Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 29.11.2001, Az.: 13 U 138/01
Arrestanspruch; Schadensersatz; Baugeld; Zweckwidrige Verwendung; Werklohnforderung; Bauvorhaben; Generalunternehmer
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 29.11.2001
- Aktenzeichen
- 13 U 138/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 21667
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:1129.13U138.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 18 O 734/01
Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 2 BGB
- § 1 GSB
Fundstellen
- IBR 2002, 311
- OLGReport Gerichtsort 2002, 95-97
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, ob ein Generalunternehmer Baugeld im Sinn des § 1 Abs. 3 GSB erhalten hat, wenn nicht geklärt werden kann, ob der an ihn vom Bauträger gezahlte Werklohn aus jenem Teil des an den Bauträger gezahlten Kaufpreises stammt, der mit einem durch Eintragung einer Grundschuld an dem Baugrundstück gesicherten Darlehen finanziert wurde.
Tenor:
Das gegen den Arrestbeklagten zu 2 ergangene Versäumnisurteil vom 14. September 2001 wird aufrechterhalten.
Der Einspruch des Arrestbeklagten zu 3 gegen das Versäumnisurteil vom 14. September 2001 wird verworfen.
Die Arrestbeklagten zu 2 und 3 haben die Berufungsverfahren bis zum Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 14. September 2001 entstandenen Kosten zu tragen. Der Arrestbeklagte zu 2 hat außerdem die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird, in Abänderung des Festsetzung durch das Landgericht auch für das erstinstanzliche Verfahren, auf bis 60. 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Berufung ist unbegründet.
Das Landgericht hat den Arrestbefehl vom 21. Februar 2001 mit Recht bestätigt.
I. Arrestanspruch
Der Arrestbeklagte zu 2 haftet (wie der Arrestbeklagte zu 3) der Arrestklägerin aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 GSB auf Schadensersatz, weil er entgegen § 1 Abs. 1 GSB als Geschäftsführer der Arrestbeklagten zu 1 für das Bauvorhaben bestimmte Baugelder vorsätzlich zweckwidrig verwendete, und weil deshalb die der Arrestklägerin zustehende Werklohnforderung nicht erfüllt worden ist (vgl. BGH, NJW-RR 1989, 1045, 1046 [BGH 06.06.1989 - VI ZR 281/88]) [BGH 06.06.1989 - VI ZR 281/88].
1. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Arrestklägerin i. S. des § 1 GSB an der Herstellung des Baus beteiligt war, und daher zu dem von GSB geschützten Personenkreis gehört. Die Arrestklägerin führte Leistungen aus, die im Rahmen der Herstellung des Gebäudes notwendig waren und zur Wertsteigerung des Gebäudes beitrugen, nämlich umfangreiche Trockenbauarbeiten.
2. Die Arrestbeklagte zu 1 erhielt für das Bauvorhaben Baugeld in Höhe von 6. 612. 000 DM.
Baugeld sind Geldbeträge, die zum Zweck der Bestreitung der Kosten eines Baus in der Weise gewährt werden, dass zur Sicherung der Ansprüche des Geldgebers eine Grundschuld an dem zu bebauenden Grundstück dient (§ 1 Abs. 3 GSB). Es entspricht dem Schutzzweck des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen, den Begriff 'Empfänger von Baugeld' weit zu fassen. Als Baugeldempfänger werden sowohl Bauträger als auch Generalunternehmer angesehen, sofern es sich bei dem an sie gezahlten Werklohn um Geldbeträge handelt, die aus grundpfandrechtlich gesicherten Baudarlehen für die Bestreitung der Baukosten stammen. Denn der Bauträger bzw. Generalunternehmer ist hinsichtlich des Teils der ihm als Vergütung gezahlten Beträge, die bei wirtschaftlicher Betrachtung ihm nachgeordneten Unternehmen gebühren, einem Treuhänder angenähert (BGH, NJW 2000, 956, 957 [BGH 16.12.1999 - VII ZR 39/99]) [BGH 16.12.1999 - VII ZR 39/99].
Im Streitfall war die Arrestklägerin von der Generalunternehmerin (oder Generalübernehmerin), der Arrestbeklagten zu 1, beauftragt worden. Bei den an die Arrestbeklagte zu 1 vom Bauträger ....... gezahlten 6. 612. 000 DM Werklohn handelte es sich um Baugeld i. S. des § 1 Abs. 3 GSG, denn die ....... hatte ihrerseits von der Grundstückserwerberin ....... einen Kaufpreis von 11. 155. 000 DM erhalten, der nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt teilweise, nämlich in Höhe von 8. 400. 000 DM, durch ein mit einer Grundschuld gesichertes Darlehen finanziert war (Grundschuldbestellungsurkunde vom 4. Oktober 1999). Soweit nicht geklärt werden kann, ob die an die Arrestbeklagte zu 1 gezahlten 6. 612. 000 DM aus dem durch Grundschulden gesicherten Teil des Kaufpreises von 11. 155. 000 DM stammten, geht dies zu Lasten der Arrestbeklagten. Das folgt daraus, dass der Zweck des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen nicht durch die Einschaltung von Unternehmen als 'Zwischenpersonen', hier der mit der ....... personell verflochtenen Arrestbeklagten zu 1, vereitelt werden darf (BGH, NJW 1982, 1037, 1038 [BGH 24.11.1981 - VI ZR 47/80]) [BGH 24.11.1981 - VI ZR 47/80].
3. Es ist glaubhaft gemacht, dass der Arrestbeklagte zu 2 als Geschäftsführer der Arrestbeklagten zu 1 höchstens 6. 147. 191, 41 DM des vorhandenen Baugelds von 6. 612. 000 DM ordnungsgemäß verwendete.
Insoweit genügt für die Darlegung des Arrestanspruchs zunächst die Glaubhaftmachung, dass der Verwendungspflichtige Baugeld in mindestens der Höhe der Forderung des Baugläubigers empfangen hat, und dass von diesem Geld nichts mehr vorhanden ist, ohne dass die fällige Forderung des Gläubiger befriedigt worden wäre (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 141, 142 [BGH 09.10.1990 - VI ZR 230/89]) [BGH 09.10.1990 - VI ZR 230/89].
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Arrestbeklagte zu 1 erhielt Baugeld in Höhe von 6. 612. 000 DM. Es ist unstreitig, dass sie den im vorliegenden Verfahren unstreitigen Restwerklohn der Arrestklägerin in Höhe von 174. 520, 45 DM nicht zahlte, und dass Pfändungen in die Firmenkonten der Arrestbeklagten zu 1 fruchtlos verlaufen sind. Unter diesen Umständen ist es Sache des Arrestbeklagten zu 2, die anderweitige ordnungsgemäße Verwendung des Geldes, d. h. seine Auszahlung an Baugläubiger, darzulegen (BGH a. a. O. ). Das hat der Arrestbeklagte zu 2 nur im Hinblick auf 6. 147. 191, 41 DM des vorhandenen Baugelds getan. Er hat in den überreichten Unterlagen (Leitzordnern) angegeben, die Arrestbeklagte zu 1 habe insgesamt 6. 618. 013, 94 DM an bei der Errichtung des Baus tätige Unternehmen gezahlt. Darüber hinaus hat er unter Hinweis auf § 1 Abs. 2 GSB die Hälfte des Werts der angeblichen Eigenleistungen der Arrestbeklagten zu 1 von 453. 059, 04 DM, also die ordnungsgemäße Verwendung weiterer 226. 529, 52 DM geltend gemacht. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Vielmehr ist von den nach Darstellung des Arrestbeklagten zu 2 zur Befriedigung an der Bauherstellung beteiligter Personen verwendeten 6. 844. 543, 46 DM (6. 618. 013, 94 DM + 226. 529, 52 DM) im Hinblick auf wenigstens 697. 352, 05 DM (260. 672, 53 DM + 7. 230 DM + 202. 420 DM + 227. 029, 52 DM) nicht dargelegt, dass es sich um Zahlungen an Bauhandwerker i. S. des § 1 GSB handelte:
Die nach den Unterlagen der Arrestbeklagten zu 1 für Vermittlung und Objektversicherung gezahlten Beträge von 260. 672, 53 DM und 7. 230 DM flossen nicht zur Befriedigung solcher Personen, die an der Herstellung des Baus beteiligt waren (§ 1 GSB). Denn 'Vermittlung und Objektversicherung' stellten keinen Beitrag zur Herstellung des Baus dar, der in der Schaffung von Mehrwert seinen Ausdruck fand (vgl. BGH-RR 1991, 928, 929). Außerdem ist eine ordnungsgemäße Verwendung der Gelder nicht glaubhaft gemacht, soweit die Arrestbeklagte zu 1 202. 420 DM für Architektenleistungen an die ....... geleistet haben soll. Im Hinblick auf diese Zahlungen liegen nur mehrere Teil- bzw. Abschlagsrechnungen vor. Dabei handelt es sich um keine ordnungsgemäßen Rechnungen der HOAI. Den Rechnungen ist nichts Näheres über den Gegenstand der angeblichen Leistungen zu entnehmen. Ungereimt ist insoweit auch, dass die ....... sich Planungsleistungen sowohl von der Käuferin ....... als auch von der Arrestbeklagten zu 1 bezahlten ließ und darüber hinaus für Architektenleistungen ein Darlehen in Höhe von 58. 000 DM aufnahm. Ferner hat der Arrestbeklagte zu 2 nicht hinreichend dargelegt, dass die Arrestbeklagte zu 1 Eigenleistungen von 453. 059, 04 DM in den Bau verwendete und somit die Hälfte dieses Betrags als Leistung für die Herstellung des Baus i. S. des § 1 GSB in Ansatz gebracht werden kann. Abgesehen davon, dass zumindest bei einem Teil der im Leitzordner 1 unter 'Eigenleistungen' aufgeführten Leistungen nicht ersichtlich ist, dass sie der Herstellung des Baus i. S. des § 1 GSB dienten (z. B. kaufmännische Betreuung, Rechnungsprüfung, Plausibilitätskontrolle, Abwicklung des Zahlungsverkehrs), fehlt es an jedem näheren Vortrag zum genauen Gegenstand und zum Umfang der behaupteten Eigenleistungen.
4. Die Arrestklägerin hat glaubhaft gemacht, dass Arrestbeklagte zu 2 vorsätzlich handelte.
Es ist mindestens überwiegend wahrscheinlich, dass der Arrestbeklagte zu 2 wusste, dass es sich bei den von der Arrestbeklagten zu 1 empfangenen Geldern um dinglich gesicherte Baugelder handelte (Ziff. XV des Bauträgervertrags vom 1. März 1999). Der Arrestbeklagte zu 2 war zur ordnungsgemäßen Verwendung der Baugelder verpflichtet (§ 1 Abs. 1 GSB). Soweit er sich in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hat, die Vorschriften des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen nicht gekannt zu haben, kommt es darauf nicht an. Eine etwaige Unkenntnis würde nur einen unbeachtlichen Rechtsirrtum darstellen (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 141, 142 [BGH 09.10.1990 - VI ZR 230/89]) [BGH 09.10.1990 - VI ZR 230/89]. Es ist auch davon auszugehen, dass der Arrestbeklagte zu 2 als Geschäftsführer der Arrestbeklagten zu 1 mit über die Baugelder verfügte.
5. Der Arrestklägerin ist aus der zweckwidrigen Verwendung der Baugelder ein Schaden in Höhe von 174. 520, 45 DM entstanden. Der Schaden folgt daraus, dass der Arrestbeklagten zu 1 zumindest in Höhe der Werklohnforderung der Arrestklägerin Baugeld für das Bauvorhaben zur Verfügung stand, und dass die Arrestklägerin wegen dessen zweckwidriger Verwendung keine Befriedigung erlangte (vgl. BGH NJW-RR 1991, 141, 143 [BGH 09.10.1990 - VI ZR 230/89]) [BGH 09.10.1990 - VI ZR 230/89].
II. Arrestgrund
Es ist zu besorgen, dass ohne die Verhängung des dinglichen Arrests der Zugriff der Gläubiger in das Vermögen des Arrestbeklagten zu 2 vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde (§ 917 Abs. 1 ZPO).
Es liegen hinreichende Anhaltspunkte für die Befürchtung vor, dass die Arrestbeklagten zu 2 und 3 sich aus dem Unternehmen der Arrestbeklagten zu 1 zurückzogen und das Unternehmen an einen 'Investor' in ....... verkauften, um eine stille Liquidation herbeizuführen. Während die Arrestbeklagte zu 1 als Generalunternehmerin (Generalübernehmerin) bereits den gesamten Pauschalpreis für das Bauvorhaben eingenommen hat, und nach dem nicht bestrittenen Klagevortrag noch Handwerkerforderungen in Höhe von mehreren 100. 000 DM bestehen, sind Pfändungen in die Firmenkonten fruchtlos verlaufen. Die eingenommenen Baugelder sind unstreitig ausgegeben. Mit Schreiben vom 31. Januar 2001 teilte der Arrestbeklagte zu 2 den Gläubigern mit, dass für die Gesellschaft ein Investor gefunden sei und der Sitz von ....... nach ....... verlegt werde; die neue Geschäftsleitung werde sich schnellstmöglich mit den Gläubigern in Verbindung setzen. Tatsächlich hatten die Arrestbeklagten zu 2 und 3 ihre Geschäftsanteile an den Immobilienmakler ....... in ....... verkauft, der schon zweimal, zuletzt im Jahr 1999, die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte. Wie das Landgericht für glaubhaft gehalten hat und die Arrestbeklagten dort mit der Berufung nicht angreifen, bedrohte u. a. der Arrestbeklagte zu 3 den Geschäftsführer der Arrestklägerin massiv mit Gewalt, um die Aufhebung des Arrest und einen Verzicht auf einen wesentlichen Teil der Werklohnforderung zu erreichen. Für die Darstellung der Arrestklägerin einer 'stillen Liquidation' spricht, dass der Arrestbeklagte zu 3 in den letzten Jahren bereits in drei Fällen Geschäftsführer von Gesellschaften war, die während seiner Geschäftsführertätigkeit oder kurz nach seinem Ausscheiden Konkurs anmeldeten.
Diese Umstände rechtfertigen die Annahme, dass auch eine Realisierung des glaubhaft gemachten Schadensersatzanspruchs gegen den Arrestbeklagten zu 2 persönlich gefährdet ist. Es muss befürchtet werden, dass der Arrestbeklagte zu 2 einen Zugriff in sein Vermögen mit der gleichen Zielstrebigkeit zu verhindern versuchen wird, wie die Arrestbeklagten zu 2 und 3 es bezüglich des Vermögens der Arrestbeklagten zu 1 taten.
B
Der Einspruch des Arrestbeklagten zu 3 gegen das Versäumnisurteil war zu verwerfen, weil der Arrestbeklagte zu 3 zwar Einspruch eingelegt hat, aber in der zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch bestimmten Sitzung nicht erschienen ist.
C
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO mit einem Drittel des Betrags der gesicherten Forderung bemessen (vgl. Zöller/Herget, 21. Aufl. , § 3 Rn. 16 'Arrestverfahren').
13 U 138/01
18 O 734/01 Landgericht Hannover
Beschluss
in dem Arrestverfahren
pp.
Das Urteil vom 29. November 2001 wird wegen offenbaren Unrichtigkeiten im Tenor dahin berichtigt, dass es bei der Kostenentscheidung 'Die Arrestbeklagten zu 2 und 3 haben die im Berufungsverfahren . . . ' und bei der Streitwertfestsetzung 'in Abänderung der Festsetzung' heißt.
Celle, 7. Dezember 2001
Oberlandesgericht, 13. Zivilsenat