Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.11.2001, Az.: Not 20/01

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
23.11.2001
Aktenzeichen
Not 20/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 40497
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ahndung von Verletzungen der Pflicht zur Führung des Verwahrungs- und Massenbuches.

Tenor:

Die Disziplinarverfügung des Landgerichts  ... - Der Präsident - vom 19. März 2001 ( ... ) und die sie bestätigende Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts  ... - Der Präsident - vom 31. Mai 2001 werden aufrecht erhalten.

Der Notar trägt die Kosten des Verfahrens sowie die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe

I.

 ...

II.

Der Antrag des Notars auf Entscheidung des Senats für Notarsachen beim Oberlandesgericht Celle ist zulässig, aber nicht begründet.

Die durch den Notar begangenen Verstöße gegen die Pflicht zur Unterhaltung einer ordnungsgemäßen Geschäftsstelle aus § 10 Abs. 2 BNotO sind als fahrlässig begangenes einheitliches Dienstvergehen zu ahnden (§ 95 BNotO). Im Hinblick auf die Dauer der untragbaren Zustände im Notariat des Antragstellers sowie unter Berücksichtigung seiner Vorbelastungen ist eine Geldbuße in Höhe von  ...  DM nicht zu beanstanden.

Da unstreitig ist, dass in dem Notariat des Antragstellers das Verwahrungs und Massenbuch ab April 2000 bis zu der Sonderprüfung am  ... . Oktober 2000 nicht mehr ordnungsgemäß geführt worden ist und die Kontoauszüge und Überweisungsträger zu den einzelnen Massen nur noch lose in eine Prospekthülle genommen worden sind, bedurfte es einer mündlichen Verhandlung nicht. Der Sachverhalt - hierzu gehören auch die fehlenden Eintragungen in die Urkundenrolle seit dem  ... . Oktober 2000, zum Zeitpunkt der Sonderprüfung - ist nicht weiter klärungsbedürftig, sodass eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist.

Die von dem Notar angeführten Gründe für die Vernachlässigung seiner Pflichten in Bezug auf die Führung des Notariats sind nicht geeignet, ihn von dem Vorwurf zu entlasten, die §§ 9, 13, 21 DONot a.F. nicht ausreichend beachtet zu haben. Warum der Notar trotz der vergleichsweise geringen Zahl von Urkundsgeschäften und der ebenfalls geringen Zahl von Massen, bei denen die Führung der Bücher keine großen Probleme bereitet haben kann, nicht selbst tätig geworden ist, sondern vielmehr seine Amtsgeschäfte massiv vernachlässigt hat, ist von ihm auch gegenüber dem Senat nicht nachvollziehbar erklärt worden. Die fehlende Führung des Verwahrungs und Massenbuches über einen Zeitraum von sechs Monaten ist schlechthin unverständlich. Sie kann nicht mit den Schwierigkeiten, Ersatz für eine ausgeschiedene Notariatsangestellte zu finden, erklärt werden. Die Fortführung von sechs Massen und das Einordnen der entsprechenden Belege kann dem Notar selbst keine so große Mühe bereitet haben, dass die Eintragungen und Abheftungen wegen der erfolglosen Suche nach einer Fachkraft unterbleiben mussten.

Das Handeln des Notars, der sich insoweit selbst um einen Ersatz kümmern musste und dies nicht der Notarkammer überlassen durfte, ist nicht nachvollziehbar und kann im Hinblick auf die Verpflichtung, die Akten so zu führen, dass sie stets auf dem aktuellen Stand sind, nicht hingenommen werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Führung der Verwahrungsgeschäfte, bei denen sich aus dem Bericht der Notarprüferin ergibt, dass es praktisch nicht möglich war, den Stand der Verwahrungsgeschäfte eindeutig zu klären. Die Verpflichtung zur Eintragung von Einnahmen und Ausgaben noch am Tage der Einnahme oder der Ausgabe, mit der garantiert werden soll, dass sich aus dem Verwahrungsbuch und dem Massenbuch der jeweils aktuelle Stand der Abwicklung ergibt, wird ad absurdum geführt, wenn die Eintragung monatelang unterbleibt und der Stand der Masse erst nach Zusammensuchen der Buchungsbelege ermittelt werden kann. Bei einer solchen Büroorganisation ist stets die Unsicherheit gegeben, dass unklar bleibt, ob die Belege vollständig vorhanden sind. Der aktuelle Stand der Masseabwicklung ist nicht zu erkennen. Welche Massen der Notar betreut, kann nur unter großen Schwierigkeiten festgestellt werden, so dass auch eine Gefährdung der Vermögensinteressen der Urkundsbeteiligten gegeben ist.

Der Verstoß gegen die Pflicht zur taggenauen Eintragung ist im Hinblick auf die Risiken eines solchen Verhaltens als so gravierend einzustufen, dass die Verhängung einer Geldbuße von 5.500 DM angemessen ist. Auch wenn das sorgfaltswidrige Verhalten des Notars letztlich nur sechs Massen betroffen hat, zeigt dieses Verhalten doch, dass der Notar nachhaltig an die Pflichten bei der Führung seiner Geschäftsstelle erinnert werden muss. Die Tatsache, dass aufgrund des vergleichsweise kleinen Notariats nicht mehr Massen betroffen waren, vermag den Notar deshalb nicht zu entlasten. Der Vorwurf der Uneinsichtigkeit ist ihm insoweit von der Aufsichtsbehörde zu Recht gemacht worden. Der Notar kann sich nicht darauf zurückziehen, mögliche Schwierigkeiten, die aus der Trennung von seinem früheren Sozius erwachsen sind, als Rechtfertigung für die nicht ordnungsgemäße Führung seiner Geschäftsstelle zu benutzen. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Weiterführung der Bücher besteht auch in einer solchen Situation. Sie darf auf gar keinen Fall über einen Zeitraum von sechs Monaten vernachlässigt werden.

Bei der Höhe der Geldbuße hat die Aufsichtsbehörde ferner mit Recht berücksichtigt, dass der Notar disziplinarrechtlich schon erheblich in Erscheinung getreten ist und deshalb ein fühlbarer Betrag festgesetzt werden musste. Soweit unter den disziplinarrechtlichen Vorbelastungen auch solche wegen unzulässiger Auswärtsbeurkundungen enthalten sind, ist ihre die Sanktion schärfende Berücksichtigung auch heute noch ungeachtet der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Auswärtsbeurkundungen (BVerfG NJW 2000, 3486 [BVerfG 09.08.2000 - 1 BvR 647/98]) möglich und geboten: Jene Entscheidung betrifft nämlich nur Beurkundungen außerhalb der Geschäftsstelle, aber innerhalb des Amtsbereiches des Notars. Die Disziplinarverfügung vom 19. März 1993 (Geldbuße von 5.000 DM und Verweis) betraf aber Auswärtsbeurkundungen in SachsenAnhalt , z. T. noch dazu unter Angabe des unrichtigen Beurkundungsortes , also zweifellos auch nach heutiger Rechtslage unzulässige Auswärtsbeurkundungen.

Ohne Bedeutung für das Verfahren ist es schließlich, dass Anlass für die Feststellung der Unregelmäßigkeiten im Notariat des Antragstellers eine Sonderprüfung gewesen ist, die aufgrund der laufenden Vermögensüberwachung angeordnet worden ist. Im Hinblick auf den Haftungsbescheid des Hauptzollamtes,  ... bezüglich dessen der Notar selbst einräumt, dass er die Forderung von 4,5 Millionen DM nicht erfüllen kann, besteht begründeter Anlass zu einer engmaschigen Überwachung des Notars. Der Anlass, auf Grund dessen sich die Unregelmäßigkeiten heraus gestellt haben, ist deshalb ohne Belang.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 96 BNotO i.V.m. §§ 114, 115 NDO. Danach muss der Notar die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen tragen, da sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfolglos bleibt.