Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 30.11.2001, Az.: 13 U 113/01
Freistellungsanspruch von Ansprüchen eines ersatzweise zur Auftragsdurchführung beauftragten Unternehmers nach berechtigter Auftragsentziehung; Zustandekommen eines Werkvertrages nach vergaberechtlichen Grundsätzen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 30.11.2001
- Aktenzeichen
- 13 U 113/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 30672
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:1130.13U113.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 28.03.2001 - AZ: 6 O 2/01
Rechtsgrundlagen
- § 5 Nr. 4 VOB/B
- § 8 Nr. 3 Abs. 2 S. 1 VOB/B
Fundstellen
- BauR 2002, 1852 (Volltext mit amtl. LS)
- FStBay 2003, 785-786
In dem Rechtsstreit
...
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht .....,
den Richter am Oberlandesgericht ..... und
den Richter am Landgericht .....
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 28. März 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert und Beschwer: bis zu 16.000 DM.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
I.
Der vom Landgericht zugesprochene Schadensersatz- und Freistellungsanspruch steht der Klägerin gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 2 S. 1 VOB/B, § 257 BGB zu.
1.
Zwischen den Parteien ist auf der Basis der VOB/B ein Werkvertrag zu Stande gekommen. Das entsprechende Angebot der Beklagten hat die Klägerin mit Schreiben vom 5. Juli 2000 angenommen. Dieses Schreiben ist der Beklagten vor Ablauf der am 14. Juli 2000 endenden Zuschlagfrist zugegangen.
a)
Das Schreiben vom 5. Juli 2000 wahrt die Schriftform. Ihm lässt sich die Auftragserteilung - mit Bindungswirkung auch für die Klägerin - unzweifelhaft entnehmen.
Der Hinweis darauf, dass der "schriftliche Auftrag" in Kürze zugesandt werde, bedeutet nicht, dass noch Vorbehalte i.S.d. § 154 Abs. 2 BGB gemacht würden. Die angekündigte Übersendung des "schriftlichen Auftrags" ist lediglich eine Formalität, die für die Erteilung des Zuschlags ohne Bedeutung ist. Das alles war für die Beklagte als Empfängerin auch erkennbar. Denn aus dem Schreiben ergab sich, dass der gemäß § 57 NGO zuständige Verwaltungsausschuss den Zuschlag an die Beklagte gebilligt hatte (vgl. BGH, BauR 1994, 363, 364) [BGH 20.01.1994 - VII ZR 174/92]. Damit stand fest, dass sie die Arbeiten ausführen sollte.
Aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg (NJW 1986, 437 [OLG Nürnberg 18.09.1985 - 4 U 3597/84]) ergibt sich nichts anderes. Sie betraf einen gänzlich anders gelagerten Fall. Dort war für den Bieter offensichtlich, dass die Person, die eine (fernmündliche) Auskunft über den beabsichtigten Zuschlag gab, keine rechtsverbindliche Erklärung abgeben wollte.
b)
Dem Schreiben vom 5. Juli 2000 konnte die Beklagte den Inhalt des Werkvertrages zwischen den Parteien zweifelsfrei entnehmen.
Auf die Einwendungen der Beklagten gegen das Leistungsverzeichnis und die Bauausführung, die insbesondere in dem Bietergespräch und nachfolgend auch schriftlich erhoben worden sind, nimmt das Schreiben vom 5. Juli 2000 keinen Bezug. Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin sich im Bietergespräch eine Prüfung der Einwendungen vorbehalten hatte, konnte und musste die Beklagte das Schreiben dahin verstehen, dass die Prüfung der Nachtragsangebote noch nicht abgeschlossen war. Mithin wurde der Zuschlag auf der Basis des ursprünglichen Angebotes erteilt. Das schadete auch nicht. Denn wenn sich im Laufe der Arbeiten herausstellen sollte, dass die von der Beklagten angebotenen zusätzlichen Arbeiten erforderlich werden würden, so hätten sie zusätzlich in Auftrag gegeben werden müssen. Diese allgemein praktizierte Verfahrensweise konnte die Beklagte auch für den vorliegenden Fall unterstellen. Dies gilt umso mehr, als Nachforderungen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Bieter - wie hier -Beanstandungen erhoben und auf Hindernisse hingewiesen hat.
c)
Der vergaberechtliche Gesichtspunkt, dass das Angebot der Beklagten um 18%, unter dem nächst günstigen Angebot lag, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Ein unangemessen niedriger Preis kann von der Vergabestelle hinterfragt werden. Der Bieter hingegen muss sich auch an einem unterpreisigen Angebot festhalten lassen, wenn ihm der Zuschlag erteilt wird.
2.
Schließlich liegen die Voraussetzungen für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auch im Übrigen vor.
Die Beklagte hat den Beginn der Ausführung verzögert und dann mit Schreiben vom 24. Juli 2000 und vom 27. Juli 2000 abgelehnt. Die Klägerin hatte für den Beginn der Arbeiten darüber hinaus mit Schreiben vom 21. Juli 2000 eine - wenn auch kurze - Nachfrist für den Beginn der Dachdeckerarbeiten gesetzt (§ 5 Nr. 4 VOB/B). Danach war die Klägerin gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B berechtigt, der Beklagten den Auftrag zu entziehen. Das hat sie getan und einen anderen Unternehmer mit der Durchführung der Arbeiten beauftragt. Die dadurch entstandenen, in zweiter Instanz unstreitigen Mehrkosten hat der Beklagte zu ersetzen und die Klägerin von den durch sein Verhalten verursachten Verbindlichkeiten gegenüber der Landschaftsarchitektin freizustellen (§ 8 Nr. 3 Abs. 2 S. 1 VOB/B, § 257 BGB).
II.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284, 288 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 546 ZPO.