Amtsgericht Göttingen
Urt. v. 06.05.2009, Az.: 21 C 4/09
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 06.05.2009
- Aktenzeichen
- 21 C 4/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44705
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2009:0506.21C4.09.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- LG Göttingen - 16.12.2009 - AZ: 6 S 58/09
Fundstellen
- ZIP 2009, 2072
- ZInsO 2009, 1656-1657
- ZVI 2009, 421
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Auf eine nach Insolvenzeröffnung unter der bisherigen Firmierung ohne den im Geschäftsverkehr üblichen Zusatz auf Insolvenz (i.I.) erteilte Gutschrift kann sich eine am Geschäftsverkehr teilnehmende Insolvenzgläubigerin nicht berufen und die Aufrechnung erklären.
- 2.
Eine etwaige Verletzung von Überwachungspflichten kann nur dann zu einer Haftung des Insolvenzverwalters gem. § 60 InsO führen, wenn die Erteilung der Gutschrift kausal für weitere Bestellungen war.
In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Göttingen auf die mündliche Verhandlung vom 06.05.2009 durch den Richter am Amtsgericht Schmerbach
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1 602,53 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.12.2007 sowie weitere 9,00 € zu zahlen.
- 2.)
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- 3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages.
Tatbestand
Der Kläger macht als Insolvenzverwalter Kaufpreisansprüche gegen die Beklagte geltend, die sich auf Gegenrechte aufgrund einer Gutschrift/Jahresrückvergütung beruft.
Der Kläger wurde am 19.01.2005 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt über das Vermögen der Firma R. Gesellschaft für Frischimporte GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin) bestellt. Darüber und über die Betriebsfortführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter wurden die Beklagte, die mit der Schuldnerin eine ständige Geschäftsbeziehung über die Belieferung von Lebensmitteln unterhielt, sofort unterrichtet. Am 01.05.2005 wurde das Verfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt, am 08.07.2005 erfolgte der Verkauf der Schuldnerin an die R. Express AG.
Für nach Insolvenzantragstellung erfolgte Lieferungen wurden am 19.03.2005 828,39 € in Rechnung gestellt (Bl. 14 d.A.), am 14.04.2005 erfolgte eine Gutschrift über 24,13 € (Bl. 16 d.A.), am 21.05.2005 wurde ein weiterer Betrag in Höhe von 873,09 € berechnet (Bl. 17 d.A.). Nach den Angaben im Beklagten-Schriftsatz vom 11.02.2009 Seite 2 (Bl. 25 d.A.) war auf der Rechnung vom 21.05.2005 ausdrücklich die Kontonummer des Insolvenzverwalters angegeben.
Unter dem Briefkopf der Schuldnerin wurde der Beklagten am 09.05.2005 eine Gutschrift über eine Jahresrückvergütung 2004 in Höhe von 1 602,53 € übersandt (Bl. 26 d.A.). Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Mitarbeiter Kastner der Schuldnerin dazu vom Kläger bevollmächtigt war. Nach den Angaben im Beklagten-Schriftsatz vom 11.02.2009 Seite 1 (Bl. 24 d.A.) erfolgte eine Vertriebsbindung an die Schuldnerin durch jährliche Rückvergütungen, deren Höhe sich nach dem Umsatz im davorliegenden Geschäftsjahr richtete. Der Gutschrift lag ein Kontoauszug bei (Bl. 27 d.A.), wonach sich unter Berücksichtigung der Rechnung vom 19.03.2005 über 828,39 € und der Gutschrift vom 14.04.2005 über 24,13 € ein Saldo zugunsten der Beklagten in Höhe von 798,27 € ergab. Diesen Saldo setzte die Beklagte von der Rechnung vom 21.05.2005 über 873,09 € ab und überwies lediglich den Restbetrag von 74,82 €.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger den vorprozessualen unter Fristsetzung zum 30.11.2007 vergeblich angemahnten Restbetrag von 1 602,53 € geltend nebst Auskunftskosten in Höhe von 9,00 € (Bl. 20 d.A.).
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO i.V.m. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO bzw. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig sei.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie beruft sich darauf, dass im Rahmen der geplanten Veräußerung des laufenden Geschäftsbetriebes die Kunden gehalten werden sollten, weshalb die Gutschrift erteilt worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger die Gutschriften selbst veranlasst habe, jedenfalls könnten sie nicht verborgen geblieben sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Unstreitig hat die Beklagte Warenlieferungen erhalten und den Rechnungsbetrag nur zu einem kleinen Teil beglichen. Aus der Gutschrift/Jahresrückvergütung 2004 kann die Beklagte keine Rechte herleiten.
Soweit Lieferungen vor Verfahrenseröffnung betroffen sind, scheitert eine Aufrechnung an der Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO, soweit Lieferungen nach Verfahrenseröffnung betroffen sind an der Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
Einer eventuellen Aufrechnung des Insolvenzverwalters steht die Vorschrift des § 96 InsO zwar nicht entgegen, da die §§ 94 bis 96 InsO nur die Aufrechnungsbefugnis der Insolvenzgläubiger betreffen, nicht aber die des Insolvenzverwalters, die sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 387 ff. BGB richtet (FK-InsO/Bernsau § 94 Rz. 3; Moorbutter/Ringstmeier/Glatt § 10 Rz. 3). Entgegen der Auffassung der Beklagten muss der Insolvenzverwalter die Gutschrift/Jahresrückvergütung 2004 (Bl. 26 d.A.) aber nicht gegen sich gelten lassen. Die Gutschrift trägt den Briefkopf der Schuldnerin. Einen Zusatz/Hinweis, dass sich die Schuldnerin in Insolvenz befindet (z.B.i.I.) trägt das im Übrigen nicht unterzeichnete Schreiben nicht. Im Geschäftsverkehr wird aber üblicherweise spätestens nach Insolvenzeröffnung ein entsprechender Hinweis angebracht.
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, im Hinblick auf die geplante Veräußerung des laufenden Geschäftsbetriebes habe die Vertriebsbindung zu ihr durch die jährliche Rückvergütung aufrechterhalten werden sollen. Weder die Gutschrift noch das übrige Verhalten des Insolvenzverwalters liefern dafür greifbare Anhaltspunkte.
Vielmehr liefe eine uneingeschränkte Jahresrückvergütung wie in den Vorjahren im laufenden Insolvenzverfahren dem in § 1 InsO statuierten Ziel einer gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung entgegen. Einzelne Gläubiger bzw. eine einzelne Gläubigergruppe würde bevorzugt behandelt werden. Dies muss sich die Beklagte, die am Geschäftsleben teilnimmt, entgegenhalten lassen.
Da der Kläger sich die Gutschrift nicht zurechnen lassen muss, kann dahinstehen, ob eine Unwirksamkeit der Gutschrift aus dem Gesichtspunkt der Insolvenzzweckwidrigkeit folgt (vgl. BGH ZInsO 2002, 577, 579 f. [BGH 25.04.2002 - IX ZR 313/99]).
Es kann auch dahinstehen, ob der Kläger die ihm obliegenden Sorgfalts- bzw. Überwachungspflichten verletzt hat mit der Folge, dass eine Haftung gemäß § 60 InsO eingreift. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte weitere Bestellungen bei der Schuldnerin nur aufgrund der Gutschriftmitteilung vom 09.05.2005 tätigte.
Der Zinsanspruch ist begründet gemäß §§ 284 ff. BGB.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.