Sozialgericht Hildesheim
Beschl. v. 13.08.2010, Az.: S 55 AS 1354/10 ER
§ 193 Abs. 6 VVG ist unter Berücksichtigung des Sozialstaatsgebots des Art. 20 Abs. 1 GG wegen beachtlicher Gemeinwohlinteressen verfassungsrechtlich unbedenklich; Das Vorliegen von Bestehen oder Entstehen der Hilfebedürftigkeit spielt nach Sinn und Zweck des § 193 Abs. 6 S. 5 VVG keine Rolle
Bibliographie
- Gericht
- SG Hildesheim
- Datum
- 13.08.2010
- Aktenzeichen
- S 55 AS 1354/10 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 36721
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGHILDE:2010:0813.S55AS1354.10ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 12 Abs. 1c S. 6 VAG
- § 26 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB II
- § 26 Abs. 3 SGB II
- § 193 Abs. 3 VVG
- § 193 Abs. 5 VVG
- § 193 Abs. 6 S. 5 VVG
- § 206 Abs. 1 S. 1 VVG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
- 2.
Kosten sind nicht zu erstatten.
- 3.
Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. aus G. zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes um die Höhe des Zuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 26 Abs. 2 und 3 Zweites Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1959 geborene, 2002 geschiedene Antragsteller ging bis zum 31. Dezember 2008 einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach und war bis dahin bei der CH. -Krankenversicherung AG (im Folgenden nur: CH.) privat kranken- und pflegeversichert. Offenbar bestand dieses Versicherungsverhältnis bis zum Beginn der Hilfebedürftigkeit fort. Seit dem 16. Februar 2009 bezieht er Leistungen nach dem SGB II. Nachdem der Antragsteller mit Schreiben vom 5. März 2009 beantragt hatte, Mitglied der IKK Niedersachsen (im Folgenden nur: IKK) - einer gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung - zu werden, ging der Antragsgegner in den Bewilligungsbescheiden für den Zeitraum 16. Februar 2009 bis 31. Januar 2010 zunächst davon aus, der Antragsteller sei nunmehr bei der IKK gesetzlich kranken- und pflegeversichert.
Die IKK teilte dem Antragsgegner jedoch mit Schreiben vom 23. April 2009 mit, eine Versicherung des Antragstellers werde nicht durchgeführt, weil dieser zuvor Mitglied einer privaten Krankenversicherung gewesen sei. Der für den Zeitraum 1. August 2009 bis 31. Januar 2010 ergangene Änderungsbescheid vom 4. November 2009 wies darauf hin, der Antragsteller sei seit dem 16. Februar 2009 nicht krankenversichert, und enthielt - ebenso wie der Bewilligungsbescheid vom 11. Januar 2010 für den Zeitraum 1. Februar bis 31. Juli 2010 - keine Regelung über Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.
Das Versicherungsverhältnis des Antragstellers mit der Central wurde daraufhin ab dem 24. November 2009 im sog. Basistarif neu begründet. Ausweislich des Versicherungsscheins der Central vom 5. Februar 2010 (Bl. 109 ff. der GA) hatte der Antragsteller hierbei zunächst monatlich 320,65 Euro an Versicherungsbeiträgen zu entrichten, und zwar 284,82 Euro im Tarif BTN0 für die Krankenversicherung (im Folgenden nur: KV) und 35,83 Euro im Tarif PVN für die Pflegeversicherung (im Folgenden nur: PV). Seit dem 1. Januar 2010 sind insgesamt monatlich 327,19 Euro zu entrichten, und zwar 290,63 Euro für die KV und 36,56 Euro für die PV.
Mit Änderungs- bzw. Bewilligungsbescheiden vom 1. März 2010 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für den Monat November 2009 Leistungen in Höhe von 736,62 Euro (auf den Zuschuss nach § 26 SGB II entfallen dabei 33,62 Euro - 29,41 Euro KV und 4,21 Euro PV -) sowie für den Zeitraum Dezember 2009 bis Januar 2010 und Februar bis Juli 2010 Leistungen in Höhe von insgesamt monatlich 847,09 Euro. Hierin ist der Zuschuss nach § 26 SGB II in Höhe von insgesamt monatlich 144,09 Euro enthalten. Auf die KV entfallen hierbei 126,05 Euro und auf die PV 18,04 Euro monatlich.
Gegen die Bescheide vom 1. März 2010 erhob der Antragsteller unter dem 16. März 2010 Widerspruch, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2010 zurückwies. Nach der geltenden Rechtslage (§ 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Satz 6, 2. HS. Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG - bzw. § 26 Abs. 3 SGB II) habe der Antragsteller keinen Anspruch auf einen höheren Zuschuss als bisher gewährt.
Der Antragsteller hat am 14. Juli 2010 Klage (S 45 AS 1367/10) zum Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Zugleich hat er um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Die vom Antragsgegner zitierten Vorschriften, die den Zuschuss begrenzen, seien verfassungswidrig; das habe der 15. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen bereits entschieden. Ein Abwarten der Entscheidung im Klageverfahren führe für ihn, den Antragsteller, zu irreparablen Nachteilen. Da eine Krankenversicherungspflicht bestehe, zwängen ihn die grundsicherungsrechtlichen Beschränkungen zu einem gesetzwidrigen Verhalten ohne eigenes Verschulden. Er sei nicht in der Lage, die monatliche Deckungslücke in Höhe von 327,19 Euro./. 144,09 Euro = 183,10 Euro aus Ersparnissen oder sonstigen Vermögenswerten zu schließen. Unzumutbar sei es auch, diese Differenz aus der monatlichen Regelleistung (359,00 Euro) aufzubringen, weil ihm dann nur noch 175,90 Euro monatlich zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts verblieben und das Existenzminimum deutlich unterschritten würde. Er habe seit November 2009 bereits einen Beitragsrückstand in Höhe von 1.460,45 Euro aufgebaut, dessen Ausgleich die CH. zuletzt mit Schreiben vom 16. Juni 2010 angemahnt habe. Für den Monat Juli 2010 befinde er sich mit einer weiteren teilweise nicht gedeckten Beitragszahlung in Verzug, so dass sich der Rückstand nunmehr auf 1.643,55 Euro belaufe. Auf eine ratenweise Abzahlung lasse sich die Central nur unter der - von ihm nicht erfüllbaren - Bedingung ein, dass er fortan (ab Juli 2010) die vollen Beiträge entrichte. Die CH. habe wegen der Beitragsrückstände - sowohl hinsichtlich der KV als auch bezüglich der PV - mit der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens und damit gedroht, das Bundesversicherungsamt zu informieren. Die Ordnungswidrigkeit bestehe darin, dass er sich bereits mehr als sechs Monate lang im Zahlungsverzug für Teilbeträge seiner KV und PV befinde. Das daraus drohende Bußgeld lasse eine weitere Vertiefung seiner Notlage befürchten. Darüber hinaus könne die derzeitige Situation zur Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seitens der Central gegen ihn führen. Überdies habe die Central im Juni 2010 damit begonnen, die Krankenversicherungsleistungen an ihn wegen der Beitragsrückstände zu reduzieren bzw. einzustellen. Er könne nicht darauf verwiesen werden, sich in einem Zivilrechtsstreit mit der CH. auseinanderzusetzen. Das "Ausfallrisiko" liege mehrheitlich nicht bei der Krankenversicherung, sondern bei ihm als Versicherungsnehmer. Diese Einschätzung habe der 15. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen ebenfalls getroffen. Schnellstmöglich müssten daher sowohl die bisherigen Rückstände ausgeglichen als auch die Entstehung weiterer Rückstände verhindert werden.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, ihm vorläufig einen weiteren, die Beiträge deckenden Zuschuss zu den Beiträgen seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung zu gewähren und seine Beitragsrückstände bei der CH. Krankenversicherung AG in Höhe von 1.643,55 Euro auszugleichen, und ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt F. aus G. beizuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er verteidigt die angegriffenen Bescheide als rechtmäßig und wiederholt und vertieft die darin gegebene Begründung. Es bestehe keine rechtliche Grundlage, die es ihm ermöglichen würde, Leistungen zum Ausgleich der Deckungslücke an den Antragsteller zu erbringen. Zudem fehle ein Anordnungsgrund, weil dem Antragsteller auch bei Nichtausgleich der fehlenden Beiträge weder eine Kündigung noch eine Leistungsausschluss seitens der Krankenversicherung drohe. Das hätten das SG Hildesheim und der 7. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen bereits entschieden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
1.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.
Der Antrag richtet sich vorliegend nach § 86b Abs. 2 SGG. Hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung nötig erscheint (Satz 2). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist deshalb, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund).
Dabei darf die einstweilige Anordnung wegen des summarischen Charakters des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich nicht die Entscheidung der Hauptsache vorwegnehmen. Im Hinblick darauf, dass einstweilige Anordnungen den Zweck verfolgen, zu verhindern, dass Rechte des Betroffenen durch Zeitablauf vereitelt werden, ist eine Anordnung mit Rücksicht auf die eintretenden wesentlichen Nachteile nur dann erforderlich, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls für den Antragsteller unzumutbar ist, ihn auf eine Entscheidung in einem Hauptsachverfahren zu verweisen. Dagegen dient eine einstweilige Anordnung nicht dazu, zu Lasten anderer Beteiligter der Hauptsacheverfahren eine schnellere Entscheidung zu erlangen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. August 2006 - L 6 B 200/06 AS -).
Sowohl die hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile (Anordnungsgrund) müssen glaubhaft gemacht werden, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Dies ist dem Antragsteller im vorliegenden Fall nicht gelungen.
a)
Der nicht familienversicherte Antragsteller, der aller Voraussicht nach nicht nach § 5 Abs. 5a Satz 1, 1. Alt. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gesetzlich krankenversicherungspflichtig ist, kann nach einfachem Gesetzesrecht (§ 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Sätze 5 und 6 VAG) keinen höheren Zuschuss als die bereits vom Antragsgegner bewilligten Beträge in Höhe von 126,05 Euro (KV) und 18,04 Euro (PV) beanspruchen.
§ 12 VAG betrifft die "substitutive" Krankenversicherung, also diejenige (private) Versicherung, die den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kranken- und Pflegeversicherungsschutz ersetzen kann, vgl. § 12 Abs. 1 VAG. § 12 Abs. 1c VAG enthält gesetzliche Anforderungen des Beitrags für den von allen Privatversicherern anzubietenden Basistarif (vgl. § 12 Abs. 1a VAG). Der nach § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II anwendbare § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG bezieht sich dabei auf Personen, bei denen Hilfebedürftigkeit allein aufgrund der Höhe der Beiträge eintritt. Hier beteiligt sich der Träger nach dem SGB II auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird.
§ 12 Abs. 1c Satz 6 VAG bezieht sich demgegenüber auf Personen, bei denen - wie hier - unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit besteht. Während nach § 12 Abs. 1c Satz 6, 1. HS. VAG Satz 4 der Norm entsprechend gilt und sich dadurch der Beitrag (für den Basistarif) für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte vermindert, sieht § 12 Abs. 1c Satz 6, 2. HS. VAG vor, dass der zuständige Träger der Grundsicherungsleistung nur denjenigen Betrag zahlt, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung höchstens zu tragen ist. Die Höhe des Betrages, der für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist, berechnet sich nach § 232a Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGB V i.V.m. § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) und §§ 246, 243 SGB V und beträgt aktuell nach den maßgeblichen Rechengrößen der Sozialversicherung 126,05 Euro für die KV. Für die PV ergibt sich ausgehend davon nach § 26 Abs. 3 SGB II ein Betrag in Höhe von 18,04 Euro.
Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die durch § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Satz 6, 2. HS. VAG und § 26 Abs. 3 SGB II statuierte Begrenzung des Zuschusses zu Beiträgen zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung gemessen an Art. 3 Abs. 1, 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig ist. Ebenso kann dahinstehen, ob der Antragsteller wegen derartiger verfassungsrechtlicher Bedenken unmittelbar gestützt auf die genannten Verfassungsbestimmungen oder im Wege verfassungskonformer extensiver Auslegung oder analoger Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II - der für freiwillig gesetzlich Krankenversicherte keine vergleichbare Begrenzung vorsieht - einen Anordnungsanspruch auf Leistungen zum Ausgleich bis zum 14. Juli 2010 (Eingang des Eilantrags) entstandener Rückstände sowie zur Übernahme der vollständigen laufenden Beiträge ab diesem Datum hat.
b)
Denn jedenfalls hat der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Das Gericht sieht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens keine schwerwiegenden, ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht anders abwendbaren Nachteile, die dem Antragsteller in absehbarer Zeit drohen könnten (so im Ergebnis zu einem vergleichbaren Fall jeweils auch: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25. März 2010 - L 7 AS 1453/09 B ER -; SG Hildesheim, Beschlüsse vom 28. April 2010 - S 23 AS 651/10 ER - und vom 23. Juli 2009 - S 43 AS 730/09 ER -).
aa)
Trotz der Begrenzung des Zuschusses nach § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB II während des Bestehens der Hilfebedürftigkeit droht dem Antragsteller zunächst kein Verlust des Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes.
Hintergrund ist das für private Krankenversicherer geltende absolute Kündigungsverbot im Sinne des §§ 206 Abs. 1 Satz 1, 193 Abs. 3 und 5 Versicherungsvertragsgesetz - VVG - (Versicherungspflicht und Kontrahierungszwang im Basistarif) und die Vorschrift des § 193 Abs. 6 VVG, die das Ruhen der Versicherungsleistungen betrifft (Sätze 1 bis 4) und in Satz 5, 2. Alt., für Hilfebedürftige nach dem SGB II eine Sonderregelung enthält, nach der das Ruhen der Leistungen endet, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des SGB II wird.
Nach der gesetzgeberischen Vorgabe hat danach der privat versicherte Hilfebedürftige die über den Beitrag für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehende Belastung selbst zu tragen, jedoch ohne ein Ruhen der Versicherungsleistungen bei Beitragsrückständen befürchten zu müssen, vgl. § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG. Der Versicherungsnehmer hat als Schaden einen Säumniszuschlag zu tragen, § 193 Abs. 6 Satz 8 VVG. Im Ergebnis wird durch diese Regelung das finanzielle "Ausfallrisiko" bei Hilfebedürftigkeit den Privatversicherern übertragen, ohne dass der Versicherungsschutz des Hilfebedürftigen entfällt. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist unter Berücksichtigung des Sozialstaatsgebots des Art. 20 Abs. 1 GG wegen beachtlicher Gemeinwohlinteressen verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08 - , [...] Rn. 180 ff.).
Etwas anderes ergibt sich im Hinblick auf den Ausschluss eines Ruhens der Leistungspflicht für die erkennende Kammer auch nicht wegen der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 16. September 2009 - L 3 AS 3934/09 ER-B - und des vorinstanzlichen Beschlusses des SG Stuttgart vom 13. August 2009 - S 9 AS 5003/09 ER -. Der Auffassung des SG Stuttgart, wonach § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG nur Anwendung findet, wenn eine Person bereits Beitragsrückstände hat und dann hilfebedürftig wird, vermag sich die erkennende Kammer nicht anzuschließen. Entgegen der Formulierung in § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG " die versicherte Person hilfebedürftig wird" kann es nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift keine Rolle spielen, ob Hilfebedürftigkeit erst noch entsteht oder schon besteht. § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG ist so zu verstehen, dass das Ruhen auch gar nicht erst eintritt, wenn Hilfebedürftigkeit bereits bei Vorliegen des Beitragsrückstandes besteht (so auch SG Dresden, Beschluss vom 18. September 2009 - S 29 AS 4051/09 ER -; vgl. auch Klerks, Der Beitrag für die private Krankenversicherung im Basistarif bei hilfebedürftigen Versicherungsnehmern nach dem SGB II und dem SGB XII, info also 4/2009, S. 158). Die Vorschrift des § 193 Abs. 6 S. 5, 2. Alt. VVG schließt in der Konsequenz auch aus, dass der Versicherer vom Vertrag zurücktreten kann oder der Versicherungsschutz erst gar nicht beginnt, wenn der erste Beitrag im Basistarif nicht in voller Höhe gezahlt wird. Andernfalls würde die Vorschrift damit wieder ausgehebelt werden.
Soweit der Antragsteller demnach nach einfacher Gesetzeslage verpflichtet ist, die über den Zuschuss nach § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II hinausgehenden Belastungen selbst zu tragen (und damit bei Beitragsrückständen Schulden aufzubauen), sind verfassungsrechtliche Fragen über die Zulässigkeit der Begrenzung des Zuschusses nach § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ggf. im Hauptsacheverfahren zu klären, etwa im Hinblick auf einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, der in Rechtsprechung und Literatur bereits bei der bis Ende 2008 geltenden Fassung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II erörtert und im Ergebnis verneint wurde (vgl. SG Berlin Beschluss vom 22. November 2005, Az.: S 96 AS 9757/05 ER; Radüge, in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 26 SGB II Rn. 31).
Der Antragsteller ist jedenfalls nicht gehalten, den verbleibenden Betrag aus der Regelleistung zu zahlen, um sich den Versicherungsschutz im Krankheitsfall zu erhalten. Er kann sich darauf beschränken, die bewilligten 126,05 EUR an die CH. weiterzuleiten. Das Existenzminimum ist damit nicht gefährdet.
Die erkennende Kammer schließt sich aus den oben benannten Gründen auch nicht der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des 15. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - L 15 AS 1048/09 B ER - an, da, selbst wenn man zu einer Verfassungswidrigkeit des § 12 Abs. 1c Satz 6, HS. 2 VAG gelangte, Nachteile für den Hilfebedürftigen zunächst nicht drohen (so auch: 7. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25. März 2010 - L 7 AS 1453/09 B ER -).
bb)
Die Eilbedürftigkeit ergibt sich auch nicht dann, wenn der Versicherer aufrechnet. Einer Aufrechnung mit eingereichten Arztrechnungen steht die Vorschrift des § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG entgegen. Soweit die CH. also wegen nicht in voller Höhe gezahlter Beiträge Arztrechnungen lediglich anteilig oder gar nicht übernehmen sollte, wäre dies zivilrechtlich unzulässig. Es ist zumutbar, in diesem Fall den Zivilrechtsweg, ggf. im Wege eines Eilverfahrens, dagegen zu beschreiten (so LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25. März 2010 - L 7 AS 1453/09 B ER -). Es ist aber im vorliegenden Fall weder ersichtlich noch konkret vorgetragen, dass bisher erfolgte Kürzungen bzw. Ausschlüsse (vgl. Leistungsabrechnung der CH. vom 14. Juni 2010, Bl. 12 f. der GA) aufgrund einer Aufrechnung und nicht nach Maßgabe der Regelungen des Versicherungsvertrages vorgenommen wurden. Der Hinweis am Ende der zur Gerichtsakte gereichten Leistungsabrechnung, die eine Erstattung von Kosten gemäß Leistungsantrag vom 2. Juni 2010 im Ergebnis gänzlich ablehnt, lautet nämlich: "Diese Kosten beziehen sich auf einen Behandlungszeitraum, für den bei unserer Gesellschaft kein Versicherungsvertrag besteht (vor Versicherungsbeginn bzw. nach Versicherungsende).". Angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller im Zeitraum 16. Februar bis 23. November 2009 nicht bei der CH. krankenversichert war, geht die erkennende Kammer davon aus, dass die mit Leistungsantrag vom 2. Juni 2010 eingereichten Arztrechnungen etc. Behandlungen in diesem Zeitraum betreffen. Eine Leistungsverweigerung seitens der CH. infolge der vom Antragsteller entrichteten zu geringen KV-Beiträge ist dem Gericht daraus nicht ersichtlich geworden.
cc)
Ein Anordnungsgrund folgt entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht daraus, dass die CH. mit Schreiben vom 16. Juni 2010 damit gedroht habe, ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten und das Bundesversicherungsamt zu informieren. Entgegen dem Vortrag des Antragstellers aus dem Schriftsatz vom 21. Juli 2010 (Bl. 49 f. der GA) bezieht sich diese Drohung zum einen nicht auch auf rückständige KV-Beiträge, sondern nur auf rückständige PV-Beiträge, weil dort nur auf das dieser Versicherung zugehörige Elfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) Bezug genommen wird (vgl. Schreiben der Central vom 16. Juni 2010 auf Bl. 11 der GA). Dies entspricht auch der Rechtslage, denn nach § 51 Abs. 1 Satz 2 SGB XI ist derjenige Versicherungsnehmer durch das private Pflegeversicherungsunternehmen an das Bundesversicherungsamt zu melden, der mit der Entrichtung von sechs (vollen) Monatsprämien in Verzug geraten ist. Dies steht im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 121 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI, nach dem sich ordnungswidrig verhält, wer vorsätzlich oder leichtfertig mit der Entrichtung von sechs Monatsprämien zur privaten Pflegeversicherung in Verzug gerät. Für den Bereich der privaten Krankenversicherung existiert eine vergleichbare Vorschrift nicht.
Vor diesem Hintergrund kann sich das vom Antragsteller geschilderte Bedrohungsszenario von vornherein lediglich auf die PV-Beiträge beziehen. Aber auch bezogen darauf ist ein Anordnungsgrund zu verneinen, weil auch insoweit eine sofortige gerichtliche Entscheidung nicht erforderlich ist. Denn der Antragsteller kann ohne weiteres die vom Antragsgegner insgesamt in Höhe von 144,09 Euro monatlich gewährten Zuschüsse zur KV und PV an die CH. weiterleiten und dabei eine eigenständige, von den Zuordnungen des Antragsgegners unabhängige Tilgungsbestimmung dergestalt treffen, dass die gegenüber der CH. fälligen PV-Beiträge in Höhe von derzeit 36,56 Euro monatlich vollständig, die fälligen KV-Beiträge hingegen in geringerem Umfang als bisher (monatlich 107,53 Euro statt 126,05 Euro) entrichtet sein sollen. Damit steht ihm im Rahmen der "Selbsthilfe" eine Möglichkeit zur Verfügung, die Verwirklichung des genannten Ordnungswidrigkeitentatbestandes und die Meldung an das Bundesversicherungsamt in jedem Fall zu vermeiden. Entsprechendes gilt für die bereits aufgelaufenen PV-Beitragsrückstände von rund 160 Euro. Auswirkungen auf den Erhalt des Krankenversicherungsschutzes ergäben sich dadurch nicht.
dd)
Aus einer drohenden Zwangsvollstreckung wegen der rückständigen Beiträge seitens der CH. - für deren Einleitung es im vorliegenden Fall schon deshalb keine Anhaltspunkte gibt, weil nicht erfüllte Beitragsansprüche der CH. noch nicht einmal gerichtlich tituliert sind - ergäbe sich kein Anordnungsgrund. Nach eigenem Vortrag besitzt der Antragsteller kein Schonvermögen, das im Rahmen der Pfändungsgrenzen der § 850 ff. ZPO dem Zugriff der CH. als Vollstreckungsgläubigerin ausgesetzt wäre. Bezüglich der seinem Girokonto gutgeschriebenen Leistungen nach dem SGB II besteht Pfändungsschutz nach § 850k ZPO.
ee)
Schließlich folgt ein Anordnungsgrund derzeit nicht daraus, dass die CH. den Antragsteller dann, wenn dessen Hilfebedürftigkeit endet (z.B. durch Erzielung vollständig bedarfsdeckenden Erwerbseinkommens), auf Nachzahlung der rückständigen Beiträge in Anspruch nehmen und nach Maßgabe des § 193 Abs. 6 Satz 2 VVG bis zur Begleichung der Rückstände das Ruhen der Leistungen feststellen kann. Denn dass der Entfall der Hilfebedürftigkeit derzeit unmittelbar bevorstünde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, bei Eintritt einer solchen Situation erneut sozialgerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz zu suchen.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
3.
Dem Antragsteller kann nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden, weil der Rechtsverfolgung im Eilverfahren aus den unter 1. dargelegten Gründen die hinreichende Aussicht auf Erfolg abzusprechen ist.