Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 29.09.2009, Az.: 74 IN 410/02

Befriedigung der vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entstandenen Unterhaltsforderungen aus der Insolvenzmasse oder dem an den Treuhänder abgetretenen Betrag; Geltung einer gesteigerten Unterhaltspflicht für nach Insolvenzeröffnung entstandene Unterhaltsforderung

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
29.09.2009
Aktenzeichen
74 IN 410/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 34151
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2009:0929.74IN410.02.0A

Fundstellen

  • ZInsO 2009, 2354-2355
  • ZVI 2009, 512

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Unterhaltsforderungen sind nur aus der Insolvenzmasse oder dem an den Treuhänder gem. § 287 Abs. 2 InsO abgetretenen Betrag zu befriedigen.

  2. 2.

    Die gesteigerte Unterhaltspflicht gem. § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO gilt nur für nach Insolvenzeröffnung entstandene Unterhaltsforderungen. Ob der Schuldner dieser Verpflichtung nachkommt, ist für die Erteilung oder Versagung einer Restschuldbefreiung ohne Bedeutung.

Tenor:

Der Schuldnerin wird in dem am 22.01.2003 eröffneten Insolvenzverfahren gem. § 300 InsO Restschuldbefreiung erteilt.

Die Laufzeit der Abtretungserklärung und das Amt des Treuhänders sind bereits seit dem 22.01.2009 beendet.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Gläubiger.

Gründe

1

I.

Über das Vermögen des Schuldners ist aufgrund Eigenantrages unter Bewilligung von Stundung am 22.01.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und nach Ankündigung der Restschuldbefreiung am 06.12.2004 aufgehoben worden. Mit Beschluss vom 15.01.2009 hat der Rechtspfleger Gläubiger zur Geltendmachung von Einwendungen gegen die Erteilung der Restschuldbefreiung bis zum 15.02.2009 aufgefordert. Gläubiger sind u.a. (lfd. Nr. 4) zwei minderjährige Kinder des Schuldners, deren festgestellte Forderung sich auf 782 EUR Kindesunterhalt beläuft. Sie haben fristgemäß Versagung beantragt unter Hinweis auf § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Der Schuldner erhält nach beigefügter Auskunft seines Arbeitsgebers von einem Bruttoverdienst von 420 EUR ein Betrag von 369,39 EUR ausgezahlt. Die Gläubiger vertreten die Ansicht, der Schuldner habe keine angemessene Erwerbtätigkeit ausgeübt bzw. sich um eine solche nicht bemüht. Der Treuhänder weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass der neben der geringfügigen Beschäftigung selbständig als Unterhaltungsmusiker tätige Schuldner bei drei Unterhaltspflichten keine Beträge abführen müsse, da das Nettoeinkommen in seinem erlernten Beruf als Straßenbauer bzw. in dem zuletzt ausgeübten Beruf als Garten- und Landschaftsbauer sich im Bereich von 1.400 EUR netto bewege. Der Schuldner tritt diesen Ausführungen bei und weist darauf hin, dass die versagungsantragstellenden Gläubiger gegen ihn im Jahre 2008 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkten. Die Gläubiger räumen dies in ihrer ergänzenden Stellungnahme ein und verweisen auf ein beigefügtes Urteil des Familiengerichtes Duderstadt vom 24.06.2004 (2 F 33/04 UK), wonach der Schuldner zur Zahlung näher bezifferten Unterhalts ab dem 22.01.2003 verurteilt ist. In den Urteilsgründen (Seite 5) ist ausgeführt, dass der Schuldner, der sein Einkommen mit 300 EUR angab, sich so behandeln lassen müsse, als wenn er ein Nettoeinkommen von 1.300 EUR erziele. Die Gläubiger vertreten die Ansicht, der Schuldner habe alle den Selbstbehalt von 900 EUR übersteigenden Einkommensanteile von dem zugrunde zu legenden Einkommen von 1.400 EUR zur Erfüllung der Unterhaltspflichten abführen müssen.

2

II.

Die Voraussetzungen für eine Versagung der Restschuldbefreiung liegen nicht vor. Dem Schuldner ist daher gem.§ 300 Abs. 1 InsO Restschuldbefreiung zu erteilen.

3

1.)

Geht ein selbstständig tätiger Schuldner zusätzlich einer abhängigen Beschäftigung nach, muss er die dem Treuhänder zufließenden Einkünfte um den Betrag aufstocken, als wenn er insgesamt abhängig beschäftigt wäre ( BGHZInsO 2006, 547, 548 Rn. 13 = NZI 2006, 413 = ZVI 2006, 257 [BGH 05.04.2006 - IX ZB 50/05]).

4

2.)

Der Schuldner ist bei drei Unterhaltspflichten bei einem Nettoeinkommen von ca. 1.400 EUR unpfändbar. Eine Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung gem. §§ 300 Abs. 2, 296 Abs. 1 Satz 1 InsO liegt folglich nicht vor. Eine gesteigerte Unterhaltspflicht gem. § 850 d ZPO für die Insolvenzforderung auf den vor Eröffnung entstandenen Unterhalt besteht nicht.

5

a)

§ 850d ZPO gilt im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung für Unterhaltsrückstände nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 4 ZPO. Welche Konsequenzen daraus im Rahmen eines Insolvenzverfahren zu ziehen sind, kann dahingestellt bleiben.

6

b)

§ 850 d ZPO gilt im Insolvenzverfahren nicht für vor Verfahrenseröffnung entstandene Unterhaltsforderungen. Erweitert pfändbare Beträge (§§ 850d, 850 f Abs. 2 ZPO) gehören nicht zur Insolvenzmasse, eine Pfändung ist zwar möglich (FK-InsO/Schumacher § 36 Rz. 20), allerdings nur unter den Voraussetzungen des § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO. Die Pfändung nach dieser Vorschrift ist nicht Insolvenzgläubigern gem. § 38 InsO, sondern nur Neugläubigern gestattet. Nur für diese hebt § 89 Abs. 1 Satz 2 InsO das Vollstreckungsverbot auf (BGH ZInsO 2007, 1226 Tz. 10 = NZI 2008, 50 = ZVI 2008, 17 = ZIP 2007, 2330).

7

c)

Geltung beansprucht § 850 d ZPO also nur für laufende Unterhaltszahlungen. Etwaige Verstöße des Schuldners zur gesteigerten Begleichung der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Unterhaltsverpflichtungen stellen keinen Versagungsgrund gem.§ 295 InsO dar. Daher kann offen bleiben, ob der Schuldner tatsächlich den laufenden Unterhalt abgeführt hat.

8

3)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO i.V.m § 91 ZPO.

Schmerbach Richter am Amtsgericht