Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.11.2001, Az.: 22 U 255/00

Emtgegenstehende Rechtskraft bei einer auf Nachholung der im Vorprozess versäumten Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gestützen Schadenersatzklage

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
15.11.2001
Aktenzeichen
22 U 255/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 30669
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2001:1115.22U255.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 11.10.2000 - AZ: 5 O 120/00

Fundstelle

  • BauR 2002, 1891-1892 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht .......,
den Richter am Oberlandesgericht ....... und
den Richter am Amtsgericht .......
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 11. Oktober 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters des Landgerichts Stade aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten der Berufung bleibt dem Landgericht vorbehalten.

Wert der Beschwer für beide Parteien: 12.608,41 DM.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung des Klägers hat insoweit Erfolg, als das angefochtene Urteil nach § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aufzuheben und die Sache an das Landgericht zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurückzuverweisen ist.

2

Das Landgericht hat zu Unrecht die Klage als unzulässig abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht dem Klagebegehren des Klägers nicht der Einwand der rechtskräftigen Entscheidung über den Streitgegenstand entgegen (§ 322 Abs. 1 ZPO). Der Streitgegenstand des Verfahrens vor dem Amtsgericht ....... (Aktenzeichen: 4 C 58/99), in dem die auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gerichtete Widerklage des Klägers mangels Vorliegens einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung rechtskräftig abgewiesen worden ist, ist nicht identisch mit dem Streitgegenstand des landgerichtlichen Verfahrens. Zwar geht es in beiden Verfahren um dieselben Mängel der Werkleistung der Beklagten und die Kosten für dessen Beseitigung. Der Kläger stützt seinen Anspruch nunmehr jedoch auf einen anderen Lebenssachverhalt, denn er hat nach Erlass des amtsgerichtlichen Urteils vom

3

25. November 1999 mit Schreiben seiner damaligen Prozessbevollmächtigten vom 29. Dezember 1999 und 5. Januar 2000 die für den Schadensersatzanspruch gemäß § 635 BGB erforderliche Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nachgeholt.

4

Die innere Rechtskraft des Urteils des Vorprozesses gemäß § 322 Abs. 1 ZPO erfasst lediglich diejenigen Tatsachen, die im Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben. Aus dieser zeitlichen Rechtskraftgrenze folgt, dass jede Partei gestützt auf neue Tatsachen in einem neuen Prozess eine Änderung der Rechtslage zu ihren Gunsten geltend machen und das Gericht folglich neu abweichend entscheiden kann. Dass eine die Rechtslage ändernde Tatsache - wie in diesem Falle - schon früher, nämlich vor Schluss der mündlichen Verhandlung des Erstprozesses, hätte geschaffen werden können, ist für die Frage der Präklusion grundsätzlich ohne Bedeutung. Neue Tatsachen gestatten eine neue Klage nämlich auch dann, wenn sie zum Streitgegenstand des Vorprozesses gehört hätten, sofern sie schon damals vorgelegen hätten. Der Eintritt eines neuen Ereignisses nach dem Präklusionszeitpunkt - hier die nachgeholte Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung - führt mithin stets zu einem neuen Streitgegenstand, auch wenn die gleiche Tatsache, wäre sie früher eingetreten, dem früheren Sachverhalt zuzurechnen gewesen wäre.

5

Eine eigene Sachentscheidung des Senats kommt nicht in Betracht, weil sie nicht sachdienlich im Sinne von § 540 ZPO erscheint. Eine Verwertung des in dem Vorprozess eingeholten Sachverständigengutachtens des Sachverständigen ....... käme nur dann in Betracht, wenn beide Parteien damit einverstanden wären. Die Beklagte hat jedoch mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 23. Oktober 2001 ausdrücklich einer Verwertung dieses Gutachtens widersprochen. Die Entscheidung des Rechtsstreits setzt daher eine weitere umfangreiche Sachaufklärung voraus. Die von dem Kläger in seiner Klageschrift vom 21. März 2000 im Einzelnen aufgeführten Mängel der Werkleistung des Beklagten und der zur Behebung dieser Mängel erforderliche Kostenaufwand sind nach wie vor zwischen den Parteien streitig und müssen durch Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens festgestellt werden.

6

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsrechtsstreits war dem Landgericht vorzubehalten. Da das Urteil in der Hauptsache keinen vollstreckungsfähigen Inhalt und auch keine Kostenentscheidung enthält, war es nicht gemäß § 708 Nr. 10 für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Festsetzung der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 ZPO.