vereinbarung über Kindertagesstätten. Systematisch sei zu bedenken, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 15 Abs. 4 NFAG a. F. gerade ein "Ventil" habe schaffen wollen, bei der Kreisumlagefestsetzung auf gesonderte Situationen im jeweiligen Kreisgebiet reagieren zu können, die im Vereinbarungswege mit einzelnen oder mehreren kreisangehörigen Kommunen geschaffen worden seien. Dann könne es im Ergebnis aber nicht darauf ankommen, ob mit der jeweiligen Gemeinde eine Vereinbarung abgeschlossen worden sei. Denn der Regelungszweck der Norm sei gerade, durch unterschiedliche Vereinbarungen hervorgerufene unterschiedliche finanzielle Belastungen unter den Städten und Gemeinden ausgleichen zu können. Sofern die Mehrbelastung zur Finanzierung der Kindertagesstätten bei nicht abgeschlossener Vereinbarung über Kindertagesstätten als unzulässig angesehen würde, müsste er diese zusätzlichen Kosten aus seinem Haushalt tragen. Hierdurch stiege sein Finanzbedarf, der im nächsten Schritt in den nächsten Haushaltsjahren finanziert werden müsste. Dieser müsste im Ergebnis von allen Städten und Gemeinden über die Kreisumlage gezahlt werden. Regelungszweck von § 15 Abs. 4 NFAG sei es aber gerade, auf solche unzuträglichen Situationen reagieren zu können. Somit gebiete auch die gesetzessystematische Auslegung ein weiteres Normverständnis. Soweit das Verwaltungsgericht Hannover seine Auslegung darüber hinaus auf die Tatsache stütze, dass der Landesgesetzgeber in Anbetracht der gesetzlichen Regelung in der hier maßgeblichen früheren Fassung offenbar die Notwendigkeit gesehen habe, für die Region D-Stadt mit der Jugendhilfeumlage in § 166 Abs. 3 Satz 4 und 5 NKomVG eine Sonderregelung zum NFAG zu schaffen, habe für die besondere Situation in der Region D-Stadt eine gesetzliche Sonderlösung geschaffen werden müssen, die keine Rückschlüsse für den vorliegenden Fall erlaube. Denn es handele sich insoweit um unterschiedliche Sachverhalte.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 15. Mai 2023 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Es gebe an der Wortlautauslegung des Verwaltungsgerichts nichts zu beanstanden. Diese werde auch durch die Gesetzesbegründung gestützt, wonach ebenfalls das Vorliegen einer Vereinbarung erforderlich sei, die hier nicht bestehe. Abgesehen davon, dass die Genehmigung einer Haushaltssatzung wohl schwerlich zur Ermittlung des Norminhalts herangezogen werden könne, habe auch das Innenministerium in seinem Schreiben vom 6. September 2019 darauf hingewiesen, dass nach der alten Gesetzesfassung die Berücksichtigung bei der Kreisumlage das Bestehen einer Vereinbarung voraussetze.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die zu dem Parallelverfahren 10 LC 108/23 beigezogenen Beiakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide des Beklagten zu Recht teilweise aufgehoben. Denn der Bescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2019 und sein Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2021 sind rechtswidrig, soweit darin aufgrund eines im Vergleich zu den anderen Gemeinden um 9,2% höheren Hebesatzes von 65% eine Kreisumlage gegenüber der Klägerin für das Jahr 2019 von mehr als 2.932.579 EUR festgesetzt worden ist. In diesem Umfang, der nach der teilweisen Klagerücknahme im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allein noch Gegenstand des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts ist, verletzen die Bescheide des Beklagten die Klägerin in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 57 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung und Art. 28 Abs. 2 GG (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Für die Beurteilung der Bescheide ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich, hier also des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2021. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet nicht das Prozessrecht, sondern das einschlägige materielle Recht, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist (BVerwG, Urteil vom 17.12.2021 - 7 C 7.20 -, juris Rn. 14 m.w.N.). Dies ist hier der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, da die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit von Haushaltssatzungen sich nach dem Zeitpunkt ihres Erlasses bestimmt und diejenige der auf ihrer Grundlage ergangenen Heranziehungsbescheide sich nach dem Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung richtet (BVerwG, Urteil vom 29.11.2022 - 8 C 13.21 -, juris Rn. 33). Dafür spricht hier im Übrigen auch, dass die von dem Beklagten und seinem Kreistag zu beachtenden Berechnungsgrundlagen und -modalitäten der Kreisumlage sich nur aus den Vorschriften ergeben können, die zum Zeitpunkt der Festlegung des Umlagesatzes durch den Kreistag und der Festsetzung der Kreisumlage gegenüber den Gemeinden durch die angefochtenen Bescheide galten.

Der angefochtene Kreisumlagebescheid vom 29. Oktober 2019 beruht mit § 5 der vom Kreistag am 15. Mai 2019 beschlossenen 1. Nachtragshaushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2019 bereits auf einer rechtswidrigen Satzungsgrundlage. Danach werden nämlich "die Hebesätze für die Kreisumlage für das Haushaltsjahr 2019 wie folgt geändert: Für Gemeinden, die die Vereinbarung zur Wahrnehmung der Aufgaben der Kindertagesbetreuung (Kita-Vertrag) in der vom Kreistag am 06.12.2019" (richtig muss es heißen: 2018) "beschlossenen Fassung nicht bis zum 01.06.2019 abgeschlossen haben oder aber im Haushaltsjahr 2019 kündigen, werden die Hebesätze für die Kreisumlage in 2019 auf 65 v. H. der Umlagegrundlagen nach dem NFAG festgesetzt. Für die übrigen Gemeinden bleibt der Hebesatz" (55,8 v. H.) "unverändert". Diese sogenannte gespaltene Kreisumlage ist nicht mit den Vorgaben des § 15 Abs. 4 NFAG in der hier maßgeblichen Fassung vom 18. Juli 2012, die am 31. Oktober 2021 außer Kraft getreten ist (im Folgenden: a.F.), zu vereinbaren.

Zwar ist die teilweise Erhöhung des Hebesatzes für die Kreisumlage in der Nachtragshaushaltssatzung vom 15. Mai 2019 fristgerecht erfolgt. Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 NKomVG kann die Haushaltssatzung nur durch Nachtragshaushaltssatzung geändert werden, die spätestens bis zum Ablauf des Haushaltsjahres zu beschließen ist. Die Kreisumlagesätze können gemäß § 15 Abs. 3 Satz 4 NFAG a. F. mit Rückwirkung auf den Beginn des Haushaltsjahres einmal geändert werden; die Satzungsänderung muss - wie hier - im Falle einer Erhöhung bis zum 15. Mai beschlossen werden.

Auch begegnet eine Differenzierung des Kreisumlagesatzes nach § 15 Abs. 1 und 4 NFAG a. F. anhand des Kriteriums der Übernahme von Jugendhilfeleistungen durch die Gemeinde grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken in Bezug auf höherrangiges Recht. Insbesondere verstößt eine solche Regelung nicht gegen das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung.

Nach § 15 Abs. 1 NFAG a. F. ist eine Umlage von den kreisangehörigen Gemeinden, Samtgemeinden und gemeindefreien Gebieten zu erheben, soweit die anderen Erträge eines Landkreises seinen Bedarf nicht decken. Die Kreisumlage ist keine Abgabe, sondern ein Instrument des Finanzausgleichs zwischen dem Landkreis und den kreisangehörigen Gemeinden als öffentlichen Aufgabenträgern. Dabei ist der Gleichheitsgrundsatz zu beachten, der als Ausfluss des Rechtsstaatsgebots (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) auch im Verhältnis der Hoheitsträger zueinander gilt. Der Kreis der umlagepflichtigen Gemeinden und der Umfang ihrer Umlagepflicht ist deswegen sachbezogen und willkürfrei zu bestimmen. Weder der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 28 Abs. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG schließen jedoch grundsätzlich aus, dass eine kreisangehörige Gemeinde mit der von ihr geleisteten Kreisumlage auch eine Verwaltungstätigkeit des Kreises mitfinanziert, die für sie und ihre Einwohner ohne Nutzen ist, weil sie selbst diese Verwaltungstätigkeit leisten muss und erbringt. Denn mit einer Umlage als Instrument des Finanzausgleichs zwischen öffentlichen Aufgabenträgern wie der Kreisumlage dürfen stets auch allgemeine Finanzausgleichseffekte erzielt werden, ohne dass dies insoweit mit einer speziellen Aufgaben- oder Ausgabenverantwortung oder -entlastung korrespondieren müsste (BVerwG, Beschluss vom 3.3.1997 - 8 B 130.96 -, juris Rn. 3 m.w.N.). Der Landesgesetzgeber hat allerdings mit § 15 Abs. 4 NFAG a. F. die Möglichkeit geschaffen, durch einen differenzierten Kreisumlagesatz von der grundsätzlich gleich hohen Festsetzung der Kreisumlage gegenüber den Gemeinden abzuweichen, ohne dadurch den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt zu haben. Denn eine im Rahmen der Kreisumlage vorgenommene Besserstellung von Gemeinden, die im Rahmen einer Vereinbarung mit dem Landkreis Aufgaben von diesem übernehmen und diesen insoweit auch kostenmäßig (teilweise) entlasten, etwa - wie hier - Jugendhilfeleistungen anstelle des Landkreises erbringen und diese zu einem erheblichen Teil auf eigene Kosten übernehmen, gegenüber denjenigen Gemeinden, die den Abschluss entsprechender Verträge mit dem Landkreis ablehnen und insofern keine Kosten tragen, ist sachlich gerechtfertigt und willkürfrei, da letztere Gemeinden gegenüber den die Aufgaben übernehmenden Gemeinden sowohl hinsichtlich der Aufgaben- als auch bezüglich der Kostenbelastung deutlich bessergestellt sind.

Die gegenüber der Klägerin erhobene Kreisumlage aufgrund eines erhöhten Hebesatzes ist jedoch mit den Voraussetzungen für die Erhebung einer gespaltenen Kreisumlage nach § 15 Abs. 4 NFAG a. F. nicht zu vereinbaren, wie das Verwaltungsgericht (im Ergebnis) zu Recht festgestellt hat.

§ 15 Abs. 4 NFAG a. F. hatte folgenden Wortlaut: "Der Landkreis kann die finanziellen Folgen von Vereinbarungen zwischen dem Landkreis und einer oder mehreren Gemeinden, durch die von der allgemeinen Verteilung der Aufgaben zwischen dem Landkreis und den Gemeinden abgewichen wird, bei der Kreisumlage der betroffenen Gemeinde oder Gemeinden berücksichtigen."

Nach ihrem klaren Wortlaut knüpft diese Regelung an das Vorliegen von Vereinbarungen an. Eine solche Vereinbarung ist hier zwischen dem Beklagten und den meisten seiner kreisangehörigen Kommunen in Form der "Vereinbarung zur Wahrnehmung der Aufgaben der Kindertagesbetreuung (Kita-Vertrag)" im Jahr 2019, nicht jedoch zwischen der Klägerin und dem Beklagten geschlossen worden.

Durch diese Vereinbarung muss von der allgemeinen Verteilung der Aufgaben zwischen dem Landkreis und den Gemeinden abgewichen werden. Dies ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift eben nicht die übliche Verteilung der Aufgaben zwischen dem Landkreis und den Gemeinden in einem konkreten Einzelfall, wie der Beklagte meint. Die allgemeine Verteilung der Aufgaben zwischen dem Landkreis und den Gemeinden ergibt sich aus dem Gesetz, etwa aus dem NKomVG oder wie hier aus dem SGB VIII, nach dessen § 85 Abs. 1 i.V.m. § 69 Abs. 1 SGB VIII i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. AG SGB VIII die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII innerhalb ihres eigenen Wirkungskreises durch das Jugendamt erfüllen. Denn die allgemeine Verteilung der Aufgaben als von den Besonderheiten des jeweiligen Landkreises unabhängige und in diesem Sinne allgemeine Verteilung der Aufgaben kann sich nur aus dem Gesetz ergeben, zumal die jeweilige Verteilung der Aufgaben zwischen den Landkreisen und ihren Gemeinden (nicht nur im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe) landesweit durchaus erhebliche Unterschiede aufweisen kann und daher bei einer Gleichsetzung von der "allgemeinen Verteilung der Aufgaben" mit der "örtlich/im jeweiligen Landkreis üblichen Verteilung der Aufgaben" in jedem Einzelfall die (möglicherweise schwierige) Feststellung getroffen werden müsste, ob durch die jeweilige Vereinbarung von der im jeweiligen Landkreis üblichen Aufgabenverteilung überhaupt tatsächlich abgewichen wird. Dieser Auslegung entsprechend wird auch in der Präambel des genannten Kita- Vertrages auf die gesetzliche Aufgabenverteilung Bezug genommen und festgestellt, dass die unterzeichnenden Kommunen gemäß § 13 SGB VIII, wonach die Gemeinden, die nicht örtliche Träger sind, im Einvernehmen mit dem örtlichen Träger Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe wahrnehmen können, im Einvernehmen mit dem Landkreis bereit sind, die Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe wahrzunehmen.

Hätte der Gesetzgeber statt auf die allgemeine Verteilung auf die im jeweiligen Landkreis übliche Verteilung der Aufgaben abstellen wollen, wäre ohne weiteres zu erwarten, dass er dies auch entsprechend formuliert hätte. Dass die Begründung der ab dem 1. November 2021 geltenden Neufassung des § 15 Abs. 4 NFAG die Formulierung enthält "abweichend von der üblichen Aufgabenwahrnehmung innerhalb des Landkreises" (LT-Drucks. 18/9075, Seite 38) ist deshalb nicht ausreichend für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung des Gesetzes. Die Begründung (LT-Drucks. 12/3890, Seite 25) der mit § 15 Abs. 4 NFAG a. F. wortgleichen ursprünglichen Fassung der Vorschrift in § 24 Abs. 5 des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich vom 16. Dezember 1992 (Nds. GVBl. Seite 339), wonach die Vorschrift bewusst weit gefasst worden sei, sowohl erhöhte als auch verringerte Kreisumlageansprüche denkbar seien und auch bei besonderer Ausgestaltung des Einzelfalles eine sachgerechte und effiziente Aufgabenabgrenzung durch sie gefördert werden solle, liefert keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der allgemeinen Verteilung der Aufgaben entgegen dem Wortlaut der Vorschrift die im jeweiligen Landkreis übliche Verteilung der Aufgaben gemeint sein soll.

Die allgemeine Verteilung der Aufgaben zwischen dem Landkreis und den Gemeinden ist aus diesen Gründen entgegen der Ansicht des Beklagten nicht gleichzusetzen mit der im jeweiligen Landkreis üblichen Verteilung der Aufgaben.

Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 4 NFAG a. F. können "die finanziellen Folgen" der genannten Vereinbarungen "bei der Kreisumlage der betroffenen Gemeinde oder Gemeinden" berücksichtigt werden. Die Betroffenheit der jeweiligen Gemeinde muss also auf die finanziellen Folgen der Vereinbarung zurückzuführen sein. Entgegen der Auffassung des Beklagten reicht es daher nicht, dass die Gemeinde in irgendeiner Weise direkt oder indirekt von der veränderten Aufgabenverteilung im Landkreis betroffen ist, vielmehr müssen sich die finanziellen Folgen der zwischen dem Landkreis und einer Gemeinde oder mehreren Gemeinden geschlossenen Vereinbarung bei der betroffenen Gemeinde auswirken.

In dieser Weise betroffen ist die Gemeinde, die mit dem Landkreis eine Vereinbarung geschlossen hat, mit der von der allgemeinen Verteilung der Aufgaben im oben dargestellten Sinn abgewichen wird. Denn diese Gemeinde muss die finanziellen Nachteile der geschlossenen Vereinbarung tragen. Es können sich aber auch vorteilhafte finanzielle Folgen aus einer solchen Vereinbarung ergeben. Dementsprechend kann der Landkreis, wie in der Begründung der ursprünglichen Gesetzesfassung (LT-Drucks. 12/3890, Seite 25) ausdrücklich hervorgehoben worden ist, darauf mit einer erhöhten oder mit einer verringerten Kreisumlage reagieren. Folglich hätte hier der Beklagte in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 4 NFAG a. F. den Hebesatz (sofern die weiteren Voraussetzungen erfüllt sein sollten) grundsätzlich erhöht und für die Gemeinden, die mit ihm den Kita-Vertrag geschlossen und folglich die durch die Zuschüsse des Landkreises gemäß § 6 Absätze 1, 2, 7 und 8 dieses Vertrages nicht gedeckten Kosten selbst zu tragen haben, vermindert festsetzen können. Damit übereinstimmend haben im Übrigen auch der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund, der Niedersächsische Städtetag und der Niedersächsische Landkreistag in ihrem gemeinsamen Positionspapier vom 31. Mai 2018 darauf hingewiesen, dass bei der Kündigung einer Vereinbarung hierauf im Rahmen des § 15 Abs. 4 NFAG a. F. je nach Ausgestaltung durch eine Mehr- oder Minderbelastung bei der Kreisumlage reagiert werden könne. Entgegen der Auffassung des Beklagten sprechen daher auch nicht die Gesetzessystematik und der Regelungszweck der Norm, durch unterschiedliche Vereinbarungen hervorgerufene unterschiedliche finanzielle Belastungen unter den Städten und Gemeinden ausgleichen zu können und ein Ventil zu schaffen, mit dem bei der Kreisumlagefestsetzung auf gesonderte Situationen reagiert werden kann, gegen die obige am Wortlaut orientierte Auslegung. Denn der Landkreis kann auch bei dieser Auslegung durch die Festsetzung einer höheren oder einer geringeren Kreisumlage gegenüber denjenigen Gemeinden, die mit ihm eine Vereinbarung mit finanziellen Vorteilen oder Nachteilen geschlossen haben, auf deren veränderte Situation reagieren. Eine geringere Kreisumlage gegenüber den Gemeinden, die den Kita-Vertrag mit dem Landkreis geschlossen haben, ist hier jedoch nicht erhoben worden, da der Beklagte den umgekehrten Weg gegangen ist. Er hat grundsätzlich einen niedrigeren Hebesatz von 55,8% festgesetzt und nur gegenüber den Gemeinden, die mit ihm keinen Kita-Vertrag geschlossen haben, entsprechend der Kalkulation seines Mehraufwandes bei einem Übergang der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe auf ihn (Beiakte 004 des Verfahrens 10 LC 108/23, Bd. III, Seite 4) einen erhöhten Hebesatz von 65% der Kreisumlage zugrunde gelegt. Diese Verfahrensweise ist von dem Wortlaut des § 15 Abs. 4 NFAG a. F. nicht gedeckt.

Auch aus der Gesetzesbegründung ergeben sich entgegen der Meinung des Beklagten keine Hinweise für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung dieser Vorschrift.

Nach der Begründung der ursprünglichen Gesetzesfassung (LT-Drucks. 12/3890, Seite 25) ist die Vorschrift bewusst weit gefasst worden und soll "sowohl erhöhte als auch verringerte Kreisumlageansprüche" umfassen. Nach der obigen, dem Wortlaut entsprechenden Auslegung wäre hier eine gegenüber den Gemeinden, die mit dem Beklagten Kita-Verträge geschlossen haben, abgesenkte Kreisumlage möglich gewesen. Dies hätte dem Wortlaut des § 15 NFAG a. F. und der genannten ursprünglichen Gesetzesbegründung entsprochen.

Die Begründung der Neufassung des § 15 Abs. 4 NFAG (LT-Drucks. 18/9075, Seiten 37 und 38), in der der Zusatz "der betroffenen Gemeinde oder Gemeinden" gestrichen worden ist, spricht entgegen der Auffassung des Beklagten ebenfalls eher dafür, dass der Gesetzgeber selbst davon ausgegangen ist, dass die bisherige Gesetzesfassung eine Anpassung der Kreisumlage nur bei denjenigen Kommunen ermöglicht hat, die mit dem Landkreis eine Vereinbarung geschlossen haben, soweit es dort heißt:

"Der bisherige Wortlaut der Regelung sieht nur eine Berücksichtigung von Vereinbarungen bei der Kreisumlage der "betroffenen Gemeinde oder Gemeinden" vor. Bei einer engen Auslegung dürfte folglich nur die Kreisumlage derjenigen Kommunen angepasst werden, mit denen eine Vereinbarung unterzeichnet wurde. ... Durch die vorgesehene Änderung des § 15 Abs. 4 wird bei der Festsetzung der Kreisumlage mehr Flexibilität eingeräumt. Der neue Wortlaut erlaubt es generell, finanzielle Folgen von Vereinbarungen innerhalb des Kreises bei der Festsetzung der Kreisumlage zu berücksichtigen. In der Folge kann eine Anpassung der Kreisumlage auch bei derjenigen Kommune erfolgen, mit der - abweichend von der üblichen Aufgabenwahrnehmung innerhalb des Landkreises - keine Vereinbarung unterzeichnet wurde."

Denn darin wird ausdrücklich festgestellt, dass die Neufassung des Gesetzes mehr Flexibilität einräumt und es erlaubt, eine Anpassung der Kreisumlage auch gegenüber den Kommunen vorzunehmen, mit der keine Vereinbarung geschlossen worden ist. Zumindest liefert auch diese Gesetzesbegründung, wie oben bereits ausgeführt, keine Anhaltspunkte für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung des § 15 NFAG a. F.

Dass das Innenministerium trotz formaler Bedenken mit seiner Verfügung vom 6. Juni 2019 (u. a.) die Festsetzung einer gespaltenen Kreisumlage durch den Beklagten letztlich gebilligt hat, was nach den Angaben des Beklagten auch der allgemeinen Verwaltungspraxis entsprechen soll, ist für die Auslegung des § 15 Abs. 4 NFAG a. F. ohne Bedeutung, da es hier um die Auslegung einer für die von der Kreisumlage betroffenen Gemeinden belastende Wirkung entfaltenden Norm und nicht um die Gewährung einer Leistung an die Gemeinden, bei der die Verwaltungspraxis eine maßgebliche Rolle spielen kann, geht.

Ob für die am Wortlaut orientierte Auslegung des § 15 Abs. 4 NFAG a. F. auch der vom Verwaltungsgericht angeführte Umstand spricht, dass der Landesgesetzgeber in Anbetracht der hier maßgeblichen früheren Fassung dieser gesetzlichen Regelung die Notwendigkeit gesehen hat, für die Region D-Stadt mit der Jugendhilfeumlage in § 166 Abs. 3 Satz 4 und 5 NKomVG eine Sonderregelung zu schaffen, was der Beklagte mit dem Hinweis auf völlig unterschiedliche Sachverhalte bestritten hat, kann dahinstehen, da es hierauf angesichts der obigen überzeugenden Argumente für die hier vertretene Auffassung nicht ankommt.

Doch auch wenn Gemeinden, die selbst nicht Partner einer Vereinbarung mit dem Landkreis sind, von den "finanziellen Folgen von Vereinbarungen" betroffen sein könnten im Sinne von § 15 Abs. 4 NFAG a. F., wären die angefochtenen Bescheide des Beklagten mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig. Denn auch bei einer solchen erweiternden Auslegung müsste die Gemeinde jedenfalls von den finanziellen Folgen der (von einer anderen Gemeinde mit dem Landkreis geschlossenen) Vereinbarung selbst betroffen sein, was hier nicht der Fall ist. Da die Klägerin mit dem Beklagten keinen Kita-Vertrag geschlossen hat, hat sie nicht die in diesem Vertrag im Einzelnen aufgeführten, entsprechend der allgemeinen gesetzlichen Aufgabenverteilung dem Beklagten obliegenden Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe in ihrem Gemeindegebiet an dessen Stelle wahrzunehmen und auch nicht die finanziellen Folgen einer solchen Aufgabenwahrnehmung (teilweise) zu tragen. Im Verhältnis zum Beklagten besteht daher auch keine mittelbare Betroffenheit im Sinne einer finanziellen Belastung oder Entlastung durch die von diesem mit anderen Gemeinden geschlossenen Vereinbarungen. Die Klägerin ist aber auch nicht in irgendeiner sonstigen Weise von den finanziellen Folgen der von den anderen Gemeinden geschlossenen Kita-Verträge betroffen. Die Klägerin hat keinen (rechtlich relevanten) Vorteil davon, dass ein Großteil der Gemeinden im Gebiet des Beklagten mit diesem solche Kita-Verträge geschlossen, sie aber von dem Abschluss eines solchen Vertrags Abstand genommen hat, obwohl sie in der Vergangenheit ebenfalls solche Verträge mit dem Beklagten geschlossen hatte. Eine Betroffenheit der Klägerin von den finanziellen Folgen der von den anderen Gemeinden mit dem Beklagten geschlossenen Kita-Verträge wäre allenfalls insofern denkbar, als in den Kita-Verträgen Aufgaben übernommen worden wären, die anderenfalls von der Klägerin zu erfüllen gewesen wären. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn nach der gesetzlichen allgemeinen Verteilung der Aufgaben ist die Kinder- und Jugendhilfe keine Aufgabe der Klägerin. Sie wird folglich durch den Nichtabschluss des Kita-Vertrags weder belastet noch entlastet im Hinblick auf die allgemeine (gesetzliche) Verteilung der Aufgaben zwischen dem Landkreis und den Gemeinden und ist damit unter keinem Gesichtspunkt eine "betroffene Gemeinde" im Sinne des § 15 Abs. 4 NFAG a. F.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.